Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 1767/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2859/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. April 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft mithin ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen ist.
Die 1947 geborene Klägerin beantragte am 6. August 2003 die Feststellung des GdB und machte die folgenden Gesundheitsstörungen geltend: Kniearthrose rechts, chronische Cervikobrachialgie, Zustand nach Oberarmfraktur rechts, Wirbelsäulenerkrankung, Handgelenksbeschwerden beidseits nach Handgelenksbruch, Struma diffusa, venöse chronische Insuffizienz der Beine. Das frühere Versorgungsamt Rottweil (VA) holte Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. O. vom 26. September 2003 und des Facharztes für Orthopädie B. zum 4. Oktober 2003 ein und veranlasste die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme des Dr. Sch. vom 1. November 2003. Dieser beurteilte den Gesamt-GdB mit 40, wobei er von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen ausging:
1. Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, chronisch-venöse Insuffizienz beidseits, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen Teil-GdB 30 2. Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, beider Ellenbogengelenke und beider Handgelenke, Polyarthralgien Teil-GdB 20 3. Schilddrüsenvergrößerung (Struma) Teil-GdB 10 4. Allergie, allergische Rhinitis Teil-GdB 10
Mit Bescheid vom 12. November 2003 stellte das VA den GdB bei der Klägerin gestützt auf diese Stellungnahme ab 6. August 2003 mit 40 fest und verneinte das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, ihre Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht ausreichend bewertet. Der Schwerpunkt ihrer Beeinträchtigungen liege auf orthopädischem Fachgebiet, wobei diese für sich betrachtet bereits einen GdB von 50 rechtfertigten. Hinzu träten vermehrte rheumatische Beschwerden. Stärker zu berücksichtigen seien auch die Beschwerden auf neurologischem Fachgebiet. Die Klägerin legte den Arztbrief des Priv.-Doz. Dr. R., Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie, vom 2. Februar 2004 sowie den Bericht des Radiologen Dr. R. vom 28. Januar 2004 über die am Vortag durchgeführte ComputertomoG.ie der Brustwirbelkörper 1 bis 12 vor. Das VA veranlasste die vä Stellungnahme des Dr. A.-F. vom 11. Mai 2004, der alle Behinderungen der Klägerin erfasst und wohlwollend bewertet sah. Eine höhere Einstufung auf orthopädischem Fachgebiet komme nicht in Betracht, da eine wesentliche Funktionseinbuße nicht bestehe. Eine neurologische Erkrankung habe der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. ausweislich seines aktenkundigen Arztbriefs vom 6. Mai 2003 nicht objektivieren können. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Mit ihrer am 4. Juni 2004 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft weiter. Sie wiederholte ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er legt die vä Stellungnahmen von Medizinaldirektor (Med.-Dir.) D. vom 7. Februar 2005 und des Dr. G. vom 7. September 2006 vor und vertrat die Auffassung, dass auch unter weiterer Berücksichtigung eines chronischen Schmerzsyndroms mit einem Teil-GdB vom 20 angesichts der Überschneidungen mit den körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet maximal von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen sei. Das SG hörte Priv.-Doz. Dr. R. unter dem 29. September 2004, Dr. O. unter dem 13. Oktober 2004, Dr. G. unter dem 19. Oktober 2004 sowie den Orthopäden B. unter dem 27. Oktober 2004 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. R. und Dr. O. sahen die Funktionsbeeinträchtigungen vollständig erfasst und zutreffend bewertet. Dr. G. beschrieb eine leichte Kompression des Armplexus rechts, die im Zusammenhang mit der Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks stehe, ein leichtes Carpaltunnelsyndrom sowie Nervenwurzelreizerscheinungen, die am ehesten der Osteochondrose im Bereich von C 5/6 entsprächen. Der Gesamt-GdB könne nur im Zusammenhang mit den orthopädischen Funktionsbehinderungen festgestellt werden. Die allein auf neurologischem Fachgebiet vorliegenden Störungen gingen nicht über einen Gesamt-GdB von 40 hinaus. Der Orthopäde B. erachtete einen Gesamt-GdB von 50 für "statthaft bzw. ausreichend". Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhob das SG das orthopädische Gutachten des Priv.-Doz. Dr. Dr. St., ehemaliger Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Traumatologie im Klinikum der Stadt Villingen-Schwenningen, vom 10. Oktober 2005. Dieser bewertete die Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10, die Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Schultergelenks einschließlich der endgradigen Einschränkung der Handgelenks-/Daumenbeweglichkeit mit einem Teil-GdB von 20 sowie die Instabilität des rechten Kniegelenks gleichermaßen mit einem Teil-GdB von 20. Den Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet schätzte er auf 40. Auf den weiterem Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erhob das SG das rheumatologische Gutachten des Priv.-Doz. Dr. R. vom 13. März 2006, das dieser im Hinblick auf die zuvor im Oktober 2005 durchgeführte gutachtliche Untersuchung der Klägerin im Rahmen eines Rentenrechtsstreits ohne erneute Untersuchung erstattete. Er beurteilte den GdB für die Beeinträchtigungen von Seiten des rechten Kniegelenks und der Fingerpolyarthrose ebenso wie die Behinderung im Bereich des Schultergelenks rechts mit 20 und die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule mit 10. Den GdB für das darüber hinaus diagnostizierte Fibromyalgie-Syndrom schätze er auf 30. Insgesamt hielt er einen Gesamt-GdB von 50 für gerechtfertigt. Auf den weiteren Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erhob das SG schließlich das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. G., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Innere Medizin, vom 23. Mai 2006. Dieser ging auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von einer leichten Erschöpfungsdepression aus und äußerte den Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Diese depressiven und somatoformen Verarbeitungsstörungen (somatoforme Schmerzstörung, Differential-Diagnose: Fibromyalgie-Syndrom) bewertete er mit einem Teil-GdB von 20. Der Sachverständige sah zwar Wechselwirkungen zwischen den organisch begründbaren Beschwerden und den psychosomatischen Ausgestaltungen, gleichwohl vertrat er die Auffassung, dass der GdB von 40 unter Berücksichtigung dieser Beeinträchtigung der Gesamtlage nicht mehr gerecht werde, weshalb ein GdB von 50 gerechtfertigt und angemessen sei. Mit Urteil vom 18. April 2007 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, das chronische Schmerzsyndrom bzw. die depressiven und somatoformen Schmerzverarbeitungsstörungen rechtfertigten einen GdB von 20, die Gesamtbehinderung jedoch keinen höheren GdB als 40. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 14. Mai 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 6. Juni 2007 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe die Ergebnisse der eingeholten Gutachten nicht ausreichend berücksichtigt. Allein auf orthopädischem Fachgebiet sei der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Dr. St. von einem GdB von 40 ausgegangen, wobei er die Beeinträchtigungen von rheumatologischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet noch nicht berücksichtigt habe. Die Sachverständigen Dr. R. und Dr. G. seien unter Einbeziehung dieser Fachgebiete dann zu einem Gesamt-GdB von 50 gelangt. Entsprechend hätte das SG der Klage daher stattgeben müssen. Soweit das SG davon ausgegangen sei, dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit noch nicht vorliege, weshalb ein GdB von 20 für das Schmerzsyndrom noch angemessen sei, könne dieser Beurteilung aufgrund der Entwicklung der gesundheitlichen Beschwerden nicht gefolgt werden. Schließlich habe der in dem anhängig gewesenen Rentenverfahren L 13 R 4838/06 mit einer Begutachtung beauftragte Schachverständige Dr. M. nachvollziehbar und ausführlich ihre Alltagseinschränkungen dargestellt, die von sehr ausgeprägten bis extremen Beeinträchtigungen bei der Bewältigung der Alltagsroutine reichten. Sie hat dessen Gutachten vom 27. Februar 2007 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. April 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 12. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2004 zu verurteilen, den GdB mit wenigstens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat die vä Stellungnahme von Dr. Mattes vom 24. Oktober 2007 und des Dr. W. vom 31. März 2008 vorgelegt. Danach könne bei integrativer Beurteilung selbst dann kein höherer Gesamt-GdB als 40 begründet werden, wenn man das chronische Schmerzsyndrom nicht lediglich mit einem GdB von 20, sondern mit einem solchen von 30 bewerten würde.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 12. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zutreffend mit einem Gesamt-GdB von 40 bewertet. Mit dem Ausmaß der Beeinträchtigungen wird die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht.
Die Feststellung des GdB richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die seit dem 1. Juli 2001 an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Ferner stellen sie auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AHP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AHP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, 19 Abs. 4, S. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die für die Bemessung des GdB maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen liegen bei der Klägerin einerseits auf orthopädischem Fachgebiet und andererseits auf neurologisch-psychiatrischem bzw. rheumatologischem Fachgebiet. Darüber hinaus liegt bei der Klägerin eine Schilddrüsenvergrößerung (Struma) sowie eine Allergie/allergische Rhinitis vor, welche jeweils einen Teil-GdB von 10 bedingen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Im Streit steht allerdings, in welchem Ausmaß die Klägerin einerseits durch die orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen und andererseits durch die chronische Schmerzerkrankung beeinträchtigt ist und ob eine entsprechende Gesamtschau die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigt.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Dr. St. sei von orthopädischer Seite bereits ein GdB von 40 zu berücksichtigen, vermag der Senat dieser Beurteilung in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten nicht zu teilen. Denn die von diesem Sachverständigen insoweit getroffene Gesamt-Bewertung lässt sich auf der Grundlage des Ausmaßes der von ihm im Einzelnen beschriebenen Gesundheitsstörungen nicht rechtfertigen. So liegt bei der Klägerin seinen Ausführungen zufolge im Bereich der unteren Gliedmaßen eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks in Form einer Instabilität des Kniebandapparates vor, die muskulär nicht kompensiert ist und dadurch zu einer Einschränkung der Trage- und Gehfunktion der Gliedmaße führt. Für eine derartige Beeinträchtigung sehen die AHP einen Teil-GdB von 20 vor, wovon auch der Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Dr. St. ausgegangen ist. Von orthopädischer Seite ist die Klägerin darüber hinaus im Bereich der rechten oberen Gliedmaße durch eine deutliche Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit und eine endgradige Einschränkung der Handgelenks-/Daumenbeweglichkeit beeinträchtigt, was einen Teil-GdB von gleichermaßen 20 rechtfertigt. Die im Übrigen dokumentierten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit lediglich endgradiger Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit rechtfertigen angesichts der geringfügigen funktionellen Auswirkungen lediglich die Bewertung mit einem Teil-GdB von 10. Die Richtigkeit dieser Teil-GdB-Werte von 20, 20 und 10 - wie sie Priv.-Doz. Dr. Dr. St. aufgrund seiner gutachtlichen Untersuchung für angemessen erachtet hat - hat die Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Auch der Beklagte hat diese Einzelbewertung seiner eigenen Beurteilung zugrunde gelegt. Der Senat teilt diese Einschätzung, die ohne weiteres mit den AHP in Einklang zu bringen ist. Soweit der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Dr. St. ausgehend von diesen Einzel-GdB-Werten die Funktionsbehinderungen auf orthopädischem Fachgebiet allerdings mit 40 bewertet, vermag der Senat sich dieser Beurteilung, auf die sich die Klägerin im Berufungsverfahren stützt, nicht anzuschließen. Denn wie bereits dargelegt, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, im Regelfall nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, weshalb die Bemessung der bei der Klägerin vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 40 einer Addition von Teil-GdB-Werten gleich käme, was nach den AHP grundsätzlich aber gerade ausgeschlossen ist. Im Hinblick auf den weiteren Umstand, dass es selbst bei einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, teilt der Senat die Beurteilung des Dr. G. in seiner vä Stellungnahme vom 7. September 2006, wonach die Einschätzung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Dr. St. überhöht ist und sich von orthopädischer Seite lediglich ein GdB von 30 begründen lässt.
Soweit bei der Klägerin über die bereits erwähnten orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen hinaus ein chronisches Schmerzsyndrom vorliegt, das der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. R. diagnostisch als Fibromyalgie-Syndrom und der Sachverständige Dr. G. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Störung der Schmerzverarbeitung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung gewertet hat, vermag der Senat nicht von einem höheren Teil-GdB als 30 auszugehen. Priv.-Doz. Dr. R. sah die Klägerin in ihrer Alltagstätigkeit zwar erheblich eingeschränkt, legte im Einzelnen jedoch nicht dar, worin konkret diese Einschränkungen bestehen, so dass seine Bewertung mit einem GdB von 30 nicht ohne weiteres nachvollzogen werden kann. Auch der Sachverständige Dr. G. hat die von ihm insoweit angenommenen Einschränkungen nicht konkret beschrieben, bewertete diese in Abweichung von Priv.-Doz. Dr. R. allerdings als weniger schwerwiegend und gelangte dadurch lediglich zu einem Teil-GdB von 20. Nach Auswertung des von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Schmerzgutachtens des Dr. M., das dieser in dem Rentenverfahren L 13 R 4838/06 erstattet hatte, neigt der Senat wegen der darin beschriebenen deutlich verminderten Belastungsfähigkeit mit ausgeprägten Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen bei einem deutlich erkennbaren sozialen Rückzug zwar dazu, der Einschätzung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. R. zu folgen. Jedoch kann diese Einzelbewertung letztlich dahingestellt bleiben, da ungeachtet der Bewertung dieser Funktionsbeeinträchtigung im Rahmen einer Gesamtbeurteilung kein GdB von 50 erreicht wird. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Dr. W. in seiner vä Stellungnahme vom 31. März 2008 an. Darin hat Dr. W. für den Senat schlüssig und nachvollziehbar begründet, dass die Überschneidungen zwischen den Funktionsbeeinträchtigungen von orthopädischer Seite und dem gesondert bewerteten chronischen Schmerzsyndrom derart weitreichend sind, dass bei integrativer Beurteilung kein höherer Gesamt-GdB als 40 erreicht wird. Schließlich vermochte sich der Senat im Rahmen einer Gesamtbeurteilung gerade nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin so schwerwiegend eingeschränkt ist, wie dies bei solchen Behinderungen der Fall ist, für die nach den AHP einen GdB von 50 vorgesehen ist, so namentlich bei einem Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule oder bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesenen Leistungsbeeinträchtigungen bereits bei leichter Belastung (bspw. Spazierengehen).
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft mithin ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen ist.
Die 1947 geborene Klägerin beantragte am 6. August 2003 die Feststellung des GdB und machte die folgenden Gesundheitsstörungen geltend: Kniearthrose rechts, chronische Cervikobrachialgie, Zustand nach Oberarmfraktur rechts, Wirbelsäulenerkrankung, Handgelenksbeschwerden beidseits nach Handgelenksbruch, Struma diffusa, venöse chronische Insuffizienz der Beine. Das frühere Versorgungsamt Rottweil (VA) holte Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. O. vom 26. September 2003 und des Facharztes für Orthopädie B. zum 4. Oktober 2003 ein und veranlasste die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme des Dr. Sch. vom 1. November 2003. Dieser beurteilte den Gesamt-GdB mit 40, wobei er von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen ausging:
1. Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, chronisch-venöse Insuffizienz beidseits, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen Teil-GdB 30 2. Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, beider Ellenbogengelenke und beider Handgelenke, Polyarthralgien Teil-GdB 20 3. Schilddrüsenvergrößerung (Struma) Teil-GdB 10 4. Allergie, allergische Rhinitis Teil-GdB 10
Mit Bescheid vom 12. November 2003 stellte das VA den GdB bei der Klägerin gestützt auf diese Stellungnahme ab 6. August 2003 mit 40 fest und verneinte das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, ihre Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht ausreichend bewertet. Der Schwerpunkt ihrer Beeinträchtigungen liege auf orthopädischem Fachgebiet, wobei diese für sich betrachtet bereits einen GdB von 50 rechtfertigten. Hinzu träten vermehrte rheumatische Beschwerden. Stärker zu berücksichtigen seien auch die Beschwerden auf neurologischem Fachgebiet. Die Klägerin legte den Arztbrief des Priv.-Doz. Dr. R., Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie, vom 2. Februar 2004 sowie den Bericht des Radiologen Dr. R. vom 28. Januar 2004 über die am Vortag durchgeführte ComputertomoG.ie der Brustwirbelkörper 1 bis 12 vor. Das VA veranlasste die vä Stellungnahme des Dr. A.-F. vom 11. Mai 2004, der alle Behinderungen der Klägerin erfasst und wohlwollend bewertet sah. Eine höhere Einstufung auf orthopädischem Fachgebiet komme nicht in Betracht, da eine wesentliche Funktionseinbuße nicht bestehe. Eine neurologische Erkrankung habe der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. ausweislich seines aktenkundigen Arztbriefs vom 6. Mai 2003 nicht objektivieren können. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Mit ihrer am 4. Juni 2004 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft weiter. Sie wiederholte ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er legt die vä Stellungnahmen von Medizinaldirektor (Med.-Dir.) D. vom 7. Februar 2005 und des Dr. G. vom 7. September 2006 vor und vertrat die Auffassung, dass auch unter weiterer Berücksichtigung eines chronischen Schmerzsyndroms mit einem Teil-GdB vom 20 angesichts der Überschneidungen mit den körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet maximal von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen sei. Das SG hörte Priv.-Doz. Dr. R. unter dem 29. September 2004, Dr. O. unter dem 13. Oktober 2004, Dr. G. unter dem 19. Oktober 2004 sowie den Orthopäden B. unter dem 27. Oktober 2004 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. R. und Dr. O. sahen die Funktionsbeeinträchtigungen vollständig erfasst und zutreffend bewertet. Dr. G. beschrieb eine leichte Kompression des Armplexus rechts, die im Zusammenhang mit der Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks stehe, ein leichtes Carpaltunnelsyndrom sowie Nervenwurzelreizerscheinungen, die am ehesten der Osteochondrose im Bereich von C 5/6 entsprächen. Der Gesamt-GdB könne nur im Zusammenhang mit den orthopädischen Funktionsbehinderungen festgestellt werden. Die allein auf neurologischem Fachgebiet vorliegenden Störungen gingen nicht über einen Gesamt-GdB von 40 hinaus. Der Orthopäde B. erachtete einen Gesamt-GdB von 50 für "statthaft bzw. ausreichend". Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhob das SG das orthopädische Gutachten des Priv.-Doz. Dr. Dr. St., ehemaliger Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Traumatologie im Klinikum der Stadt Villingen-Schwenningen, vom 10. Oktober 2005. Dieser bewertete die Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10, die Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Schultergelenks einschließlich der endgradigen Einschränkung der Handgelenks-/Daumenbeweglichkeit mit einem Teil-GdB von 20 sowie die Instabilität des rechten Kniegelenks gleichermaßen mit einem Teil-GdB von 20. Den Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet schätzte er auf 40. Auf den weiterem Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erhob das SG das rheumatologische Gutachten des Priv.-Doz. Dr. R. vom 13. März 2006, das dieser im Hinblick auf die zuvor im Oktober 2005 durchgeführte gutachtliche Untersuchung der Klägerin im Rahmen eines Rentenrechtsstreits ohne erneute Untersuchung erstattete. Er beurteilte den GdB für die Beeinträchtigungen von Seiten des rechten Kniegelenks und der Fingerpolyarthrose ebenso wie die Behinderung im Bereich des Schultergelenks rechts mit 20 und die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule mit 10. Den GdB für das darüber hinaus diagnostizierte Fibromyalgie-Syndrom schätze er auf 30. Insgesamt hielt er einen Gesamt-GdB von 50 für gerechtfertigt. Auf den weiteren Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erhob das SG schließlich das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. G., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Innere Medizin, vom 23. Mai 2006. Dieser ging auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von einer leichten Erschöpfungsdepression aus und äußerte den Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Diese depressiven und somatoformen Verarbeitungsstörungen (somatoforme Schmerzstörung, Differential-Diagnose: Fibromyalgie-Syndrom) bewertete er mit einem Teil-GdB von 20. Der Sachverständige sah zwar Wechselwirkungen zwischen den organisch begründbaren Beschwerden und den psychosomatischen Ausgestaltungen, gleichwohl vertrat er die Auffassung, dass der GdB von 40 unter Berücksichtigung dieser Beeinträchtigung der Gesamtlage nicht mehr gerecht werde, weshalb ein GdB von 50 gerechtfertigt und angemessen sei. Mit Urteil vom 18. April 2007 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, das chronische Schmerzsyndrom bzw. die depressiven und somatoformen Schmerzverarbeitungsstörungen rechtfertigten einen GdB von 20, die Gesamtbehinderung jedoch keinen höheren GdB als 40. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 14. Mai 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 6. Juni 2007 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe die Ergebnisse der eingeholten Gutachten nicht ausreichend berücksichtigt. Allein auf orthopädischem Fachgebiet sei der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Dr. St. von einem GdB von 40 ausgegangen, wobei er die Beeinträchtigungen von rheumatologischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet noch nicht berücksichtigt habe. Die Sachverständigen Dr. R. und Dr. G. seien unter Einbeziehung dieser Fachgebiete dann zu einem Gesamt-GdB von 50 gelangt. Entsprechend hätte das SG der Klage daher stattgeben müssen. Soweit das SG davon ausgegangen sei, dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit noch nicht vorliege, weshalb ein GdB von 20 für das Schmerzsyndrom noch angemessen sei, könne dieser Beurteilung aufgrund der Entwicklung der gesundheitlichen Beschwerden nicht gefolgt werden. Schließlich habe der in dem anhängig gewesenen Rentenverfahren L 13 R 4838/06 mit einer Begutachtung beauftragte Schachverständige Dr. M. nachvollziehbar und ausführlich ihre Alltagseinschränkungen dargestellt, die von sehr ausgeprägten bis extremen Beeinträchtigungen bei der Bewältigung der Alltagsroutine reichten. Sie hat dessen Gutachten vom 27. Februar 2007 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. April 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 12. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2004 zu verurteilen, den GdB mit wenigstens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat die vä Stellungnahme von Dr. Mattes vom 24. Oktober 2007 und des Dr. W. vom 31. März 2008 vorgelegt. Danach könne bei integrativer Beurteilung selbst dann kein höherer Gesamt-GdB als 40 begründet werden, wenn man das chronische Schmerzsyndrom nicht lediglich mit einem GdB von 20, sondern mit einem solchen von 30 bewerten würde.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 12. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zutreffend mit einem Gesamt-GdB von 40 bewertet. Mit dem Ausmaß der Beeinträchtigungen wird die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht.
Die Feststellung des GdB richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die seit dem 1. Juli 2001 an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Ferner stellen sie auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AHP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AHP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, 19 Abs. 4, S. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die für die Bemessung des GdB maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen liegen bei der Klägerin einerseits auf orthopädischem Fachgebiet und andererseits auf neurologisch-psychiatrischem bzw. rheumatologischem Fachgebiet. Darüber hinaus liegt bei der Klägerin eine Schilddrüsenvergrößerung (Struma) sowie eine Allergie/allergische Rhinitis vor, welche jeweils einen Teil-GdB von 10 bedingen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Im Streit steht allerdings, in welchem Ausmaß die Klägerin einerseits durch die orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen und andererseits durch die chronische Schmerzerkrankung beeinträchtigt ist und ob eine entsprechende Gesamtschau die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigt.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Dr. St. sei von orthopädischer Seite bereits ein GdB von 40 zu berücksichtigen, vermag der Senat dieser Beurteilung in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten nicht zu teilen. Denn die von diesem Sachverständigen insoweit getroffene Gesamt-Bewertung lässt sich auf der Grundlage des Ausmaßes der von ihm im Einzelnen beschriebenen Gesundheitsstörungen nicht rechtfertigen. So liegt bei der Klägerin seinen Ausführungen zufolge im Bereich der unteren Gliedmaßen eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks in Form einer Instabilität des Kniebandapparates vor, die muskulär nicht kompensiert ist und dadurch zu einer Einschränkung der Trage- und Gehfunktion der Gliedmaße führt. Für eine derartige Beeinträchtigung sehen die AHP einen Teil-GdB von 20 vor, wovon auch der Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Dr. St. ausgegangen ist. Von orthopädischer Seite ist die Klägerin darüber hinaus im Bereich der rechten oberen Gliedmaße durch eine deutliche Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit und eine endgradige Einschränkung der Handgelenks-/Daumenbeweglichkeit beeinträchtigt, was einen Teil-GdB von gleichermaßen 20 rechtfertigt. Die im Übrigen dokumentierten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit lediglich endgradiger Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit rechtfertigen angesichts der geringfügigen funktionellen Auswirkungen lediglich die Bewertung mit einem Teil-GdB von 10. Die Richtigkeit dieser Teil-GdB-Werte von 20, 20 und 10 - wie sie Priv.-Doz. Dr. Dr. St. aufgrund seiner gutachtlichen Untersuchung für angemessen erachtet hat - hat die Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Auch der Beklagte hat diese Einzelbewertung seiner eigenen Beurteilung zugrunde gelegt. Der Senat teilt diese Einschätzung, die ohne weiteres mit den AHP in Einklang zu bringen ist. Soweit der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. Dr. St. ausgehend von diesen Einzel-GdB-Werten die Funktionsbehinderungen auf orthopädischem Fachgebiet allerdings mit 40 bewertet, vermag der Senat sich dieser Beurteilung, auf die sich die Klägerin im Berufungsverfahren stützt, nicht anzuschließen. Denn wie bereits dargelegt, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, im Regelfall nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, weshalb die Bemessung der bei der Klägerin vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 40 einer Addition von Teil-GdB-Werten gleich käme, was nach den AHP grundsätzlich aber gerade ausgeschlossen ist. Im Hinblick auf den weiteren Umstand, dass es selbst bei einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, teilt der Senat die Beurteilung des Dr. G. in seiner vä Stellungnahme vom 7. September 2006, wonach die Einschätzung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Dr. St. überhöht ist und sich von orthopädischer Seite lediglich ein GdB von 30 begründen lässt.
Soweit bei der Klägerin über die bereits erwähnten orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen hinaus ein chronisches Schmerzsyndrom vorliegt, das der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. R. diagnostisch als Fibromyalgie-Syndrom und der Sachverständige Dr. G. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Störung der Schmerzverarbeitung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung gewertet hat, vermag der Senat nicht von einem höheren Teil-GdB als 30 auszugehen. Priv.-Doz. Dr. R. sah die Klägerin in ihrer Alltagstätigkeit zwar erheblich eingeschränkt, legte im Einzelnen jedoch nicht dar, worin konkret diese Einschränkungen bestehen, so dass seine Bewertung mit einem GdB von 30 nicht ohne weiteres nachvollzogen werden kann. Auch der Sachverständige Dr. G. hat die von ihm insoweit angenommenen Einschränkungen nicht konkret beschrieben, bewertete diese in Abweichung von Priv.-Doz. Dr. R. allerdings als weniger schwerwiegend und gelangte dadurch lediglich zu einem Teil-GdB von 20. Nach Auswertung des von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Schmerzgutachtens des Dr. M., das dieser in dem Rentenverfahren L 13 R 4838/06 erstattet hatte, neigt der Senat wegen der darin beschriebenen deutlich verminderten Belastungsfähigkeit mit ausgeprägten Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen bei einem deutlich erkennbaren sozialen Rückzug zwar dazu, der Einschätzung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. R. zu folgen. Jedoch kann diese Einzelbewertung letztlich dahingestellt bleiben, da ungeachtet der Bewertung dieser Funktionsbeeinträchtigung im Rahmen einer Gesamtbeurteilung kein GdB von 50 erreicht wird. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Dr. W. in seiner vä Stellungnahme vom 31. März 2008 an. Darin hat Dr. W. für den Senat schlüssig und nachvollziehbar begründet, dass die Überschneidungen zwischen den Funktionsbeeinträchtigungen von orthopädischer Seite und dem gesondert bewerteten chronischen Schmerzsyndrom derart weitreichend sind, dass bei integrativer Beurteilung kein höherer Gesamt-GdB als 40 erreicht wird. Schließlich vermochte sich der Senat im Rahmen einer Gesamtbeurteilung gerade nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin so schwerwiegend eingeschränkt ist, wie dies bei solchen Behinderungen der Fall ist, für die nach den AHP einen GdB von 50 vorgesehen ist, so namentlich bei einem Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule oder bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesenen Leistungsbeeinträchtigungen bereits bei leichter Belastung (bspw. Spazierengehen).
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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