Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VG 3859/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3120/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Mannheim vom 30. Januar 2007 und teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 12. November 2004 verurteilt, dem Kläger Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 ab dem 1. Dezember 2003 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger - unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen auf dem psychiatrischen Fachgebiet - eine Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS - vgl. § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz [BVG] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007, BGBl. I, S. 2904, 2909; bis 20. Dezember 2007 Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE]) von 40 statt bislang 30 zu gewähren ist.
Der 1961 geborene Kläger war ab dem Jahr 1978 als Bauschlosser und Maschinenführer beschäftigt. In den Jahren 1984 bis 1986 übte er eine selbstständige Tätigkeit im Bereich des Glasbaus aus. Diese gab er auf, nachdem er sich dabei eine erhebliche Verletzung am Handgelenk zugezogen hatte. Anschließend arbeitete er als Fliesenlegerhelfer. Eine Ehe des Klägers wurde nach vier Jahren im Jahr 1991 geschieden.
Am Morgen des 3. November 1991 wurde der Kläger Opfer einer Straftat. Im Rahmen einer handgreiflichen Auseinandersetzung, der ein Streit voraus gegangen war, schoss der am 7. Juni 1964 geborene Y. K. mindestens dreimal aus einer Entfernung von 20 bis 40 cm gezielt auf den Körper des Klägers. Nach dem Arztbrief von Dr. G. vom Klinikum der Stadt Mannheim vom 19. November 1991 kam es dabei zu einer oberflächlichen Thoraxverletzung, einem Durchschuss des linken Oberbauchs mit Magendurchschuss, einer Pankreasoberrand-Schussverletzung, einem Durchschuss des Unterbauchs mit Dünndarmverletzung und Beckenvenenverletzung und infolge dessen auch zu einer Beckenvenen-Thrombose links sowie zu einem Streifschuss am linken Handgelenk. Wegen einer Beckenvenenthrombose musste der Kläger im Januar/Februar 1992 noch einmal stationär behandelt werden.
Der Kläger war nachfolgend längere Zeit arbeitsunfähig. Anschließend arbeitete er teilweise wieder als Fliesenlegerhelfer, vorübergehend auch im Bereich der Baumontage. In den Jahren 2003 und 2004 nahm er an einer Umschulung zum Berufskraftfahrer teil.
Im Februar 1992 beantragte der Kläger beim damals zuständigen Versorgungsamt Heidelberg (VA) die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Das VA zog verschiedene medzinische Unterlagen bei und veranlasste die versorgungsärztliche Begutachtung durch Dr. L. vom 25. Februar 1994. Ihr gegenüber machte der Kläger keine Angaben zu psychischen Beschwerden. Im Befund beschrieb sie den Kläger als psychisch unauffällig. Im Hinblick auf die körperlichen Schädigungsfolgen schätzte sie die MdE auf 30 vom Hundert (v. H.) ein.
Mit Bescheid vom 9. März 1994 stellte das VA als Folgen der Schädigung fest: "Oberbauchbeschwerden nach operativ behandelter Bauchschussverletzung, postthrombotisches Syndrom links und Beckenvenenverletzung, reizlose Streifschussnarben im Bereich des linken Brustkorbs sowie linkes Handgelenk". Dadurch sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers um 30 v. H. gemindert. Mit Bescheid vom 22. April 1996 lehnte das VA eine Erhöhung dieser MdE wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit ab.
Im September 2003 beantragte der Kläger beim VA die Erhöhung des nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festgestellten Grads der Behinderung (GdB). Dieser Antrag wurde gleichzeitig als Erhöhungsantrag nach dem OEG gewertet. Der Kläger gab an, die tiefe Beckenvenenthrombose habe sich verschlimmert, neu aufgetreten seien eine Funktionsbeeinträchtigung der linken Hand durch Unfall, eine Asthmaerkrankung, eine nach einer Nasenoperation eingetretene Funktionsbeeinträchtigung der Nasenatmung, ein Zwerchfellbruch im Jahr 2001 sowie Wirbelsäulenbeschwerden. Gegenstand der Prüfung durch das VA wurden u. a. ein Auszug aus einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 21. August 1992, in dem beschrieben wurde, der Kläger habe sich im Gespräch zugänglich, doch sehr bestimmend, auch fordernd gezeigt, wobei die Stimmungslage noch ausgeglichen gewesen sei, ferner ein Datenblatt der Praxis Dres. Sch. betreffend die Zeit vom 30. August 1999 bis 10. Mai 2001, in dem unter dem 30. August 1999 ausgeführt wurde, der Kläger sei im Befund unruhig und getrieben, er habe seit der Schussverletzung weniger "Power".
Im Befundbericht vom 20. April 2004 teilte die Dipl.-Psych. E. mit, der Kläger befinde sich auf Empfehlung seines Hausarztes seit dem 11. Februar 2004 in ihrer ambulanten Behandlung. Anlass seien Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PBS) sowie depressive Verstimmungen gewesen. Der Kläger habe die ganzen Jahre das Trauma der Tat im Jahr 1991 irgendwie wegschieben können, weil er schon früh im Heim gelernt habe, sich durchzubeißen. Ende letzten Jahres habe ihn jedoch seine Partnerin verlassen und ab diesem Zeitpunkt sei alles aufgebrochen. Seither müsse er immer wieder an die Tat denken. Im Gesprächskontakt habe der Kläger ängstlich, unkonzentriert und unruhig gewirkt. Bei sehr starkem Leidensdruck sei eine gute Therapiemotivation vorhanden gewesen.
In der Zeit vom 23. April bis 25. Mai 2004 wurde der Kläger stationär in der Abteilung für Innere Medizin und Akutpsychosomatik des Evangelischen Krankenhauses B. D. behandelt. Dr. T. stellte im Arztbrief vom 12. Juli 2004 die Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode, einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (PBS) sowie einer Schmerzstörung bei einem Zustand nach Thrombose im Bereich des linken Beines. Der Kläger habe berichtet, nach abgeschlossener Umschulung zum Berufskraftfahrer im Dezember 2003 in ein "tiefes Loch gerutscht" zu sein. Er müsse seither viel weinen und könne sich nicht mehr konzentrieren, er vergesse vieles. Als auslösenden Bedingungszusammenhang habe er die Trennung aus einer 10-jährigen Partnerschaft, die ihn stark belastet habe, genannt. Ferner sei er enttäuscht gewesen, eine sicher geglaubte Anstellung bei der Müllabfuhr der Stadt Mannheim nicht erhalten zu haben. Daher sehe er derzeit wenig Chancen, die frisch erworbene Qualifikation im Hinblick auf eine Reintegration in das Erwerbsleben nutzen zu können. Im Rahmen dieser Kränkungen sei das bereits von ihm verarbeitet geglaubte Trauma vor zwölf Jahren reaktualisiert worden. Seit der Schussverletzung sei er chronisch verbittert über die ihm zugefügten Verletzungen und die für ihn weitreichenden Folgen seiner körperlichen Einschränkung. Er erlebe seither die Neuauflage seiner damaligen Verfassung mit schweren Schlafstörungen, Alpträumen und szenenartigen Flashbacks des damaligen Tathergangs.
Mit Schreiben vom 28. April 2004 informierte die für den Kläger zuständige Techniker Krankenkasse das VA, dass sie seit 12. März 2004 Versorgungskrankengeld zahle und bat die zugrunde liegenden "Diagnosen als Schädigung anzuerkennen". Sie verwies hierzu auf die kurze Stellungnahme, die Dr. K. vom MDK am 23. April 2004 abgegeben hatte. Danach sei ein Schädigungszusammenhang mit dem "Mordanschlag" im Jahr 1991 nach Einschätzung der Psychiater eindeutig abzuleiten.
In einem Fragebogen des VA gab der Kläger am 4. Juni 2004 an, die psychische Erkrankung sei seit etwa November 2003 aufgetreten.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2004 lehnte das VA den Antrag auf Neufeststellung ab. Der Kläger datiere den Beginn seiner psychischen Erkrankung selbst auf November 2003 und begründe dies damit, dass er von seiner Partnerin verlassen worden sei. Es liege somit ein reaktives Ereignis auf den Partnerverlust vor, welches eindeutig nicht Schädigungsfolge sei.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 10. August 2004. Er trug u. a. vor, seine Beschwerden hätten sich verschlimmert. Er fühle sich bedroht und gehe nicht mehr unter Menschen. Trotz einer zwischenzeitlichen neuen Partnerschaft sei keine Besserung eingetreten. Er reichte den Arztbrief der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 26. April 2004 ein. Darin hatte diese eine posttraumatische Belastungsreaktion diagnostiziert. Der Kläger habe mitgeteilt, eine sehr schwere Kindheit gehabt zu haben. Mit elf Jahren sei er freiwillig ins Heim gegangen. Sein Stiefvater habe ihn häufig brutal geprügelt. Im Heim sei er auch in einem ständigen Kampf gewesen. Die nach der Schussverletzung mit Komplikationen aufgetretene Erkrankung habe er nach seinem Gefühl "locker weggesteckt". Jetzt bemerke er plötzlich seit vier Monaten eine Ein- und Durchschlafstörung, eine zunehmende Tendenz sich zurückzuziehen und ständige Konzentrationsschwächen sowie körperliche Beschwerden. Aufgrund der Vorgeschichte sei am ehesten von einer posttraumatischen Belastungsreaktion mit verspäteter Symptombildung auszugehen.
Für den versorgungsärztlichen Dienst nahm Dr. M. am 27. September und 11. Oktober 2004 Stellung. Sie führte aus, es bestehe kein Zweifel, dass der Überfall im Jahr 1991 Mitursache für die psychischen Beschwerden sei, aber sicher nicht die wesentliche Ursache. Die wesentliche Ursache sei das schwere Leben, welches der Kläger bisher durchgemacht habe, bei dem der Überfall nur eine Teilursache sei. Darauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2004 zurück.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 17. November 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 17. Dezember 2004 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage. Wie sich aus der Einschätzung der Diplompsychologin E. und der Ärzte der Klinik in B. D. ergebe, stehe die PBS in keinem Zusammenhang mit der Trennung von seiner Freundin und seinen früheren Lebensumständen.
Das SG holte zunächst das psychiatrische Gutachten von PD Dr. F. vom 22. August 2005 ein. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine chronifizierte PBS sowie eine mittelgradige depressive Episode. Die PBS sei direkt auf das Überfallereignis zurückzuführen. Seit diesem Ereignis leide der Kläger unter wiederholten, sich aufdrängenden Erinnerungen und Alpträumen. Die aktuelle depressive Episode sei ebenfalls in Verbindung mit der Gewalttat zu sehen, da die chronifizierte PBS beim Kläger zu Resignation und teilweiser Hoffnungslosigkeit geführt habe. Die bisher vorhandenen Kompensationsmechanismen führten nicht mehr zur ausreichenden Symptomreduktion. Die MdE betrage auf dem psychiatrischen Fachgebiet 20 v. H.
Das SG zog weitere medizinische Unterlagen bei. In dem vom Arzt der Agentur für Arbeit Dr. A. im Hinblick auf die Umschulung zum Berufskraftfahrer erstellten Gutachten vom 21. Februar 2002 wurde der psychische Befund als unauffällig beschrieben. Dr. B. führte im Arztbrief vom 3. Februar 2004 aus, der Kläger habe angegeben, seit Anfang Dezember unter Schlaflosigkeit, Grübeln etc. zu leiden, belastende Momente beruflicher und privater Art seien vorhanden. Er ging von einer depressiven Entwicklung mit Schlafstörungen aus. In den gutachtlichen Äußerungen vom 3. Januar 2005 und 14. Februar 2005 diagnostizierte Dr. A. beim Kläger eine Gemütsverstimmung. Aus verschiedenen weiteren medizinischen Unterlagen betreffend die Behandlung der körperlichen Schädigungsfolgen ergaben sich keine Hinweise auf psychische Beschwerden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Januar 2006 teilte PD Dr. F. mit, in den zusätzlich vom SG übersandten Befunden und Beurteilungen über das psychische Befinden des Klägers fänden sich leider nur ungenügende Symptombeschreibungen. Eine verlässliche und eindeutige gutachtliche Aussage im Sinne eines Vollbeweises gesicherter Fakten über die seelische Verfassung des Klägers und einen eventuellen Beginn von psychischen Beschwerden sei daher von seiner Seite nicht möglich. Für den Zeitraum bis 2003 verfüge er allein über den Kläger als Datenquelle. Während der mehrstündigen Begutachtung habe er ihn als offen, zugewandt und authentisch, ohne Hinweise auf Aggravation oder Simulation erlebt. Der Kläger habe im Rahmen der Exploration bei der Konfrontation mit dem Trauma mit Unruhe, Schreckhaftigkeit, Angst und Verzweiflung reagiert. Er sei Opfer einer äußerst schweren Gewalttat geworden. Allerdings habe er zunächst über ausreichende intrapsychische Kompensationsmöglichkeiten verfügt. In dieser Zeit habe keine MdE vorgelegen. Nachfolgend seien viele haltgebende Strukturen weggebrochen. Die Trennung von einer Freundin im Jahr 2003 sei eher als nebensächlich zu beurteilen. Sie sei keinesfalls Ursache für die aktuellen Beschwerden. In der Literatur seien schwere psychische Dekompensationen oft mehrere Jahre nach dem Traumaereignis bekannt. Er halte daher an seiner bisherigen Einschätzung fest.
Dem hielt Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 2. Februar 2006 entgegen, das Gutachten stütze sich allein auf die subjektiven Angaben des Klägers, die nicht hinreichend dokumentiert seien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sein psychisches Leiden weder im Rahmen der sozialmedizinischen Begutachtung im August 1992 noch im Rahmen der versorgungsärztlichen Begutachtung im Februar 1994 angegeben habe. Allein der große zeitliche Abstand ohne dokumentierte Brückensymptomatik lasse den ursächlichen Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung mit dem schädigenden Ereignis unwahrscheinlich erscheinen.
Der Kläger bestätigte, vor dem Jahr 2003 wegen seiner Psyche in keinerlei Behandlung gewesen zu sein. Er habe den "Psychokram" für eine "Frauenangelegenheit" gehalten. Lediglich im Jahr 1999 habe er einem fremden Arzt, Dr. Sch., seine psychischen Beschwerden offenbart. Bei der Behandlung seiner Schussverletzung sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass die psychische Bearbeitung schwerwiegend sei und eine Psychotherapie infrage kommen könnte. Seine Sozialisation sei eine andere gewesen. Beispielsweise sei er früher aktiver Ringkämpfer gewesen. Der Kläger bot dafür, wie sich sein psychischer Zustand vor der Schussverletzung von 1991 und in den Folgejahren dargestellt habe, Zeugen an.
Das SG holte die sachverständige Zeugenaussage des Dr. Sch. vom 31. März 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 24. April 2006 ein. Dieser berichtete, im Frühjahr 2004 sei eine depressive Verstimmung aufgetreten, die sich durch Medikation habe verbessern lassen. Geblieben seien Merk- und Denkstörungen. Zur Zusammenhangsfrage könne er als Allgemeinmediziner nichts sagen.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17. Juli 2006 hielt Dr. G. die Reaktivierung eines Traumas durch das Wegbrechen haltgebender Strukturen nach wie vor nicht für überzeugend. Vielmehr sei es als wahrscheinlicher anzusehen, dass das Wegbrechen der haltgebenden Strukturen selbst der wesentliche auslösende Faktor für die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers gewesen sei. Die Schussverletzung könne sicherlich als Teilursache angesehen werden, jedoch nicht als annähernd gleichwertige Ursache neben den anderen bekannten Faktoren. Ein größerer zeitlicher Abstand der psychischen Erkrankung zum schädigenden Ereignis, insbesondere gegen Ende der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen möglichen Latenzzeit von wenigen Wochen bis Monaten, mindere den Grad der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs. In der Stellungnahme vom 13. Oktober 2006 ergänzte Dr. G., zwar sei in Einzelfällen eine mehrjährige Latenz möglich, dies sei hier jedoch nicht wahrscheinlich.
Mit Urteil vom 30. Januar 2007 wies das SG die Klage ab. Der Kläger weise Symptome auf, die die Diagnosen einer PBS rechtfertigen könnten. Der erforderliche innere Ursachenzusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis sei jedoch nicht wahrscheinlich zu machen. Es sei sachverständig nirgends nachvollziehbar dargestellt, dass das Ereignis vom November 1991 neben der jeweils ersichtlich belastenden kindlichen Traumatisierung, dem Bruch mit der damaligen Partnerin sowie der Enttäuschung über das Nichterlangen der erwarteten Arbeitsstelle im Jahr 2003 eine wesentliche Ursache darstelle. Die erforderliche Abwägung der Ursachenanteile habe auch der Sachverständige des Gerichts auf Rückfrage nicht hinreichend vornehmen können. Zwar könne sich eine PBS auch noch Jahre nach einem Trauma manifestieren. Allerdings sei dabei eine Konsistenz und Überzeugungskraft der Einlassungen zu fordern. Der Kläger habe nur einmal im Jahr 1999 wegen psychischer Beschwerden geklagt. Dr. Sch. habe dem Vorbringen aber ersichtlich keine besondere Bedeutung beigemessen. Damit sei nicht zu verifizieren, was damals eigentlich tatsächlich an Symptomen vorgelegen habe. Nach den eigenen Einlassungen des Klägers habe das Beschwerdebild sogar erst im Zusammenhang mit dem Bruch mit der Partnerin und der Enttäuschung über den nicht erhaltenen Arbeitsplatz begonnen. Eine plausible Erklärung für seine diskrepanten Einlassungen habe der Kläger nicht geboten. Der Erstantrag des Klägers beim VA habe gerade nicht auf psychische, sondern nur auf somatische Beeinträchtigungen abgestellt. Nachfolgend seien psychische Beschwerden nicht dokumentiert. Selbst der dem Klageverfahren zugrunde liegende Antrag erwähne mit keinem Wort psychische Beeinträchtigungen. Im Übrigen habe der Bevollmächtigte des Klägers gegenüber dem VA noch im Juni 2004 telefonisch mitgeteilt, der Kläger wolle keinen Antrag nach dem OEG stellen. Das nachfolgende Vorbringen des Klägers sei zielgerichtet gewesen. Er habe sich offensichtlich u. a. im Internet mit dem Krankheitsbild der PBS vertraut gemacht. Die Angaben des Klägers zum Auftreten der psychischen Beschwerden seien widersprüchlich geblieben. Diplompsychologin E. habe in ihrer Bewertung die früheren Traumatisierungen nicht miteinbezogen. Der Kläger könne sich nicht auf den gerichtlichen Sachverständigen berufen. Seiner Bewertung sei wegen des fehlenden Nachweises einer seit dem Ereignis durchgehenden Symptomatik die Basis entzogen. Abgesehen davon fehle die erforderliche Gewichtung der anderen traumatisierenden Faktoren. In seiner ergänzenden Stellungnahme habe PD Dr. F. eingeräumt, den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht beweisen zu können. Auch die Erklärung, die zunächst noch intakten Kompensationsmechanismen hätten es dem Kläger ermöglicht, noch mehrere Jahre hinweg berufstätig zu sein, beweise nicht die behaupteten durchgehenden Beschwerden. Dabei sei bereits die Annahme einer mehrjährigen Tätigkeit mit der Aktenlage nicht vereinbar.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 5. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Juni 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen bzw. eine weitere Sachverhaltsaufklärung durchführen müssen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Mannheim vom 30. Januar 2007 und unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2004 zu verurteilen, ihm eine Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 ab 1. September 2003 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner getroffenen Entscheidung fest. Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren vorgenommene weitere Sachverhaltsermittlung hat er die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. F. vom 30. Oktober 2007 und Dr. G. vom 21. Mai und 26. August 2008 vorgelegt.
Der Senat hat den Entlassbericht der Klinik Hohe Mark (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P.) vom 30. Mai 2007, in der der Kläger vom 31. Januar bis 27. März 2007 stationär behandelt worden ist, beigezogen. Darin wurde eine PBS und dissoziative Störung bei einem Zustand nach mehrfachen Schussverletzungen im November 1991, ein Zustand nach Fastabtrennung der linken Hand im Jahr 1985 und ein Zustand nach einer traumatischen Kindheit beschrieben. Anamnestisch habe der Kläger Alpträume und eine im Jahr 2004 aufgetretene Depression mit psychotischen Symptomen angegeben. Die Stimmungslage des Klägers habe nicht depressiv gewirkt. Insgesamt sei der Kläger wenig präsent auf der Station gewesen. In der Traumakonfrontation sei das Schusstrauma zentral gewesen. Dabei habe sich die starke dissoziative Überlagerung akzentuiert. Der Kläger sei in stabilisiertem Zustand nach Hause entlassen worden.
Der Senat hat des Weiteren die sachverständige schriftliche Zeugenaussage der Diplompsychologin Sch. vom 25. September 2007 eingeholt. Diese diagnostizierte auf dem psychiatrischen Fachgebiet eine PBS sowie eine dissoziative Störung. Es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass eine PBS oder eine andere psychische Störung im Sinne einer starken Einschränkung der Arbeitsfähigkeit schon vor der Schusssituation bestanden habe.
Der Senat hat das nervenärztliche Gutachten von Prof. Dr. B. vom 1. April 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Juli 2008 eingeholt. Ihm gegenüber hat der Kläger angegeben, etwa fünf bis sechs Mal pro Monat komme es bei ihm zu Flashbacks, zu Bildern, die sich ihm gedanklich aufdrängten und ihn an den damaligen Überfall erinnerten. Außerdem träume er immer wieder davon, erschossen zu werden. Seit dem damaligen Ereignis im Jahr 1991 leide er unter Ein- und Durchschlafstörungen. Seit damals sei er auch depressiv geworden. Sein Antrieb sei seither vermindert. Der Kläger hat Prof. Dr. B. einen selbst verfassten handschriftlichen Lebenslauf vorgelegt. Der Sachverständige diagnostizierte auf dem nervenärztlichen Gebiet eine chronische PBS sowie eine leichtgradige depressive Episode. Seine Erwerbsfähigkeit sei dadurch um 20 v. H. seit September 2003 gemindert. Die Gesamt-MdE liege bei 40 v. H. Es sei nicht zulässig, die Symptomatik einer chronischen PBS, die womöglich schon zehn bis 15 Jahre zuvor bestanden habe, deshalb zu negieren, weil sie ärztlicherseits bislang nicht ausgewiesen worden sei. Nach seinem Eindruck handele es sich beim Kläger um einen rechtschaffenen Mann, der lange Zeit vergeblich versucht habe, die aufkommenden depressiven Gefühle zu verdrängen, anstatt diese einer fachspezifischen Behandlung zuzuführen. Er habe sich von der auf ihm lastenden Polysymptomatik nicht unterkriegen lassen wollen und die Bereitschaft entwickelt, das alles auch ohne therapeutische Hilfe durchzustehen. Unbehandelt könne eine PBS jedoch oftmals einen chronischen Verlauf nehmen. Beim Kläger habe auch die intellektuelle Kapazität gefehlt, das Ausmaß seiner Depressivität rechtzeitig zu erfassen. Aufgrund zunächst noch intakter Kompensationsmechanismen sei es ihm über Jahre noch möglich gewesen, berufstätig zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.
Sie ist auch begründet. Das SG hätte der Klage stattgeben und den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilen müssen, ihm eine Grundrente nach einem GdS von 40 zu gewähren. Durch den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2004 wurde der Kläger in seinen Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Erhöhung des GdS ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. Mai 1981, 9 RVs 4/80, SozR 3100 Nr. 21 zu § 62 BVG).
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Dabei muss der geltend gemachte Gesundheitsschaden wesentlich ursächlich auf den vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zurückzuführen sein. Das schädigende Ereignis, die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) müssen erwiesen sein, während nach § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber erforderlich ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Der ursächliche Zusammenhang ist vor allem nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d.h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang spricht. Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war vorliegend zu prüfen, ob beim Kläger in dem Zustand der Schädigungsfolgen, wie sie bei Erlass des Bescheids vom 9. März 1994 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, sei es, dass sich anerkannte Schädigungsfolgen verschlimmert haben, sei es, dass neue Schädigungsfolgen hinzugetreten sind. Dabei ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger ab dem 1. Dezember 2003 als weitere Folge der bereits anerkannten Schädigung eine PBS nebst leichtgradiger depressiver Episode hinzugetreten ist.
Der Senat stützt sich dabei auf das ausführliche und nachvollziehbare Gutachten von Prof. Dr. B. vom 1. April 2008 nebst dessen ergänzender Stellungnahme vom 12. Juli 2008. Die Auffassung von Prof. Dr. B. steht zudem in Übereinstimmung mit dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten von PD Dr. F. und der Auffassung der Dipl.-Psych. E ... Voranzustellen ist, dass das Vorliegen einer Erkrankung auf dem psychiatrischen Fachgebiet auch vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten nicht in Frage gestellt wird. In ihren Stellungnahmen vom 27. September und 11. Oktober 2004 setzte sich Dr. M. nur mit der Frage der Ursächlichkeit auseinander, ohne die Erkrankung des Klägers selbst anzuzweifeln. Entsprechendes gilt für die später vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. einschließlich der abschließenden Stellungnahme vom 26. August 2008.
Entgegen der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes und des SG geht der Senat jedoch in Übereinstimmung mit den gerichtlichen Sachverständigen davon aus, dass die psychischen Beschwerden des Klägers als PBS nebst depressiver Störung zu sehen und auf die Schädigung im Jahr 1991 zurückzuführen sind.
Nach Abschnitt F 43.1 der ICD 10 ist eine PBS wie folgt definiert: "Die Betroffenen sind einem kurz oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flashbacks), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen. Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Erlebnis. Die Betroffenen sind teilweise oder vollständig unfähig, einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern. Anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensibilität und Erregung, welche nicht vor der Belastung vorhanden waren, treten auf. Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz und erhöhte Schreckhaftigkeit. Diese Kriterien treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach Ende der Belastungsperiode auf."
Der Kläger war am 3. November 1991 einer außergewöhnlichen Bedrohung im eben beschriebenen Sinne ausgesetzt. Er wurde aus nächster Nähe mehrfach angeschossen und erheblich verletzt. Prof. Dr. B., der in den zurückliegenden Jahren oftmals Gelegenheit hatte, schwerwiegend Traumatisierte wie bspw. Unfallopfer des Flugzeugunglücks in Ramstein zu untersuchen oder zu begutachten, bewertete den damaligen Überfall zu Recht als äußerst rücksichtslos, brutal und das Leben unmittelbar bedrohend. Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme wiederholte Prof. Dr. B., dass der Kläger mit einem für ihn äußerst schlimmen Trauma konfrontiert worden war. Nicht überzeugend ist hingegen die Auffassung von Dr. M. in der Stellungnahme vom 27. September 2004, wesentliche Ursache für die psychischen Beschwerden des Klägers sei das schwere Leben, das er bislang durchgemacht habe. Der Senat verkennt nicht die von Dr. M. hierzu herangezogenen Umstände, dass der Kläger von seinem Stiefvater häufig brutal verprügelt wurde und mit elf Jahren freiwillig in ein Kinderheim gegangen ist sowie im November 2003 mit einer gescheiterten Partnerschaft konfrontiert war. Ohne Zweifel handelte es sich auch dabei um schwere Belastungen. Sie können gleichwohl nicht den von Prof. Dr. B. in der ergänzenden Stellungnahme unter Hinweis auf Prof. Dr. F. aufgezählten Extrembelastungen wie Krieg, Überfall, Entführung, Geiselnahme oder Folterung gleichgestellt werden. Der Vorfall vom 3. November 1991 nimmt aus Sicht des Senats dagegen eine herausragende Stellung ein. Die Krankheitsentwicklung des Klägers allgemein auf dessen "schweres Leben" zurückzuführen, wird dem nicht gerecht. Die Schussverletzung vermag der Senat entgegen der Auffassung von Dr. M. nicht nur als unwesentliche Teilursache anzusehen.
Der Senat geht davon aus, dass das Ereignis vom November 1991 nahezu bei jedem eine tiefgreifende Verzweiflung ausgelöst hätte. Gemäß der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. B. war das Trauma von einem Ausmaß, das normalerweise von keinem Menschen ohne bleibende körperliche und seelische Folgen verkraftet wird. Zweifel daran hielt Prof. Dr. B. sogar für geradezu "frevelhaft".
Der Kläger hat - wie beispielsweise im Gutachten von PD Dr. F. beschrieben - Nachhallerinnerungen (Flashbacks), Alpträume, leidet an Schlafstörungen und zeigt ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten im alltäglichen Leben. Auch gegenüber Prof. Dr. B. hat der Kläger von Flashbacks und einem Vermeidungsverhalten berichtet. Prof. Dr. B. hat im Rahmen der Schilderung der Beschwerden durch den Kläger keine - jedenfalls keine wesentlichen - Aggravationstendenzen bemerkt.
Für den Senat sind die Bedenken, die das SG hinsichtlich des aus seiner Sicht inkonsistenten Vorbringens des Klägers geäußert hat, durchaus verständlich. Gerade im Hinblick darauf, dass in dem dem Streitverfahren zu Grunde liegenden Neufeststellungsantrag vom September 2003 - noch - keine psychischen Beschwerden geltend gemacht wurden, kann der Senat im Ansatz nachvollziehen, dass sich das SG auch unter Berücksichtigung der nicht durchgängig stimmigen Angaben zum Beginn der psychischen Beschwerden veranlasst gesehen hat, von einem zielgerichteten Vortrag auszugehen. Dies umso mehr, als noch im Juni 2004 telefonisch von einem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt wurde, es bestehe gar kein Interesse an einer weiteren Feststellung nach dem OEG. Letztlich hält der Senat diese Bedenken bzw. Vermutungen jedoch nicht für durchgreifend.
Objektive Befunde sind ausreichend vorhanden. PD Dr. F. beschrieb im psychopathologischen Befund eine während der Begutachtung zunehmend geringer werdende Aufmerksamkeit und Konzentration. Prof. Dr. B. sah im Rahmen seiner Begutachtung die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit freilich allenfalls als dezent vermindert an. Bei der Begutachtung durch Dr. F. zeigte sich der Kläger zudem leicht ablenkbar und reagierte auf Außenreize sehr schreckhaft und ängstlich. Dabei zeigten sich auch bei PD Dr. F. keine Hinweise für eine Aggravierung der Beschwerden. Die Unterschiede zwischen den Befunden von PD Dr. F. und Prof. Dr. B. sind dadurch zu erklären, dass PD Dr. F. zum damaligen Zeitpunkt noch in Übereinstimmung mit der Auffassung der behandelnden Ärzte des Evangelischen Krankenhauses B. D. (Arztbrief vom 12. Juli 2004) von einer mittelgradigen depressiven Episode ausging, die sich zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. B. nur noch als leichtgradig darstellte.
Prof. Dr. B. gelangte nach Auswertung der ärztlichen Befundunterlagen zudem nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass der Kläger prämorbid bezogen auf den Angriff im Jahr 1991 ungeachtet der schwierigen Adoleszenz nicht psychisch krank gewesen war. Nicht jeder, der während seiner Kindheit und Jugendzeit traumatisiert wird, entwickelt neurotische oder sonstige Symptome. Im Übrigen bekräftigte Prof. Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme, dass das schädigende Ereignis im Vergleich zu möglichen anderen Teilursachen wesentliche Ursache für das Entstehen der beim Kläger vorhandenen psychischen Störungen ist. Angesichts der oben beschriebenen Gewichtung der hier in Betracht kommenden weiteren Ursachen ist dies überzeugend.
Der Senat verkennt nicht, dass der hier zu Grunde gelegte Eintritt der wesentlichen Änderung in den Verhältnissen nicht innerhalb der in der eingangs beschriebenen Definition nach dem ICD-10 genannten Frist von sechs Monaten liegt. Zum Zeitpunkt des Auftretens von Folgen psychischer Traumen wird in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, Ausgabe 2008) allerdings eingeräumt, dass diese auch gelegentlich nach einer Latenzzeit auftreten. Auch Dr. G. bestätigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13. Oktober 2006, dass nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einzelfällen mehrjährige Latenzzeiten nicht auszuschließen sind. Auch hier kann der Senat im Ansatz gut nachvollziehen, dass von Seiten des versorgungsärztlichen Dienstes und von Seiten des SG eine Latenzzeit von vorliegend über 12 Jahren unter Berücksichtigung weiterer Umstände wie alternativer Kausalitätsfaktoren und kaum dokumentierter Brückensymptome als zu lang erachtet wurde. Mit dieser Frage hat sich Prof. Dr. B. jedoch unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den Argumenten des versorgungsärztlichen Dienstes und der Auffassung des SG befasst und ist für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass ungeachtet der angesprochenen Gesichtspunkte eine Kausalität des schädigenden Ereignisses im Jahr 1991 für die im Dezember 2003 neu aufgetretenen Funktionsbeeinträchtigungen gegeben ist.
Nach den Ausführungen von Prof. Dr. B. lässt sich die Symptomatik einer chronifizierten PBS nur schlecht erfassen. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst lange Zeit keine Ahnung hatte, an einem solchen Leiden erkrankt zu sein. Nach dem Eindruck von Prof. Dr. B. handelt es sich beim Kläger um einen rechtschaffenen Mann, der auch in den Jahren nach dem Überfall darum bemüht war, seine Leistungsfähigkeit durch Annahme entsprechender Arbeitsstellen zu dokumentieren und nicht in die Rolle eines Schwerbeschädigten "einzutauchen". Psychoanalytisch gesehen hatte der Kläger durch verschiedene Verhaltensweisen seine Beschwerden abgewehrt. Diese Abwehr ist zusammengebrochen, nachdem er mit weiteren lebensgeschichtlichen Konflikten konfrontiert wurde. Zudem kann angenommen werden, dass der Kläger die Symptome zunächst nicht nur erfolgreich verdrängt hatte, sondern auch generell gesehen nur bedingt in der Lage war, differenziert über sich selbst zu berichten. Der Kläger ist in seiner Persönlichkeit einfach strukturiert. Er konnte schon als Grundschüler nur schwerlich dem Unterricht folgen. Hinweise darauf lassen sich auch dem dem Gutachten von Prof. Dr. B. beigefügten handschriftlichen Lebenslauf des Klägers entnehmen. Ferner führte Prof. Dr. B. aus, dass traumatisierte Menschen oftmals beschämt sind. In diese Richtung geht auch der Hinweis des Klägers, dass er den "Psychokram" für eine "Frauenangelegenheit" gehalten hat und sich auch deswegen gegenüber den ihn behandelnden Ärzten nicht äußern konnte. Im Übrigen ist einmalig doch eine recht klare Brückensymptomatik im Jahr 1999 in den Befundunterlagen von Dr. Sch. dokumentiert. Dieser beschrieb den Kläger als unruhig und getrieben. Ihm gegenüber hatte der Kläger mitgeteilt, seit der Schussverletzung nicht mehr so viel "Power" zu haben. Im Übrigen wies Prof. Dr. B. darauf hin, dass eine Brückensymptomatik zwar eine wichtige Beurteilungsgrundlage darstellt, diese nach dem modernen wissenschaftlichen Standard jedoch eine Relativierung erfahren hat.
In der ergänzenden Stellungnahme führt Prof. Dr. B. weiter überzeugend aus, dass sich der Kläger durch die auf ihm lastende Polysymptomatik nicht unterkriegen lassen wollte und dementsprechend die Bereitschaft entwickelte, alles auch ohne therapeutische Hilfe durchzustehen. Dies darf ihm nun nicht zum Nachteil gereichen. Gerade in unbehandelten Fällen nimmt die PBS oftmals einen chronischen Verlauf. Dabei standen dem Kläger zunächst noch bis ca. November 2003 ausreichende Kompensationsmechanismen zur Verfügung. Dies erklärt, weswegen bis dahin keine Behandlungen stattfanden.
Die Ausführungen von Prof. Dr. B. hinsichtlich der zunächst nur latent vorhandenen PBS, die sich erst nach dem Verlust haltgebender Strukturen in Form einer Partnerschaft und einer beabsichtigten Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach Durchlaufen einer Umschulung mit funktionellen Einschränkungen bemerkbar machte, erklärt die auf den ersten Blick diskrepanten Einlassungen des Klägers zum Auftreten seiner psychischen Beschwerden seit 1991 bzw. seit 2003/2004. Noch einmal ist darauf hinzuweisen, dass Dr. F. und Prof. Dr. B. keine bedeutsamen Hinweise auf eine Aggravation oder gar Simulation beim Kläger sahen. Dr. F. erlebte den Kläger vielmehr im Gespräch offen und zugewandt, seine Antworten spontan und authentisch. Ferner ist zu bedenken, dass nach der übereinstimmenden Einschätzung beider Sachverständiger die PBS nebst depressiver Erkrankung lediglich einen GdS von 20 im Sinne einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung, mithin noch ohne wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bedingt. Dem schließt sich der Senat an. Angesichts dieser milden Symptomatik ist nachvollziehbar, dass für einen so langen Zeitraum keine Beschwerden dokumentiert sind bzw. dass sich erst nach einem langen Zeitraum im Anschluss an den Wegfall von Kompensationsmechanismen ein doch eher mildes Krankheitsbild entwickelt hat. Ferner ist zu bedenken, dass für den tatsächlichen Leidensdruck des Klägers spricht, dass er sich wiederholt stationären Maßnahmen, zuletzt im Umfang von zwei Monaten, gestellt hat. Zwar wird im Entlassbericht der Klinik Hohe Mark ausgeführt, der Kläger sei wenig auf Station präsent gewesen. Gleichwohl wird an den vorliegenden Gesundheitsstörungen kein Zweifel geäußert und ein Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis gesehen. Entgegen dem Inhalt des Entlassberichts der Klinik Hohe Mark kann jedoch nicht vom Vorliegen einer dissoziativen Störung ausgegangen werden. Dies hat Prof. Dr. B. nachvollziehbar ausgeschlossen.
Die Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen steht zudem in Übereinstimmung mit den Auffassungen der sachverständigen Zeugen Dr. Sch. und Dipl.-Psych. Sch ...
Der Neufeststellungsantrag wurde im September 2003 im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Aufbrechen der Symptomatik der PBS nebst depressiver Störung gestellt. Zwar wurden in ihm ausschließlich somatische Beschwerden genannt, die sich nach den insoweit widersprüchlichen Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Dr. F. gebessert haben. Den im Neufeststellungsantrag genannten Beschwerden ist vor diesem Hintergrund nicht weiter nachzugehen. Dies wurde vom Kläger auch nicht mehr geltend gemacht.
Abweichend von der Einschätzung Prof. Dr. B.s konnte sich der Senat keine Überzeugung davon verschaffen, dass die funktionellen Beeinträchtigungen aufgrund der PBS und der depressiven Störung bereits zum Zeitpunkt des Neufeststellungsantrags im September 2003 vorgelegen haben. Dies ist nicht hinreichend dokumentiert. Erst aufgrund des Arztbriefes von Dr. B. vom 3. Februar 2004 kann ausgesagt werden, dass jedenfalls seit Anfang Dezember 2003 Symptome wie Schlaflosigkeit, Grübeln etc. vorlagen. Damals sind auch die schon mehrfach erwähnten Kompensationsmechanismen entfallen. Dieses Datum hat der Senat daher seiner Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der somit für die PBS nebst depressiver Störung ab dem 1. Dezember 2003 in Ansatz zu bringende GdS von 20 rechtfertigt entsprechend der Einschätzung von Prof. Dr. B. eine Erhöhung des Gesamt-GdS von bislang 30 auf 40. Insoweit kommt den aufgrund des psychiatrischen Krankheitsbildes eingetretenen funktionellen Einschränkungen eine eigenständige, die Beeinträchtigung insgesamt wesentlich verschlimmernde Bedeutung zu.
Nach alledem war der Berufung in dem im Tenor beschriebenen Umfang stattzugeben. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger - unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen auf dem psychiatrischen Fachgebiet - eine Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS - vgl. § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz [BVG] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007, BGBl. I, S. 2904, 2909; bis 20. Dezember 2007 Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE]) von 40 statt bislang 30 zu gewähren ist.
Der 1961 geborene Kläger war ab dem Jahr 1978 als Bauschlosser und Maschinenführer beschäftigt. In den Jahren 1984 bis 1986 übte er eine selbstständige Tätigkeit im Bereich des Glasbaus aus. Diese gab er auf, nachdem er sich dabei eine erhebliche Verletzung am Handgelenk zugezogen hatte. Anschließend arbeitete er als Fliesenlegerhelfer. Eine Ehe des Klägers wurde nach vier Jahren im Jahr 1991 geschieden.
Am Morgen des 3. November 1991 wurde der Kläger Opfer einer Straftat. Im Rahmen einer handgreiflichen Auseinandersetzung, der ein Streit voraus gegangen war, schoss der am 7. Juni 1964 geborene Y. K. mindestens dreimal aus einer Entfernung von 20 bis 40 cm gezielt auf den Körper des Klägers. Nach dem Arztbrief von Dr. G. vom Klinikum der Stadt Mannheim vom 19. November 1991 kam es dabei zu einer oberflächlichen Thoraxverletzung, einem Durchschuss des linken Oberbauchs mit Magendurchschuss, einer Pankreasoberrand-Schussverletzung, einem Durchschuss des Unterbauchs mit Dünndarmverletzung und Beckenvenenverletzung und infolge dessen auch zu einer Beckenvenen-Thrombose links sowie zu einem Streifschuss am linken Handgelenk. Wegen einer Beckenvenenthrombose musste der Kläger im Januar/Februar 1992 noch einmal stationär behandelt werden.
Der Kläger war nachfolgend längere Zeit arbeitsunfähig. Anschließend arbeitete er teilweise wieder als Fliesenlegerhelfer, vorübergehend auch im Bereich der Baumontage. In den Jahren 2003 und 2004 nahm er an einer Umschulung zum Berufskraftfahrer teil.
Im Februar 1992 beantragte der Kläger beim damals zuständigen Versorgungsamt Heidelberg (VA) die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Das VA zog verschiedene medzinische Unterlagen bei und veranlasste die versorgungsärztliche Begutachtung durch Dr. L. vom 25. Februar 1994. Ihr gegenüber machte der Kläger keine Angaben zu psychischen Beschwerden. Im Befund beschrieb sie den Kläger als psychisch unauffällig. Im Hinblick auf die körperlichen Schädigungsfolgen schätzte sie die MdE auf 30 vom Hundert (v. H.) ein.
Mit Bescheid vom 9. März 1994 stellte das VA als Folgen der Schädigung fest: "Oberbauchbeschwerden nach operativ behandelter Bauchschussverletzung, postthrombotisches Syndrom links und Beckenvenenverletzung, reizlose Streifschussnarben im Bereich des linken Brustkorbs sowie linkes Handgelenk". Dadurch sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers um 30 v. H. gemindert. Mit Bescheid vom 22. April 1996 lehnte das VA eine Erhöhung dieser MdE wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit ab.
Im September 2003 beantragte der Kläger beim VA die Erhöhung des nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festgestellten Grads der Behinderung (GdB). Dieser Antrag wurde gleichzeitig als Erhöhungsantrag nach dem OEG gewertet. Der Kläger gab an, die tiefe Beckenvenenthrombose habe sich verschlimmert, neu aufgetreten seien eine Funktionsbeeinträchtigung der linken Hand durch Unfall, eine Asthmaerkrankung, eine nach einer Nasenoperation eingetretene Funktionsbeeinträchtigung der Nasenatmung, ein Zwerchfellbruch im Jahr 2001 sowie Wirbelsäulenbeschwerden. Gegenstand der Prüfung durch das VA wurden u. a. ein Auszug aus einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 21. August 1992, in dem beschrieben wurde, der Kläger habe sich im Gespräch zugänglich, doch sehr bestimmend, auch fordernd gezeigt, wobei die Stimmungslage noch ausgeglichen gewesen sei, ferner ein Datenblatt der Praxis Dres. Sch. betreffend die Zeit vom 30. August 1999 bis 10. Mai 2001, in dem unter dem 30. August 1999 ausgeführt wurde, der Kläger sei im Befund unruhig und getrieben, er habe seit der Schussverletzung weniger "Power".
Im Befundbericht vom 20. April 2004 teilte die Dipl.-Psych. E. mit, der Kläger befinde sich auf Empfehlung seines Hausarztes seit dem 11. Februar 2004 in ihrer ambulanten Behandlung. Anlass seien Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PBS) sowie depressive Verstimmungen gewesen. Der Kläger habe die ganzen Jahre das Trauma der Tat im Jahr 1991 irgendwie wegschieben können, weil er schon früh im Heim gelernt habe, sich durchzubeißen. Ende letzten Jahres habe ihn jedoch seine Partnerin verlassen und ab diesem Zeitpunkt sei alles aufgebrochen. Seither müsse er immer wieder an die Tat denken. Im Gesprächskontakt habe der Kläger ängstlich, unkonzentriert und unruhig gewirkt. Bei sehr starkem Leidensdruck sei eine gute Therapiemotivation vorhanden gewesen.
In der Zeit vom 23. April bis 25. Mai 2004 wurde der Kläger stationär in der Abteilung für Innere Medizin und Akutpsychosomatik des Evangelischen Krankenhauses B. D. behandelt. Dr. T. stellte im Arztbrief vom 12. Juli 2004 die Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode, einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (PBS) sowie einer Schmerzstörung bei einem Zustand nach Thrombose im Bereich des linken Beines. Der Kläger habe berichtet, nach abgeschlossener Umschulung zum Berufskraftfahrer im Dezember 2003 in ein "tiefes Loch gerutscht" zu sein. Er müsse seither viel weinen und könne sich nicht mehr konzentrieren, er vergesse vieles. Als auslösenden Bedingungszusammenhang habe er die Trennung aus einer 10-jährigen Partnerschaft, die ihn stark belastet habe, genannt. Ferner sei er enttäuscht gewesen, eine sicher geglaubte Anstellung bei der Müllabfuhr der Stadt Mannheim nicht erhalten zu haben. Daher sehe er derzeit wenig Chancen, die frisch erworbene Qualifikation im Hinblick auf eine Reintegration in das Erwerbsleben nutzen zu können. Im Rahmen dieser Kränkungen sei das bereits von ihm verarbeitet geglaubte Trauma vor zwölf Jahren reaktualisiert worden. Seit der Schussverletzung sei er chronisch verbittert über die ihm zugefügten Verletzungen und die für ihn weitreichenden Folgen seiner körperlichen Einschränkung. Er erlebe seither die Neuauflage seiner damaligen Verfassung mit schweren Schlafstörungen, Alpträumen und szenenartigen Flashbacks des damaligen Tathergangs.
Mit Schreiben vom 28. April 2004 informierte die für den Kläger zuständige Techniker Krankenkasse das VA, dass sie seit 12. März 2004 Versorgungskrankengeld zahle und bat die zugrunde liegenden "Diagnosen als Schädigung anzuerkennen". Sie verwies hierzu auf die kurze Stellungnahme, die Dr. K. vom MDK am 23. April 2004 abgegeben hatte. Danach sei ein Schädigungszusammenhang mit dem "Mordanschlag" im Jahr 1991 nach Einschätzung der Psychiater eindeutig abzuleiten.
In einem Fragebogen des VA gab der Kläger am 4. Juni 2004 an, die psychische Erkrankung sei seit etwa November 2003 aufgetreten.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2004 lehnte das VA den Antrag auf Neufeststellung ab. Der Kläger datiere den Beginn seiner psychischen Erkrankung selbst auf November 2003 und begründe dies damit, dass er von seiner Partnerin verlassen worden sei. Es liege somit ein reaktives Ereignis auf den Partnerverlust vor, welches eindeutig nicht Schädigungsfolge sei.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 10. August 2004. Er trug u. a. vor, seine Beschwerden hätten sich verschlimmert. Er fühle sich bedroht und gehe nicht mehr unter Menschen. Trotz einer zwischenzeitlichen neuen Partnerschaft sei keine Besserung eingetreten. Er reichte den Arztbrief der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 26. April 2004 ein. Darin hatte diese eine posttraumatische Belastungsreaktion diagnostiziert. Der Kläger habe mitgeteilt, eine sehr schwere Kindheit gehabt zu haben. Mit elf Jahren sei er freiwillig ins Heim gegangen. Sein Stiefvater habe ihn häufig brutal geprügelt. Im Heim sei er auch in einem ständigen Kampf gewesen. Die nach der Schussverletzung mit Komplikationen aufgetretene Erkrankung habe er nach seinem Gefühl "locker weggesteckt". Jetzt bemerke er plötzlich seit vier Monaten eine Ein- und Durchschlafstörung, eine zunehmende Tendenz sich zurückzuziehen und ständige Konzentrationsschwächen sowie körperliche Beschwerden. Aufgrund der Vorgeschichte sei am ehesten von einer posttraumatischen Belastungsreaktion mit verspäteter Symptombildung auszugehen.
Für den versorgungsärztlichen Dienst nahm Dr. M. am 27. September und 11. Oktober 2004 Stellung. Sie führte aus, es bestehe kein Zweifel, dass der Überfall im Jahr 1991 Mitursache für die psychischen Beschwerden sei, aber sicher nicht die wesentliche Ursache. Die wesentliche Ursache sei das schwere Leben, welches der Kläger bisher durchgemacht habe, bei dem der Überfall nur eine Teilursache sei. Darauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2004 zurück.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 17. November 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 17. Dezember 2004 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage. Wie sich aus der Einschätzung der Diplompsychologin E. und der Ärzte der Klinik in B. D. ergebe, stehe die PBS in keinem Zusammenhang mit der Trennung von seiner Freundin und seinen früheren Lebensumständen.
Das SG holte zunächst das psychiatrische Gutachten von PD Dr. F. vom 22. August 2005 ein. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine chronifizierte PBS sowie eine mittelgradige depressive Episode. Die PBS sei direkt auf das Überfallereignis zurückzuführen. Seit diesem Ereignis leide der Kläger unter wiederholten, sich aufdrängenden Erinnerungen und Alpträumen. Die aktuelle depressive Episode sei ebenfalls in Verbindung mit der Gewalttat zu sehen, da die chronifizierte PBS beim Kläger zu Resignation und teilweiser Hoffnungslosigkeit geführt habe. Die bisher vorhandenen Kompensationsmechanismen führten nicht mehr zur ausreichenden Symptomreduktion. Die MdE betrage auf dem psychiatrischen Fachgebiet 20 v. H.
Das SG zog weitere medizinische Unterlagen bei. In dem vom Arzt der Agentur für Arbeit Dr. A. im Hinblick auf die Umschulung zum Berufskraftfahrer erstellten Gutachten vom 21. Februar 2002 wurde der psychische Befund als unauffällig beschrieben. Dr. B. führte im Arztbrief vom 3. Februar 2004 aus, der Kläger habe angegeben, seit Anfang Dezember unter Schlaflosigkeit, Grübeln etc. zu leiden, belastende Momente beruflicher und privater Art seien vorhanden. Er ging von einer depressiven Entwicklung mit Schlafstörungen aus. In den gutachtlichen Äußerungen vom 3. Januar 2005 und 14. Februar 2005 diagnostizierte Dr. A. beim Kläger eine Gemütsverstimmung. Aus verschiedenen weiteren medizinischen Unterlagen betreffend die Behandlung der körperlichen Schädigungsfolgen ergaben sich keine Hinweise auf psychische Beschwerden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Januar 2006 teilte PD Dr. F. mit, in den zusätzlich vom SG übersandten Befunden und Beurteilungen über das psychische Befinden des Klägers fänden sich leider nur ungenügende Symptombeschreibungen. Eine verlässliche und eindeutige gutachtliche Aussage im Sinne eines Vollbeweises gesicherter Fakten über die seelische Verfassung des Klägers und einen eventuellen Beginn von psychischen Beschwerden sei daher von seiner Seite nicht möglich. Für den Zeitraum bis 2003 verfüge er allein über den Kläger als Datenquelle. Während der mehrstündigen Begutachtung habe er ihn als offen, zugewandt und authentisch, ohne Hinweise auf Aggravation oder Simulation erlebt. Der Kläger habe im Rahmen der Exploration bei der Konfrontation mit dem Trauma mit Unruhe, Schreckhaftigkeit, Angst und Verzweiflung reagiert. Er sei Opfer einer äußerst schweren Gewalttat geworden. Allerdings habe er zunächst über ausreichende intrapsychische Kompensationsmöglichkeiten verfügt. In dieser Zeit habe keine MdE vorgelegen. Nachfolgend seien viele haltgebende Strukturen weggebrochen. Die Trennung von einer Freundin im Jahr 2003 sei eher als nebensächlich zu beurteilen. Sie sei keinesfalls Ursache für die aktuellen Beschwerden. In der Literatur seien schwere psychische Dekompensationen oft mehrere Jahre nach dem Traumaereignis bekannt. Er halte daher an seiner bisherigen Einschätzung fest.
Dem hielt Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 2. Februar 2006 entgegen, das Gutachten stütze sich allein auf die subjektiven Angaben des Klägers, die nicht hinreichend dokumentiert seien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sein psychisches Leiden weder im Rahmen der sozialmedizinischen Begutachtung im August 1992 noch im Rahmen der versorgungsärztlichen Begutachtung im Februar 1994 angegeben habe. Allein der große zeitliche Abstand ohne dokumentierte Brückensymptomatik lasse den ursächlichen Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung mit dem schädigenden Ereignis unwahrscheinlich erscheinen.
Der Kläger bestätigte, vor dem Jahr 2003 wegen seiner Psyche in keinerlei Behandlung gewesen zu sein. Er habe den "Psychokram" für eine "Frauenangelegenheit" gehalten. Lediglich im Jahr 1999 habe er einem fremden Arzt, Dr. Sch., seine psychischen Beschwerden offenbart. Bei der Behandlung seiner Schussverletzung sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass die psychische Bearbeitung schwerwiegend sei und eine Psychotherapie infrage kommen könnte. Seine Sozialisation sei eine andere gewesen. Beispielsweise sei er früher aktiver Ringkämpfer gewesen. Der Kläger bot dafür, wie sich sein psychischer Zustand vor der Schussverletzung von 1991 und in den Folgejahren dargestellt habe, Zeugen an.
Das SG holte die sachverständige Zeugenaussage des Dr. Sch. vom 31. März 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 24. April 2006 ein. Dieser berichtete, im Frühjahr 2004 sei eine depressive Verstimmung aufgetreten, die sich durch Medikation habe verbessern lassen. Geblieben seien Merk- und Denkstörungen. Zur Zusammenhangsfrage könne er als Allgemeinmediziner nichts sagen.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17. Juli 2006 hielt Dr. G. die Reaktivierung eines Traumas durch das Wegbrechen haltgebender Strukturen nach wie vor nicht für überzeugend. Vielmehr sei es als wahrscheinlicher anzusehen, dass das Wegbrechen der haltgebenden Strukturen selbst der wesentliche auslösende Faktor für die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers gewesen sei. Die Schussverletzung könne sicherlich als Teilursache angesehen werden, jedoch nicht als annähernd gleichwertige Ursache neben den anderen bekannten Faktoren. Ein größerer zeitlicher Abstand der psychischen Erkrankung zum schädigenden Ereignis, insbesondere gegen Ende der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen möglichen Latenzzeit von wenigen Wochen bis Monaten, mindere den Grad der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs. In der Stellungnahme vom 13. Oktober 2006 ergänzte Dr. G., zwar sei in Einzelfällen eine mehrjährige Latenz möglich, dies sei hier jedoch nicht wahrscheinlich.
Mit Urteil vom 30. Januar 2007 wies das SG die Klage ab. Der Kläger weise Symptome auf, die die Diagnosen einer PBS rechtfertigen könnten. Der erforderliche innere Ursachenzusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis sei jedoch nicht wahrscheinlich zu machen. Es sei sachverständig nirgends nachvollziehbar dargestellt, dass das Ereignis vom November 1991 neben der jeweils ersichtlich belastenden kindlichen Traumatisierung, dem Bruch mit der damaligen Partnerin sowie der Enttäuschung über das Nichterlangen der erwarteten Arbeitsstelle im Jahr 2003 eine wesentliche Ursache darstelle. Die erforderliche Abwägung der Ursachenanteile habe auch der Sachverständige des Gerichts auf Rückfrage nicht hinreichend vornehmen können. Zwar könne sich eine PBS auch noch Jahre nach einem Trauma manifestieren. Allerdings sei dabei eine Konsistenz und Überzeugungskraft der Einlassungen zu fordern. Der Kläger habe nur einmal im Jahr 1999 wegen psychischer Beschwerden geklagt. Dr. Sch. habe dem Vorbringen aber ersichtlich keine besondere Bedeutung beigemessen. Damit sei nicht zu verifizieren, was damals eigentlich tatsächlich an Symptomen vorgelegen habe. Nach den eigenen Einlassungen des Klägers habe das Beschwerdebild sogar erst im Zusammenhang mit dem Bruch mit der Partnerin und der Enttäuschung über den nicht erhaltenen Arbeitsplatz begonnen. Eine plausible Erklärung für seine diskrepanten Einlassungen habe der Kläger nicht geboten. Der Erstantrag des Klägers beim VA habe gerade nicht auf psychische, sondern nur auf somatische Beeinträchtigungen abgestellt. Nachfolgend seien psychische Beschwerden nicht dokumentiert. Selbst der dem Klageverfahren zugrunde liegende Antrag erwähne mit keinem Wort psychische Beeinträchtigungen. Im Übrigen habe der Bevollmächtigte des Klägers gegenüber dem VA noch im Juni 2004 telefonisch mitgeteilt, der Kläger wolle keinen Antrag nach dem OEG stellen. Das nachfolgende Vorbringen des Klägers sei zielgerichtet gewesen. Er habe sich offensichtlich u. a. im Internet mit dem Krankheitsbild der PBS vertraut gemacht. Die Angaben des Klägers zum Auftreten der psychischen Beschwerden seien widersprüchlich geblieben. Diplompsychologin E. habe in ihrer Bewertung die früheren Traumatisierungen nicht miteinbezogen. Der Kläger könne sich nicht auf den gerichtlichen Sachverständigen berufen. Seiner Bewertung sei wegen des fehlenden Nachweises einer seit dem Ereignis durchgehenden Symptomatik die Basis entzogen. Abgesehen davon fehle die erforderliche Gewichtung der anderen traumatisierenden Faktoren. In seiner ergänzenden Stellungnahme habe PD Dr. F. eingeräumt, den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht beweisen zu können. Auch die Erklärung, die zunächst noch intakten Kompensationsmechanismen hätten es dem Kläger ermöglicht, noch mehrere Jahre hinweg berufstätig zu sein, beweise nicht die behaupteten durchgehenden Beschwerden. Dabei sei bereits die Annahme einer mehrjährigen Tätigkeit mit der Aktenlage nicht vereinbar.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 5. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Juni 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen bzw. eine weitere Sachverhaltsaufklärung durchführen müssen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Mannheim vom 30. Januar 2007 und unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2004 zu verurteilen, ihm eine Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 ab 1. September 2003 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner getroffenen Entscheidung fest. Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren vorgenommene weitere Sachverhaltsermittlung hat er die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. F. vom 30. Oktober 2007 und Dr. G. vom 21. Mai und 26. August 2008 vorgelegt.
Der Senat hat den Entlassbericht der Klinik Hohe Mark (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P.) vom 30. Mai 2007, in der der Kläger vom 31. Januar bis 27. März 2007 stationär behandelt worden ist, beigezogen. Darin wurde eine PBS und dissoziative Störung bei einem Zustand nach mehrfachen Schussverletzungen im November 1991, ein Zustand nach Fastabtrennung der linken Hand im Jahr 1985 und ein Zustand nach einer traumatischen Kindheit beschrieben. Anamnestisch habe der Kläger Alpträume und eine im Jahr 2004 aufgetretene Depression mit psychotischen Symptomen angegeben. Die Stimmungslage des Klägers habe nicht depressiv gewirkt. Insgesamt sei der Kläger wenig präsent auf der Station gewesen. In der Traumakonfrontation sei das Schusstrauma zentral gewesen. Dabei habe sich die starke dissoziative Überlagerung akzentuiert. Der Kläger sei in stabilisiertem Zustand nach Hause entlassen worden.
Der Senat hat des Weiteren die sachverständige schriftliche Zeugenaussage der Diplompsychologin Sch. vom 25. September 2007 eingeholt. Diese diagnostizierte auf dem psychiatrischen Fachgebiet eine PBS sowie eine dissoziative Störung. Es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass eine PBS oder eine andere psychische Störung im Sinne einer starken Einschränkung der Arbeitsfähigkeit schon vor der Schusssituation bestanden habe.
Der Senat hat das nervenärztliche Gutachten von Prof. Dr. B. vom 1. April 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Juli 2008 eingeholt. Ihm gegenüber hat der Kläger angegeben, etwa fünf bis sechs Mal pro Monat komme es bei ihm zu Flashbacks, zu Bildern, die sich ihm gedanklich aufdrängten und ihn an den damaligen Überfall erinnerten. Außerdem träume er immer wieder davon, erschossen zu werden. Seit dem damaligen Ereignis im Jahr 1991 leide er unter Ein- und Durchschlafstörungen. Seit damals sei er auch depressiv geworden. Sein Antrieb sei seither vermindert. Der Kläger hat Prof. Dr. B. einen selbst verfassten handschriftlichen Lebenslauf vorgelegt. Der Sachverständige diagnostizierte auf dem nervenärztlichen Gebiet eine chronische PBS sowie eine leichtgradige depressive Episode. Seine Erwerbsfähigkeit sei dadurch um 20 v. H. seit September 2003 gemindert. Die Gesamt-MdE liege bei 40 v. H. Es sei nicht zulässig, die Symptomatik einer chronischen PBS, die womöglich schon zehn bis 15 Jahre zuvor bestanden habe, deshalb zu negieren, weil sie ärztlicherseits bislang nicht ausgewiesen worden sei. Nach seinem Eindruck handele es sich beim Kläger um einen rechtschaffenen Mann, der lange Zeit vergeblich versucht habe, die aufkommenden depressiven Gefühle zu verdrängen, anstatt diese einer fachspezifischen Behandlung zuzuführen. Er habe sich von der auf ihm lastenden Polysymptomatik nicht unterkriegen lassen wollen und die Bereitschaft entwickelt, das alles auch ohne therapeutische Hilfe durchzustehen. Unbehandelt könne eine PBS jedoch oftmals einen chronischen Verlauf nehmen. Beim Kläger habe auch die intellektuelle Kapazität gefehlt, das Ausmaß seiner Depressivität rechtzeitig zu erfassen. Aufgrund zunächst noch intakter Kompensationsmechanismen sei es ihm über Jahre noch möglich gewesen, berufstätig zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.
Sie ist auch begründet. Das SG hätte der Klage stattgeben und den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilen müssen, ihm eine Grundrente nach einem GdS von 40 zu gewähren. Durch den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2004 wurde der Kläger in seinen Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Erhöhung des GdS ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. Mai 1981, 9 RVs 4/80, SozR 3100 Nr. 21 zu § 62 BVG).
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Dabei muss der geltend gemachte Gesundheitsschaden wesentlich ursächlich auf den vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zurückzuführen sein. Das schädigende Ereignis, die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) müssen erwiesen sein, während nach § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber erforderlich ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Der ursächliche Zusammenhang ist vor allem nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d.h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang spricht. Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war vorliegend zu prüfen, ob beim Kläger in dem Zustand der Schädigungsfolgen, wie sie bei Erlass des Bescheids vom 9. März 1994 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, sei es, dass sich anerkannte Schädigungsfolgen verschlimmert haben, sei es, dass neue Schädigungsfolgen hinzugetreten sind. Dabei ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger ab dem 1. Dezember 2003 als weitere Folge der bereits anerkannten Schädigung eine PBS nebst leichtgradiger depressiver Episode hinzugetreten ist.
Der Senat stützt sich dabei auf das ausführliche und nachvollziehbare Gutachten von Prof. Dr. B. vom 1. April 2008 nebst dessen ergänzender Stellungnahme vom 12. Juli 2008. Die Auffassung von Prof. Dr. B. steht zudem in Übereinstimmung mit dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten von PD Dr. F. und der Auffassung der Dipl.-Psych. E ... Voranzustellen ist, dass das Vorliegen einer Erkrankung auf dem psychiatrischen Fachgebiet auch vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten nicht in Frage gestellt wird. In ihren Stellungnahmen vom 27. September und 11. Oktober 2004 setzte sich Dr. M. nur mit der Frage der Ursächlichkeit auseinander, ohne die Erkrankung des Klägers selbst anzuzweifeln. Entsprechendes gilt für die später vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. einschließlich der abschließenden Stellungnahme vom 26. August 2008.
Entgegen der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes und des SG geht der Senat jedoch in Übereinstimmung mit den gerichtlichen Sachverständigen davon aus, dass die psychischen Beschwerden des Klägers als PBS nebst depressiver Störung zu sehen und auf die Schädigung im Jahr 1991 zurückzuführen sind.
Nach Abschnitt F 43.1 der ICD 10 ist eine PBS wie folgt definiert: "Die Betroffenen sind einem kurz oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flashbacks), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen. Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Erlebnis. Die Betroffenen sind teilweise oder vollständig unfähig, einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern. Anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensibilität und Erregung, welche nicht vor der Belastung vorhanden waren, treten auf. Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz und erhöhte Schreckhaftigkeit. Diese Kriterien treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach Ende der Belastungsperiode auf."
Der Kläger war am 3. November 1991 einer außergewöhnlichen Bedrohung im eben beschriebenen Sinne ausgesetzt. Er wurde aus nächster Nähe mehrfach angeschossen und erheblich verletzt. Prof. Dr. B., der in den zurückliegenden Jahren oftmals Gelegenheit hatte, schwerwiegend Traumatisierte wie bspw. Unfallopfer des Flugzeugunglücks in Ramstein zu untersuchen oder zu begutachten, bewertete den damaligen Überfall zu Recht als äußerst rücksichtslos, brutal und das Leben unmittelbar bedrohend. Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme wiederholte Prof. Dr. B., dass der Kläger mit einem für ihn äußerst schlimmen Trauma konfrontiert worden war. Nicht überzeugend ist hingegen die Auffassung von Dr. M. in der Stellungnahme vom 27. September 2004, wesentliche Ursache für die psychischen Beschwerden des Klägers sei das schwere Leben, das er bislang durchgemacht habe. Der Senat verkennt nicht die von Dr. M. hierzu herangezogenen Umstände, dass der Kläger von seinem Stiefvater häufig brutal verprügelt wurde und mit elf Jahren freiwillig in ein Kinderheim gegangen ist sowie im November 2003 mit einer gescheiterten Partnerschaft konfrontiert war. Ohne Zweifel handelte es sich auch dabei um schwere Belastungen. Sie können gleichwohl nicht den von Prof. Dr. B. in der ergänzenden Stellungnahme unter Hinweis auf Prof. Dr. F. aufgezählten Extrembelastungen wie Krieg, Überfall, Entführung, Geiselnahme oder Folterung gleichgestellt werden. Der Vorfall vom 3. November 1991 nimmt aus Sicht des Senats dagegen eine herausragende Stellung ein. Die Krankheitsentwicklung des Klägers allgemein auf dessen "schweres Leben" zurückzuführen, wird dem nicht gerecht. Die Schussverletzung vermag der Senat entgegen der Auffassung von Dr. M. nicht nur als unwesentliche Teilursache anzusehen.
Der Senat geht davon aus, dass das Ereignis vom November 1991 nahezu bei jedem eine tiefgreifende Verzweiflung ausgelöst hätte. Gemäß der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. B. war das Trauma von einem Ausmaß, das normalerweise von keinem Menschen ohne bleibende körperliche und seelische Folgen verkraftet wird. Zweifel daran hielt Prof. Dr. B. sogar für geradezu "frevelhaft".
Der Kläger hat - wie beispielsweise im Gutachten von PD Dr. F. beschrieben - Nachhallerinnerungen (Flashbacks), Alpträume, leidet an Schlafstörungen und zeigt ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten im alltäglichen Leben. Auch gegenüber Prof. Dr. B. hat der Kläger von Flashbacks und einem Vermeidungsverhalten berichtet. Prof. Dr. B. hat im Rahmen der Schilderung der Beschwerden durch den Kläger keine - jedenfalls keine wesentlichen - Aggravationstendenzen bemerkt.
Für den Senat sind die Bedenken, die das SG hinsichtlich des aus seiner Sicht inkonsistenten Vorbringens des Klägers geäußert hat, durchaus verständlich. Gerade im Hinblick darauf, dass in dem dem Streitverfahren zu Grunde liegenden Neufeststellungsantrag vom September 2003 - noch - keine psychischen Beschwerden geltend gemacht wurden, kann der Senat im Ansatz nachvollziehen, dass sich das SG auch unter Berücksichtigung der nicht durchgängig stimmigen Angaben zum Beginn der psychischen Beschwerden veranlasst gesehen hat, von einem zielgerichteten Vortrag auszugehen. Dies umso mehr, als noch im Juni 2004 telefonisch von einem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt wurde, es bestehe gar kein Interesse an einer weiteren Feststellung nach dem OEG. Letztlich hält der Senat diese Bedenken bzw. Vermutungen jedoch nicht für durchgreifend.
Objektive Befunde sind ausreichend vorhanden. PD Dr. F. beschrieb im psychopathologischen Befund eine während der Begutachtung zunehmend geringer werdende Aufmerksamkeit und Konzentration. Prof. Dr. B. sah im Rahmen seiner Begutachtung die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit freilich allenfalls als dezent vermindert an. Bei der Begutachtung durch Dr. F. zeigte sich der Kläger zudem leicht ablenkbar und reagierte auf Außenreize sehr schreckhaft und ängstlich. Dabei zeigten sich auch bei PD Dr. F. keine Hinweise für eine Aggravierung der Beschwerden. Die Unterschiede zwischen den Befunden von PD Dr. F. und Prof. Dr. B. sind dadurch zu erklären, dass PD Dr. F. zum damaligen Zeitpunkt noch in Übereinstimmung mit der Auffassung der behandelnden Ärzte des Evangelischen Krankenhauses B. D. (Arztbrief vom 12. Juli 2004) von einer mittelgradigen depressiven Episode ausging, die sich zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. B. nur noch als leichtgradig darstellte.
Prof. Dr. B. gelangte nach Auswertung der ärztlichen Befundunterlagen zudem nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass der Kläger prämorbid bezogen auf den Angriff im Jahr 1991 ungeachtet der schwierigen Adoleszenz nicht psychisch krank gewesen war. Nicht jeder, der während seiner Kindheit und Jugendzeit traumatisiert wird, entwickelt neurotische oder sonstige Symptome. Im Übrigen bekräftigte Prof. Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme, dass das schädigende Ereignis im Vergleich zu möglichen anderen Teilursachen wesentliche Ursache für das Entstehen der beim Kläger vorhandenen psychischen Störungen ist. Angesichts der oben beschriebenen Gewichtung der hier in Betracht kommenden weiteren Ursachen ist dies überzeugend.
Der Senat verkennt nicht, dass der hier zu Grunde gelegte Eintritt der wesentlichen Änderung in den Verhältnissen nicht innerhalb der in der eingangs beschriebenen Definition nach dem ICD-10 genannten Frist von sechs Monaten liegt. Zum Zeitpunkt des Auftretens von Folgen psychischer Traumen wird in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, Ausgabe 2008) allerdings eingeräumt, dass diese auch gelegentlich nach einer Latenzzeit auftreten. Auch Dr. G. bestätigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13. Oktober 2006, dass nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einzelfällen mehrjährige Latenzzeiten nicht auszuschließen sind. Auch hier kann der Senat im Ansatz gut nachvollziehen, dass von Seiten des versorgungsärztlichen Dienstes und von Seiten des SG eine Latenzzeit von vorliegend über 12 Jahren unter Berücksichtigung weiterer Umstände wie alternativer Kausalitätsfaktoren und kaum dokumentierter Brückensymptome als zu lang erachtet wurde. Mit dieser Frage hat sich Prof. Dr. B. jedoch unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den Argumenten des versorgungsärztlichen Dienstes und der Auffassung des SG befasst und ist für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass ungeachtet der angesprochenen Gesichtspunkte eine Kausalität des schädigenden Ereignisses im Jahr 1991 für die im Dezember 2003 neu aufgetretenen Funktionsbeeinträchtigungen gegeben ist.
Nach den Ausführungen von Prof. Dr. B. lässt sich die Symptomatik einer chronifizierten PBS nur schlecht erfassen. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst lange Zeit keine Ahnung hatte, an einem solchen Leiden erkrankt zu sein. Nach dem Eindruck von Prof. Dr. B. handelt es sich beim Kläger um einen rechtschaffenen Mann, der auch in den Jahren nach dem Überfall darum bemüht war, seine Leistungsfähigkeit durch Annahme entsprechender Arbeitsstellen zu dokumentieren und nicht in die Rolle eines Schwerbeschädigten "einzutauchen". Psychoanalytisch gesehen hatte der Kläger durch verschiedene Verhaltensweisen seine Beschwerden abgewehrt. Diese Abwehr ist zusammengebrochen, nachdem er mit weiteren lebensgeschichtlichen Konflikten konfrontiert wurde. Zudem kann angenommen werden, dass der Kläger die Symptome zunächst nicht nur erfolgreich verdrängt hatte, sondern auch generell gesehen nur bedingt in der Lage war, differenziert über sich selbst zu berichten. Der Kläger ist in seiner Persönlichkeit einfach strukturiert. Er konnte schon als Grundschüler nur schwerlich dem Unterricht folgen. Hinweise darauf lassen sich auch dem dem Gutachten von Prof. Dr. B. beigefügten handschriftlichen Lebenslauf des Klägers entnehmen. Ferner führte Prof. Dr. B. aus, dass traumatisierte Menschen oftmals beschämt sind. In diese Richtung geht auch der Hinweis des Klägers, dass er den "Psychokram" für eine "Frauenangelegenheit" gehalten hat und sich auch deswegen gegenüber den ihn behandelnden Ärzten nicht äußern konnte. Im Übrigen ist einmalig doch eine recht klare Brückensymptomatik im Jahr 1999 in den Befundunterlagen von Dr. Sch. dokumentiert. Dieser beschrieb den Kläger als unruhig und getrieben. Ihm gegenüber hatte der Kläger mitgeteilt, seit der Schussverletzung nicht mehr so viel "Power" zu haben. Im Übrigen wies Prof. Dr. B. darauf hin, dass eine Brückensymptomatik zwar eine wichtige Beurteilungsgrundlage darstellt, diese nach dem modernen wissenschaftlichen Standard jedoch eine Relativierung erfahren hat.
In der ergänzenden Stellungnahme führt Prof. Dr. B. weiter überzeugend aus, dass sich der Kläger durch die auf ihm lastende Polysymptomatik nicht unterkriegen lassen wollte und dementsprechend die Bereitschaft entwickelte, alles auch ohne therapeutische Hilfe durchzustehen. Dies darf ihm nun nicht zum Nachteil gereichen. Gerade in unbehandelten Fällen nimmt die PBS oftmals einen chronischen Verlauf. Dabei standen dem Kläger zunächst noch bis ca. November 2003 ausreichende Kompensationsmechanismen zur Verfügung. Dies erklärt, weswegen bis dahin keine Behandlungen stattfanden.
Die Ausführungen von Prof. Dr. B. hinsichtlich der zunächst nur latent vorhandenen PBS, die sich erst nach dem Verlust haltgebender Strukturen in Form einer Partnerschaft und einer beabsichtigten Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach Durchlaufen einer Umschulung mit funktionellen Einschränkungen bemerkbar machte, erklärt die auf den ersten Blick diskrepanten Einlassungen des Klägers zum Auftreten seiner psychischen Beschwerden seit 1991 bzw. seit 2003/2004. Noch einmal ist darauf hinzuweisen, dass Dr. F. und Prof. Dr. B. keine bedeutsamen Hinweise auf eine Aggravation oder gar Simulation beim Kläger sahen. Dr. F. erlebte den Kläger vielmehr im Gespräch offen und zugewandt, seine Antworten spontan und authentisch. Ferner ist zu bedenken, dass nach der übereinstimmenden Einschätzung beider Sachverständiger die PBS nebst depressiver Erkrankung lediglich einen GdS von 20 im Sinne einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung, mithin noch ohne wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bedingt. Dem schließt sich der Senat an. Angesichts dieser milden Symptomatik ist nachvollziehbar, dass für einen so langen Zeitraum keine Beschwerden dokumentiert sind bzw. dass sich erst nach einem langen Zeitraum im Anschluss an den Wegfall von Kompensationsmechanismen ein doch eher mildes Krankheitsbild entwickelt hat. Ferner ist zu bedenken, dass für den tatsächlichen Leidensdruck des Klägers spricht, dass er sich wiederholt stationären Maßnahmen, zuletzt im Umfang von zwei Monaten, gestellt hat. Zwar wird im Entlassbericht der Klinik Hohe Mark ausgeführt, der Kläger sei wenig auf Station präsent gewesen. Gleichwohl wird an den vorliegenden Gesundheitsstörungen kein Zweifel geäußert und ein Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis gesehen. Entgegen dem Inhalt des Entlassberichts der Klinik Hohe Mark kann jedoch nicht vom Vorliegen einer dissoziativen Störung ausgegangen werden. Dies hat Prof. Dr. B. nachvollziehbar ausgeschlossen.
Die Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen steht zudem in Übereinstimmung mit den Auffassungen der sachverständigen Zeugen Dr. Sch. und Dipl.-Psych. Sch ...
Der Neufeststellungsantrag wurde im September 2003 im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Aufbrechen der Symptomatik der PBS nebst depressiver Störung gestellt. Zwar wurden in ihm ausschließlich somatische Beschwerden genannt, die sich nach den insoweit widersprüchlichen Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Dr. F. gebessert haben. Den im Neufeststellungsantrag genannten Beschwerden ist vor diesem Hintergrund nicht weiter nachzugehen. Dies wurde vom Kläger auch nicht mehr geltend gemacht.
Abweichend von der Einschätzung Prof. Dr. B.s konnte sich der Senat keine Überzeugung davon verschaffen, dass die funktionellen Beeinträchtigungen aufgrund der PBS und der depressiven Störung bereits zum Zeitpunkt des Neufeststellungsantrags im September 2003 vorgelegen haben. Dies ist nicht hinreichend dokumentiert. Erst aufgrund des Arztbriefes von Dr. B. vom 3. Februar 2004 kann ausgesagt werden, dass jedenfalls seit Anfang Dezember 2003 Symptome wie Schlaflosigkeit, Grübeln etc. vorlagen. Damals sind auch die schon mehrfach erwähnten Kompensationsmechanismen entfallen. Dieses Datum hat der Senat daher seiner Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der somit für die PBS nebst depressiver Störung ab dem 1. Dezember 2003 in Ansatz zu bringende GdS von 20 rechtfertigt entsprechend der Einschätzung von Prof. Dr. B. eine Erhöhung des Gesamt-GdS von bislang 30 auf 40. Insoweit kommt den aufgrund des psychiatrischen Krankheitsbildes eingetretenen funktionellen Einschränkungen eine eigenständige, die Beeinträchtigung insgesamt wesentlich verschlimmernde Bedeutung zu.
Nach alledem war der Berufung in dem im Tenor beschriebenen Umfang stattzugeben. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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