L 6 VJ 3163/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 VJ 3062/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VJ 3163/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berechnung und Auszahlung der Beschädigtengrundrente und des Berufsschadensausgleichs der Klägerin nebst Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 29. Februar 1988.

Zwischen den Beteiligten besteht ausgehend von dem ersten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Versorgung wegen eines Impfschadens im März 1988 seit November 1991 Streit über die festzustellenden Schädigungsfolgen, die Höhe und den Beginn der Versorgungsleistungen.

In diesem Zusammenhang führte die Klägerin auch einen Prozess um die Gewährung von Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung. Nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 20. Juli 2000 (III ZR 64/99) stellte das Oberlandesgericht Koblenz im Urteil vom 18. September 2002 (1 U 1224/00) fest, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei bzw. noch entstehe, dass ihr keine Entschädigungsleistungen nach dem Bundesseuchengesetz sowie nach dem Aufopferungsanspruch bzgl. des am 4. Juni 1951 eingetretenen Pockenimpfschadens für die Zeit vom 15. Juni 1962 bis März 1988 gewährt worden seien, soweit die Schäden nicht von einem etwaigen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nach dem Bundesseuchengesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erfasst seien. Den Streitwert setzte das OLG unter Bezugnahme auf den behaupteten Anspruch auf Grundrente und Berufsschadensausgleich fest. Der Bundesgerichtshof (BGH) änderte mit dem Anerkenntnisurteil vom 31. Juli 2003 den Entscheidungssatz des OLG Koblenz dahingehend ab, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz bereits ab dem Eintritt des Pockenimpfschadens am 4. Juni 1951 bestehe.

Im Oktober 2003 überwies der Beklagte über seine Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) EUR 303.497,84 auf das Konto der Klägerin. Im Begleitschreiben vom 20. Oktober 2003 teilte die ADD mit, die Zahlung beziehe sich auf die Schadensersatzforderung gegen den Beklagten. Es handle sich um eine Abschlagszahlung. Die Leistung erfolge vorläufig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und stehe bis zum endgültigen Nachweis der Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Die Nachzahlung erfolgte aufgrund einer Vergleichsberechnung, bei der für die Zeit ab Juni 1951 eine geschätzte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 vom Hundert (v. H.) und ab 1. Januar 1984 eine solche von 100 v. H. angesetzt wurde. Neben der Grundrente wurden der Berufsschadensausgleich sowie Zinsansprüche berücksichtigt (siehe Schreiben des Amts für soziale Angelegenheiten an die ADD vom 11. Juli 2003, dort für den Monat August 2003 berechneter Anspruch EUR 302.402,86 unter Hinweis auf eine Erhöhung aufgrund eines Zinsanspruchs um monatlich EUR 547,49 bei späterer Auszahlung).

Die Klägerin teilte hierzu mit Schreiben vom 18. November 2004 ihren Bevollmächtigten mit, sie akzeptiere die Abschlagszahlung schuldbefreiend ab dem 4. Juni 1951, gehe jedoch davon aus, dass sie zeitlich gesehen sicher nicht annähernd an den 1. Januar 1984 oder gar bis zum 29. Februar 1988 heranreiche.

Das Bundessozialgericht (BSG) verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 16. Dezember 2004 (B 9 VJ 2/03 R), der Klägerin wegen der anerkannten Schädigungsfolgen Beschädigtengrundrente nach einer MdE um 100 v. H. und Berufsschadensausgleich auch für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 29. Februar 1988 zu gewähren. Das BSG ging für diesen Zeitraum vom Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der Klägerin aus. Der der Klägerin entstandene Schaden (Verlust von Entschädigungsleistungen in der Zeit vor März 1988) sei vom Beklagten innerhalb des von § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gezogenen zeitlichen Rahmens durch rückwirkende Gewährung von Entschädigungsleistungen auszugleichen. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin sei nicht dadurch entfallen, dass sie gegen den Beklagten ein Zivilurteil erstritten habe, nach dem ihr durch die verspätete Antragsstellung entgangene Impfopferentschädigung als Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung zu zahlen sei, mithin auch Versorgungsleistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 1984 bis zum 29. Februar 1988. Zwar sei sie nach dem Inhalt der zivilgerichtlichen Entscheidungen nicht verpflichtet gewesen, den Rechtsstreit fortzuführen. Vielmehr hätte sie durch eine Rücknahme der Revision den in den zivilgerichtlichen Entscheidungen ausgesprochenen Vorbehalt hinsichtlich der Zeit vom 1. Januar 1984 bis 29. Februar 1988 zum Wegfall bringen können. Ihr Rechtsschutzinteresse ergebe sich jedoch bereits daraus, dass ihr ein sozialgerichtliches Grundurteil betreffend diesen Zeitraum insoweit eine günstigere verfahrensrechtliche Position verschaffe, als sie diesbezüglich einen kostenträchtigen Höhenstreit vor den Zivilgerichten vermeiden könne. Soweit der Beklagte zur Erfüllung der Schadensersatzansprüche der Klägerin unter Vorbehalt eine Zahlung erbracht habe, die offenbar auch die Zeit ab 1. Januar 1984 mit abdecken sollte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin damit im vollem Umfang befriedigt worden sei. Jedenfalls habe sie dem Senat gegenüber erklärt, das sie insgesamt einen deutlich höheren Schadensersatzbetrag beanspruche.

In Ausführung des Urteils des BSG erließ der Beklagte den Bescheid vom 22. April 2005 und gewährte der Klägerin unter Abänderung der Bescheide vom 29. Oktober 1991, 28. Januar 1992, 7. August 1992, 26. März 1993 und 21. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 1997 wegen der anerkannten Schädigungsfolgen Beschädigtengrundrente nach einer MdE um 100 v. H. und Berufsschadenausgleich auch für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 29. Februar 1988. Die Berechnung der Leistungen erfolgte in den Anlagen eins bis drei des Bescheids. Insgesamt wurde vom Beklagten ein Anspruch in Höhe von EUR 65.900,41 ermittelt. Hierzu führte der Beklagte aus, die Leistungen seien der Klägerin bereits im Oktober 2003 ausgezahlt worden. Der Nachzahlungsbetrag sei mit einem Zinssatz von 4 % p. a. verzinst worden, der dem in § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) festgelegten Zinssatz entspreche, sodass keine weitere Verzinsung zu erfolgen habe. Eventuelle weitergehende Ansprüche wären von der Klägerin unmittelbar gegenüber der zuständigen Behörde geltend zu machen. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid nur hinsichtlich der Be- und Abrechnung Widerspruch erhoben werden könne.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 2. Mai 2005. Sie machte einen Auszahlungsanspruch geltend. Der Schadensersatz sei nicht kongruent mit dem Herstellungsanspruch, er gehe vielmehr weiter. Ihr Schaden liege jenseits des Doppelten des im Oktober 2003 gezahlten Betrags. Der Vorsitzende Richter am BSG habe darauf hingewiesen, dass das Land nicht zur Verrechnung berechtigt sei. Sie habe die Revision beim BSG betrieben, da der Herstellungsanspruch den Streitwert einer eventuell nötigen Leistungsklage eines neuerlichen zivilrechtlichen Streits mindern würde.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2005 zurück. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Vorsitzenden Richters beim BSG sei eine Auszahlung unterblieben, da bereits im Oktober 2003 für den Impfschaden in gleicher Höhe und für den selben Zeitraum Grundrente und Berufsschadensausgleich ausgezahlt worden sei. Dieser Verfahrenswiese liege keine Aufrechnung gemäß § 51 SGB I zu Grunde, die der Vorsitzende Richter in seiner geäußerten Rechtsauffassung ganz offensichtlich angesprochen habe. Vielmehr seien die Voraussetzungen einer Aufrechnung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gegeben, da die Leistungen ihrem Gegenstand nach gleichartig seien. Bei Anwendung der von der Klägerin vertretenen Auffassung käme es zu einer Doppelleistung des Beklagten.

Hiergegen erhob die Klägerin am 4. August 2005 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Sie verwies auf ihr Schreiben an ihren Bevollmächtigten vom 18. November 2004. Das BSG habe ausdrücklich ein Rechtsschutzbedürfnis angenommen. Der Vorsitzende Richter am BSG habe in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei auszuzahlen, das Land müsse, wenn es Schadensersatz zurückverlange, zivilrechtlich auf Herausgabe klagen. Dies sei auch von Beamten des Beklagten so gesehen worden. Der im Oktober 2003 ausgezahlte Betrag reiche nur, um den zivilrechtlich zustehenden Schadensersatz wegen nichtgezahlter Grundrente und nicht gezahltem Kleiderverschleiß-Pauschbetrag bis ca. 1970 zu begleichen. Das Verhalten des Beklagten rechtfertigte vorsichtig geschätzt einen 10%-igen Strafzuschlag auf die notgedrungen nur nach dem gesetzlichen 4 %-Satz hochgerechneten Geldbeträge. Der Betrag in Höhe von EUR 65.900,41 sei falsch berechnet. Der Beklagte hielt dem entgegen, die Auszahlung im Oktober 2003 sei exakt so vorgenommen worden, als ob der Klägerin antragsgemäß seit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses Grundrente und Berufsschadensausgleich gewährt worden wäre. Für den Zeitraum vom 1. Januar 1984 bis 29. Februar 1988 sei nach dem Urteil des BSG der Anspruch der Klägerin nun nicht mehr als Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung, sondern als originärer Leistungsanspruch nach dem sozialen Entschädigungsrecht erfüllt. Das Urteil habe eine Veränderung des Rechtsgrunds der Leistungen an die Klägerin bewirkt. Die Klägerin habe für die jetzt erhobene Klage kein Rechtsschutzinteresse. Eine höhere Verzinsung komme nicht in Betracht. Der Zinssatz sei gesetzlich geregelt. Abweichendes könne die Klägerin nur im Rahmen einer Schadensersatzklage durchsetzen. Für die Geltendmachung einer Kleiderverschleiß-Pauschale bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Sie habe dies erstmals im Klageverfahren geltend gemacht. Eine Verwaltungsentscheidung liege insoweit nicht vor.

Mit Urteil vom 23. Mai 2006 wies das SG die Klage ab. Die Zahlung im Oktober 2003 sei vorläufig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt. Dies habe zur Folge, dass eine Erfüllung des in Höhe von EUR 65.900,41 bestehenden Anspruchs betreffs Grundrente und Berufsschadensausgleich sowie gesetzlicher Zinsen zunächst nicht habe eintreten können. Damit eine Erfüllung durch Bewirkung der geschuldeten Leistungen eintreten konnte, sei es erforderlich gewesen, dass der Vorbehalt der Vorläufigkeit der Leistung und der Vorbehalt der Leistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zum Wegfall komme. Erforderlich sei mithin insbesondere auch eine Tilgungsbestimmung gewesen, auf welchen Rechtsgrund die Leistung endgültig erfolgen solle. Diese zulässige und vorliegend aufgrund des Inhalts des Schreibens vom 20. Oktober 2003 erforderliche, endgültige Tilgungsbestimmung habe der Beklagte mit der angefochtenen Entscheidung nachträglich vorgenommen. Aus dem Schreiben des Beklagten vom 20. Oktober 2003 lasse sich nicht entnehmen, dass der Beklagte abweichend vom Vorbehalt im Tenor des Urteils des OLG Koblenz vom 18. September 2002 bereits habe endgültig leisten wollen. Die Entscheidung des BSG sei nur wegen des Vorbehalts im Urteil des OLG Koblenz und des weitergehenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin erfolgt. Das Vorbringen der Klägerin, der ausgezahlte Betrag reiche nur, um ihre Ansprüche bis ca. 1970 auszugleichen, trage keine andere Entscheidung. Hinweise auf eine unzutreffende Berechnung der Grundrente und des Berufsschadensausgleichs sowie der Zinszahlungen lägen nicht vor.

Gegen das ihr am 9. Juni 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Juni 2006 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Der vom SG protokollierte Leistungsantrag in Höhe von EUR 65.900,41 sei unzutreffend. Der Beklagte habe bislang den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht korrekt berechnet. Es sei eine Inflationsbereinigung vorzunehmen sowie die entgangene Möglichkeit zur gewinnbringenden Anlage mit einem Zinssatz von mehr als 4 % auszugleichen. Das BSG habe in den Entscheidungsgründen ganz allgemein von einer rückwirkenden Gewährung von Entschädigungsleistungen gesprochen. Daher müsse auch der noch offene Kleiderverschleißpauschbetrag in die Berechnung mit einfließen. Der Beklagte habe die Zahlung im Oktober 2003 selbst lediglich als Abschlagszahlung bezeichnet. Die Klägerin hat umfangreiche Aufstellungen eigener Berechnungen der ihr zustehenden Leistungen vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2006 und Abänderung des Bescheids vom 22. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. Juli 2005 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 1984 bis 29. Februar 1988 EUR 65.900,41 zuzüglich 12,4 % Zinsen hieraus auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner bisherigen Auffassung fest. Er weist darauf hin, mit Bescheid vom 17. Februar 2006 sei rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 28. Februar 1997 ein Pauschbetrag für einen Kleiderverschleiß gewährt und nachgezahlt worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten des BSG (B 9 VJ 2/03 R) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenständlich ist lediglich ein (sozialrechtlicher Herstellungs-)Anspruch der Klägerin auf die Gewährung der Beschädigtengrundrente und des Berufsschadensausgleichs nebst Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 29. Februar 1988. Die Gewährung einer Kleiderverschleißpauschale ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Der angefochtene Bescheid vom 22. April 2005 stellt einen sog. Ausführungsbescheid im Anschluss an das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2003 (s.o.) dar. Das BSG hat über eine Kleiderverschleißpauschale nicht entschieden. Anderweitiges kann nicht aus der in den Entscheidungsgründen verwandten Formulierung "rückwirkende Gewährung von Entschädigungsleistungen" hergeleitet werden. Dem steht entgegen, dass die Klägerin beim BSG keinen dahingehenden Antrag gestellt hat. Im Übrigen hat das BSG an anderer Stelle in den Entscheidungsgründen die zustehenden Leistungen ausdrücklich nur mit Beschädigtengrundrente und Berufsschadensausgleich bezeichnet. Vor diesem Hintergrund konnte auch der Bescheid vom 17. Februar 2006 nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens werden

Der Bescheid vom 22. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2005 hat lediglich hinsichtlich der Bezifferung der zustehenden Leistungen (Grundrente und Berufsschadensausgleich) mit einem Betrag in Höhe von EUR 65.900,41 und dem Hinweis, dass die Verzinsung gemäß § 44 SGB I mit 4 % p.a. erfolge, einen, bezogen auf das Urteil des BSG, eigenständigen und anfechtbaren Regelungsgehalt (vgl. hierzu: von Wulffen - Engelmann, SGB X, 9. Aufl., § 31 Rn. 30). Diese Regelungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (dazu nachfolgend 1.). Im Übrigen steht der Klägerin aus diesen Regelungen kein noch offener Auszahlungsanspruch zu (dazu nachfolgend 2.).

1. Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe die Grundrente und den Berufsschadensausgleich falsch berechnet, ist nicht nachvollziehbar. In den von ihr mit dem Schreiben vom 27. August 2005 dem SG vorgelegten Hochrechnungen stellte die Klägerin exakt die Monatsbeträge ein, die - wie sich beispielsweise den Schreiben der ADD vom 11. und 15. April 2005 entnehmen lässt - auch der Beklagte in Ansatz gebracht hat. Mit dem von ihr in der mündlichen Verhandlung beim LSG bezifferten Antrag hat die Klägerin im Übrigen nunmehr doch die Richtigkeit der Berechnungen des Beklagten bestätigt. Im einzelnen setzt sich die insoweit streitgegenständliche Summe wie folgt zusammen:

Grundrente Jan. 1984 - Juni 1984 6x DM 806 DM 4.836 Juli 1984 - Juni 1985 12x DM 817 DM 9.804 Juli 1985 - Juni 1986 12x DM 829 DM 9.948 Juli 1986 - Juni 1987 12x DM 847 DM 10.164 Juli 1987 - Febr. 1988 8x DM 873 DM 6.984 Insgesamt DM 41.736

Berufsschadensausgleich Jan. 1984 - Juni 1984 6x DM 1.562 DM 9.372 Juli 1984 - Juni 1985 12x DM 1.578 DM 18.936 Juli 1985 - Juni1986 12x DM 1.590 DM 19.080 Juli 1986 - April 1987 10x DM 1.709 DM 17.090 Mai 1987 - Juni 1987 2x DM 2.241 DM 4.428 Juli 1987 - Febr. 1988 8x DM 2.281 DM 18.248 Insgesamt DM 87.154

Zusammen DM 128.890 bzw. EUR 65.900,41.

Entgegen dem Ansinnen der Klägerin ist dieser Betrag nicht aufgrund der Inflation zu bereinigen. Eine rechtliche Grundlage dafür existiert nicht. Allein mit der nach § 44 Abs. 1 SGB I vorgesehenen Verzinsung sollen die Nachteile verspäteter Zahlung ausgeglichen werden (Kassler Kommentar, § 44 SGB I Rn. 2). Die Verzinsung mit 4 % p.a. ist gesetzlich vorgegeben, so dass auch kein Ausgleich für die entgangene Möglichkeit einer gewinnbringenderen Anlageform in Betracht kommt. Mit beiden Forderungen bewegt sich die Klägerin im Bereich des Amtshaftungs-/Schadensersatzrechts, der hier nicht zum Tragen kommt. Über die Abgrenzung des Amtshaftungs- vom originären Leistungsrecht ist die Klägerin aufgrund der verschiedentlich in beiden Gebieten ergangenen Urteile hinreichend informiert.

2. Sowohl die unter 1. genannte Hauptforderung in Höhe von EUR 65.900,41 als auch der darauf beruhende Zinsanspruch in Höhe von 4 % p.a. - hinsichtlich der Berechnung des letzteren hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben; auch der Senat sieht, ebenso wie das SG, keine Hinweise auf Fehler - sind bereits erfüllt, so dass ein (weiterer) Auszahlungsanspruch der Klägerin nicht in Betracht kommt. Die Erfüllung trat mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 22. April 2005 vor dem Hintergrund der unstreitig bereits im Oktober 2003 erfolgten Überweisung von EUR 303.497,84 ein. Dabei kommt es auf die - nach den insoweit im Wesentlichen übereinstimmenden Äußerungen der Beteiligten - vom Vorsitzenden Richter am BSG in der Verhandlung vom 16. Dezember 2004 mündlich geäußerte Rechtsauffassung - so sie denn richtig verstanden wurde -, dass eine Auf- oder Verrechnung eines Anspruchs auf Auszahlung des Herstellungsanspruchs mit dem bereits ausgezahlten Betrag nicht zulässig wäre, nicht an, da es weder einer Auf- noch einer Verrechnung bedurfte.

Aus dem schriftlichen Urteil des BSG kann nicht hergeleitet werden, dass auf jeden Fall noch eine Auszahlung zu erfolgen habe. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin wurde vom BSG angenommen, um ihr in einem kostenträchtigen Höhenstreit vor den Zivilgerichten um Schadensersatz eine günstigere verfahrensrechtliche Position zu verschaffen. Eine Notwendigkeit dafür sah das BSG, weil die Klägerin mitgeteilt hatte, mit der erfolgten Zahlung vom Oktober 2003 nicht voll befriedigt worden zu sein. Die Argumentation des BSG ist mit der hier vertretenen Auffassung vereinbar, denn auch wenn keine erneute Auszahlung erfolgt, ist der potentiell zivilrechtlich einzuklagende Schadensumfang um die Höhe des hier streitgegenständlichen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gemindert.

Zu Recht misst das SG dem Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 20. Oktober 2003 eine erhebliche Bedeutung bei. Zwar bezog sich der Beklagte darin auf die Schadensersatzforderung und bezeichnete die Überweisung als Abschlagszahlung. Gleichzeitig brachte er jedoch klar zum Ausdruck, eine Rechtspflicht nicht anzuerkennen, nur vorläufig zu leisten und sich bis zum Nachweis der Höhe der geltend gemachten Forderung die Rückforderung vorzubehalten.

Der Sinn eines Vorbehalts bei der Leistung ist durch Auslegung zu ermitteln. Zahlt der Schuldner ohne Anerkennung seiner Schuld unter Vorbehalt der Rückforderung, so findet keine Erfüllung statt (Erman, BGB, 12. Auflage, § 362 Rn. 13).

Vorliegend fällt es nicht schwer, den Sinn des vom Beklagten ausgesprochenen Vorbehalts zu ermitteln. Den im Oktober 2003 ausgezahlten Betrag hat der Beklagte genau nach den Maßstäben berechnet, die für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (wie unter 1. beschrieben) anzuwenden waren, freilich aufgrund des Urteils des BGH ohne die Rückwirkung auf maximal vier Jahre zu beschränken. Die Zahlung erfolgte zwar im zeitlichen Zusammenhang und unter sinngemäßer Bezugnahme auf die zivilrechtlichen Schadensersatzprozesse. Gleichzeitig war damals jedoch das Verfahren wegen des Herstellungsanspruchs anhängig. Dieses Verfahren veranlasste schließlich das OLG Koblenz und den BGH wegen der Nachrangigkeit des Amtshaftungsanspruchs im Verhältnis zum Herstellungsanspruch, im Urteilstenor eine Einschränkung des Schadensersatzanspruchs, der im Rahmen eines Grundurteils als gegeben angesehen wurde, hinsichtlich eines etwaigen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vorzunehmen. Dabei wurde, wie sich aus der Festsetzung des Streitwerts durch das OLG ergibt, der Schaden primär in dem Anspruch auf Grundrente und Berufsschadensausgleich gesehen, mithin von einer weitgehenden Identität der Ansprüche ausgegangen. Das war auch für die Klägerin klar erkennbar. Sie konnte nicht davon ausgehen, dass der Zahlung vom Oktober 2003 neben der Grundrente, dem Berufsschadensausgleich und den gesetzlichen Zinsen weitere Rechnungsposten zugrunde lagen. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass der Beklagte im Oktober 2003 angesichts einer drohenden weiteren Verurteilung im Prozess um den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht endgültig leisten wollte und dadurch in die Gefahr zu geraten, die letztlich selbe Leistung nicht nur als Naturalrestitution im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs, sondern auch als originäre Leistung - in der Kommentarliteratur wird hier auch von Naturalrestitution gesprochen (Kassler Kommentar, vor §§ 38-47 SGB I Rn. 43) - erbringen zu müssen. Dies wäre - wie vom Beklagten völlig zu Recht bemerkt - einer durch nichts gerechtfertigten Doppelleistung gleich gekommen.

Wie vom SG zutreffend erkannt, hat der Beklagte erst mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. April 2005 seinen Vorbehalt zurückgenommen und die Rechtspflicht zur Leistung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum anerkannt, womit die Einschränkung in den zivilgerichtlichen Urteilen zum Tragen kommt. Mit der Bekanntgabe dieses Bescheides trat gleichzeitig die Erfüllung des darin bezifferten Anspruchs ein, so dass angesichts der bereits erfolgten Überweisung keine nochmalige Zahlung in Betracht kommt.

Zur Verfolgung weitergehender Ansprüche (s.o.), für die nur noch ein Amtshaftungsanspruch als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, muss die Klägerin - sofern sie sich nicht mit dem Beklagten einigen kann - auf den von ihr selbst verschiedentlich erwähnten zivilrechtlichen Höhenstreit verwiesen werden.

Die Berufung war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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