Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VG 2461/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 5928/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 28. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aufgrund sexuellen Missbrauchs in der Kindheit einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat.
Bei der 1954 geborenen Klägerin wurde durch Bescheid des Landratsamts Konstanz (LRA) vom 11. Juli 2006 ab März 2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen einer seelischen Störung festgestellt.
Der Vater der Klägerin ist im Jahr 1915 geboren, die im Jahr 1924 geborene Mutter der Klägerin verstarb im Jahr 1981. Die Klägerin ist in der Geschwisterreihenfolge die zweite von insgesamt vier Töchtern (Geburtsjahre: R. 1951, Klägerin 1954, B. 1957 und C. 1959). Sie erlernte den Beruf der Industriekauffrau, nachfolgend durchlief sie noch eine Ausbildung zur Arzthelferin. Im Jahr 1979 heiratete die Klägerin. In diesem Jahr wurde auch ihre Tochter geboren. Die Ehe wurde im Jahr 1985 geschieden. Im Jahr 2003 kehrte die Klägerin von einem dreijährigen Aufenthalt in Spanien (Ibiza) nach Deutschland zurück.
Am 27. Oktober 2005 beantragte sie unter Hinweis auf seit ihrer Kindheit bestehende schwere Depressionen und Angstzustände, sowie wegen einer Persönlichkeitsstörung mit überwiegend narzisstisch-anankastischen Zügen bei frühkindlicher Traumatisierung die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie sei zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr des Öfteren sexuell von ihrem Vater missbraucht worden. Dies könne sie erst seit zwei Jahren verbalisieren. Genauere Erinnerungen habe sie nicht. Des Weiteren sei sie zwischen dem siebten und 15. Lebensjahr verbal erniedrigt und unverhältnismäßig gezüchtigt worden. Während ihres Aufenthalts in Spanien sei sie ebenfalls von einem Mann mit Totschlag bedroht worden. Ihr Vater habe auch ihre Mutter und die anderen Schwestern psychisch und physisch misshandelt. Es sei mindestens einmalig zu einem Suizidversuch der Mutter gekommen. Ihre Schwester C. könne sich auch an einen eigenen sexuellen Missbrauch erinnern. Die Schwester B. habe Erinnerungen an häusliche Gewalt und an eine Einschaltung des Jugendamts. In ihrer Kindheit habe sie ein Erlebnis mit einem Sexualstraftäter gehabt. Ihr Vater habe damals eine Strafanzeige gestellt. Sie habe die Frage, ob sie wisse, um was es bei dem Zusammentreffen mit diesem Täter gegangen sei, bejahen können, da sie es vom Vater her gekannt habe. Mit 16 Jahren sei es durch einen fremden Mann zu einem Vergewaltigungsversuch gekommen. Im Alter von 19 sei sie unter Drogeneinfluss vergewaltigt worden. Ihr geschiedener Ehemann habe von den Kindheitserlebnissen gewusst und habe sie unter Druck gesetzt. Auch ihre Tochter habe Kenntnis davon gehabt. Eine Strafanzeige gegen ihren Vater habe sie nicht gestellt.
Gegenstand der Prüfung im Verwaltungsverfahren waren verschiedene medizinische Unterlagen. Im Bericht des Panorama Kur- und Vitalzentrums Scheidegg, in dem die Klägerin vom 27. Juni bis 8. August 1995 stationär behandelt worden war, wurde ausgeführt, den Gesundheitsstörungen der Klägerin liege wohl ein Konflikt mit ihrem Vater, welcher Architekt und sehr leistungsfordernd gewesen sei und von dem die Klägerin sehr enttäuscht sei, zugrunde. Dr. H. (Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie) gab im Arztbrief vom 10. November 2003 an, die Klägerin habe von einer seit ihrer Kindheit bekannten vegetativen Dystonie berichtet. Dr. Z. (Gesundheitsamt des Landkreises Konstanz) teilte in der vier Wochen nach der Rückkehr von Ibiza erstellten gutachtlichen Stellungnahme vom 20. November 2003 mit, die Klägerin leide an einer seit kurzem behandelten depressiven Störung bei akzentuierter Persönlichkeit und einer generalisierten Angststörung. Zudem bestehe eine psychovegetative Übererregbarkeit mit Fehlregulation von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems. Im Reha-Entlassungsbericht vom 11. Juni 2004 der Reha-Klinik Hüttenbühl (Bad Dürrheim) wurde ausgeführt, die Klägerin habe über einige internistische Vorerkrankungen in Kindheit und Jugend und den Suizid ihrer Mutter berichtet. Sie habe den Kontakt mit ihrem Vater abgebrochen, nachdem sie einiges mit ihm aus ihrer Kindheit habe aufarbeiten wollen und er ihr mit der Enterbung gedroht habe. Ihr Vater habe eine "Nazi-Vergangenheit". Sie habe ihn in ihrer Kindheit gewalttätig erlebt. Sie sei geschlagen und abgewertet worden. Die Depressionen bestünden seit dem Jahr 2000 wegen Perspektivlosigkeit. Bereits 1989 habe sie eine erste Psychotherapie gemacht. Gegenüber dem für den Rentenversicherungsträger tätig gewordenen Gutachter Dr. G. hatte die Klägerin mitgeteilt, auch ihre Großmutter habe Depressionen gehabt. Ihr Vater solle schwer psychisch krank sein. In seinem Gutachten vom 26. Oktober 2005 erwähnte Dr. G., er habe die Klägerin latent vorwurfsvoll bis aggressiv erlebt. Diagnostisch sah er vorrangig eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und Depression. Er schätzte das Leistungsvermögen der Klägerin auf unter drei Stunden täglich ein. Das LRA forderte zudem das Vorerkrankungsverzeichnis der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse vom 25. November 2005 an. Im Befundbericht vom 16. Dezember 2005 teilte Dr. H. (Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Spezielle Schmerztherapie) mit, die Klägerin habe anamnestisch einen Missbrauch durch ihren Vater angegeben. Ein Zusammenhang mit ihren Gesundheitsstörungen sei nicht auszuschließen. Dazu dürften aber auch weitere Ereignisse beigetragen haben. Im Befundbericht vom 10. März 2006 gab Dr. D. (Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie) an, er habe die Klägerin sehr klagend und fordernd erlebt. Er diagnostizierte u.a. eine sensitiv-paranoide sowie narzisstische Persönlichkeit.
Mit Bescheid vom 20. März 2006 lehnte das LRA den Antrag der Klägerin ab. Die von der Klägerin geltend gemachten schädigenden Vorgänge seien nicht nachgewiesen. Die Klägerin habe selbst keine konkreten Angaben dazu machen können.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 24. März 2006. Sie trug vor, ein schädigendes Ereignis müsse nicht nachgewiesen sein. Die Glaubhaftigkeit reiche aus. Das LRA habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Die medizinischen Unterlagen enthielten Hinweise auf entsprechende Vorfälle in ihrer Kindheit. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei von einer schleichenden depressiven Entwicklung mit einer wesentlichen Verschlechterung im Oktober 2003 auszugehen. Bei sexuellem Missbrauch, der erst in Therapien erinnert werde, bestehe die Möglichkeit falscher Erinnerungen. Die Angaben der Klägerin seien nicht ausreichend. Sie habe zunächst eine sehr günstige soziale Entwicklung genommen. Der psychische Einbruch sei erst Jahrzehnte später erfolgt. Die Klägerin habe keine konkreten Angaben zum Missbrauch gemacht. Eine weitere Nachfrage bei Angehörigen sei nicht nötig, da es auch bei ihnen zu einer Verfälschung gekommen sein könne. Der Beklagte stützte sich dabei auf die ausführliche versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 27. Juni 2006.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. September 2006 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt sie vor, sie sei von ihrem Vater gestreichelt, liebkost und auch an den Geschlechtsteilen berührt worden. Sie könne nicht mit Sicherheit behaupten, dass ein Geschlechtsakt vollzogen worden sei. Der Missbrauch habe sich im Rohbau des Eigenheims der Familie, dessen Fertigstellung zwei Jahre benötigt habe, stattgefunden. In diesem Rohbau habe sich ein ausgestattetes Zimmer mit einem schmalen Bett befunden, worin der Vater mit ihr übernachtet habe, und wo es zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Der Rest der Familie habe sich dann zu Hause befunden. Bei der Antragsstellung habe sie diesen Sachverhalt nicht angegeben, weil sie sich psychisch überfordert gefühlt habe. Sie sei davon ausgegangen, das LRA werde eine weitere Sachverhaltsermittlung vornehmen. Dies sei ihr auch zugesagt worden. Der Beklagte behaupte ins Blaue hinein eine langjährige günstige soziale Entwicklung. Alle ihre Gesundheitsstörungen gingen auf ihren Vater zurück. Bei ihr liege keine sogenannte "False-Memory" vor, da sie schon im Jahr 1985 therapiert worden sei. Der Beklagte hielt dem entgegen, die Sachverhaltsschilderungen der Klägerin seien nicht stimmig. Bei der Antragsstellung habe sie angegeben, sich an Art und Weise des Missbrauchs und den Zeitraum nicht erinnern zu können. Auch die jetzigen Angaben seien zu vage, um sie einer Entscheidung unter erleichterten Beweismaßstäben zugrunde zu legen. In der Nichtanzeige des Vaters liege auch ein Versagungsgrund für Leistungen.
Das SG holte das nervenärztlich/psychosomatische Gutachten von Dr. K.-H. vom 7. Mai 2007 ein. Anamnestisch gab die Klägerin gegenüber der Sachverständigen an, sie sei seit ihrem 20. Lebensjahr nicht stabil. Übergriffe, die sie in Spanien erlebt habe, hätten sie an ihre Kindheitserlebnisse erinnert. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland sei die Geschichte mit ihrem Vater immer deutlicher geworden. Sie glaube, ihr Vater habe sein Glied an sie gepresst. Das Zusammensein mit ihm sei nicht ausschließlich unangenehm gewesen. Sie sei in der Familie bevorzugt worden. Es habe ein Rivalitätsverhältnis mit ihrer Mutter bestanden. Sie sei quasi die Ersatzfrau des Vaters gewesen. Als Kind sei sie mehrfach wegen einer Gaumenspalte operiert worden und habe Herzprobleme gehabt. Aktuell schreibe sie ihre Lebensgeschichte auf. Ferner sei sie künstlerisch tätig und habe eine Ausbildung zur Tanztherapeutin. Dr. K.-H. diagnostizierte eine gemischte Angst- und depressive Störung sowie eine schwere Persönlichkeitsstörung. Eine realistische Basis der Schilderungen der Klägerin erscheine möglich. Von einer Straftat könne jedoch nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2007 wies das SG die Klage ab. Der Missbrauch sei nicht nachgewiesen, sondern lediglich möglich. Es sei wissenschaftlich belegt, dass unter gewissen Bedingungen, nicht selten unter dem Einfluss von Psychotherapie, nach einer längeren Zeit des Vergessens auch gänzlich falsche oder zumindest in Anteilen falsche Gedächtnisinhalte produziert werden könnten, die von dem Betroffenen für wahr gehalten und oft mit großer emotionaler Beteiligung vorgetragen würden. Dabei ginge es häufig um Erinnerungen an einen vermeintlichen sexuellen Missbrauch.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 10. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Dezember 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und ergänzt, auch das SG hätte den Sachverhalt weiter ermitteln müssen. Ihre Angaben seien glaubhaft. Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und zur Beweisaufnahme vom 28. Mai 2008 hat die Klägerin angegeben, sie könne sich an Vorfälle für die Zeit ihres siebten bis zehnten Lebensjahres sehr genau erinnern. Es sei möglich, dass auch schon früher oder später etwas geschehen sei. Ihr Vater habe damals ein Zweifamilienhaus gebaut. Das habe viele Jahre in Anspruch genommen. Er habe sie wiederholt über Nacht in den Rohbau gebracht. Dort seien sie nackt auf einer Matratze gelegen. Er habe versucht, sein Glied an sie zu pressen, er habe sie liebkost und gestreichelt. Die Klägerin hat weitere Angaben zu einem Zusammentreffen mit einem Mann gemacht, der ihr im Alter von ca. zehn Jahren in Begleitung einer oder mehrerer Schwestern im Wald pornographische Bilder gezeigt habe und der nachfolgend von ihrem Vater angezeigt worden sei. Ferner hat sie allgemein die damaligen Lebensumstände und ihren weiteren Lebensweg, einschließlich Übergriffe durch andere Personen, geschildert. Schriftsätzlich hat sie abschließend vorgetragen, ihre Aussagen seien unter dem Blickwinkel des erleichterten Beweismaßstabs mehr als glaubhaft und substantiiert. In der medizinischen Wissenschaft werde überwiegend davon ausgegangen, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit zu dissoziativen Störungen bzw. posttraumatischen Syndromen führen könne und dass auch ein Zusammenhang anzunehmen sei. Dies sei durch Sachverständigengutachten weiter zu klären.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Konstanz vom 28. November 2007 und Aufhebung des Bescheids vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 zu verurteilen, ihr Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) um mindestens 25 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Erwiderung wiederholt er, die gesetzlich vorgesehene Beweiserleichterung greife nicht, da die Angaben der Klägerin zu ungenau seien.
Die vom Senat als Zeuginnen geladenen Schwestern der Klägerin C. S. und B. St. haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Schwester R. R. hat der Berichterstatter im Termin vom 28. Mai 2008 als Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Niederschrift des Termins Bezug genommen. Auch die Klägerin hat in diesem Termin weitere Angaben gemacht.
Der Senat hat bei der Stadtverwaltung Oberkochen die Auskunft vom 1. Juli 2008 eingeholt. Danach war die Klägerin von ihrer Geburt an bis zum 30. April 1959 unter der Brunnenhaldestraße und anschließend bis zum 30. März 1973 unter der Dreißentalstraße gemeldet. Die Baugenehmigung für das Zweifamilienwohnhaus auf dem Grundstück Dreißentalstraße sei am 21. Juni 1955 erteilt worden.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die beigezogene Schwerbehindertenakte sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Beschädigtenrente. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten erweist sich als rechtmäßig. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Der Senat konnte sich keine Überzeugung vom Vorliegen eines solchen Angriffs verschaffen. In der Regel muss dieser Tatbestand, wie es für Leistungsansprüche nach dem sozialen Entschädigungsrecht allgemein gilt, zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht das zu Lasten desjenigen, der aus dem behaupteten Umstand Rechte herleiten möchte - hier der Klägerin (objektive Beweis- und Feststellungslast).
Allerdings kann - worauf das SG nicht eingegangen ist, was die Klägerin und auch der Beklagte jedoch wiederholt thematisiert haben - auch die Beweiserleichterung nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) Berücksichtigung finden. Nach dieser Vorschrift können der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zu Grunde gelegt werden, wenn Unterlagen nicht vorhanden sind oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind. Diese Vorschrift gilt gem. § 6 Abs. 3 OEG auch für die Entschädigung nach dem Opferentschädigungsrecht, sowohl im Verwaltungs- als auch im gerichtlichen Verfahren. Die Anwendung des § 15 KOVVfG setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, B 9 VG 3/99 R, zitiert nach Juris, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Ausreichend ist bei der Anwendung dieser Beweiserleichterung, dass die Angaben glaubhaft gemacht sind, d. h. dass die gute Möglichkeit besteht, dass der Vorgang sich wie vom Antragsteller dargestellt zugetragen haben könnte, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, zitiert nach Juris). Ungenaue, wenig klare Behauptungen zu einem schädigenden Vorgang reichen allerdings regelmäßig nicht aus.
In der Zusammenschau bleiben für den Senat mehr als gewisse Zweifel an der Behauptung der Klägerin, sie sei in ihrer Kindheit von ihrem Vater sexuell missbraucht worden. Der Senat hält dies nicht für glaubhaft gemacht bzw. gut möglich.
Wie vom SG bereits dargestellt, hat die Klägerin an den von ihr geltend gemachten sexuellen Missbrauch letztlich nur ungenaue Erinnerungen. Es mag sein, dass der Umstand, dass die Klägerin erst nach und nach genauere Angaben hierzu gemacht hat, entsprechend der Einschätzung von Dr. K.-H. nicht generell gegen die Wahrhaftigkeit dieser Angaben spricht. Allerdings ist dieses Nachschieben immer genauerer Tatumstände aus Sicht des Senats umgekehrt aber auch nicht geeignet, die Überzeugungskraft der Behauptungen zu erhöhen. Dementsprechend äußerte Dr. K.-H. lediglich die Einschätzung, die Tatsache, dass die Missbrauchserfahrungen im bisherigen Verlauf und in diversen Vorbehandlungen nicht eindeutig thematisiert worden seien, spreche nicht unbedingt gegen deren Wahrheitsgehalt. Soweit die Sachverständige darauf hinwies, die Gewaltandrohungen in Spanien hätten die Ereignisse aus der Kindheit aktualisieren können, hält es der Senat aber letztlich doch für schwer nachvollziehbar, dass diese reaktualisierten Ereignisse dann nicht wenigstens im Entlassungsbericht der nach der Rückkehr aus Spanien im März/April 2004 durchgeführten Reha-Maßnahme auftauchen, es vielmehr erst dem Bevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der rechtlichen Beratung, wie er im Erörterungstermin angegeben hat, gelungen sein soll, diese Problematik aufzudecken.
Zuletzt erklärte die Klägerin im Erörterungstermin vom 28. Mai 2008, sie könne sich für die Zeit ihres siebten bis zehnten Lebensjahrs sehr genau an Vorfälle erinnern. In dieser Zeit habe ihr Vater ein Zweifamilienhaus gebaut, in dem es zu sexuellen Missbrauchshandlungen bei Abwesenheit der übrigen Familienangehörigen, die sich in der damaligen Mietwohnung befunden hätten, gekommen sei. Diese Schilderung ist nicht glaubhaft. Denn nach der Mitteilung der Stadtverwaltung Oberkochen wurde die Baugenehmigung für die Erstellung des Zweifamilienwohnhauses der Familie der Klägerin am 21. Juni 1955 erteilt. Die Ummeldung der Klägerin auf die Anschrift dieses Zweifamilienhauses erfolgte am 30. April 1959. Mithin trifft zwar zu, dass der Bau dieses Wohnhauses, wie von der Klägerin und auch der Zeugin angegeben, mehrere Jahre gedauert hat. Allerdings ist aufgrund der Angaben der Stadtverwaltung Oberkochen davon auszugehen, dass die Klägerin bei Beginn dieses Bauvorhabens gerade einmal ein Jahr alt war und der Umzug der Familie kurz vor Vollendung ihres fünften Lebensjahrs stattfand. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Daten, die von der Stadtverwaltung Oberkochen mitgeteilt wurden, zutreffend sind, d. h. insbesondere den tatsächlichen Umzug der Klägerin in das neu gebaute Eigenheim zeitlich korrekt einordnen. Denn die Zeugin hat angegeben, ihr Vater sei ein Paragraphenmensch gewesen. Die Klägerin hat im Erörterungstermin mitgeteilt, ihr Vater sei auch als Hilfspolizist tätig geworden. Aus diesem Grund besteht keinerlei Veranlassung für die Annahme, dass die bei der Stadtverwaltung gespeicherten Daten nicht den tatsächlichen Baubeginn und den tatsächlichen Umzug wiedergeben. Zu dem von der Klägerin einzig detailliert beschriebenen Missbrauch zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr kann es so mithin nicht gekommen sein, da die Familie in dieser Zeit schon in dem erstellten Neubau wohnte.
Soweit die Klägerin zum Widerspruch zwischen ihren Angaben und den eben genannten gespeicherten Daten zuletzt schriftsätzlich vorgetragen hat, sie könne die Daten und Örtlichkeiten der streitgegenständlichen Geschehnisse aufgrund des sehr fortgeschrittenen Zeitablaufs nicht 100%ig zuordnen, ist dem entgegen zu halten, dass sie im Erörterungstermin eine genaue Erinnerung an die Zeit ihres siebten bis zehnten Lebensjahrs in Verknüpfung mit dem Rohbau geäußert und lediglich für möglich erachtet hat, dass auch früher oder später etwas geschehen ist. Soweit sie weiter ausgeführt hat, "dass in dem Haus war nur ein Teil. Der andere Teil war dann nach dem Umzug", liegen keinerlei präzisere Angaben zu dem, was in dieser Zeit vorgefallen sein soll, vor. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht nur von sexuellem Missbrauch, der hier entschädigungsrelevant wäre, sondern auch von fragwürdigen Erziehungsmethoden, die nicht ohne Weiteres als entschädigungsrelevant angesehen werden können, berichtet hat.
Auch die Zeugin hat einen sexuellen Missbrauch nicht bestätigen können. Ihre Angaben über ihren Vater stimmen dabei im Wesentlichen mit den Angaben der Klägerin überein. Insbesondere bestätigte die Zeugin, dass ihr Vater "komisch" und ein Paragraphenmensch gewesen sei, der immer wieder Anzeigen erstattet habe. Sie räumte auch ein, dass er die Mutter geschlagen hat. Ferner konnte sie sich erinnern, dass sich die Familie aus Angst vor einer gewalttätigen Reaktion des Vaters einmalig eingeschlossen hatte. Im Übrigen schilderte sie ihn aber nicht als gewalttätig und auf die Ausbildung seiner Kinder bedacht. Durch die Aussage der Zeugin mag die von der Sachverständigen Dr. K.-H. beschriebene, durch Vernachlässigung, Gewalttätigkeit und Angst geprägte Familienatmosphäre jedenfalls teilweise bestätigt worden sein. Daraus allein kann nach Überzeugung des Senats jedoch nicht auf die gute Möglichkeit eines gleichermaßen auch stattgefundenen sexuellen Missbrauchs der Klägerin durch ihren Vater geschlossen werden. Es ist auch kein Grund ersichtlich, aus dem die Zeugin, die sich letztlich an die damalige Zeit durchaus gut erinnert hat und die, wie sich aus dem Bruch mit ihrem Vater ergibt, auch keine Veranlassung hat, diesen in Schutz zu nehmen, einen ihr bekannten Missbrauch verschwiegen haben sollte.
Zu Recht hat das SG in diesem Zusammenhang im Anschluss an Dr. W. und Dr. K.-H. auf das sogenannte "False-Memory-Syndrom" hingewiesen. Vor dem Hintergrund dieses Syndroms mag es sein, dass die Klägerin subjektiv von ihren Angaben überzeugt ist. Für eine gute Möglichkeit solcher, sogenannter falscher Erinnerungen spricht hier, worauf das SG bereits eingegangen ist, dass die streitgegenständlichen Vorfälle mindestens 40 Jahre zurück liegen und nur ungenau erinnert werden. Die nachgeschobenen Präzisierungen der Klägerin sind - wie bereits ausgeführt - als widerlegt anzusehen. Zudem war die Klägerin im Verlauf ihres weiteren Lebens, wie sie im Erörterungstermin noch einmal eindrücklich schilderte, mehrfach Bedrohungen der sexuellen Selbstbestimmung von anderer Seite her ausgesetzt, sodass auch "Vermischungen" von Erinnerungen möglich sind. So hat die Klägerin im Erörterungstermin von einem Vergewaltigungsversuch während eines Landeinsatzes in ihrem 14. Lebensjahr und mehreren Vergewaltigungen unter Drogeneinfluss durch ihren Freund und einen seiner Freunde bis zu ihrem 25. Lebensjahr berichtet. Ferner schilderte sie ernsthafte Bedrohungen ihrer körperlichen Unversehrtheit während ihres Aufenthalts auf Ibiza. Zudem hat die Sachverständige Dr. K.-H. auf zahlreiche weitere Schädigungsfaktoren, wie z. B. die Erfahrungen anlässlich der operativen Eingriffe zur Behandlung der bei der Klägerin vorhanden gewesenen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte und eine gestörte Mutterbeziehung hingewiesen. Bereits Dr. H. hat im Befundbericht vom 16. Dezember 2005 ausgeführt, neben dem ihm gegenüber anamnestisch angegebenen Missbrauch dürften weitere Ereignisse zur gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin beigetragen haben. Im Erörterungstermin hat die Klägerin selbst ausgeführt, sie habe schon vor dem fünften Lebensjahr unter Angstzuständen gelitten. In diesem Zusammenhang wies auch sie auf dreimalige Operationen in ihrer Kindheit und den Umstand hin, von ihrem Vater mehr Zuwendung bekommen zu haben als von der Mutter. Soweit die Klägerin ihre Gesundheitsstörung allein als Folge bestimmter Ereignisse ansieht, ist somit für den Senat nicht überzeugend, dass hierfür allein Ereignisse ihrer Kindheit in Betracht kommen und nicht auch spätere Ereignisse, die von der Klägerin weitaus klarer beschrieben werden.
Zusammenfassend geht der Senat davon aus, dass ein sexueller Missbrauch der Klägerin durch ihren Vater weder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorlag noch als gut möglich anzusehen ist. Zwar führte Dr. K.-H. aus, bei kritischer Würdigung der Vorgeschichte und des aktuellen Befundes sei vor dem Hintergrund allgemeiner fachärztlicher Erfahrung eine realistische Basis der Erinnerungen der Klägerin als durchaus möglich anzunehmen. Allerdings ist auch diese Formulierung nicht als ausreichend anzusehen, um die Voraussetzung des § 15 KOVVfG zu erfüllen. Denn diese Vorschrift setzt nicht nur eine durchaus gegebene Möglichkeit, sondern gerade eine gute Möglichkeit voraus. Eine nähere Bewertung der angesprochenen Einschätzung der Sachverständigen kann allerdings dahingestellt bleiben, da aufgrund der weiteren Sachverhaltsermittlungen im Berufungsverfahren zum einen nun eine Zeugenaussage, deren Fehlen Dr. K.-H. in ihrem Gutachten erwähnt hatte, vorliegt und sich zum anderen die von der Klägerin zu den streitgegenständlichen Vorfällen abgegebenen Präzisierungen als unzutreffend erwiesen haben. Vor diesem Hintergrund kann - ungeachtet einer früheren Einschätzung von Dr. K.-H., der sich das SG angeschlossen hat - keinesfalls mehr von der guten Möglichkeit einer realistischen Basis der Erinnerungen der Klägerin ausgegangen werden.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Zwar hat die Klägerin bei der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf die "Beweisanträge" in der Berufungsschrift "nochmals hingewiesen". Davor hatte der Senat aber unmissverständlich mitgeteilt, der Rechtsstreit werde für entscheidungsreif erachtet. Vor diesem Hintergrund kann der bloße Hinweis auf die "Beweisanträge" in der Berufungsschrift bei der rechtskundig vertretenen Klägerin nicht als ausdrückliche Aufrechterhaltung dieser "Anträge" angesehen werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 8. Auflage, § 160 Rn. 10 b). Zudem wurde den "Beweisanträgen" in der Berufungsschrift vom 12. Dezember 2007 insoweit Rechnung getragen, als die begehrte Anhörung der Klägerin im Erörterungstermin stattgefunden hat. Im Übrigen liegt hinsichtlich des im Berufungsschriftsatz geäußerten Wunsches auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens lediglich eine Anregung zu einer weiteren Ermittlung von Amts wegen vor. Denn im Berufungsschriftsatz werden die zu begutachtenden Punkte nicht gem. § 403 Zivilprozessordnung (ZPO) konkret bezeichnet. Der Wunsch nach einem weiteren Sachverständigengutachten wurde von der Klägerin lediglich im Zusammenhang mit ihrer Kritik an dem eingeholten Gutachten vorgetragen. Insoweit hätte es der Klägerin freigestanden, einen Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes gem. § 109 SGG zu stellen. Von dieser Möglichkeit hat sie keinen Gebrauch gemacht. Von Amts wegen bestand keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten einzuholen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass vorliegend nicht erst die mit medizinischem Fachwissen zu beantwortende Zusammenhangsfrage, sondern bereits die Frage, ob ein schädigendes Ereignis als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen werden kann, streitentscheidend ist. Von Letzterem konnte sich der Senat aufgrund der dargestellten Unsicherheiten und Widersprüche, deren Bewertung keine Hinzuziehung weiteren ärztlichen Sachverstands erforderlich macht, nicht überzeugen.
Die Berufung war mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aufgrund sexuellen Missbrauchs in der Kindheit einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat.
Bei der 1954 geborenen Klägerin wurde durch Bescheid des Landratsamts Konstanz (LRA) vom 11. Juli 2006 ab März 2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen einer seelischen Störung festgestellt.
Der Vater der Klägerin ist im Jahr 1915 geboren, die im Jahr 1924 geborene Mutter der Klägerin verstarb im Jahr 1981. Die Klägerin ist in der Geschwisterreihenfolge die zweite von insgesamt vier Töchtern (Geburtsjahre: R. 1951, Klägerin 1954, B. 1957 und C. 1959). Sie erlernte den Beruf der Industriekauffrau, nachfolgend durchlief sie noch eine Ausbildung zur Arzthelferin. Im Jahr 1979 heiratete die Klägerin. In diesem Jahr wurde auch ihre Tochter geboren. Die Ehe wurde im Jahr 1985 geschieden. Im Jahr 2003 kehrte die Klägerin von einem dreijährigen Aufenthalt in Spanien (Ibiza) nach Deutschland zurück.
Am 27. Oktober 2005 beantragte sie unter Hinweis auf seit ihrer Kindheit bestehende schwere Depressionen und Angstzustände, sowie wegen einer Persönlichkeitsstörung mit überwiegend narzisstisch-anankastischen Zügen bei frühkindlicher Traumatisierung die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie sei zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr des Öfteren sexuell von ihrem Vater missbraucht worden. Dies könne sie erst seit zwei Jahren verbalisieren. Genauere Erinnerungen habe sie nicht. Des Weiteren sei sie zwischen dem siebten und 15. Lebensjahr verbal erniedrigt und unverhältnismäßig gezüchtigt worden. Während ihres Aufenthalts in Spanien sei sie ebenfalls von einem Mann mit Totschlag bedroht worden. Ihr Vater habe auch ihre Mutter und die anderen Schwestern psychisch und physisch misshandelt. Es sei mindestens einmalig zu einem Suizidversuch der Mutter gekommen. Ihre Schwester C. könne sich auch an einen eigenen sexuellen Missbrauch erinnern. Die Schwester B. habe Erinnerungen an häusliche Gewalt und an eine Einschaltung des Jugendamts. In ihrer Kindheit habe sie ein Erlebnis mit einem Sexualstraftäter gehabt. Ihr Vater habe damals eine Strafanzeige gestellt. Sie habe die Frage, ob sie wisse, um was es bei dem Zusammentreffen mit diesem Täter gegangen sei, bejahen können, da sie es vom Vater her gekannt habe. Mit 16 Jahren sei es durch einen fremden Mann zu einem Vergewaltigungsversuch gekommen. Im Alter von 19 sei sie unter Drogeneinfluss vergewaltigt worden. Ihr geschiedener Ehemann habe von den Kindheitserlebnissen gewusst und habe sie unter Druck gesetzt. Auch ihre Tochter habe Kenntnis davon gehabt. Eine Strafanzeige gegen ihren Vater habe sie nicht gestellt.
Gegenstand der Prüfung im Verwaltungsverfahren waren verschiedene medizinische Unterlagen. Im Bericht des Panorama Kur- und Vitalzentrums Scheidegg, in dem die Klägerin vom 27. Juni bis 8. August 1995 stationär behandelt worden war, wurde ausgeführt, den Gesundheitsstörungen der Klägerin liege wohl ein Konflikt mit ihrem Vater, welcher Architekt und sehr leistungsfordernd gewesen sei und von dem die Klägerin sehr enttäuscht sei, zugrunde. Dr. H. (Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie) gab im Arztbrief vom 10. November 2003 an, die Klägerin habe von einer seit ihrer Kindheit bekannten vegetativen Dystonie berichtet. Dr. Z. (Gesundheitsamt des Landkreises Konstanz) teilte in der vier Wochen nach der Rückkehr von Ibiza erstellten gutachtlichen Stellungnahme vom 20. November 2003 mit, die Klägerin leide an einer seit kurzem behandelten depressiven Störung bei akzentuierter Persönlichkeit und einer generalisierten Angststörung. Zudem bestehe eine psychovegetative Übererregbarkeit mit Fehlregulation von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems. Im Reha-Entlassungsbericht vom 11. Juni 2004 der Reha-Klinik Hüttenbühl (Bad Dürrheim) wurde ausgeführt, die Klägerin habe über einige internistische Vorerkrankungen in Kindheit und Jugend und den Suizid ihrer Mutter berichtet. Sie habe den Kontakt mit ihrem Vater abgebrochen, nachdem sie einiges mit ihm aus ihrer Kindheit habe aufarbeiten wollen und er ihr mit der Enterbung gedroht habe. Ihr Vater habe eine "Nazi-Vergangenheit". Sie habe ihn in ihrer Kindheit gewalttätig erlebt. Sie sei geschlagen und abgewertet worden. Die Depressionen bestünden seit dem Jahr 2000 wegen Perspektivlosigkeit. Bereits 1989 habe sie eine erste Psychotherapie gemacht. Gegenüber dem für den Rentenversicherungsträger tätig gewordenen Gutachter Dr. G. hatte die Klägerin mitgeteilt, auch ihre Großmutter habe Depressionen gehabt. Ihr Vater solle schwer psychisch krank sein. In seinem Gutachten vom 26. Oktober 2005 erwähnte Dr. G., er habe die Klägerin latent vorwurfsvoll bis aggressiv erlebt. Diagnostisch sah er vorrangig eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und Depression. Er schätzte das Leistungsvermögen der Klägerin auf unter drei Stunden täglich ein. Das LRA forderte zudem das Vorerkrankungsverzeichnis der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse vom 25. November 2005 an. Im Befundbericht vom 16. Dezember 2005 teilte Dr. H. (Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Spezielle Schmerztherapie) mit, die Klägerin habe anamnestisch einen Missbrauch durch ihren Vater angegeben. Ein Zusammenhang mit ihren Gesundheitsstörungen sei nicht auszuschließen. Dazu dürften aber auch weitere Ereignisse beigetragen haben. Im Befundbericht vom 10. März 2006 gab Dr. D. (Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie) an, er habe die Klägerin sehr klagend und fordernd erlebt. Er diagnostizierte u.a. eine sensitiv-paranoide sowie narzisstische Persönlichkeit.
Mit Bescheid vom 20. März 2006 lehnte das LRA den Antrag der Klägerin ab. Die von der Klägerin geltend gemachten schädigenden Vorgänge seien nicht nachgewiesen. Die Klägerin habe selbst keine konkreten Angaben dazu machen können.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 24. März 2006. Sie trug vor, ein schädigendes Ereignis müsse nicht nachgewiesen sein. Die Glaubhaftigkeit reiche aus. Das LRA habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Die medizinischen Unterlagen enthielten Hinweise auf entsprechende Vorfälle in ihrer Kindheit. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei von einer schleichenden depressiven Entwicklung mit einer wesentlichen Verschlechterung im Oktober 2003 auszugehen. Bei sexuellem Missbrauch, der erst in Therapien erinnert werde, bestehe die Möglichkeit falscher Erinnerungen. Die Angaben der Klägerin seien nicht ausreichend. Sie habe zunächst eine sehr günstige soziale Entwicklung genommen. Der psychische Einbruch sei erst Jahrzehnte später erfolgt. Die Klägerin habe keine konkreten Angaben zum Missbrauch gemacht. Eine weitere Nachfrage bei Angehörigen sei nicht nötig, da es auch bei ihnen zu einer Verfälschung gekommen sein könne. Der Beklagte stützte sich dabei auf die ausführliche versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 27. Juni 2006.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. September 2006 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt sie vor, sie sei von ihrem Vater gestreichelt, liebkost und auch an den Geschlechtsteilen berührt worden. Sie könne nicht mit Sicherheit behaupten, dass ein Geschlechtsakt vollzogen worden sei. Der Missbrauch habe sich im Rohbau des Eigenheims der Familie, dessen Fertigstellung zwei Jahre benötigt habe, stattgefunden. In diesem Rohbau habe sich ein ausgestattetes Zimmer mit einem schmalen Bett befunden, worin der Vater mit ihr übernachtet habe, und wo es zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Der Rest der Familie habe sich dann zu Hause befunden. Bei der Antragsstellung habe sie diesen Sachverhalt nicht angegeben, weil sie sich psychisch überfordert gefühlt habe. Sie sei davon ausgegangen, das LRA werde eine weitere Sachverhaltsermittlung vornehmen. Dies sei ihr auch zugesagt worden. Der Beklagte behaupte ins Blaue hinein eine langjährige günstige soziale Entwicklung. Alle ihre Gesundheitsstörungen gingen auf ihren Vater zurück. Bei ihr liege keine sogenannte "False-Memory" vor, da sie schon im Jahr 1985 therapiert worden sei. Der Beklagte hielt dem entgegen, die Sachverhaltsschilderungen der Klägerin seien nicht stimmig. Bei der Antragsstellung habe sie angegeben, sich an Art und Weise des Missbrauchs und den Zeitraum nicht erinnern zu können. Auch die jetzigen Angaben seien zu vage, um sie einer Entscheidung unter erleichterten Beweismaßstäben zugrunde zu legen. In der Nichtanzeige des Vaters liege auch ein Versagungsgrund für Leistungen.
Das SG holte das nervenärztlich/psychosomatische Gutachten von Dr. K.-H. vom 7. Mai 2007 ein. Anamnestisch gab die Klägerin gegenüber der Sachverständigen an, sie sei seit ihrem 20. Lebensjahr nicht stabil. Übergriffe, die sie in Spanien erlebt habe, hätten sie an ihre Kindheitserlebnisse erinnert. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland sei die Geschichte mit ihrem Vater immer deutlicher geworden. Sie glaube, ihr Vater habe sein Glied an sie gepresst. Das Zusammensein mit ihm sei nicht ausschließlich unangenehm gewesen. Sie sei in der Familie bevorzugt worden. Es habe ein Rivalitätsverhältnis mit ihrer Mutter bestanden. Sie sei quasi die Ersatzfrau des Vaters gewesen. Als Kind sei sie mehrfach wegen einer Gaumenspalte operiert worden und habe Herzprobleme gehabt. Aktuell schreibe sie ihre Lebensgeschichte auf. Ferner sei sie künstlerisch tätig und habe eine Ausbildung zur Tanztherapeutin. Dr. K.-H. diagnostizierte eine gemischte Angst- und depressive Störung sowie eine schwere Persönlichkeitsstörung. Eine realistische Basis der Schilderungen der Klägerin erscheine möglich. Von einer Straftat könne jedoch nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2007 wies das SG die Klage ab. Der Missbrauch sei nicht nachgewiesen, sondern lediglich möglich. Es sei wissenschaftlich belegt, dass unter gewissen Bedingungen, nicht selten unter dem Einfluss von Psychotherapie, nach einer längeren Zeit des Vergessens auch gänzlich falsche oder zumindest in Anteilen falsche Gedächtnisinhalte produziert werden könnten, die von dem Betroffenen für wahr gehalten und oft mit großer emotionaler Beteiligung vorgetragen würden. Dabei ginge es häufig um Erinnerungen an einen vermeintlichen sexuellen Missbrauch.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 10. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Dezember 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und ergänzt, auch das SG hätte den Sachverhalt weiter ermitteln müssen. Ihre Angaben seien glaubhaft. Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und zur Beweisaufnahme vom 28. Mai 2008 hat die Klägerin angegeben, sie könne sich an Vorfälle für die Zeit ihres siebten bis zehnten Lebensjahres sehr genau erinnern. Es sei möglich, dass auch schon früher oder später etwas geschehen sei. Ihr Vater habe damals ein Zweifamilienhaus gebaut. Das habe viele Jahre in Anspruch genommen. Er habe sie wiederholt über Nacht in den Rohbau gebracht. Dort seien sie nackt auf einer Matratze gelegen. Er habe versucht, sein Glied an sie zu pressen, er habe sie liebkost und gestreichelt. Die Klägerin hat weitere Angaben zu einem Zusammentreffen mit einem Mann gemacht, der ihr im Alter von ca. zehn Jahren in Begleitung einer oder mehrerer Schwestern im Wald pornographische Bilder gezeigt habe und der nachfolgend von ihrem Vater angezeigt worden sei. Ferner hat sie allgemein die damaligen Lebensumstände und ihren weiteren Lebensweg, einschließlich Übergriffe durch andere Personen, geschildert. Schriftsätzlich hat sie abschließend vorgetragen, ihre Aussagen seien unter dem Blickwinkel des erleichterten Beweismaßstabs mehr als glaubhaft und substantiiert. In der medizinischen Wissenschaft werde überwiegend davon ausgegangen, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit zu dissoziativen Störungen bzw. posttraumatischen Syndromen führen könne und dass auch ein Zusammenhang anzunehmen sei. Dies sei durch Sachverständigengutachten weiter zu klären.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Konstanz vom 28. November 2007 und Aufhebung des Bescheids vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2006 zu verurteilen, ihr Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) um mindestens 25 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Erwiderung wiederholt er, die gesetzlich vorgesehene Beweiserleichterung greife nicht, da die Angaben der Klägerin zu ungenau seien.
Die vom Senat als Zeuginnen geladenen Schwestern der Klägerin C. S. und B. St. haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Schwester R. R. hat der Berichterstatter im Termin vom 28. Mai 2008 als Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Niederschrift des Termins Bezug genommen. Auch die Klägerin hat in diesem Termin weitere Angaben gemacht.
Der Senat hat bei der Stadtverwaltung Oberkochen die Auskunft vom 1. Juli 2008 eingeholt. Danach war die Klägerin von ihrer Geburt an bis zum 30. April 1959 unter der Brunnenhaldestraße und anschließend bis zum 30. März 1973 unter der Dreißentalstraße gemeldet. Die Baugenehmigung für das Zweifamilienwohnhaus auf dem Grundstück Dreißentalstraße sei am 21. Juni 1955 erteilt worden.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die beigezogene Schwerbehindertenakte sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Beschädigtenrente. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten erweist sich als rechtmäßig. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Der Senat konnte sich keine Überzeugung vom Vorliegen eines solchen Angriffs verschaffen. In der Regel muss dieser Tatbestand, wie es für Leistungsansprüche nach dem sozialen Entschädigungsrecht allgemein gilt, zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht das zu Lasten desjenigen, der aus dem behaupteten Umstand Rechte herleiten möchte - hier der Klägerin (objektive Beweis- und Feststellungslast).
Allerdings kann - worauf das SG nicht eingegangen ist, was die Klägerin und auch der Beklagte jedoch wiederholt thematisiert haben - auch die Beweiserleichterung nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) Berücksichtigung finden. Nach dieser Vorschrift können der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zu Grunde gelegt werden, wenn Unterlagen nicht vorhanden sind oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind. Diese Vorschrift gilt gem. § 6 Abs. 3 OEG auch für die Entschädigung nach dem Opferentschädigungsrecht, sowohl im Verwaltungs- als auch im gerichtlichen Verfahren. Die Anwendung des § 15 KOVVfG setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, B 9 VG 3/99 R, zitiert nach Juris, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Ausreichend ist bei der Anwendung dieser Beweiserleichterung, dass die Angaben glaubhaft gemacht sind, d. h. dass die gute Möglichkeit besteht, dass der Vorgang sich wie vom Antragsteller dargestellt zugetragen haben könnte, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, zitiert nach Juris). Ungenaue, wenig klare Behauptungen zu einem schädigenden Vorgang reichen allerdings regelmäßig nicht aus.
In der Zusammenschau bleiben für den Senat mehr als gewisse Zweifel an der Behauptung der Klägerin, sie sei in ihrer Kindheit von ihrem Vater sexuell missbraucht worden. Der Senat hält dies nicht für glaubhaft gemacht bzw. gut möglich.
Wie vom SG bereits dargestellt, hat die Klägerin an den von ihr geltend gemachten sexuellen Missbrauch letztlich nur ungenaue Erinnerungen. Es mag sein, dass der Umstand, dass die Klägerin erst nach und nach genauere Angaben hierzu gemacht hat, entsprechend der Einschätzung von Dr. K.-H. nicht generell gegen die Wahrhaftigkeit dieser Angaben spricht. Allerdings ist dieses Nachschieben immer genauerer Tatumstände aus Sicht des Senats umgekehrt aber auch nicht geeignet, die Überzeugungskraft der Behauptungen zu erhöhen. Dementsprechend äußerte Dr. K.-H. lediglich die Einschätzung, die Tatsache, dass die Missbrauchserfahrungen im bisherigen Verlauf und in diversen Vorbehandlungen nicht eindeutig thematisiert worden seien, spreche nicht unbedingt gegen deren Wahrheitsgehalt. Soweit die Sachverständige darauf hinwies, die Gewaltandrohungen in Spanien hätten die Ereignisse aus der Kindheit aktualisieren können, hält es der Senat aber letztlich doch für schwer nachvollziehbar, dass diese reaktualisierten Ereignisse dann nicht wenigstens im Entlassungsbericht der nach der Rückkehr aus Spanien im März/April 2004 durchgeführten Reha-Maßnahme auftauchen, es vielmehr erst dem Bevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der rechtlichen Beratung, wie er im Erörterungstermin angegeben hat, gelungen sein soll, diese Problematik aufzudecken.
Zuletzt erklärte die Klägerin im Erörterungstermin vom 28. Mai 2008, sie könne sich für die Zeit ihres siebten bis zehnten Lebensjahrs sehr genau an Vorfälle erinnern. In dieser Zeit habe ihr Vater ein Zweifamilienhaus gebaut, in dem es zu sexuellen Missbrauchshandlungen bei Abwesenheit der übrigen Familienangehörigen, die sich in der damaligen Mietwohnung befunden hätten, gekommen sei. Diese Schilderung ist nicht glaubhaft. Denn nach der Mitteilung der Stadtverwaltung Oberkochen wurde die Baugenehmigung für die Erstellung des Zweifamilienwohnhauses der Familie der Klägerin am 21. Juni 1955 erteilt. Die Ummeldung der Klägerin auf die Anschrift dieses Zweifamilienhauses erfolgte am 30. April 1959. Mithin trifft zwar zu, dass der Bau dieses Wohnhauses, wie von der Klägerin und auch der Zeugin angegeben, mehrere Jahre gedauert hat. Allerdings ist aufgrund der Angaben der Stadtverwaltung Oberkochen davon auszugehen, dass die Klägerin bei Beginn dieses Bauvorhabens gerade einmal ein Jahr alt war und der Umzug der Familie kurz vor Vollendung ihres fünften Lebensjahrs stattfand. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Daten, die von der Stadtverwaltung Oberkochen mitgeteilt wurden, zutreffend sind, d. h. insbesondere den tatsächlichen Umzug der Klägerin in das neu gebaute Eigenheim zeitlich korrekt einordnen. Denn die Zeugin hat angegeben, ihr Vater sei ein Paragraphenmensch gewesen. Die Klägerin hat im Erörterungstermin mitgeteilt, ihr Vater sei auch als Hilfspolizist tätig geworden. Aus diesem Grund besteht keinerlei Veranlassung für die Annahme, dass die bei der Stadtverwaltung gespeicherten Daten nicht den tatsächlichen Baubeginn und den tatsächlichen Umzug wiedergeben. Zu dem von der Klägerin einzig detailliert beschriebenen Missbrauch zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr kann es so mithin nicht gekommen sein, da die Familie in dieser Zeit schon in dem erstellten Neubau wohnte.
Soweit die Klägerin zum Widerspruch zwischen ihren Angaben und den eben genannten gespeicherten Daten zuletzt schriftsätzlich vorgetragen hat, sie könne die Daten und Örtlichkeiten der streitgegenständlichen Geschehnisse aufgrund des sehr fortgeschrittenen Zeitablaufs nicht 100%ig zuordnen, ist dem entgegen zu halten, dass sie im Erörterungstermin eine genaue Erinnerung an die Zeit ihres siebten bis zehnten Lebensjahrs in Verknüpfung mit dem Rohbau geäußert und lediglich für möglich erachtet hat, dass auch früher oder später etwas geschehen ist. Soweit sie weiter ausgeführt hat, "dass in dem Haus war nur ein Teil. Der andere Teil war dann nach dem Umzug", liegen keinerlei präzisere Angaben zu dem, was in dieser Zeit vorgefallen sein soll, vor. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht nur von sexuellem Missbrauch, der hier entschädigungsrelevant wäre, sondern auch von fragwürdigen Erziehungsmethoden, die nicht ohne Weiteres als entschädigungsrelevant angesehen werden können, berichtet hat.
Auch die Zeugin hat einen sexuellen Missbrauch nicht bestätigen können. Ihre Angaben über ihren Vater stimmen dabei im Wesentlichen mit den Angaben der Klägerin überein. Insbesondere bestätigte die Zeugin, dass ihr Vater "komisch" und ein Paragraphenmensch gewesen sei, der immer wieder Anzeigen erstattet habe. Sie räumte auch ein, dass er die Mutter geschlagen hat. Ferner konnte sie sich erinnern, dass sich die Familie aus Angst vor einer gewalttätigen Reaktion des Vaters einmalig eingeschlossen hatte. Im Übrigen schilderte sie ihn aber nicht als gewalttätig und auf die Ausbildung seiner Kinder bedacht. Durch die Aussage der Zeugin mag die von der Sachverständigen Dr. K.-H. beschriebene, durch Vernachlässigung, Gewalttätigkeit und Angst geprägte Familienatmosphäre jedenfalls teilweise bestätigt worden sein. Daraus allein kann nach Überzeugung des Senats jedoch nicht auf die gute Möglichkeit eines gleichermaßen auch stattgefundenen sexuellen Missbrauchs der Klägerin durch ihren Vater geschlossen werden. Es ist auch kein Grund ersichtlich, aus dem die Zeugin, die sich letztlich an die damalige Zeit durchaus gut erinnert hat und die, wie sich aus dem Bruch mit ihrem Vater ergibt, auch keine Veranlassung hat, diesen in Schutz zu nehmen, einen ihr bekannten Missbrauch verschwiegen haben sollte.
Zu Recht hat das SG in diesem Zusammenhang im Anschluss an Dr. W. und Dr. K.-H. auf das sogenannte "False-Memory-Syndrom" hingewiesen. Vor dem Hintergrund dieses Syndroms mag es sein, dass die Klägerin subjektiv von ihren Angaben überzeugt ist. Für eine gute Möglichkeit solcher, sogenannter falscher Erinnerungen spricht hier, worauf das SG bereits eingegangen ist, dass die streitgegenständlichen Vorfälle mindestens 40 Jahre zurück liegen und nur ungenau erinnert werden. Die nachgeschobenen Präzisierungen der Klägerin sind - wie bereits ausgeführt - als widerlegt anzusehen. Zudem war die Klägerin im Verlauf ihres weiteren Lebens, wie sie im Erörterungstermin noch einmal eindrücklich schilderte, mehrfach Bedrohungen der sexuellen Selbstbestimmung von anderer Seite her ausgesetzt, sodass auch "Vermischungen" von Erinnerungen möglich sind. So hat die Klägerin im Erörterungstermin von einem Vergewaltigungsversuch während eines Landeinsatzes in ihrem 14. Lebensjahr und mehreren Vergewaltigungen unter Drogeneinfluss durch ihren Freund und einen seiner Freunde bis zu ihrem 25. Lebensjahr berichtet. Ferner schilderte sie ernsthafte Bedrohungen ihrer körperlichen Unversehrtheit während ihres Aufenthalts auf Ibiza. Zudem hat die Sachverständige Dr. K.-H. auf zahlreiche weitere Schädigungsfaktoren, wie z. B. die Erfahrungen anlässlich der operativen Eingriffe zur Behandlung der bei der Klägerin vorhanden gewesenen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte und eine gestörte Mutterbeziehung hingewiesen. Bereits Dr. H. hat im Befundbericht vom 16. Dezember 2005 ausgeführt, neben dem ihm gegenüber anamnestisch angegebenen Missbrauch dürften weitere Ereignisse zur gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin beigetragen haben. Im Erörterungstermin hat die Klägerin selbst ausgeführt, sie habe schon vor dem fünften Lebensjahr unter Angstzuständen gelitten. In diesem Zusammenhang wies auch sie auf dreimalige Operationen in ihrer Kindheit und den Umstand hin, von ihrem Vater mehr Zuwendung bekommen zu haben als von der Mutter. Soweit die Klägerin ihre Gesundheitsstörung allein als Folge bestimmter Ereignisse ansieht, ist somit für den Senat nicht überzeugend, dass hierfür allein Ereignisse ihrer Kindheit in Betracht kommen und nicht auch spätere Ereignisse, die von der Klägerin weitaus klarer beschrieben werden.
Zusammenfassend geht der Senat davon aus, dass ein sexueller Missbrauch der Klägerin durch ihren Vater weder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorlag noch als gut möglich anzusehen ist. Zwar führte Dr. K.-H. aus, bei kritischer Würdigung der Vorgeschichte und des aktuellen Befundes sei vor dem Hintergrund allgemeiner fachärztlicher Erfahrung eine realistische Basis der Erinnerungen der Klägerin als durchaus möglich anzunehmen. Allerdings ist auch diese Formulierung nicht als ausreichend anzusehen, um die Voraussetzung des § 15 KOVVfG zu erfüllen. Denn diese Vorschrift setzt nicht nur eine durchaus gegebene Möglichkeit, sondern gerade eine gute Möglichkeit voraus. Eine nähere Bewertung der angesprochenen Einschätzung der Sachverständigen kann allerdings dahingestellt bleiben, da aufgrund der weiteren Sachverhaltsermittlungen im Berufungsverfahren zum einen nun eine Zeugenaussage, deren Fehlen Dr. K.-H. in ihrem Gutachten erwähnt hatte, vorliegt und sich zum anderen die von der Klägerin zu den streitgegenständlichen Vorfällen abgegebenen Präzisierungen als unzutreffend erwiesen haben. Vor diesem Hintergrund kann - ungeachtet einer früheren Einschätzung von Dr. K.-H., der sich das SG angeschlossen hat - keinesfalls mehr von der guten Möglichkeit einer realistischen Basis der Erinnerungen der Klägerin ausgegangen werden.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Zwar hat die Klägerin bei der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf die "Beweisanträge" in der Berufungsschrift "nochmals hingewiesen". Davor hatte der Senat aber unmissverständlich mitgeteilt, der Rechtsstreit werde für entscheidungsreif erachtet. Vor diesem Hintergrund kann der bloße Hinweis auf die "Beweisanträge" in der Berufungsschrift bei der rechtskundig vertretenen Klägerin nicht als ausdrückliche Aufrechterhaltung dieser "Anträge" angesehen werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 8. Auflage, § 160 Rn. 10 b). Zudem wurde den "Beweisanträgen" in der Berufungsschrift vom 12. Dezember 2007 insoweit Rechnung getragen, als die begehrte Anhörung der Klägerin im Erörterungstermin stattgefunden hat. Im Übrigen liegt hinsichtlich des im Berufungsschriftsatz geäußerten Wunsches auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens lediglich eine Anregung zu einer weiteren Ermittlung von Amts wegen vor. Denn im Berufungsschriftsatz werden die zu begutachtenden Punkte nicht gem. § 403 Zivilprozessordnung (ZPO) konkret bezeichnet. Der Wunsch nach einem weiteren Sachverständigengutachten wurde von der Klägerin lediglich im Zusammenhang mit ihrer Kritik an dem eingeholten Gutachten vorgetragen. Insoweit hätte es der Klägerin freigestanden, einen Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes gem. § 109 SGG zu stellen. Von dieser Möglichkeit hat sie keinen Gebrauch gemacht. Von Amts wegen bestand keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten einzuholen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass vorliegend nicht erst die mit medizinischem Fachwissen zu beantwortende Zusammenhangsfrage, sondern bereits die Frage, ob ein schädigendes Ereignis als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen werden kann, streitentscheidend ist. Von Letzterem konnte sich der Senat aufgrund der dargestellten Unsicherheiten und Widersprüche, deren Bewertung keine Hinzuziehung weiteren ärztlichen Sachverstands erforderlich macht, nicht überzeugen.
Die Berufung war mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved