L 11 R 703/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4407/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 703/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ein Anspruch auf Altersrente für die Zeit vom Dezember 2001 bis März 2006.

Der am 21. Mai 1933 geborene Kläger ist der Ehemann und Sonderrechtsnachfolger der am 2. November 1936 geborenen und am 15. Mai 2008 verstorbenen E. Z. (Z). Z verließ am 28. Mai 1954 das Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und zog nach E ... Im Bundesgebiet war sie anschließend mehrere Jahre versicherungspflichtig beschäftigt. Auf ihren Antrag erhielt sie von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) für die in der Zeit vom 16. Februar 1955 bis 15. Februar 1963 in der Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge eine Erstattung (Bescheid vom 6. August 1963).

Mit einem am 6. Februar 2006 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 3. Februar 2006 stellte Z einen Antrag auf Rente wegen Kindererziehungszeiten (KEZ). Sie habe sich zwar die Beiträge zurückerstatten lassen, müsste aber einen Anspruch auf Rente wegen der Erziehung ihres am 29. März 1966 geborenen Sohnes M. haben. In dem daraufhin von der Beklagten durchgeführten Kontenklärungsverfahren stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 2006 nicht nur 12 Monate Pflichtbeiträge für Kindererziehung, sondern auch 33 Monate glaubhaft gemachte Pflichtbeiträge im Beitrittsgebiet für die Zeit vom 15. September 1951 bis 27. Mai 1954 verbindlich fest. Sie wies Z u.a. darauf hin, dass die Wartezeit für die Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres fünf Jahre Beitragszeiten und Ersatzzeiten betrage und mit derzeit 45 Monaten nicht erfüllt sei, es fehlten noch 15 Monate. Nachdem Z für 15 Monate (für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006) freiwillige Beiträge entrichtet hatte, gewährte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 17. Juli 2006 Regelaltersrente ab 1. April 2006. Die Rentenhöhe betrug ab 1. September 2006 monatlich 50,38 EUR.

Gegen diesen Bescheid legte Z am 3. August 2006 Widerspruch ein und beantragte, den Rentenbeginn auf den 1. Dezember 2001 festzusetzen. Sie habe das 65. Lebensjahr bereits im November 2001 vollendet und daher Anspruch auf die Regelaltersrente ab 1. Dezember 2001. Dass sie es versäumt habe, damals einen förmlichen Rentenantrag zu stellen, habe daran gelegen, dass sie seinerzeit von den zuständigen Stellen immer die Auskunft erhalten habe, dass sie sowieso keinen Anspruch hätte, da sie eine Beitragrückerstattung erhalten habe und eine Rentengewährung allein wegen KEZ ausgeschlossen sei. Sie sei somit ohne Verschulden gehindert gewesen, rechtzeitig die Regelaltersrente zu beantragen.

Auf Nachfrage der Beklagten, wann und mit welcher Stelle die Gespräche geführt worden seien, führte Z mit Schreiben vom 1. September 2006 ergänzend aus, die Gespräche seien mit einem inzwischen verstorbenen ehrenamtlichen Rentenberater aus E., mit einem Herrn S. von der BfA Berlin und Herrn F. (F) von der Rentenstelle des Landratsamtes R.-N. geführt worden. Bei F habe sich ihr Sohn in ihrem Auftrag erkundigt. Die Beklagte hat daraufhin eine telefonische Auskunft bei F eingeholt. Nach dem über dieses Telefongespräch geführten Aktenvermerk (Bl. 135 der Verwaltungsakte) habe sich F noch relativ gut an den Vorgang erinnern können, denn der Sohn von Z sei beim Sozialamt des Landratsamtes R.-N. beschäftigt. F habe bestätigt, dass er damals mit dem Sohn von Z wegen der Rentenantragstellung des Ehemanns von Z Kontakt gehabt habe. Im Zuge dieser Angelegenheit sei er auch über die Rentensituation der Mutter befragt worden. F habe Z selbst nie gesehen. Auch seien ihm nie Rentenunterlagen vorgelegt worden. Ihm sei noch die versicherungsrechtliche Ausgangslage (erfolgte Heiratserstattung, nicht erfüllte Wartezeit) bekannt. Ein Hinweis auf früher zurückgelegte Versicherungszeiten sei nie erfolgt. Er hätte dann umgehend zu einem Kontenklärungsverfahren geraten. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch von Z zurück.

Am 22. Dezember 2006 hat Z Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie hat ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, sie habe in Erfahrung gebracht, dass Herr S. inzwischen verstorben sei. Sie könne aber ihren Sohn M. (M) und Frau R. (R) als Zeugen dafür benennen, dass sie von Herrn S. bzw. F unzureichend beraten worden sei.

In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 16. Januar 2008 hat das SG den M und R als Zeugen gehört. M hat u.a. ausgesagt, in den Gesprächen mit F seien die Beitragszeiten seiner Mutter im Beitrittsgebiet in den 50er Jahren nicht zur Sprache gekommen, denn sowohl er als auch seine Mutter seien davon ausgegangen, dass diese Zeiten heute überhaupt keine Rolle mehr spielten. R hat angegeben, ob sie zusammen mit Z bei Herrn S. gewesen sei oder ob sie getrennt dort gewesen seien, könne sie heute nicht mehr sagen. Sie wisse aber noch sicher, dass Z ihr erzählt habe, sie sei bei Herrn S. gewesen und habe sich ausrechnen lassen, wie hoch eine Beitragsnachzahlung in ihrem Fall wäre und dass sie gesagt habe, dieser Nachzahlungsbetrag sei ihr zu hoch, das würde sie besser lassen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der von den Zeugen gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Januar 2008 verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2008, zugestellt an Z am 22. Januar 2008, hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausführlich dargelegt, weshalb ein Herstellungsanspruch, mit dem ein früherer Rentenbeginn hätte begründet werden können, vorliegend nicht in Betracht kommt.

Am 12. Februar 2008 hat Z, vertreten durch M, Berufung eingelegt.

Nach dem Tod von Z hat der Kläger das Verfahren fortgeführt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen des Herstellungsanspruches seien erfüllt, weil Z von drei Rentenberatern Auskünfte über die Beantragung von Altersrente eingeholt habe, dort aber nur die Auskunft erhalten habe, dass eine Rente ausgeschlossen sei. Z sei nicht darauf hingewiesen worden, dass auch Versicherungszeiten aus dem Beitrittsgebiet zusammen mit KEZ und der Nachzahlung von Beiträgen einen Rentenanspruch hätten begründen können. Z hätte zumindest auf das Kontenklärungsverfahren hingewiesen werden müssen. Er habe daher Anspruch auf eine Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis zum 31. März 2006 in Höhe von 2.619,76 EUR (52 Monate - 50,38 EUR).

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Januar 2008 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Sonderrechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau Regelaltersrente auch für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis 31. März 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklage hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 11. November 2008 den Kläger persönlich angehört.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat einen Anspruch des Klägers als Sonderrechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau auf Regelaltersrente für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis 31. März 2006 zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Regelaltersrente lagen am 31. März 2006 mit der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 vor, so dass die Rente nach § 99 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) - Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ab 1. April 2006 zu leisten war.

Auch der Senat geht wie das SG davon aus, dass sich ein Anspruch von Z auf Gewährung der Regelaltersrente bereits ab 1. Dezember 2001 nur mit einem Herstellungsanspruch begründen ließe, dessen Voraussetzungen hier aber nicht erfüllt sind. Ein solcher Anspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, verletzt hat und zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Allerdings muss der eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können; die Korrektur darf nicht dem jeweiligen Gesetzeszweck widersprechen (st. Rspr des BSG, u.a. Urteil vom 29. Januar 2008, B 7/7a AL 68/06 R, SozR 4-4300 § 60 Nr. 1 mwN).

Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt nicht vor. Soweit sich der Kläger auf eine unvollständige Beratung seiner Ehefrau durch einen inzwischen verstorbenen ehrenamtlichen Rentenberater aus E. und einen mittlerweile ebenfalls verstorbenen Herrn S. von der BfA Berlin beruft, lässt sich nicht mehr feststellen, was Gegenstand der Gespräche war, welche Unterlagen vorlagen und welchen Inhalt die Gespräche hatten. Diese Nichterweislichkeit geht nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Klägers.

In den Gesprächen mit F sind die Betragszeiten von Z im Beitrittsgebiet nicht erwähnt worden. Der Sohn von Z hat im Erörterungstermin vor dem SG u.a. ausgesagt, in den Gesprächen mit F seien die Beitragszeiten seiner Mutter im Beitrittsgebiet in den 50er Jahren nicht zur Sprache gekommen, denn sowohl er als auch seine Mutter seien davon ausgegangen, dass diese Zeiten heute überhaupt keine Rolle mehr spielen. Diese Angaben hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt. Vor diesem Hintergrund waren die Z erteilten Auskünfte vollständig und richtig. Denn die Erstattung der Beiträge schloss gemäß § 87 Abs. 7 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) in der zum Zeitpunkt der Heiratserstattung im Jahre 1963 geltenden Fassung nicht nur Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten, sondern auch das Recht der Z zur freiwilligen Weiterversicherung aus (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2002, B 13 RJ 37/01 R, SozR 3-2600 § 58 Nr. 19). Ohne Berücksichtigung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beschäftigungszeiten, von denen F nichts wusste und auch nichts wissen konnte, war die dem Sohn der Z erteilte Auskunft richtig und es bestand auch kein Anlass, auf ein Kontenklärungsverfahren hinzuwirken. Der Umstand, dass Z keine Kenntnis von der Regelung des § 286d Abs. 2 SGB VI hatte, nach der die Wirkung der Erstattung nicht Beitragszeiten umfasst, die nach dem 20. Juni 1948 und vor dem 19. Mai 1990 im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, wenn die Erstattung bis zum 31. Dezember 1991 durchgeführt worden ist, beruht auf keiner der Beklagten zuzurechnenden Pflichtverletzung und kann daher auch keinen Herstellungsanspruch begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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