L 6 R 3648/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1612/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 R 3648/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1947 geborene, aus dem ehemaligen J. stammende Klägerin hat keine Ausbildung absolviert. Nach ihrem Zuzug in die B. im Dezember 1969 war die Klägerin u. a. als Reinigungskraft, Küchenhilfe und Zimmermädchen beschäftigt. Zuletzt war sie bis 31. Dezember 2001 in der Kurklinik Bad W. als Küchenhilfe tätig. Das Beschäftigungsverhältnis endete wegen Schließung der Klinik. Seither ist die Klägerin arbeitslos bzw. arbeitsunfähig.

Am 21. Januar 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Als Gesundheitsstörungen führte sie eine rheumatische Erkrankung, eine Harninkontinenz sowie Depressionen auf. Sie legte den Bescheid des früheren Versorgungsamts K. vom 9. Oktober 2002 vor, mit dem der Grad der Behinderung (GdB) für die Funktionsbeeinträchtigungen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, muskuläre Verspannungen, Funktionsstörung durch Fußfehlform, Fingerpolyarthrose, Krampfadern, Harninkontinenz, psychovegetative Störungen, Depression" seit 7. Juni 2002 mit 40 bewertet worden waren. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. R. vom 20. August 2003, der auf seinem Fachgebiet eine Zehen-/Fingergelenksarthrose ohne rheumatisch entzündliche Systemerkrankung, ein pseudoradikuläres Schmerzsyndrom der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (HWS, BWS, LWS) bei Kyphoskoliose ohne radikuläre Ausfälle mit mäßiggradiger Funktionseinschränkung und Somatisierungstendenz sowie einen Zustand nach Hammerzehenoperation rechts diagnostizierte. Hierdurch bedingt wollte er der Klägerin die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe nur noch drei bis unter sechs Stunden zumuten. Für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Arbeiten in Körperzwangshaltungen, ohne überwiegend gebückte, kniende oder hockende bzw. stehende Tätigkeiten, ohne ausschließlich handbelastende manuelle Tätigkeiten und ohne Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte, Vibrationen und Absturzgefahr sah er demgegenüber ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Mit Bescheid vom 12. September 2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich ausüben. Damit liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor.

Am 6. Oktober 2003 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte geltend, sie halte sich seit 10. Dezember 2002 wegen chronischem Rheuma (Giftrheuma), Blasenschwäche, Bauchschmerzen, Magenbeschwerden, Nierenschäden, Venenschmerzen und Hüftproblemen für erwerbsgemindert. Ihr Hausarzt sei der Meinung, dass sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeit von mehr als zwei Stunden täglich verrichten könne. Bisher sei das chronische und aktuelle Krankheitsbild nicht genügend berücksichtigt worden. Diese zuletzt aufgeführten Darlegungen unterzeichnete der behandelnde Arzt Dr. M. unter dem 30. September 2003. Die Klägerin legte das Schreiben der A. - Die Gesundheitskasse C. vom 30. September 2003 vor, wonach ihr Anspruch auf Krankengeld voraussichtlich am 5. Januar 2004 ende, ferner den Operationsbericht vom 7. April 2003 über eine Laparoskopie mit Adhäsiolyse. Die Beklagte, die diesen Antrag als Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. September 2003 behandelte, holte die sozialmedizinische Stellungnahme des Dipl. med. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 3. Dezember 2003 ein, der keine Änderungen im Vergleich zu der Leistungsbeurteilung im Gutachten des Dr. R. vom 20. August 2003 sah. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob die Klägerin am 22. April 2004 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage und machte geltend, mit den von der Beklagten zu Grunde gelegten Gesundheitsstörungen könne sie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Insbesondere die Depressionen, die als Folge der erheblichen Harnproblematik aufgetreten seien, sprächen gegen eine derartige Leistungsfähigkeit. Wegen dieser Beschwerden sei sie zuletzt stationär vom 14. bis 18. April 2004 behandelt worden. Es seien gutachtliche Äußerungen von neurologischer bzw. psychiatrischer und von urologischer Seite einzuholen. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten, einschließlich der Rehabilitationsakten, entgegen. Sie legte im Hinblick auf die Ermittlungen des SG die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Dr. H., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 8. November 2004 und 22. August 2005 sowie des Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 11. Mai 2006 vor. Das SG hörte den Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. B. unter dem 7. August 2004, Dr. E., Sana-Rheumazentrum, unter dem 20. September 2004, Dr. M. unter dem 24. September 2004 sowie den Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. unter dem 28. Juni 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen. Darüber hinaus erhob es das Gutachten des Dr. R., Chefarzt der Orthopädischen Chirurgie im Lorettokrankenhaus F., vom 21. April 2005. Dieser beurteilte die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin von orthopädischer Seite dahingehend, dass leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig zumutbar seien. Vom Gutachten des Dr. R. abweichende Befunde hatte er nicht erhoben. Fachfremd beschrieb er die Klägerin als psychisch massiv auffällig mit offenkundiger Depression und massiver Somatisierungstendenz. Angesichts seiner Beobachtungen bei den ärztlichen Untersuchungen sah er Anhaltspunkte für Simulation oder Aggravation, sah sich jedoch nicht in der Lage, eine Aggravation von einer manifesten seelischen Störung zu unterscheiden. Das SG erhob darüber hinaus das Gutachten des Dr. G., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 28. Juni 2005. Dieser diagnostizierte auf seinem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und unreifen Zügen, eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradig, sowie eine Migräne und einen Verdachts auf Polyneuropathie, wodurch er die quantitative Leistungsfähigkeit auf drei bis sechs Stunden einschätzte. Neben den von orthopädischer Seite zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen sah der Sachverständige das Erfordernis für stündliche Pausen und die Verfügbarkeit einer Toilette; im Übrigen sei erhöhter Zeitdruck zu vermeiden. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhob das SG ferner das nervenärztliche Gutachten des Dr. R. vom 8. März 2006. Dieser beschrieb bei der Klägerin eine depressive Entwicklung und chronische Überforderung und Überlastung mit ausgeprägter Erschöpfungssymptomatik, durch die die Klägerin leichte Arbeiten höchstens 4 Stunden täglich verrichten könne. Das SG zog im Übrigen die Leistungsakte der Agentur für Arbeit Nagold sowie die beim Versorgungsamt K. über die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte bei. Mit Urteil vom 31. Mai 2006 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin könne zumindest noch sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Weder aus orthopädischer noch aus nervenärztlicher Sicht ergäben sich vor dem Hintergrund der beschriebenen auffälligen Diskrepanz zwischen objektiven Befunden und subjektiv geklagten Beschwerden hinreichend Anhaltspunkte für die Annahme eines Leistungsvermögens von weniger als sechs Stunden täglich. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 3. Juli 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 20. Juli 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe sich zu Unrecht auf das Gutachten des Dr. R. gestützt. Dieses widerspreche zur Frage der Simulation und Aggravation dem Gutachten des Dr. G., der auf seinem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und eine Simulation ausgeschlossen habe. Den Darlegungen des gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. R. sei das SG zu Unrecht nicht gefolgt, obwohl dieser seine Beurteilung sowohl auf eine eigene Untersuchung als auch auf Untersuchungen im Rahmen der stationären Behandlung vom 3. bis 23. November 2005 gestützt habe, diesem mithin eine bessere Beurteilungsgrundlage zur Verfügung gestanden habe. Soweit Dr. G. davon ausgegangen sei, dass sie über einen G. strukturierten Tagesablauf verfüge und bisher noch kein sozialer Rückzug stattgefunden habe, spreche dies nicht gegen die Leistungseinschätzung des Dr. R ... Denn die sozialen Kontakte beschränkten sich auf den engeren Kreis der Familie. Die Ausführungen des Dr. R. widerlegten plausibel die von den Vorgutachtern vorgenommene Leistungsbeurteilungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2004 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 21. Januar 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat zu dem vom Senat eingeholten Gutachten und den erhobenen ergänzenden Ausführungen die sozialmedizinische Stellungnahme der MU Dr. H., Ärztin für Psychiatrie, vom 19. September 2007 und 26. Mai 2008 vorgelegt.

Der Senat hat das Gutachten des Prof. Dr. E., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in K., vom 24. August 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 29. April 2008 eingeholt. Dieser diagnostizierte eine depressive Störung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Persönlichkeitsstörung, durch die allenfalls eine dreistündige tägliche Arbeitsbelastung vorstellbar sei. Ferner hat der Senat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2008 angehört und ihre Schwester M als Zeugin vernommen. Auf die entsprechende Niederschrift wird insoweit verwiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht weder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Denn die Anspruchsvoraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Erwerbsminderungsrente sind nicht vollumfänglich feststellbar. Demnach konnte ihre Berufung keinen Erfolg haben.

Anspruchsgrundlage für das geltend gemachte Begehren ist § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind nach Satz 2 dieser Regelung insbesondere Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen darüber hinaus auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI). Berufsunfähig sind nach Abs. 2 der Regelung Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Denn ob die Klägerin in dem dargelegten Sinn zumindest teilweise erwerbsgemindert ist, ist nicht festzustellen. Zur Überzeugung des Senats ließ sich auf der Grundlage der durchgeführten medizinischen Ermittlungen, Auswertung der zahlreich vorliegenden Arztbriefe und Befundunterlagen sowie persönlichen Anhörung der Klägern, einschließlich der Vernehmung ihrer Schwester als Zeugin und damit trotz Ausschöpfung sämtlicher Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, in welchem konkreten Ausmaß das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin gemindert ist, insbesondere ob die Leistungsminderung bereits ein rentenberechtigendes Ausmaß erreicht, weil selbst leichte berufliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen keine sechs Stunden täglich mehr ausgeübt werden können. Für die Tatsachen, die den geltend gemachten Anspruch begründen, trägt die Klägerin die objektive Beweislast. Damit geht die Nichterweislichkeit der in Rede stehenden Anspruchsvoraussetzung, nämlich das Unvermögen, Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich ausüben zu können, zu ihren Lasten, so dass sie mit dem geltend gemachten Begehren auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht durchdringen konnte.

Die Klägerin ist in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit durch eine ganz im Vordergrund der Beeinträchtigungen stehende depressive Störung und somatoforme Schmerzstörung eingeschränkt. Die darüber hinaus von orthopädischer Seite zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen in Form von Fingergelenksarthrosen, ausgeprägten Knick-/Senkfüßen beidseits mit Hammerzehendeformitäten links, einer leicht- bis mittelgradig ausgeprägten Skoliose der LWS und BWS treten demgegenüber in den Hintergrund. Für sich betrachtet wirken sich diese Gesundheitsstörungen lediglich auf Tätigkeiten mit langem Stehen und Gehen aus (Fußdeformitäten) sowie auf handwerkliche Arbeiten, die mit mittlerem bis hohem Kraftaufwand verbunden sind. Dementsprechend erscheinen dem Senat die von der Klägerin bisher ausgeübten Tätigkeiten als Reinigungskraft und Küchenhilfe nicht mehr zumutbar. Denn die Tätigkeit als Reinigungskraft wird im Wesentlichem im Stehen und Gehen ausgeübt und bei der Tätigkeit als Küchenhilfe kann im Regelfall das Heben und Tragen schwerer Lasten nicht vermieden werden. Leichten bis mittelschweren Tätigkeiten, die den dargelegten Einschränkungen Rechnung tragen, ist die Klägerin angesichts ihrer orthopädischen Gesundheitsstörungen nach der Überzeugung des Senats jedoch durchaus gewachsen. Damit stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß die Klägerin darüber hinausgehend durch die von nervenärztlicher Seite zu diagnostizierende depressive Störung und somatoforme Schmerzstörung in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, insbesondere ob ihr hierdurch selbst leichte berufliche Tätigkeiten in einem Umfang von zumindest sechs Stunden täglich nicht mehr zugemutet werden können. Die Auswirkungen dieser Gesundheitsstörungen werden von den am Verfahren beteiligten Ärzten ganz unterschiedlich eingeschätzt. So hält der Allgemeinmediziner Dr. M., der die Klägerin hausärztlich betreut, eine berufliche Tätigkeit lediglich noch für maximal drei Stunden am Tag möglich, wobei er dies mit der Multimorbidität begründet hat und insoweit als Hauptdiagnosen multiple Arthrosen und ein komplexes Wirbelsäulenschmerzsyndrom, eine Harninkontinenz II. Grades trotz mehrfachen Blasen- und Gebärmutteroperationen bei Zustand nach Nieren- und Blasen-TBC und eine reaktive Depressionen aufführt. Der Nervenarzt Dr. R., bei dem die Klägerin sich zum Zeitpunkt seiner Auskunft vom 28. Juni 2005 einmalig am 26. Januar 2005 vorgestellt hatte, sah die Klägerin im Hinblick auf die bei seiner Untersuchung festgestellte schwere Depression lediglich im Umfang von zwei Stunden bis weniger als vier Stunden täglich leistungsfähig. Diese Leistungsbeurteilung bekräftigte er im Rahmen seines danach gemäß § 109 SGG erhobenen Gutachtens vom 8. März 2006, im Rahmen dessen er neben der ambulanten Behandlung vom 26. Januar 2005 auch die Erkenntnisse aus der stationären Behandlung vom 3. bis 23. November 2005 in seiner Klinik Dr. R. berücksichtigte. Auch der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. E. hielt lediglich eine berufliche Tätigkeit im Umfang von drei Stunden täglich für möglich. Demgegenüber wollte der Sachverständige Dr. G. der Klägerin noch berufliche Tätigkeiten im Umfang von drei bis sechs Stunden zumuten. Im Hinblick auf die übereinstimmenden Ausführungen der genannten Ärzte hinsichtlich der diagnostischen Einordnung der Beeinträchtigungen geht der Senat zwar davon aus, dass die Klägerin von nervenärztlicher Seite sowohl durch eine Depression als auch eine somatoforme Schmerzstörung in einem nicht nur geringfügigen Ausmaß in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, jedoch vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass das Schmerzerleben der Klägerin und die Ausprägung der depressiven Erkrankung so schwerwiegend sind, dass ihr selbst leichte berufliche Tätigkeiten in einem Umfang von lediglich sechs Stunden täglich nicht mehr zugemutet werden können.

So vermag der Senat vor dem Hintergrund des Auftretens der Klägerin in den jeweiligen Untersuchungssituationen bei den mit einer Begutachtung beauftragten Sachverständigen, die von häufigem Weinen geprägt waren, insbesondere das Ausmaß ihres Schmerzzustandes und die Schwere ihrer Depressivität nicht festzustellen. So hat der Sachverständige Dr. G. im Rahmen seines Gutachtens zwar eine Simulation von Störungen, d.h. Störungen werden nur präsentiert, nicht aber erlebt, ausgeschlossen. Allerdings ging der Sachverständige von einem nicht geringem Anteil an Verdeutlichung bzw. Aggravation aus, wobei er diesen Verdeutlichungsanteil versuchte, mit einem Drittel näher zu quantifizieren. Insoweit vertrat er die Auffassung, dass etwa ein Drittel der geklagten und selbst eingeschätzten Leistungsminderung von der Klägerin im privaten Alltag nicht leistungsgemindert erlebt werde. Wie Dr. G. fand auch der orthopädische Sachverständige Dr. R. Hinweise auf Simulation bzw. Aggravation. Insoweit beschrieb er eine Situation, die klare Hinweise auf die später auch von Dr. G. beschriebenen Verdeutlichungstendenzen gibt. So führte Dr. R. aus, die Klägerin sei während der gesamten körperlichen Untersuchungen und Anamneseerhebung immer wieder in Tränen ausgebrochen. Als er dann, nachdem er kurz den Raum habe verlassen müssen, wieder eingetreten sei, sei die Mimik der Klägerin, als sie sich zu ihm umwandte, zunächst freundlich und lächelnd gewesen, bei seinem Anblick sei diese dann jedoch sofort wieder umgeschlagen in Leiden und Tränen. Auch der Sachverständige Dr. G. beschrieb eine Begebenheit, die Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Auftretens der Klägerin aufkommen lässt. So habe die Klägerin bereits bei ihrer Begrüßung im Wartezimmer zu weinen begonnen und habe unter Tränen eine ungeordnete Vielzahl von Beschwerden vorgebracht. Dass der Zustand der Klägerin sich objektiv betrachtet als derart schwerwiegend darstellt, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Insbesondere lässt sich eine derartige Schwere der Beeinträchtigungen nicht mit dem von der Klägerin bei dem Sachverständigen Dr. G. geschilderten Alltag in Einklang bringen. So gab sie zu ihrem Tagesablauf an, dass sie gegen 08:30 Uhr aufstehe, die Toilette aufsuche, die Körperpflege betreibe und sich Kaffee mache. Anschließen gehe sie einkaufen und koche das Essen. Wenn ihr Sohn nach Hause komme findet am späten Nachmittag ein gemeinsames Essen statt. An Haushaltstätigkeiten gab sie an, täglich eine Maschine Wäsche zu waschen, alle zwei bis drei Tage die Treppe zu putzen und Staub zu saugen sowie die Fenster alle ein bis zwei Wochen zu reinigen. Praktisch täglich gehe sie im Übrigen entweder ins Thermalbad oder gehe zu therapeutischen Zwecken spazieren. Sie habe darüber hinaus neben ihrer Schwester weitere Verwandte und außerdem Landsleute am Wohnort, zu denen tägliche Kontakte stattfänden. Außerdem berichtete sie von dreiwöchigen Reisen alljährlich und zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Untersuchung am 22. Juni 2005 von einer geplanten Reise an die Adria, deren Umsetzung lediglich von der Genehmigung des Arbeitsamtes abhänge. Diese Darlegungen zur Tagesstrukturierung zeigen, dass die Klägerin aktiv am sozialen Leben teilnimmt und ein weitgehender sozialer Rückzug, von dem auf schwerwiegende Einschränkungen geschlossen werden könnte, nicht stattgefunden hat.

Vor dem Hintergrund des insoweit beschriebenen Tagesablaufs vermag der Senat gerade auch der Beurteilung des Sachverständigen Dr. R. nicht zu folgen. Schließlich hat sich dieser im Rahmen seines Gutachtens mit der insoweit beschriebenen Situation in keiner Weise auseinander gesetzt und die entsprechenden Darlegungen unter Berücksichtigung seiner Befunde gewürdigt. Soweit der im Berufungsverfahren mit einer Begutachtung beauftragte Sachverständige Prof. Dr. E. im Rahmen seines Gutachtens bzw. seinen ergänzenden Ausführungen die Auffassung vertreten hat, die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, drei Stunden täglich beruflich tätig zu sein und dies u.a. damit begründet hat, dass sie im sozialen Rückzug lebe, ein randständiges Leben führe und dies meistere, weil Belastungen, die für Gesunde alltäglich seien, ausfielen, vermag sich der Senat dieser Beurteilung ebenfalls nicht anzuschließen. Denn auch dieser Sachverständige ging von deutlichen - auch zuvor schon beschriebenen - heimatkulturüblichen demonstrativen Tendenzen aus, legte seiner Beurteilung dann aber zu Grunde, dass die Klägerin selbst nicht mehr die Kraft habe, ihre kleine Wohnung in Ordnung zu halten und insoweit die Hilfe ihrer Schwester benötige. Insoweit sind jedoch bereits die Darlegungen im Gutachten des Prof. Dr. E. zur aktuellen Lebenssituation widersprüchlich. Denn zum anderen wird ausgeführt, dass die Klägerin nach dem Aufstehen zum Einkaufen gehe und danach koche sowie ferner das Putzen und Waschen je nach Befinden erledige. Angesichts dessen vermag der Senat der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht zu Grunde zu legen, dass ein weitgehender sozialer Rückzug stattgefunden habe und die Klägerin lediglich noch ein randständiges Leben führe. Dies ist nach Überzeugung des Senats auch nicht mit den nahezu täglichen Thermalbadbesuchen und Spaziergängen in Einklang zu bringen, selbst wenn diese zur Schmerzlinderung durchgeführt werden sollten. Dass die Klägerin anlässlich ihrer Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung nunmehr geltend gemacht hat, wöchentlich lediglich einmal das Thermalbad zu besuchen und auf ständige Hilfe ihrer Schwester angewiesen zu sein, da ihr selbst das Kleinschneiden von Essen durch die Beeinträchtigungen von seiten der Hände kaum mehr möglich sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn Anhaltspunkte für derart starke Einschränkungen, die bereits eine Pflegebedürftigkeit begründen könnten, lassen sich den medizinischen Unterlagen auch nicht ansatzweise entnehmen. Denn schließlich gehen sämtliche am Verfahren beteiligten Ärzte bzw. Sachverständige jedenfalls noch von einer, wenn auch geringen, beruflichen Leistungsfähigkeit aus. Auch die als Zeugin gehörte Schwester der Klägerin sprach lediglich von Hilfeleistungen im Haushalt. Allerdings konnte sich der Senat auch von der Notwendigkeit der erst nach mehrfachem Nachfragen geschilderten Hilfen nicht überzeugen. Die Angaben der Zeugin zu den geleisteten Unterstützungen waren ausgesprochen allgemein und unbestimmt und wurden auch auf nähere Nachfragen nicht so konkret, dass sich der Senat ein Bild von der häuslichen Situation der Klägerin hätte machen können. Auch blieben ihre Aussagen zum Umfang ihrer Besuche bei der Klägerin und auf wessen Veranlassung sie ihre Schwester aufsuche, vage und wenig bestimmt bzw. nachvollziehbar. Für den Senat entstand angesichts dessen der Eindruck, dass die Zeugin bemüht war, ihre Aussagen so zu gestalten, dass sie der Klägerin keinesfalls zum Nachteil gereichen könnten. Auch die Klägerin selbst erschien dem Senat wenig authentisch, sondern weinerlich und leidend, wie sie auch bereits von den Sachverständigen vorbeschrieben worden war, so dass auch beim Senat der Eindruck einer Aggravation entstand, angesichts dessen er sich nicht in der Lage sieht, das tatsächliche Ausmaß der Leistungseinschränkungen der Klägerin festzustellen.

Nach alledem vermochte der Senat daher nicht festzustellen, in welchem Ausmaß die Klägerin durch Befunde von nervenärztlicher Seite in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Da das Ausmaß der Aggravation durch die Klägerin nicht messbar ist, bleibt - wenn auch ein relevantes psychisches Krankheitsbild vorliegt - letztlich offen, in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich konkret beeinträchtigt ist. Diese Nichterweislichkeit des Ausmaßes ihrer Beschwerden geht nach den obigen Darlegungen zu Lasten der Klägerin, die aus einem quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen einen Rentenanspruch für sich herleiten will.

Da das angefochtene Urteil nach alledem nicht zu beanstanden ist, war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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