L 9 R 3679/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 7376/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3679/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1945 geborene Kläger, der keine Berufsausbildung absolviert hat, arbeitete rentenversicherungspflichtig zunächst von 1967 bis 1968 in Griechenland, von November 1968 bis Juli 1977 in der Bundesrepublik Deutschland (zunächst als Hilfskraft in der Autoindustrie, später als Hilfsarbeiter in Restaurants) und dann in Griechenland von Januar 1987 bis März 2003 bei einer Betonfirma. Seitdem ist er nicht mehr berufstätig.

Im Jahr 2003 erfolgte wegen einer koronaren Herzerkrankung eine Bypass-Operation; außerdem wurden ein Diabetes und eine Blutkrebserkrankung diagnostiziert. Daneben bestehen Leiden auf psychiatrischem Fachgebiet.

Seit 21. Februar 2003 bezieht der Kläger vom griechischen Rentenversicherungsträger (wiederholt befristet) eine Invaliditätsrente, zunächst nach einer Invalidität von 83 %, ab 16. März 2004 nach einer Invalidität von 93 % und ab 1. April 2006 nach einer Invalidität von 94 %.

Ein erster Rentenantrag vom 13. Mai 2003 blieb nach Auswertung ärztlicher Äußerungen und des Untersuchungsberichtes der IKA-Gesundheitskommission vom 27. Juni 2003 durch Dr. W. am 04. Dezember 2003 (coronare Herzerkrankung, abgeheilter Herzinfarkt und Bypass-Operation [2/03], Diabetes mellitus; leichte Arbeiten - ohne besonderen Zeitdruck, Zwangshaltung sowie häufiges Bücken, Knien, Hocken und Klettern oder Steigen - des allgemeinen Arbeitsmarktes seien vollschichtig bzw. mindestens sechs Stunden und länger möglich) erfolglos (Bescheid vom 10. Dezember 2003).

Einen erneuten Rentenantrag des Klägers vom 16. März 2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2004 und Widerspruchsbescheid vom 25. August 2005 ab, weil der Kläger noch zumutbare Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Grundlage war ein Gutachten der IKA-Gesundheitskommission vom 14. April 2004 (Diagnosen: Non-Hodgkin-Lymphom [niedrige Bösartigkeit], früherer Myocardinfarkt bei Koronarerkrankung und Aortakoronarbypass, Diabetes mellitus [nicht insulinabhängig]; vorübergehende Leistungsminderung, für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bestehe vollständige Erwerbsunfähigkeit, Art der Invalidität 93 %). In Auswertung dessen hatte Dr. Grammatikopulos am 19.07.2004 die Diagnosen Adipositas Grad I, Blutzuckerkrankheit Typ II b, coronare Dreigefäßerkrankung bei altem Herzinfarkt und Bypassoperation 2003, Non-Hodgkin-Lymphom niedriger Malignität gestellt; leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und wie zuletzt ausgeübt - ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, Zwangshaltung, häufiges Bücken, Knien, Hocken, Klettern oder Steigen, Absturzgefahr sowie Gefährdung durch Kälte, Hitze oder Nässe - seien vollschichtig bzw. mindestens sechs Stunden und länger möglich.

Außerdem hatte die Beklagte - nach Eingang weiterer ärztlicher Äußerungen (Dr. K. [Pathologiebefund] und des Prof. Dr. C. vom 14. Januar 2005) ein Gutachten des Internisten M.vom 03. Mai 2005, dem weitere Berichte vorlagen, eingeholt. Der hatte die Diagnosen Chronische Lymphatische Leukämie, koronare Herzkrankheit, Zustand nach dreifachem aortocoronarem Bypass, Diabetes mellitus Typ II b, Prä-Adipositas, HWS-LWS-Syndrom, Blutfettstoffwechselstörung sowie depressives Syndrom gestellt; es kämen leichte Arbeiten - ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über drei Kilogramm, ohne Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Kälte, Wärme, Zugluft und Nässe - unter drei Stunden in Betracht. Solange das Bild der chronischen lymphatischen Leukämie nicht durch weitere Untersuchungen geklärt sei, seien leichte Arbeiten nicht vollschichtig zumutbar. Nach weiteren Untersuchungen war Dr. Mavridis dann am 27. Juni 2005 zum Ergebnis gelangt, die Befunde des Blutbildes und der Leberenzyme hätten sich gegenüber 2003 deutlich gebessert, was eine Teilremission der Blutkrebserkrankung beweise. Nach den erhobenen Blutbefunden, die auf eine noch kompensierte Knochenmarksinsuffizienz hinwiesen, sei aus internistischer Sicht zur Zeit eine vollschichtige vorwiegend sitzende leichte Arbeit zumutbar. Dem hatte sich dann auch Dr. G. in der Stellungnahme vom 13. Juli 2005 (leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen - ohne besonderen Zeitdruck, häufiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 10 kg sowie besondere Belastung durch Kälte, Hitze, Zugluft oder Nässe seien sechs Stunden und mehr möglich; das Belastungs-EKG habe eine Belastbarkeit bis 100 Watt ergeben) angeschlossen.

Am 22. November 2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, die vorliegenden Erkrankungen bedingten eine Leistungsminderung. Auch nach der Entscheidung des griechischen Versicherungsträgers bestehe ein Anspruch auf Invaliditätsrente. Hierzu hat er die Bekanntmachung des Gutachtens der Gesundheitskommission des griechischen Versicherungsträgers vom 24. Februar 2006 (wegen Koronarerkrankung, Bypass-Operation vor drei Jahren, positivem Belastungstest wegen Residualischämie, chronischer lymphozytärer Leukämie in medizinischer Behandlung und chronischer Depression Invalidität von 94 %) sowie weitere ärztliche Äußerungen und Unterlagen vorgelegt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es bestehe ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen und ärztliche Stellungnahmen von Dr. G. vom 12. April und 29. November 2006 vorgelegt.

Das SG hat Sachverständigengutachten des Internisten Dr. L. vom 21. September 2006 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. K. vom 21. Februar 2007 eingeholt. Dr. L. hat die vorgelegten ärztlichen Äußerungen ausgewertet und den Kläger untersucht sowie unter anderem ein Belastungs-EKG durchgeführt. Er hat die Diagnosen Non-Hodgkin-Lymphom von niedriger Malignität, einen Zustand nach Bypass-Operation, einen medikamentös behandelten Diabetes mellitus vom Typ II b, eine Hypercholersterinämie sowie eine Depression gestellt. Eine Restischämie bestehe nicht. Eine Verschlechterung des Non-Hodgkin-Lymphoms liege nicht vor. Der Kläger könne aus internistischer und kardiologischer Sicht leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit - näher beschriebenen - qualitativen Einschränkungen sechs bis unter acht Stunden arbeitstäglich verrichten. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden wegen des Alters des Klägers, außerdem seien zusätzliche Arbeitspausen erforderlich. Er halte die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens für notwendig. Prof. Dr. K. hat eine Anpassungsstörung mit depressiven Komponenten, einen Zustand nach coronarer Bypassoperation, eine chronische lymphatische Leukämie und einen Diabetes mellitus diagnostiziert. Die neuropsychiatrischen Störungen beeinflussten das Leistungsvermögen bezüglich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, zum Beispiel Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. nicht wesentlich. Entsprechende Tätigkeiten könne der Kläger zumindest noch sechs Stunden täglich ausüben. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich und es bestünden auch keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz. Der Kläger habe neue Blutuntersuchungen vom 26. November 2006 mitgebracht, wonach eine Verschlimmerung des Diabetes und der Leukämie ersichtlich sei, weswegen er eine nochmalige internistische Untersuchung anrege.

Mit Urteil vom 26. Juni 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger könne ihm zumutbare Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Nach den Gutachten und den Untersuchungen des Dr. L. bestehe keine wesentliche Einschränkung der Herzfunktion und sei der Diabetes medikamentös behandelt. Damit ergebe sich keine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Auch aufgrund der Leiden auf psychiatrischem Fachgebiet sei keine Einschränkung feststellbar, die leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entgegen stehe. Soweit Dr. L. die Notwendigkeit zusätzlicher Pausen bejaht habe, habe er dies nicht begründet. Aus den vom ihm mitgeteilten Befunden sei eine solche Notwendigkeit auch nicht zu ersehen. Im übrigen seien weder der Internist M. noch Prof. Dr. K. von der Notwendigkeit zusätzlicher Pausen ausgegangen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das am 29. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Juli 2007 Berufung eingelegt. Er hat vorgetragen, er sei wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung seines Sohnes drei Monate im Ausland gewesen. Es seien neben den in den vom Gericht eingeholten Gutachten weitere leistungsmindernde Einschränkungen auf internistischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorhanden. Durch die lebensbedrohliche Erkrankung des Sohnes an einem Hirntumor hätten sich "zweifellos die bestehenden Beeinträchtigungen" auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet deutlich verschlimmert, er werde hierzu noch weitere Unterlagen vorlegen. Auf Aufforderungen vom 19. Dezember 2007, 06. Februar 2008, die angekündigten Unterlagen vorzulegen hat der Kläger mit Schreiben vom 28. April 2008 mitgeteilt, es sei inzwischen eine Erwerbsminderung von 100 % festgestellt und man sei bemüht, die zu Grunde liegenden medizinischen Unterlagen kurzfristig dem Gericht vorzulegen. Auf die Erinnerung vom 17. Juli 2008 hat der Kläger die am 27. November 2007 angekündigten weiteren Unterlagen nicht vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2005 zu verurteilen, ihm ab 01. April 2004 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme von Dr. J. vom 13. Dezember 2007 (neue medizinische Unterlagen, die eine Verschlimmerung belegten, lägen nicht vor, auf die Behauptung einer deutlichen Verschlechterung sollten die angekündigten aktuellen Untersuchungsergebnisse beigezogen werden) vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass der Senat den Sachverhalt, wie er vom SG bei dessen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, als umfassend geklärt erachtet, nachdem der Kläger sowohl von Dr. L. als auch Prof. Dr. K. untersucht worden ist und sich hierbei eine rentenrechtlich relevante qualitative und auch eine quantitative Leistungsminderung nicht ergeben hat. Insbesondere haben Untersuchungen anlässlich der Begutachtung durch Dr. L. noch im September 2006 stattgefunden, so dass weitere Ermittlungen, auch aufgrund der von Prof. Dr. K. vorgelegten Unterlagen nicht geboten waren.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren pauschal eine Verschlimmerung der Erkrankungen auf internistischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet behauptet, hat er die hierzu angekündigten Unterlagen trotz mehrfacher Erinnerung des Gerichts nicht vorgelegt. Da er sich ausdrücklich auf deren Inhalt bezieht, müsste er hierzu indes in der Lage sein. Angesichts dessen sieht der Senat die Durchführung weiterer Ermittlungen für nicht geboten an, da jedenfalls eine dauerhafte Verschlechterung und damit verbundene Leistungsbeeinträchtigung nicht dargetan und erkennbar ist. Hinsichtlich des internistischen Fachgebietes hat der Kläger eine Verschlimmerung seit der Untersuchung bei Dr. L. nicht substantiiert behauptet und konkretisiert. Sie wird von ihm auch nicht in den Vordergrund gestellt. Bezüglich des psychiatrischen Befundes hat er auf eine lebensbedrohliche Erkrankung seines Sohnes verwiesen, die "zweifellos" die Beeinträchtigung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet "deutlich verschlimmert" habe. Dass er insofern - über die gelegentliche medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva hinaus - in fachärztlicher Behandlung war, hat er allerdings selbst nicht behauptet. Außerdem war er gemäß seinen Angaben vom November 2007 drei Monate im Ausland (Deutschland) bei seinem Sohn, so dass nach dem Vorbringen und den vorliegenden Unterlagen kein Anhalt für eine dauerhafte und wesentliche Verschlimmerung der Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet ersichtlich ist. Insgesamt ist durch die vorliegenden Unterlagen eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers und eine weiter gehende Minderung des beruflichen Leistungsvermögens nicht belegt, was der Senat auch der Stellungnahme von Dr. Jöst entnimmt, die er als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertet hat.

Soweit der Kläger erklärt hat, er stelle hilfsweise einen Antrag nach § 109 SGG, hat er diesen Antrag - ungeachtet dessen, dass ein konkret zu hörender Arzt nicht benannt wurde - nach dem Hinweis auf § 153 Abs. 4 SGG nicht wiederholt.

Im übrigen steht es dem Kläger frei, nach Eintritt einer dauerhaften und rentenrechtlich erheblichen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes sowie Eintritt einer entsprechenden weitergehenden Leistungsminderung einen neuen Rentenantrag zu stellen.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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