Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 3123/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4047/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der Voraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G).
Bei dem im Jahr 1946 geborenen Kläger wurde vom Versorgungsamt S. (VA) in Ausführung eines Vergleichs in einem gerichtlichen Verfahren zuletzt mit dem Ausführungsbescheid vom 5. Oktober 2000 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit Juli 1999 wegen einer beiderseitigen Hörminderung, eines Wirbelsäulensyndroms sowie Hirndurchblutungsstörungen mit Schwindel-Symptomen festgestellt.
Bereits mit dem Bescheid vom 5. August 1993 hatte das VA das Merkzeichen RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) vor dem Hintergrund der mit einem GdB von 50 bewerteten Hörminderung festgestellt.
Am 30. Januar 2003 beantragte der Kläger unter Hinweis auf zunehmende Rückenbeschwerden und Folgen eines Schlaganfalls die weitere Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens G. Mit Bescheid vom 31. März 2003 lehnte das VA diesen Antrag ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 14. April 2003, der vortrug, die Folgen seines Schlaganfalls seien nicht berücksichtigt worden, er könne nach einem Kreuzbandriss im November 2002 nur noch mit Bandage gehen und sein Bein nicht anwinkeln, leide unter Schwindel und Blutdruckschwankungen. Seit November 2003 sei eine volle Erwerbsminderung anerkannt.
Mit dem Teil-Abhilfebescheid vom 19. Februar 2004 stellte das VA einen GdB von 70 ab 30. Januar 2003 wegen nachfolgender Funktionsbeeinträchtigungen fest: 1. Schwerhörigkeit beidseitig, 2. Hirndurchblutungsstörungen, Schlaganfallfolgen, Bluthochdruck, Schwindel, 3. Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, des rechten Kniegelenks, Arthrose, 4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, 5. chronische Bronchitis. Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 28. November 2003 zu Grunde, der nach Auswertung der medizinischen Unterlagen die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 1 nach wie vor mit einem Teil-GdB von 50, die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 2 mit einem Teil-GdB von 30, die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 3 mit einem Teil-GdB von 20 und die übrigen Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von jeweils 10 bewertet hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2004 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Eine weitere Erhöhung des GdB ließe sich mit der Änderung des Gesundheitszustands des Klägers nicht begründen. Trotz seiner Behinderungen sei dieser noch in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder für andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden.
Allein wegen der Versagung des Merkzeichens G erhob der Kläger am 19. Mai 2004 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage. Er wiederholte, aufgrund seines im November 2002 hinzugekommenen Kreuzbandrisses müsse er eine Bandage mit Stützschienen am rechten Knie anlegen. Damit sei nur ein Gehen auf ebenem Gelände einigermaßen unproblematisch, wenn man von den bald eintretenden Schmerzen absehe. Sobald jedoch Unebenheiten auf dem Wege seien und insbesondere beim Treppensteigen sei keine sichere Fortbewegung mehr möglich, da er sein Bein nicht anwinkeln könne. Zudem würden Schwindelattacken die Standsicherheit beeinträchtigen. Er legte das Attest des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 27. Mai 2004 vor. In seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 9. Mai 2005 gab dieser an, der Kläger könne allenfalls noch eine Gehstrecke von 150 Meter bewältigen. Dies sei nur unter Verwendung von Hilfsmitteln möglich. Außerdem müsse es sich um einen Weg ohne Unebenheiten und Treppen handeln. Der Facharzt für Orthopädie Dr. St. gab in seinem vom Kläger vorgelegten Arztbrief vom 23. September 2005 an, der Kläger beklage Schmerzen im rechten Knie beim Treppenlaufen. Im Befund beschrieb er ein leicht hinkendes Gangbild und diagnostizierte eine gesicherte Gonarthrose. Unter dem Stichwort "Therapie" führte er aus, die Kombination von Restbehinderung nach Apoplex, Thrombose und Gonarthrose ergebe eine Einschränkung der Gehfähigkeit auf ca. 500 Meter ohne Pause. Dies berechtige die Anerkennung des Merkzeichens G. Hierzu führte Dr. B. für den versorgungsärztlichen Dienst am 16. November 2005 aus, die angegebenen Funktionsdaten der rechten unteren Extremitätengelenke rechtfertigten keinesfalls die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit. Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellte Dr. St. das orthopädische Fachgutachten vom 10. April 2006. Auf Befragung habe der Kläger mitgeteilt, im Jahr 2002 sei es zu einer Verletzung am rechten Knie gekommen, es sei jedoch keine Kernspintomographie oder Operation erfolgt. Beim Laufen von mehr als 200 Meter würde das Knie anschwellen. Nach spätestens 20 Minuten müsse er stehen bleiben bzw. sich hinsetzen, da die Schmerzen und Schwellungen ein weiteres Gehen nicht mehr zuließen. Zudem habe er wechselnde Schmerzen im Rücken, die ebenfalls beim Laufen zunehmen würden. Dr. St. diagnostizierte u. a. eine schwere Kniegelenksarthrose rechts nach zweimaliger Kapselbandverletzung und Außenmeniskusteilentfernung nebst Muskelminderung des rechten Beins, eine leichte venöse Insuffizienz nach Thrombose am linken Bein, eine leichte bis mittelgradige Hüftgelenksarthrose beidseits, eine Osteochondrose und Spondylose der Brust- und Lendenwirbelsäule (BWS und LWS) sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks nach alter Fraktur. Die anamnestischen Angaben des Klägers zur Limitierung der Wegstrecken seien glaubhaft. Wegen der erheblichen Veränderungen am rechten Kniegelenk könne keine Wegstrecke von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde mehr zurückgelegt werden. Die Muskelminderung des rechten Beines, die Funktionsbehinderung am rechten Sprunggelenk, die degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke bedingten einen GdB von 50. Dr. W. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 1. Juni 2006 zum Gutachten von Dr. St. aus, nach den Befunden von Dr. St. ergebe sich für sämtliche Funktionseinschränkungen des rechten Kniegelenks ein Teil-GdB von 30 statt bisher 20. Am Gesamt-GdB ändere sich dadurch nichts. Auch die Voraussetzungen für das begehrte Merkzeichen G lägen weiterhin objektiv nicht vor. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. August 2006 führte Dr. St. aus, die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks rechtfertige einen GdB von 40. Im Übrigen hielt er an seiner bisherigen Einschätzung fest.
In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2007 trug die Bevollmächtigte des Klägers vor, der Kläger müsse noch immer Kompressionsstrümpfe verwenden und befinde sich in einem Zustand fortdauernder Kraftlosigkeit der Beine.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2007 ab. Der Gesamt-GdB sei in ganz überwiegender Weise durch die Schwerhörigkeit und die Folgen des Schlaganfalls geprägt, die sich eher in geringerem Umfang auf die individuelle Bewegungsfähigkeit auswirkten. Die fachorthopädische Komponente sei eher untergeordnet. Sie erreiche keinen solchen Wert, dass eine ausnahmsweise ideelle Bewertung in der Größenordnung von etwa 40 vorgenommen werden könnte. Hieraus folge, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G derzeit nicht erfüllt seien.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 9. August 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. August 2007 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf das Gutachten von Dr. St. und auf den von ihm im Oktober 2007 beim Landratsamt R. gestellten Änderungsantrag auf Erhöhung des GdB (als Gesundheitsstörungen nannte der Kläger dabei u.a. ein Asthma bronchiale und ein Schlafapnoesyndrom). Zuletzt hat der Kläger vorgetragen, seine Beweglichkeit sei auch durch seine Atemwegserkrankung erheblich beeinträchtigt. Aufgrund einer stationären Untersuchung im Dezember 2007 sei ihm ein "Beatmungsgerät" verordnet worden, an das er sich jede Nacht anschließe. Tagsüber führe er ein Asthmaspray bei sich. Die "Atemwegskrankheit" sei schon im Jahr 2006 von Dr. B. attestiert worden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Juni 2007 und Abänderung des Bescheids vom 31. März 2003 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 19. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27. April 2004 zur Feststellung des Merkzeichens G zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Im Hinblick auf den im Berufungsverfahren beigezogenen Entlassbericht der Klinik St. hat er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 6. August 2008 vorgelegt. Darin hat dieser ausgeführt, angesichts der im Entlassbericht wiedergegebenen Bewegungsmaße könne der Teil-GdB von 30 für das rechte Kniegelenk keinesfalls noch weiter erhöht werden. Die übrigen Gelenke der oberen und unteren Extremitäten seien in dem Entlassbericht beidseits als altersentsprechend frei beweglich und klinisch unauffällig beschrieben worden. Hinsichtlich der Wirbelsäule enthalte der Bericht keine Gesichtspunkte, die für eine Erhöhung des bisher zuerkannten Teil-GdB von 10 sprächen. Insgesamt sei weiterhin von Seiten der Lendenwirbelsäule und/oder der unteren Gliedmaßen ein GdB von wenigstens 50 bei weitem nicht feststellbar.
Der Senat hat den Entlassbericht der A.-Klinik St. vom 17. Juli 2007 beigezogen. Als reharelevante Diagnosen werden darin ein lumbales Syndrom bei degenerativen Veränderungen, eine Gonarthrose rechts, eine Adipositas und eine chronische Tracheobronchitis genannt. Der Kläger habe über belastungsabhängige Knieschmerzen und über ein erschwertes Bewältigen längerer Gehstrecken berichtet. Das Gangbild habe sich behindert gezeigt.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, den Rechtsstreit durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
II.
Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gem. § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G - dies ist der alleinige Streitgegenstand - liegen beim Kläger nicht vor. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten erweist sich als rechtmäßig. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt.
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgabe 2008) niedergelegt sind.
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2). Nach den AHP kann eine derartige Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AHP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AHP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 137). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AHP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 137, 138 i. V. m. AHP 26.9, S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AHP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AHP 26.8, S. 68) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AHP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AHP 26.8, S. 89).
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind nach den AHP bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr - Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (AHP, 30 Abs. 5 Satz 1 und 2, S. 138).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzung für die Vergabe des Merkzeichens G nicht vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes.
Von Seiten der Funktionsbeeinträchtigung aufgrund der Gonarthorse des rechten Kniegelenks kann lediglich von einer Funktionsbeeinträchtigung, die einen Teil-GdB von 30 bedingt, ausgegangen werden. Zwar hat Dr. St. in seinem Gutachten vom 10. April 2006 noch eine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks mit einer Streckung/Beugung von 0/10/90 beschrieben. Im Entlassbericht der Klinik St. zu der im Juni/Juli 2007 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme wird jedoch eine verbesserte Beweglichkeit mit einer Flexion/Extension von 120/0/0 angegeben. Nach den AHP (26.18, S. 126) war die von Dr. St. beschriebene Bewegungseinschränkung noch als mittelgradig anzusehen. Die im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2007 erhobenen Bewegungsmaße sind jedoch mit keiner die Feststellung eines (Teil-)GdB rechtfertigenden Bewegungseinschränkung mehr verbunden. Eine Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks kommt daher nur noch unter dem Gesichtspunkt ausgeprägter Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen in Betracht (AHP 26.18, S. 126). Dabei ist bei einseitigen Schäden ohne Bewegungseinschränkung ein GdB von 10 bis 30 vorgesehen. Mit dem vom versorgungsärztlichen Dienst für die Beeinträchtigung am Kniegelenk angesetzten Teil-GdB von 30 wurde damit bereits der Höchstwert des Bemessungsrahmen berücksichtigt. Im Übrigen käme, selbst wenn von einer Bewegungseinschränkung im Kniegelenk ausgegangen werden würde, nach den AHP bei ausgeprägten Knorpelschäden nur ein GdB von 20 bis 40 in Betracht. Der vom versorgungsärztlichen Dienst angesetzte GdB von 30 liegt innerhalb dieses Rahmens. Auch insoweit bestünden - zumal jedenfalls nicht von einer erheblichen Bewegungseinschränkung ausgegangen werden kann - keine Bedenken. Der Einschätzung von Dr. St., dass ein GdB von 40 sachgerecht wäre, kann sich der Senat hingegen nicht anschließen.
Ferner führte Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 1. Juni 2006 überzeugend aus, dass auch unter Zugrundelegung der Befunde von Dr. St. von Seiten der Hüftgelenke keine GdB-relevante Bewegungseinschränkung besteht und auch die Einschränkung des rechten oberen Sprunggelenks nur diskret ist und keinen messbaren GdB bedingt. Dasselbe gilt für die leichte venöse Insuffizienz des linken Beines sowie auch für die Einschränkung an der LWS, für die Dr. St. eine völlig freie Entfaltbarkeit angab. Selbst wenn hier der für eine Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule bereits anerkannte Teil-GdB von 10 zu Grunde gelegt wird, ergibt sich bei der Gesamtbetrachtung der GdB-Werte für die unteren Extremitäten und die untere Wirbelsäule kein Wert von 50, nicht einmal von 40, sodass über eine besonders ungünstige Auswirkung der Funktionsstörungen auf die Gehfähigkeit nicht entschieden werden muss (AHP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 137, s.o.).
Von dem vom Kläger im Klageverfahren geltend gemachten Zustand fortdauernder Kraftlosigkeit der Beine und von rezidivierenden Schwindelanfällen, wie sie der Kläger und auch noch Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 9. Mai 2005 beschrieben haben, ist im Entlassbericht der Klinik St. vom 17. Juni 2007 nicht die Rede. Auch gegenüber Dr. St. hat der Kläger derartige Beschwerden nicht erwähnt, vielmehr angegeben, eine Strecke von 20 Minuten bewältigen zu können, ohne dabei die Wegstrecke genauer zu definieren. Auch die vom Kläger während der Rehabilitationsmaßnahme im Sommer 2007 angegebenen belastungsabhängigen Knieschmerzen sind lediglich dahingehend näher beschrieben, dass das Bewältigen längerer Gehstrecken erschwert sei. Der Senat verkennt nicht, dass das Gangbild des Klägers im eben genannten Entlassbericht durch ein rechtsseitiges Hinken behindert beschrieben wird. Daraus allein kann jedoch nicht abweichend von den dargelegten Maßstäben zur Feststellung des Merkzeichens G geschlossen werden, dass der Kläger nicht in der Lage ist, ortsübliche Wegstrecken in angemessener Zeit zurückzulegen. Hierzu fehlen nähere Angaben und objektivierte Funktionseinschränkungen, die die Einschränkung nachvollziehbar machen würden.
Im Übrigen fällt in diesem Zusammenhang auf, dass Dr. St. in seiner ersten, in das Verfahren eingeführten Äußerung vom 23. März 2005 zwar die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G unter dem Stichwort "Therapie" als gegeben ansah, gleichzeitig jedoch nur ein leicht hinkendes Gangbild, eine nur geringgradig eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Kniegelenks, keine Sensibilitätsstörungen und keine sichere Kraftminderung im Befund beschrieb und weiter ausführte, der Kläger habe anamnestisch (nur) Schmerzen im rechten Knie beim Treppenlaufen beklagt. Allein dies rechtfertigt aber noch nicht die Feststellung des Merkzeichens G.
Soweit der Kläger zuletzt eine Einschränkung der Beweglichkeit mit seiner Atemwegserkrankung und der Notwendigkeit des Gebrauchs eines "Beatmungsgeräts" begründete, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Zuerkennung des Merkzeichens G. Zum einen fällt auf, dass der Kläger diese Erkrankungen zuvor nicht im Zusammenhang mit seinem Begehren in den Mittelpunkt gerückt hat. Eine Atemwegserkrankung in Form einer chronischen Bronchitis ist lediglich mit einem Teil-GdB von 10 bislang bei der Bestimmung des Gesamt-GdB berücksichtigt worden. Eine Krankheit der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades (AHP S. 138, 68) ist mithin vom Beklagten nicht festgestellt worden. Zwar werden im Entlassbericht der Klinik St. anamnestisch Atemwegsbeschwerden bei Belastungen genannt. Dem Bericht kann jedoch nicht entnommen werden, dass beim Kläger eine das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit) und Anhaltspunkte für statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte und eine respiratorische Partialinsuffizienz (s. AHP S. 68) vorgelegen haben. Dagegen spricht, dass der Kläger während der Maßnahme ohne Komplikationen u.a. an medizinischer Trainingstherapie, Ergometertraining, Bewegungsbädern für die Wirbelsäule und Atemgymnastik teilgenommen hat. Bei der Entlassung habe der ausgeruht und erholt wirkende Kläger nur wegen der schmerzhaften Gonalgie über eine weiterhin bestehende Einschränkung der Gehstrecke geklagt.
Weiter geht aus dem Entlassbericht der Klinik St. hervor, dass der Kläger das "Asthmaspray", das er, wie er abschließend betonte, täglich bei sich führt, nur selten nimmt.
Die Verordnung des "Beatmungsgeräts" sieht der Senat in keinem Zusammenhang mit dem Gehvermögen des Klägers. Vielmehr ist diese Verordnung vor dem Hintergrund des beim Kläger zwischenzeitlich diagnostizierten Schlafapnoesyndroms zu sehen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der Voraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G).
Bei dem im Jahr 1946 geborenen Kläger wurde vom Versorgungsamt S. (VA) in Ausführung eines Vergleichs in einem gerichtlichen Verfahren zuletzt mit dem Ausführungsbescheid vom 5. Oktober 2000 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit Juli 1999 wegen einer beiderseitigen Hörminderung, eines Wirbelsäulensyndroms sowie Hirndurchblutungsstörungen mit Schwindel-Symptomen festgestellt.
Bereits mit dem Bescheid vom 5. August 1993 hatte das VA das Merkzeichen RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) vor dem Hintergrund der mit einem GdB von 50 bewerteten Hörminderung festgestellt.
Am 30. Januar 2003 beantragte der Kläger unter Hinweis auf zunehmende Rückenbeschwerden und Folgen eines Schlaganfalls die weitere Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens G. Mit Bescheid vom 31. März 2003 lehnte das VA diesen Antrag ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 14. April 2003, der vortrug, die Folgen seines Schlaganfalls seien nicht berücksichtigt worden, er könne nach einem Kreuzbandriss im November 2002 nur noch mit Bandage gehen und sein Bein nicht anwinkeln, leide unter Schwindel und Blutdruckschwankungen. Seit November 2003 sei eine volle Erwerbsminderung anerkannt.
Mit dem Teil-Abhilfebescheid vom 19. Februar 2004 stellte das VA einen GdB von 70 ab 30. Januar 2003 wegen nachfolgender Funktionsbeeinträchtigungen fest: 1. Schwerhörigkeit beidseitig, 2. Hirndurchblutungsstörungen, Schlaganfallfolgen, Bluthochdruck, Schwindel, 3. Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, des rechten Kniegelenks, Arthrose, 4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, 5. chronische Bronchitis. Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 28. November 2003 zu Grunde, der nach Auswertung der medizinischen Unterlagen die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 1 nach wie vor mit einem Teil-GdB von 50, die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 2 mit einem Teil-GdB von 30, die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 3 mit einem Teil-GdB von 20 und die übrigen Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von jeweils 10 bewertet hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2004 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Eine weitere Erhöhung des GdB ließe sich mit der Änderung des Gesundheitszustands des Klägers nicht begründen. Trotz seiner Behinderungen sei dieser noch in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder für andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden.
Allein wegen der Versagung des Merkzeichens G erhob der Kläger am 19. Mai 2004 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage. Er wiederholte, aufgrund seines im November 2002 hinzugekommenen Kreuzbandrisses müsse er eine Bandage mit Stützschienen am rechten Knie anlegen. Damit sei nur ein Gehen auf ebenem Gelände einigermaßen unproblematisch, wenn man von den bald eintretenden Schmerzen absehe. Sobald jedoch Unebenheiten auf dem Wege seien und insbesondere beim Treppensteigen sei keine sichere Fortbewegung mehr möglich, da er sein Bein nicht anwinkeln könne. Zudem würden Schwindelattacken die Standsicherheit beeinträchtigen. Er legte das Attest des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 27. Mai 2004 vor. In seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 9. Mai 2005 gab dieser an, der Kläger könne allenfalls noch eine Gehstrecke von 150 Meter bewältigen. Dies sei nur unter Verwendung von Hilfsmitteln möglich. Außerdem müsse es sich um einen Weg ohne Unebenheiten und Treppen handeln. Der Facharzt für Orthopädie Dr. St. gab in seinem vom Kläger vorgelegten Arztbrief vom 23. September 2005 an, der Kläger beklage Schmerzen im rechten Knie beim Treppenlaufen. Im Befund beschrieb er ein leicht hinkendes Gangbild und diagnostizierte eine gesicherte Gonarthrose. Unter dem Stichwort "Therapie" führte er aus, die Kombination von Restbehinderung nach Apoplex, Thrombose und Gonarthrose ergebe eine Einschränkung der Gehfähigkeit auf ca. 500 Meter ohne Pause. Dies berechtige die Anerkennung des Merkzeichens G. Hierzu führte Dr. B. für den versorgungsärztlichen Dienst am 16. November 2005 aus, die angegebenen Funktionsdaten der rechten unteren Extremitätengelenke rechtfertigten keinesfalls die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit. Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellte Dr. St. das orthopädische Fachgutachten vom 10. April 2006. Auf Befragung habe der Kläger mitgeteilt, im Jahr 2002 sei es zu einer Verletzung am rechten Knie gekommen, es sei jedoch keine Kernspintomographie oder Operation erfolgt. Beim Laufen von mehr als 200 Meter würde das Knie anschwellen. Nach spätestens 20 Minuten müsse er stehen bleiben bzw. sich hinsetzen, da die Schmerzen und Schwellungen ein weiteres Gehen nicht mehr zuließen. Zudem habe er wechselnde Schmerzen im Rücken, die ebenfalls beim Laufen zunehmen würden. Dr. St. diagnostizierte u. a. eine schwere Kniegelenksarthrose rechts nach zweimaliger Kapselbandverletzung und Außenmeniskusteilentfernung nebst Muskelminderung des rechten Beins, eine leichte venöse Insuffizienz nach Thrombose am linken Bein, eine leichte bis mittelgradige Hüftgelenksarthrose beidseits, eine Osteochondrose und Spondylose der Brust- und Lendenwirbelsäule (BWS und LWS) sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks nach alter Fraktur. Die anamnestischen Angaben des Klägers zur Limitierung der Wegstrecken seien glaubhaft. Wegen der erheblichen Veränderungen am rechten Kniegelenk könne keine Wegstrecke von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde mehr zurückgelegt werden. Die Muskelminderung des rechten Beines, die Funktionsbehinderung am rechten Sprunggelenk, die degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke bedingten einen GdB von 50. Dr. W. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 1. Juni 2006 zum Gutachten von Dr. St. aus, nach den Befunden von Dr. St. ergebe sich für sämtliche Funktionseinschränkungen des rechten Kniegelenks ein Teil-GdB von 30 statt bisher 20. Am Gesamt-GdB ändere sich dadurch nichts. Auch die Voraussetzungen für das begehrte Merkzeichen G lägen weiterhin objektiv nicht vor. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. August 2006 führte Dr. St. aus, die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks rechtfertige einen GdB von 40. Im Übrigen hielt er an seiner bisherigen Einschätzung fest.
In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2007 trug die Bevollmächtigte des Klägers vor, der Kläger müsse noch immer Kompressionsstrümpfe verwenden und befinde sich in einem Zustand fortdauernder Kraftlosigkeit der Beine.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2007 ab. Der Gesamt-GdB sei in ganz überwiegender Weise durch die Schwerhörigkeit und die Folgen des Schlaganfalls geprägt, die sich eher in geringerem Umfang auf die individuelle Bewegungsfähigkeit auswirkten. Die fachorthopädische Komponente sei eher untergeordnet. Sie erreiche keinen solchen Wert, dass eine ausnahmsweise ideelle Bewertung in der Größenordnung von etwa 40 vorgenommen werden könnte. Hieraus folge, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G derzeit nicht erfüllt seien.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 9. August 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. August 2007 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf das Gutachten von Dr. St. und auf den von ihm im Oktober 2007 beim Landratsamt R. gestellten Änderungsantrag auf Erhöhung des GdB (als Gesundheitsstörungen nannte der Kläger dabei u.a. ein Asthma bronchiale und ein Schlafapnoesyndrom). Zuletzt hat der Kläger vorgetragen, seine Beweglichkeit sei auch durch seine Atemwegserkrankung erheblich beeinträchtigt. Aufgrund einer stationären Untersuchung im Dezember 2007 sei ihm ein "Beatmungsgerät" verordnet worden, an das er sich jede Nacht anschließe. Tagsüber führe er ein Asthmaspray bei sich. Die "Atemwegskrankheit" sei schon im Jahr 2006 von Dr. B. attestiert worden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Juni 2007 und Abänderung des Bescheids vom 31. März 2003 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 19. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27. April 2004 zur Feststellung des Merkzeichens G zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Im Hinblick auf den im Berufungsverfahren beigezogenen Entlassbericht der Klinik St. hat er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 6. August 2008 vorgelegt. Darin hat dieser ausgeführt, angesichts der im Entlassbericht wiedergegebenen Bewegungsmaße könne der Teil-GdB von 30 für das rechte Kniegelenk keinesfalls noch weiter erhöht werden. Die übrigen Gelenke der oberen und unteren Extremitäten seien in dem Entlassbericht beidseits als altersentsprechend frei beweglich und klinisch unauffällig beschrieben worden. Hinsichtlich der Wirbelsäule enthalte der Bericht keine Gesichtspunkte, die für eine Erhöhung des bisher zuerkannten Teil-GdB von 10 sprächen. Insgesamt sei weiterhin von Seiten der Lendenwirbelsäule und/oder der unteren Gliedmaßen ein GdB von wenigstens 50 bei weitem nicht feststellbar.
Der Senat hat den Entlassbericht der A.-Klinik St. vom 17. Juli 2007 beigezogen. Als reharelevante Diagnosen werden darin ein lumbales Syndrom bei degenerativen Veränderungen, eine Gonarthrose rechts, eine Adipositas und eine chronische Tracheobronchitis genannt. Der Kläger habe über belastungsabhängige Knieschmerzen und über ein erschwertes Bewältigen längerer Gehstrecken berichtet. Das Gangbild habe sich behindert gezeigt.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, den Rechtsstreit durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
II.
Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gem. § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G - dies ist der alleinige Streitgegenstand - liegen beim Kläger nicht vor. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten erweist sich als rechtmäßig. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt.
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgabe 2008) niedergelegt sind.
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2). Nach den AHP kann eine derartige Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AHP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AHP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 137). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AHP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 137, 138 i. V. m. AHP 26.9, S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AHP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AHP 26.8, S. 68) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AHP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AHP 26.8, S. 89).
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind nach den AHP bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr - Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (AHP, 30 Abs. 5 Satz 1 und 2, S. 138).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzung für die Vergabe des Merkzeichens G nicht vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes.
Von Seiten der Funktionsbeeinträchtigung aufgrund der Gonarthorse des rechten Kniegelenks kann lediglich von einer Funktionsbeeinträchtigung, die einen Teil-GdB von 30 bedingt, ausgegangen werden. Zwar hat Dr. St. in seinem Gutachten vom 10. April 2006 noch eine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks mit einer Streckung/Beugung von 0/10/90 beschrieben. Im Entlassbericht der Klinik St. zu der im Juni/Juli 2007 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme wird jedoch eine verbesserte Beweglichkeit mit einer Flexion/Extension von 120/0/0 angegeben. Nach den AHP (26.18, S. 126) war die von Dr. St. beschriebene Bewegungseinschränkung noch als mittelgradig anzusehen. Die im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2007 erhobenen Bewegungsmaße sind jedoch mit keiner die Feststellung eines (Teil-)GdB rechtfertigenden Bewegungseinschränkung mehr verbunden. Eine Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks kommt daher nur noch unter dem Gesichtspunkt ausgeprägter Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen in Betracht (AHP 26.18, S. 126). Dabei ist bei einseitigen Schäden ohne Bewegungseinschränkung ein GdB von 10 bis 30 vorgesehen. Mit dem vom versorgungsärztlichen Dienst für die Beeinträchtigung am Kniegelenk angesetzten Teil-GdB von 30 wurde damit bereits der Höchstwert des Bemessungsrahmen berücksichtigt. Im Übrigen käme, selbst wenn von einer Bewegungseinschränkung im Kniegelenk ausgegangen werden würde, nach den AHP bei ausgeprägten Knorpelschäden nur ein GdB von 20 bis 40 in Betracht. Der vom versorgungsärztlichen Dienst angesetzte GdB von 30 liegt innerhalb dieses Rahmens. Auch insoweit bestünden - zumal jedenfalls nicht von einer erheblichen Bewegungseinschränkung ausgegangen werden kann - keine Bedenken. Der Einschätzung von Dr. St., dass ein GdB von 40 sachgerecht wäre, kann sich der Senat hingegen nicht anschließen.
Ferner führte Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 1. Juni 2006 überzeugend aus, dass auch unter Zugrundelegung der Befunde von Dr. St. von Seiten der Hüftgelenke keine GdB-relevante Bewegungseinschränkung besteht und auch die Einschränkung des rechten oberen Sprunggelenks nur diskret ist und keinen messbaren GdB bedingt. Dasselbe gilt für die leichte venöse Insuffizienz des linken Beines sowie auch für die Einschränkung an der LWS, für die Dr. St. eine völlig freie Entfaltbarkeit angab. Selbst wenn hier der für eine Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule bereits anerkannte Teil-GdB von 10 zu Grunde gelegt wird, ergibt sich bei der Gesamtbetrachtung der GdB-Werte für die unteren Extremitäten und die untere Wirbelsäule kein Wert von 50, nicht einmal von 40, sodass über eine besonders ungünstige Auswirkung der Funktionsstörungen auf die Gehfähigkeit nicht entschieden werden muss (AHP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 137, s.o.).
Von dem vom Kläger im Klageverfahren geltend gemachten Zustand fortdauernder Kraftlosigkeit der Beine und von rezidivierenden Schwindelanfällen, wie sie der Kläger und auch noch Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 9. Mai 2005 beschrieben haben, ist im Entlassbericht der Klinik St. vom 17. Juni 2007 nicht die Rede. Auch gegenüber Dr. St. hat der Kläger derartige Beschwerden nicht erwähnt, vielmehr angegeben, eine Strecke von 20 Minuten bewältigen zu können, ohne dabei die Wegstrecke genauer zu definieren. Auch die vom Kläger während der Rehabilitationsmaßnahme im Sommer 2007 angegebenen belastungsabhängigen Knieschmerzen sind lediglich dahingehend näher beschrieben, dass das Bewältigen längerer Gehstrecken erschwert sei. Der Senat verkennt nicht, dass das Gangbild des Klägers im eben genannten Entlassbericht durch ein rechtsseitiges Hinken behindert beschrieben wird. Daraus allein kann jedoch nicht abweichend von den dargelegten Maßstäben zur Feststellung des Merkzeichens G geschlossen werden, dass der Kläger nicht in der Lage ist, ortsübliche Wegstrecken in angemessener Zeit zurückzulegen. Hierzu fehlen nähere Angaben und objektivierte Funktionseinschränkungen, die die Einschränkung nachvollziehbar machen würden.
Im Übrigen fällt in diesem Zusammenhang auf, dass Dr. St. in seiner ersten, in das Verfahren eingeführten Äußerung vom 23. März 2005 zwar die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G unter dem Stichwort "Therapie" als gegeben ansah, gleichzeitig jedoch nur ein leicht hinkendes Gangbild, eine nur geringgradig eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Kniegelenks, keine Sensibilitätsstörungen und keine sichere Kraftminderung im Befund beschrieb und weiter ausführte, der Kläger habe anamnestisch (nur) Schmerzen im rechten Knie beim Treppenlaufen beklagt. Allein dies rechtfertigt aber noch nicht die Feststellung des Merkzeichens G.
Soweit der Kläger zuletzt eine Einschränkung der Beweglichkeit mit seiner Atemwegserkrankung und der Notwendigkeit des Gebrauchs eines "Beatmungsgeräts" begründete, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Zuerkennung des Merkzeichens G. Zum einen fällt auf, dass der Kläger diese Erkrankungen zuvor nicht im Zusammenhang mit seinem Begehren in den Mittelpunkt gerückt hat. Eine Atemwegserkrankung in Form einer chronischen Bronchitis ist lediglich mit einem Teil-GdB von 10 bislang bei der Bestimmung des Gesamt-GdB berücksichtigt worden. Eine Krankheit der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades (AHP S. 138, 68) ist mithin vom Beklagten nicht festgestellt worden. Zwar werden im Entlassbericht der Klinik St. anamnestisch Atemwegsbeschwerden bei Belastungen genannt. Dem Bericht kann jedoch nicht entnommen werden, dass beim Kläger eine das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit) und Anhaltspunkte für statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte und eine respiratorische Partialinsuffizienz (s. AHP S. 68) vorgelegen haben. Dagegen spricht, dass der Kläger während der Maßnahme ohne Komplikationen u.a. an medizinischer Trainingstherapie, Ergometertraining, Bewegungsbädern für die Wirbelsäule und Atemgymnastik teilgenommen hat. Bei der Entlassung habe der ausgeruht und erholt wirkende Kläger nur wegen der schmerzhaften Gonalgie über eine weiterhin bestehende Einschränkung der Gehstrecke geklagt.
Weiter geht aus dem Entlassbericht der Klinik St. hervor, dass der Kläger das "Asthmaspray", das er, wie er abschließend betonte, täglich bei sich führt, nur selten nimmt.
Die Verordnung des "Beatmungsgeräts" sieht der Senat in keinem Zusammenhang mit dem Gehvermögen des Klägers. Vielmehr ist diese Verordnung vor dem Hintergrund des beim Kläger zwischenzeitlich diagnostizierten Schlafapnoesyndroms zu sehen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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