L 7 SO 5251/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 5423/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5251/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 3. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet; das Sozialgericht Freiburg hat im angefochtenen Beschluss den begehrten vorläufigen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht angelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Eilantrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).

Vorliegend kommt - wie das SG zutreffend erkannt hat - nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt von den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) sowie der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Anordnungsvoraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich nur summarisch erfolgen, es sei denn, das sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebende Gebot der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie der grundrechtlich geschützte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderten eine abschließende Überprüfung. Ist in diesen Fällen im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927; zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O.).

Die Anordnungsvoraussetzungen für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz sind nicht gegeben. Es fehlt bei der hier gebotenen Prüfung bereits am Anordnungsanspruch. Der Antragsteller steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dahingestellt bleiben kann, ob und ggf. in welchem Umfang der Grundsicherungsträger für die Kosten der Einlagerung von Möbeln und Hausrat im Rahmen der Regelungen des § 22 SGB II aufzukommen hätte (vgl. hierzu etwa Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 100, 136; Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 20. November 2001 - M 15 E 01.4939 - (juris)); die Übernahme der Entsorgungs- und Einlagerungskosten des Antragstellers bei der Fa. Fröde GmbH & Co. KG hat der zuständige Träger (Grundsicherung für Arbeitsuchende im Landkreis Lörrach - GAL) im Schreiben vom 9. Mai 2008 jedenfalls bereits abgelehnt (vgl. auch den an den PVD Lörrach gerichteten Bescheid vom 24. Juni 2008). Aus welchen Gründen der Antragsteller den Weg der Hilfeleistung über die GAL nicht weiterverfolgt hat, ist vorliegend nicht erkennbar. Jedenfalls schließt der Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - hierzu gehören auch die Leistungen nach § 22 SGB II - Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) aus (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II, § 21 Satz 1 SGB XII).

Für sein einstweiliges Rechtsschutzbegehren vermag sich der Antragsteller nicht auf die im Achten Kapitel des SGB XII geregelte Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zu berufen. Denn er gehört nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 67 SGB XII; hierzu gehören nur Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind. Näher definiert ist dies in der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24. Januar 2001 (zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022)). Danach leben Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, wenn besondere Lebensverhältnisse derart mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Überwindung der besonderen Lebensverhältnisse auch die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten erfordern (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 a.a.O.). Besondere Lebensverhältnisse bestehen bei fehlender oder nicht ausreichender Wohnung, bei ungesicherter wirtschaftlicher Lebensgrundlage, bei gewaltgeprägten Lebensumständen, bei Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder bei vergleichbaren nachteiligen Umständen; besondere Lebensverhältnisse können ihre Ursachen in äußeren Umständen oder in der Person der Hilfesuchenden haben (§ 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 a.a.O.). Soziale Schwierigkeiten liegen vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit (§ 1 Abs. 3 a.a.O.). Dies erhellt, dass nur bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls, nämlich wenn die Lebensverhältnisse des Hilfesuchenden von den "normalen" Lebensverhältnissen der Bevölkerung abweichen und ihm die Interaktion mit seiner sozialen Umwelt Schwierigkeiten bereitet, eine Leistungsberechtigung nach § 67 SGB XII bejaht werden kann (vgl. Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. August 2002 - 2 L 70/01 - (juris); Roscher in LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 67 Rdnrn. 6 ff.; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 67 Rdnrn. 5 ff.). Typische Personengruppen sind etwa straffällig gewordene Menschen, Drogensüchtige, Obdachlose oder sonst aufgrund ihrer Lebenssituation in vergleichbarer Weise sozial ausgegrenzte Menschen.

Diesem Personenkreis gehört der Antragsteller nicht an. Seine zweifellos beengten wirtschaftliche Verhältnisse differieren nicht wesentlich von denen anderer Leistungsbezieher nach dem SGB II. Er hat eine Unterkunft, für welche die GAL Leistungen der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II übernimmt. Dass er die aus der Einlagerung seiner Möbel und Hausratsgegen-stände resultierenden Verbindlichkeiten nicht finanzieren kann, unterscheidet ihn nicht von dem Personenkreis der anderen Leistungsbezieher nach dem SGB II, die sich in ähnlicher Situation befinden, nämlich ebenfalls derartige Kosten aus den ihnen gewährten Leistungen nicht zahlen zu können. Darüber hinaus sind bei ihm aber auch die von § 67 SGB XII zusätzlich vorausgesetzten

sozialen Schwierigkeiten nicht erkennbar. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss und macht sie sich zueigen (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend).

Eine Beiladung der GAL (§ 75 SGG) kam schon deswegen nicht in Betracht, weil die Leistungen nach § 22 SGB II und nach den §§ 67 ff. SGB XII nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen, wie es nach der genannten Verfahrensregelung vorausgesetzt wird (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage § 75 Rdnr. 18).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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