L 6 SB 4142/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 3245/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4142/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts H. vom 24.05.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen ist.

Bei dem 1946 geborenen Kläger stellte das damalige Versorgungsamt H. (VA) mit Bescheid vom 19.12.1980 wegen eines Wirbelsäulenschadens mit Versteifungsoperation im Halswirbelbereich den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, heute: GdB) mit 30 vom Hundert (v. H.) fest. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.11.1981).

Im anschließenden Klageverfahren (S 4 Vs 1723/81) vor dem Sozialgericht H. (SG) legte der Beklagte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. N. vom 28.05.1984 vor. Dieser führte aus, wie bisher seien der Wirbelsäulenschaden mit Versteifungsoperation im Halswirbelbereich mit einer MdE um 30 v. H. und die Harnsteindiathese mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten. Zusätzlich bestehe eine MdE um 10 v. H. wegen eines psychovegetativen Syndroms und eines Reizmagens. Der Beklagte gab ein Vergleichsangebot mit dem Inhalt ab, unter Berücksichtigung eines Wirbelsäulenschadens mit Versteifungsoperation im Halswirbelbereich, einer Harnsteindiathese, eines psychovegetativen Syndroms und eines Reizmagens eine äußerlich erkennbare dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen und eine MdE um 40 v. H. ab 28.08.1980 anzuerkennen. Der Kläger nahm das Vergleichsangebot an. Mit Bescheid vom 21.05.1985 führte das VA den Vergleich aus.

Auf den am 17.04.2003 gestellten Neufeststellungsantrag erhob das VA den Befundschein des Internisten Dr. N. vom 19.05.2003. Darin führte dieser aus, der Kläger berichte häufig über Schwindel, anhaltende Schwächephasen und Erschöpfungszustände. Über die geltend gemachten Wutanfälle wisse er nichts. Die beklagten Beschwerden seien schwer objektivierbar. Der Blutdruck zeige unter Medikation Werte zwischen 140/70 und 160/100 mm. Bezüglich der Nieren sei sonographisch ein etwas schmaler Parenchymsaum auffällig; daneben fänden sich einige kleinere Nierenzysten. Eine Einschränkung der Nierenfunktion sei nicht erkennbar. Es bestehe eine Hypercholesterinämie wechselnden Ausmaßes. Der Kläger berichte immer wieder über Rückenschmerzen. Zuletzt sei eine Hammerzehe operiert worden. Dr. N. legte die Arztbriefe des Orthopäden Dr. B. vom 14.10.2002 (Lumbago, grippaler Infekt), des Internisten und Kardiologen Dr. P. vom 13.11.2002 (essentielle Hypertonie, Hyperlipidämie und Medikamentenunverträglichkeit in Bezug auf Delmuno), der B.-Klinik St. vom 30.11.2002 über die wegen eines Hallux valgus D1 rechts am 28.11.2002 durchgeführte Arthrodese des rechten Großzehengrundgelenks sowie den Arztbericht desselben Krankenhauses vom 06.03.2003 über die postoperativ vorgenommene Metallentfernung vor. Die Vertragsärztin des VA St. bewertete in der vä Stellungnahme vom 05.06.2003 die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und die Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten mit einem Teil-GdB von 30, das Nierensteinleiden mit einem Teil-GdB von 20 und den Reizmagen mit einem Teil-GdB von 10. Der Gesamt-GdB betrage 40. Es liege ferner eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vor. Mit Bescheid vom 28.07.2003 lehnte das VA die Neufeststellung des GdB ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger den Arztbrief des Radiologen Dr. Sch. vom 26.06.2003 über die an demselben Tag durchgeführte Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule vor. Dr. Sch. diagnostizierte osteochondrotische Veränderungen C3/4, C4/5 und C7/Th1 mit breitbasiger Protrusion, eine knöcherne Einengung des Foramen intervertebrale rechts ausgeprägter als links in diesen Segmenten und einen Zustand nach Versteifungsoperation C5 bis 7. Eine cervikale Myelopathie bestehe nicht. Die Praktische Ärztin Dr. R. hielt in der vä Stellungnahme vom 12.11.2003 an der bisherigen Bewertung des GdB fest. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003 zurückgewiesen.

Am 05.11.2004 beantragte der Kläger erneut die Erhöhung des GdB. Er machte geltend, bei ihm lägen ein Halswirbelsäulenbruch, ein Unterarmbruch, ein Nierensteinleiden, Kreislaufstörungen, Bluthochdruck, ein steifer rechter großer Zeh, Kopfschmerzen und Kopfschwindel vor. Das VA veranlasste den Befundschein von Dr. N. vom 31.01.2005, in dem dieser ausführte, eine Medikation wegen Migräne erfolge von ihm nicht. Die Hammerzehe sei operiert worden. Diesbezüglich würden derzeit keine Beschwerden beklagt. Bezüglich des Nierenschadens zeige der letzte Sonographiebefund von März 2004 Zysten. Die Nierenfunktion sei normal, der Kreatininwert nicht verändert. Die letzten Blutdruckwerte seien 140/80 und 140/70 gewesen. In Bezug auf die Gesundheitsstörungen im orthopädischen Bereich verwies Dr. N. auf den von ihm übersandten Arztbrief des Klinikums L. vom 25.08.2004 (Dens-Basisfraktur Typ Anderson III, distale dislozierte Radiusfraktur links, nicht dislozierte Metacarpale-2-Basisfraktur links, Kopfschwartenhämatom nach Verkehrsunfall im Urlaub in der Türkei am 30.07.2004 und Zustand nach Spondylodese C5 bis 7 1980) und den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik H. B.-B. vom 12.01.2005 nach der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 07.12.2004 bis 11.01.2005 (chronische Cervikocephalgie, Zustand nach Dens-Basisfraktur am 30.07.2004/Haloextension mit anhaltenden Schwindelattacken, sensorischen Störungen im Nacken-/Kopfbereich, Zustand nach Nukleus pulposus-Prolaps C4/5, C5/6 mit ventraler interkorporeller Fusion mit Kunststoffdübel 1980, Zustand nach distaler dislozierter Radiusfraktur links am 30.07.2004, osteosynthetisch versorgt mit Funktionseinschränkungen der linken Hand, und lokales Lendenwirbelsäulen-Syndrom). Dr. N. übersandte ferner den Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vom 02.11.2004, bei dem sich der Kläger wegen brennender Missempfindungen des linken Schädels und Schwankschwindel vorgestellt hatte. Dr. F. führte aus, inwieweit die angegebenen, bei ihm nicht sicher reproduzierbaren Missempfindungen nach knapp drei Monaten noch auf das Kopfschwartenhämatom bezogen werden könnten, halte er für fraglich. Eine psychogene Ausweitung sei zu diskutieren. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. nahm in der vä Stellungnahme vom 24.04.2005 wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten und verheiltem Wirbelbruch einen Teil-GdB von 30, wegen Nierensteinleidens einen Teil-GdB von 20, wegen Reizmagens einen Teil-GdB von 10 und wegen Bluthochdrucks einen Teil-GdB von 10 an. Der Gesamt-GdB betrage 40. Dr. H. bewertete den Gesamt-GdB in der vä Stellungnahme vom 28.06.2005 wie Dr. H., nahm aber zusätzlich einen Teil-GdB von 10 für die Gebrauchseinschränkung der linken Hand an. Mit Bescheid vom 19.07.2005 lehnte das VA die Neufeststellung des GdB ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 zurückgewiesen.

Am 06.10.2005 erhob der Kläger Klage beim SG. Der Kläger legte unter anderem den Arztbrief des Chirurgen Dr. Sch. vom 13.12.2005 ([einseitige] Rezidiv-Hernia inguinalis ohne Einklemmung und Gangrän links), das MDK-Gutachten von Dr. A. vom 15.07.2005 (chronisch rezidivierende Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen nach Densfraktur, ferner Spondylodese C5 bis 7 und Protrusionen mit Spinalkanalstenose sowie Spannungskopfschmerzen und somatoforme Störungen, arterielle Hypertonie und Leistenhernienrezidiv links), den Arztbrief des Neurochirurgen Prof. Dr. H. vom 24.11.2005 (Kopfschmerz links temporal ungeklärter Genese, Zustand nach Autounfall [Überschlag] in der Türkei am 30.07.2004 mit distaler Radiusfraktur links und angeblich zwei Halswirbelkörper-Frakturen, Palacosfusion C5 bis 7 1980), den weiteren Arztbrief des Neurochirurgen Prof. Dr. H. und der Fachärztin für Radiologische Diagnostik M. vom 01.12.2005 (zusätzlich zu den im Arztbrief vom 24.11.2005 genannten Diagnosen: Lumbago, Bandscheibendegeneration L4/5 und L5/S1, Bandscheibenvorfall L3/4 links paramedian), den Arztbrief des Facharztes für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie Dr. M. vom 26.09.2005 (chronischer Schmerz, Mononeuropathie, Zustand nach Fraktur des 2. Halswirbels, Frakturheilung in Fehlstellung, Osteochondrose der Wirbelsäule im Cervikothorakalbereich und Spinalkanalstenose im Cervikalbereich), den Arztbrief des Arztes für Hals-, Nasen-Ohrenheilkunde Dr. Sch. vom 23.02.2005 (zur Abklärung peripher vestibulärer Schwindel, Verdacht auf cervikogenen Schwindel), den Arztbrief des K.hospitals St. vom 23.02.2005 (Zustand nach Nukleus pulposus-Prolaps-Operation mit ventraler Fusion durch Kunststoffdübel C6/7 und C5/6 1980, chronisches Cervikalsyndrom mit degenerativen Halswirbelsäulen-Veränderungen, Dens-Basisfraktur nach Autounfall am 30.07.2004, konservative Behandlung mit Halo-Fixateur) und den Arztbrief des Radiologen Dr. W. vom 04.02.2005 über die an demselben Tag durchgeführte Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule vor (in geringer Fehlstellung knöchern konsolitierte Dens-Basisfraktur ohne Spinalkanalstenosierung, knöcherne Durchbauung nach Spondylodese C5 bis 7, Bandscheibenprotrusionen C3/4 und 4/5, nicht erosive Osteochondrose C3/4, uncarthrotische Foramenengen C4 bis 5 beidseits, fortgeschrittene Osteochondrose C7/Th1 mit Bandscheibenprotrusion und begleitender Spinalkanalstenosierung bzw. Foramenstenose C8 beidseits, keine Myelopathie). Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der vä Stellungnahme von Dr. W. vom 03.02.2006 entgegen, in der die Auffassung vertreten wird, Gesichtspunkte für ein Abweichen von der bisherigen Beurteilung ergäben sich aus den Unterlagen nicht.

Das SG erhob das Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. W. vom 28.05.2006. Dieser diagnostizierte degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Teilversteifung von C0 bis Th4, eine Einschränkung der Kopfbewegungsmöglichkeit, eine Sensibilitätsstörung des 5. Hirnnerven und des 2. und 3. Halswirbelsäulen-Nerven linksbetont, eine Gebrauchseinschränkung der linken Hand und internistische Leiden im Bereich von Nierenstein, Nierenzyste, Reizmagen, Bluthochdruck und Hyperlipidämie. Eine nennenswerte Gebrauchseinschränkung nach der Großzehenversteifung bestehe nicht. Für die Versteifung praktisch der gesamten Halswirbelsäule und der oberen Brustwirbelsäule bis zum 4. Brustwirbel durch die durchgemachten Frakturen Th2 und 4 sowie den in Fehlstellung verheilten 2. verheilten Brustwirbel und nach Bandscheibenoperation mit Versteifung C5 bis 7 sowie die sekundären degenerativen Veränderungen halte er in Verbindung mit den ferner genannten Leiden einen GdB von 40 für angezeigt. Unter Berücksichtigung der übrigen Diagnosen Nierensteinleiden, Nierenzysten, Bluthochdruck, Hyperlipidämie, Gebrauchseinschränkung der linken Hand sei ein Gesamt-GdB von 50 angemessen. Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. B. vom 02.08.2006 vor, in der dieser die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 40, das Nierensteinleiden mit einem Teil-GdB von 20 und den Reizmagen, den Bluthochdruck und die Gebrauchseinschränkung der linken Hand mit einem Teil-GdB von jeweils 10 bewertete. Die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft sei im vorliegenden Fall nicht begründbar, da das anerkannte Nierenleiden nicht mehr entscheidend ins Gewicht falle.

Auf die gerichtliche Anfrage bezüglich der Auswirkungen des Nierensteinleidens übersandte der Kläger unter anderem die Arztbriefe des Klinikums L. vom 28.05.1997 (Zustand nach Kolik links bei prävesikalem Harnleiterstein links und stummer Niere links, Nierenkelchsteine beidseits, bekannte Nierenzysten beidseits) und 22.08.2001 (Nierenkolik rechts bei prävesikalem Harnleiterstein mit spontanem Steinabgang, sonographisch oberer Kelchstein der linken Niere, Verdacht auf Angiomyolipom der linken Niere), des Radiologen Dr. B. vom 28.04.2006 (die an diesem Tag durchgeführte Nierenfunktionsszintigraphie habe eine noch nahezu seitengleich erbrachte Gesamtclearance im unteren Normbereich, kein Abflusshindernis, keinen Nierenparenchymschaden ergeben), der Urologin Dr. H. vom 15.09.2006 (Nierenzysten beidseits, Hypertension, bekannte Nierensteindiathese, Zustand nach extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie links 1997, erektile Dysfunktion und rezidivierende Harnwegsinfekte) und der Urologischen Klinik des K.hospitals St. vom 01.03.1996 (spontan abgangsfähige Nierenkelchsteine links, Nierenzysten beidseits). Dr. W. vertrat in der vä Stellungnahme vom 04.12.2006 die Auffassung, das Nierensteinleiden wirke sich ausgehend von dem Teil-GdB von 40 für das Wirbelsäulenleiden zum "heutigen" Zeitpunkt auf den Gesamt-GdB nicht aus. Der Kläger wies im Schriftsatz vom 06.02.2007 auf unfallbedingte chronische Schmerzen an der linken Kopfhälfte hin.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24.05.2007 - der Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 26.07.2007 - ab.

Am 23.08.2007 hat der Kläger Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt. Eine Berufungsbegründung hat er nicht vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts H. vom 24.05.2007 und den Bescheid vom 19.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 09.11.2007 auf eine beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen worden. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu bis 15.12.2007 erhalten. Auf dieses Schreiben ist im gerichtlichen Schreiben vom 14.05.2008 Bezug genommen worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. In den Verhältnissen, wie sie der letzten bindenden Feststellung des GdB (damals: MdE) mit Bescheid vom 21.05.1985 zugrunde gelegen haben, ist keine Änderung eingetreten, die so wesentlich ist, dass nunmehr die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt wäre.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinn ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der letzten bindenden Feststellung einerseits und im Zeitpunkt der begehrten Neufeststellung andererseits vorgelegen hat.

Bei der Bewertung des GdB orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt sind (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AHP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken. Sie haben deshalb normähnliche Auswirkungen und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB oder eines Nachteilsausgleichs. Die AHP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).

Vorliegend war demnach zu prüfen, ob im Gesundheitszustand des Klägers, wie er dem Bescheid vom 21.05.1985 zugrunde gelegen hat, mit dem erstmals ein GdB von 40 festgestellt worden war, eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, die es erfordert, anstelle des bisherigen GdB von 40 nunmehr einen solchen von 50 festzustellen. Dies war hier nicht der Fall.

Allerdings ist in dem Gesundheitszustand des Klägers insofern eine Verschlechterung eingetreten, als das Wirbelsäulenleiden nicht mehr - wie noch im Bescheid vom 21.05.1985 erfolgt - mit einem Teil-GdB von 30, sondern mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten ist. Am 21.05.1985 lagen bei dem Kläger im Wirbelsäulenbereich schwerwiegende Auswirkungen nur in einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich im Bereich der Halswirbelsäule aufgrund des Wirbelsäulenschadens mit Versteifungsoperation vor. Inzwischen bestehen mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten im Sinne der AHP, 26.18, S. 116. Dies ergibt sich aus dem orthopädischen Gutachten von Prof. Dr. W. vom 28.05.2006, in dem degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Teilversteifung von C0 bis Th4 und eine Einschränkung der Kopfbewegungsmöglichkeit beschrieben werden. Der Senat schließt sich der Bewertung von Prof. Dr. W. an, für die Versteifung praktisch der gesamten Halswirbelsäule einschließlich der oberen Brustwirbelsäule bis zum 4. Brustwirbel durch die durchgemachten Frakturen Th2 und 4 sowie den in Fehlstellung verheilten 2. Brustwirbel und nach Bandscheibenoperation mit Versteifung zwischen C5 und 7 und sekundären degenerativen Veränderungen einen Teil-GdB von 40 zugrunde zu legen. Diese Einschätzung wird im Übrigen auch von dem Beklagten in der vä Stellungnahme von Dr. B. vom 02.08.2006 geteilt.

Soweit allerdings Prof. Dr. W. unter Berücksichtigung der weiteren Gesundheitsstörungen den Gesamt-GdB mit 50 bewertet hat, konnte der Senat sich seiner Einschätzung nicht anschließen. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, sich überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, 19 Abs. 3, S. 25). Von Ausnahmefällen abgesehen führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, 19 Abs. 4, S. 26).

Der Senat lässt offen, ob der vä Stellungnahme von Dr. B. vom 02.08.2006 darin gefolgt werden kann, bei dem Kläger bestehe ein weiterer Teil-GdB von 20 wegen des Nierensteinleidens, oder ob dieses lediglich mit 10 zu bewerten ist (vgl. insoweit AHP, S. 87 f.). Jedenfalls ist eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung durch das Nierensteinleiden nicht gegeben. Diese Erkrankung fällt nach dem heute bestehenden Befund bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht entscheidend ins Gewicht, wie Dr. B. unter dem 02.08.2006 und Dr. W. in der vä Stellungnahme vom 04.12.2006 zutreffend ausführten. Der Sonographiebefund vom März 2004 zeigte mehrere kleine Zysten und rechts eine 70 mm messende Zyste bei normaler Nierenfunktion und nicht verändertem Kreatininwert (Befundschein von Dr. N. vom 31.01.2005). Die im Rahmen des Gerichtsverfahrens weiter vorgelegten Arztbriefe über die Nierenerkrankung betreffen zum Teil nicht den aktuellen Gesundheitszustand (Arztbriefe der Urologischen Klinik des K.hospitals St. vom 01.03.1996 und des Klinikums L. vom 28.05.1997 sowie 22.08.2001). Aus den später erhobenen Befunden folgt keine wesentliche Einschränkung in diesem Bereich. Bei der Nierenfunktionsszintigraphie vom 28.04.2006 erhob Dr. B. eine noch nahezu seitengleich erbrachte Gesamtclearance im unteren Normbereich. Ein Abflusshindernis oder ein Nierenparenchymschaden bestanden nicht (Arztbrief vom 28.04.2006). Auch aus den von der Urologin Dr. H. im Arztbrief vom 15.09.2006 gestellten Diagnosen (Nierenzysten beidseits, Hypertension, bekannte Nierensteindiathese, Zustand nach extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie links 1997, erektile Dysfunktion, rezidivierende Harnwegsinfekte) ergibt sich keine erhebliche Funktionseinschränkung der Niere. Eine Höherbewertung des GdB aufgrund der Nierenerkrankung ist daher nicht gerechtfertigt. Die übrigen Gesundheitsstörungen des Klägers (Reizmagen, Bluthochdruck, Gebrauchseinschränkung der linken Hand) sind mit einem Teil-GdB von jeweils 10 zutreffend bewertet. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB durch diese Gesundheitsstörungen ist nicht festzustellen.

Da bindend nur über den Gesamt-GdB entschieden wird, insoweit aber keine wesentliche Verschlimmerung gegeben ist, konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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