L 6 SB 168/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 2363/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 168/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20.12.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) hat.

Der 1919 geborene Kläger beantragte am 20.12.2004 erstmals die Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Das Landratsamt (LRA) holte den Befundbericht des Internisten Dr. M. vom 22.01.2005 ein (arterielle Hypertonie, Fundus hypertonicus beidseits, trockene Maculadegeneration, benigne Prostatahyperplasie, Zustand nach Borreliose, Coxarthrose beidseits, rechts stärker als links, lumbales Schmerzsyndrom bei Spondylarthrose, Spondylose sowie Bandscheibenschaden L4/5 und L5/S1, Spreizfüße beidseits, Hammerzehen beidseits D2 und D3 und symptomatische Spinalkanalstenose). Mit Bescheid vom 10.03.2005 stellte das LRA auf der Grundlage der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme von Dr. M. vom 24.02.2005 den GdB mit 50 seit 20.12.2004 fest. Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) geltend. Mit dem Teilabhilfebescheid vom 31.05.2005 stellte das LRA den GdB mit 60 seit 20.12.2004 und das Vorliegen des Merkzeichens "G" fest. Dabei stützte es sich auf die vä Stellungnahme des Dr. St. vom 13.04.2005. Der darüber hinausgehende Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2005 zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren (S 5 SB 1899/05) anerkannte der Beklagte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen durch das Sozialgericht Mannheim (SG) mit Schriftsatz vom 26.01.2006 unter Berücksichtigung der vä Stellungnahme von Dr. W. vom 23.01.2006 einen GdB von 70 ab 20.12.2004. Der Kläger nahm das Anerkenntnis zur Erledigung des Rechtsstreits an.

Mit dem am 19.02.2007 gestellten Neufeststellungsantrag begehrte der Kläger die Feststellung seines GdB mit 80 und des Merkzeichens "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung). In seinem daraufhin vom LRA veranlassten Befundbericht vom 05.03.2007 nannte Dr. M. im Wesentlichen dieselben Diagnosen wie im Befundbericht vom 22.01.2005. Des Weiteren leide der Kläger unter ausgeprägten Gleichgewichtsstörungen bei Zustand nach Morbus Menière vor 30 Jahren. Im Vordergrund stünden bei dem Kläger deutliche Beschwerdesymptome aufgrund ausgeprägter degenerativer Veränderungen des gesamten Bewegungsapparates. Dr. M. legte den Arztbrief des Urologen Dr. Sch. vom 23.05.2006 vor (benigne Prostatahyperplasie, Lendenwirbelsäulen- (LWS-) Syndrom bei Spinalkanalstenose der LWS und arterielle Hypertonie). Das LRA zog außerdem das MDK-Gutachten der Pflegefachkraft H. zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 04.01.2007 bei. Darin wird das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit des Klägers verneint. Dr. St. führte in der vä Stellungnahme vom 26.04.2007 aus, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, der Bandscheibenschaden und die Spinalkanalstenose führten zu einem Teil-GdB von 40, die Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke und die Funktionsstörung durch Fußfehlform zu einem Teil-GdB von 50, der Bluthochdruck zu einem Teil-GdB von 20, die Sehminderung beidseitig zu einem Teil-GdB von 10 und die Gleichgewichtsstörungen zu einem Teil-GdB von 30. Der Gesamt-GdB betrage 80. Der Kläger sei in öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf Hilfe angewiesen. Mit Bescheid vom 07.05.2007 stellte das LRA den GdB mit 80 seit 19.02.2007 und zusätzlich das Merkzeichen B fest.

Am 14.05.2007 ging bei dem LRA ein Schreiben des Klägers ein, nach dem er "beabsichtige den Antrag zu stellen auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht". Mit Bescheid vom 15.05.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "RF" ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, nach längerem Sitzen oder Stehen trete eine Lähmung in Hüft-Bein-Fußbereich auf, der er durch Hochlegen der Beine abhelfe. Außerdem wies er auf die im Bescheid vom 07.05.2007 tenorierten Gleichgewichtsstörungen hin. In der vä Stellungnahme vom 18.06.2007 wurden Einstufung und Tenorierung wie in den Vorgutachten vorgenommen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.06.2007).

Am 06.07.2007 erhob der Kläger Klage beim SG. Er trug vor, das Hauptproblem beim Besuch von Veranstaltungen sei die Verstärkung seines Schmerzzustandes. Das SG hörte Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen, der unter dem 17.09.2007 zusätzlich zu den bisher von ihm genannten Diagnosen ein Sodbrennen bei Hiatushernie sowie eine Inkontinenz beschrieb und den Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit äußerte. Der Kläger sei aufgrund der schweren Veränderungen des Bewegungsapparates verbunden mit Schwindelsymptomatik in seiner Mobilität deutlich eingeschränkt. Zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung in der Praxis im März 2007 sei es dem Kläger noch möglich gewesen, selbstständig und ohne fremde Hilfe die Praxis aufzusuchen. Zu diesem Zeitpunkt wäre es dem Kläger nur mit großer körperlicher Anstrengung möglich gewesen, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. "Gänzlich ausgeschlossen" sei dies zum damaligen Zeitpunkt jedoch noch nicht gewesen. Das SG erhob ferner das Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 20.11.2007, der eine Spinalkanalstenose mit Rückenschmerzen und angegebener Ausstrahlung in beide Beine, eine beidseitige Hüftgelenksarthrose, eine Spondyarthrose, Spondylose, einen Bandscheibenschaden L4/5 und L5/S1, einen Bluthochdruck, eine Maculadegeneration, eine benigne Prostatahyperplasie, eine zentrale Gleichgewichtsstörung und eine Harnteilinkontinenz diagnostizierte. Der Kläger könnte mit Hilfe eines Rollstuhls öffentliche Veranstaltungen besuchen. Er sei nach eigenen Angaben in der Lage, Belastungen bis zu einer Stunde zu vertragen. Eine mögliche intermittierende und durchaus kontrollierbare Stuhlinkontinenz könne der Kläger unter Zuhilfenahme seiner ihm bereits bekannten Verhaltensmaßnahmen selbst meistern. Der Kläger hat gegen das Gutachten u.a. eingewandt, Dr. M. habe zwar keine Gleichgewichtsstörungen bei der Untersuchung für produzierbar gehalten. Zu berücksichtigen sei aber, dass er aufgrund der Stenose vor provokanten Experimenten gewarnt gewesen sei. Im Übrigen habe Dr. M. seine Wohnsituation nicht zutreffend erfasst. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2007 ab. Es begründete seine Entscheidung damit, weder auf der Basis der Zeugenaussage von Dr. M. noch aufgrund des Gutachtens von Dr. M. lasse sich der gesundheitsbedingte Ausschluss von sämtlichen öffentlichen Veranstaltungen begründen.

Am 11.01.2008 hat der Kläger Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, das Gutachten von Dr. M. beinhalte Unrichtigkeiten in Bezug auf die Benutzung des Handstocks und Krankenhausbesuche bei seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen sei ihm nicht zumutbar. Er bemühe sich darum, so lange wie möglich häuslich versorgt werden zu können. Die Kosten für entsprechende Maßnahmen wolle er z. B. durch das Merkzeichen "RF" aufbringen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20.12.2007 sowie den Bescheid vom 15.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Nachteilsausgleich "RF" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, die Unmöglichkeit an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, habe das BSG nur dann bejaht, wenn der schwerbehinderte Mensch wegen seines Leidens ständig, d. h. allgemein und umfassend vom Besuch solcher Veranstaltungen ausgeschlossen und damit praktisch an das Haus gebunden sei.

Der Senat hat die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Urologen Dr. Sch., bei dem sich der Kläger nach seinen Angaben wegen der Stuhlinkontinenz in Behandlung befindet, vom 17.04.2008 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, urologisch im Vordergrund stehe eine erhebliche Prostatavergrößerung mit entsprechenden Miktionsbeschwerden, insbesondere einer seit Jahren bekannten Harninkontinenz. Im Jahr 2005 habe der Kläger ihm gegenüber auch erstmalig eine Stuhlinkontinenz erwähnt; diese habe er früher aus Gründen der Scham nie erwähnt. Die entsprechenden Vorlagen habe er aus denselben Gründen nie über ärztliche Verordnungen, sondern stets privat gekauft. Dr. Sch. hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Inkontinenz sowie der eingeschränkten Mobilität sei der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, insbesondere Theater-, Kino- oder Konzertbesuche sicherlich für den Kläger nicht möglich. Gründe hierfür seien insbesondere die Harn- und Stuhlinkontinenz in Verbindung mit der eingeschränkten Mobilität des Klägers. Einer dieser Faktoren alleine ließe sich sicherlich durch eine entsprechende medizinische Behandlung bessern und so eine Teilnahme am sozialen Leben ermöglichen. Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 03.07.2008 vorgelegt, der dargelegt hat, es lägen keine medizinischen Befunde vor, die hinreichend belegen würden, dass die geltend gemachte Stuhlinkontinenz die Veranstaltungsteilnahme ausschließe. Wegen der Harninkontinenz könnten handelsübliche Hilfsmittel benutzt werden, ohne dass es dabei zu einer Geruchsbelästigung der Umgebung komme. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" seien nicht feststellbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Prozessakten beider Rechtzüge und die Vorakte des SG S 5 SB 1899/05 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 15.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2007 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Merkzeichen "RF" ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) zuzuerkennen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Diese ergeben sich seit 01.04.2005 aus Art. 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15.10.2004 in der Fassung des Gesetzes vom 17.03.2005 (GBl. 2005, S. 189, 195), in Kraft getreten am 01.04.2005 (GBl. 2005, S. 404), zuletzt geändert durch Art. 5 Nr. 1 des Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 19.12.2007 in der Fassung des Gesetzes vom 23.07.2008 (GBl. 2008, S. 237, 249), in Kraft getreten am 01.09.2008 (GBl. 2008, S. 312). Danach werden wegen einer Behinderung von der Rundfunkgebührenpflicht befreit u. a Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27 e des Bundesversorgungsgesetzes, blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Personen mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, oder behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.

Beim Kläger ist zwar rechtsverbindlich ein Behinderungsgrad von 80 festgestellt; er ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Unter öffentlichen Veranstaltungen in diesem Sinne sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 -, zitiert nach Juris; Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 -, zitiert nach Juris). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der schwerbehinderte Mensch wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.11.2003 - L 10 SB 113/02, zitiert nach Juris). Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich RF tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird und ob es sozial geboten erscheine, bestimmten finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung von Funk und Fernsehen zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen RF festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993, a.a.O.).

Die vom Kläger für den Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "RF" geltend gemachte Spinalkanalstenose mit entsprechenden Schmerzen führt nicht dazu, dass er vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen in der beschriebenen Weise ausgeschlossen wäre. Zwar steht diese Diagnose auch für den Senat fest (Befundbericht von Dr. M. vom 05.03.2007, Gutachten von Dr. M. vom 20.11.2007). Dem Kläger ist ferner zuzugeben, dass die Erkrankung zu einer Einschränkung der Mobilität und zu Schmerzen bei längerer einseitiger Körperhaltung führt. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Dr. M. ergibt, kann der Kläger aber seiner Einschränkung der Mobilität durch die zumutbare Benutzung eines Rollstuhls bei öffentlichen Veranstaltungen Rechnung tragen. Dass er dies ablehnt, begründet nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens "RF". Die Einwendungen, die der Kläger gegen das Gutachten von Dr. M. erhebt, betreffen im Wesentlichen die Wohnsituation und ferner anamnestische Angaben, die für die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" nicht von Bedeutung sind. Die Schmerzen aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung schließen die Veranstaltungsteilnahme ebenfalls nicht aus. Der Kläger gab bei Dr. M. selbst nämlich an, Belastungen bis zu einer Stunde gewachsen zu sein. Nicht möglich sind damit sogar nach dem Vortrag des Klägers nur längere Veranstaltungen. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Veranstaltungen, die für behinderte Menschen angeboten werden und die eine längere Anwesenheit nicht erfordern (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.01.2007 - L 6 B 20/06 SB, zitiert nach Juris).

Auch die Harnteilinkontinenz, die der Senat aufgrund der Zeugenauskünfte von Dr. M. und Dr. Sch. und des Gutachtens von Dr. M. annimmt, schließt den Besuch öffentlicher Veranstaltungen nicht aus. Dem Kläger ist nämlich die Benutzung von Einmalwindeln zumutbar (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.1995 - 9 R Vs 3/95, zitiert nach Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2005 - L 8 SB 2366/03, zitiert nach Juris). Wegen der vorgetragenen Stuhlinkontinenz sieht der Senat den Kläger ebenfalls nicht vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Zum einen fehlen hier bereits klare Angaben zur Häufigkeit. Weder bei Dr. M. noch beim behandelnden Arzt Dr. Sch. ergab sich insoweit ein eindeutiger Befund. Zum anderen folgt aus dem Gutachten von Dr. M. auch, dass der Kläger die angegebene Stuhlinkontinenz beeinflussen kann. So trug er vor, bei Auslassen einer Mahlzeit würde keine Stuhlinkontinenz auftreten. Windeln und große Vorlagen hatte der Kläger bei Dr. M. nicht in Benutzung, um einer Stuhlinkontinenz Rechnung zu tragen. Eine Stuhlinkontinenz stand nicht im Vordergrund der Behandlung durch Dr. Sch. Bei einer insoweit bestehenden gravierenden Einschränkung wäre im Übrigen eine entsprechende fachärztliche Behandlung durch einen Proktologen zu erwarten. Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Kläger nicht wegen einer Stuhlinkontinenz daran gehindert ist, ggf. bei Beachtung entsprechender Verhaltensmaßnahmen wie dem von ihm schon praktizierten Auslassen einer Mahlzeit, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Auch die Kombination aus eingeschränkter Mobilität und Inkontinenz führt nicht dazu, dass der Kläger vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen wäre. Der Kläger ist nämlich gerade nicht, wie dies vom BSG grundsätzlich für das Merkzeichen "RF" gefordert wird, praktisch an das Haus gebunden. Vielmehr sucht er die behandelnden Ärzte selbst noch auf. Hieraus folgt zugleich, dass ihn die von Dr. M. beschriebenen Gleichgewichtsstörungen nicht an einer Veranstaltungsteilnahme hindern. Dr. M. hat in seiner Zeugenauskunft die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen auch nicht für gänzlich ausgeschlossen gehalten. Die Beurteilung von Dr. Sch. in der Zeugenauskunft vom 17.04.2008, der Besuch öffentlicher Veranstaltungen sei für den Kläger nicht möglich, bezog sich ausdrücklich auf Theater-, Kino- oder Konzertbesuche, die aber - wie bereits ausgeführt - nur einen Teil der denkbaren Veranstaltungen darstellen. Dass der Kläger tatsächlich keine entsprechenden Zusammenkünfte mehr besucht, ist zwar verständlich, begründet aber ebenso wenig die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" wie sein Vortrag, er hoffe, die Kosten für die von ihm im häuslichen Bereich organisierten Hilfsmaßnahmen z. B. durch die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht aufzubringen.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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