L 8 AL 180/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 4204/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 180/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 26.07.2007 hat.

Der 1964 geborene Kläger meldete sich am 07.05.2007 bei der Agentur für Arbeit F. arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.07.2007. In der Arbeitsbescheinigung der früheren Arbeitgeberin des Klägers vom 19.06.2007 ist ausgeführt, der Kläger sei in der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 30.06.2007 beschäftigt gewesen und das Beschäftigungsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag vom 03.05.2007 zum 30.06.2007 beendet worden. Der Kläger, dem von Seiten der Arbeitgeberin mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende hätte gekündigt werden können, habe eine Abfindung in Höhe von 7.000,00 EUR erhalten. Der Kläger legte eine von ihm verfasste "Dokumentation/Chronologie" vor, in der er u.a. ausführte, das Angebot für den Aufhebungsvertrag am 05.03.2007 erhalten zu haben. Zu diesem Zeitpunkt sei die drei-monatige Kündigungsfrist nicht unterschritten gewesen. Er habe jedoch zunächst, um Zeit zu gewinnen und um sich anderweitig bewerben zu können, nicht unterzeichnet. Am 03.05.2007 habe er dem Aufhebungsvertrag zugestimmt.

Mit Bescheid vom 29.06.2007 stellte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 26.07.2007 fest und führte zur Begründung aus, für die Zeit vom 01.07.2007 bis 26.07.2007 könne der Kläger keine Leistungen erhalten. Er habe von seinem bisherigen Arbeitgeber wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Leistung in Höhe von 7.000,00 erhalten oder zu beanspruchen. Der Anspruch ruhe daher. Die Frist für eine ordentliche Kündigung sei nicht eingehalten worden, Leistungen könne der Kläger erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten. Die Entscheidung beruhe auf § 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Der dagegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2007 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 02.08.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und verfolgte sein Begehren u. a. mit der Begründung weiter, die Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nach Vorlage des Arbeitgeberangebots vom 27.02.2007 bereits im März 2007 erfolgt. In die schriftliche Vereinbarung sei später nur noch handschriftlich das Unterzeichnungsdatum 03.05.2007 eingetragen worden.

Mit Bescheid vom 02.07.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab 27.07.2007.

Auf Anfrage des SG übersandte der Kläger den zwischen ihm und der früheren Arbeitgeberin geschlossenen Anstellungsvertrag vom 07.06.2005. In § 2 Abs. 2 ist geregelt, dass nach Ablauf der Probezeit eine Kündigung des Arbeitsvertrages für beide Seiten nur unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zulässig ist.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.11.2007 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des den Bevollmächtigten des Klägers am 30.11.2007 zugestellten Gerichtsbescheides wird Bezug genommen.

Dagegen hat der Kläger am 21.12.2007 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und bezieht sich auf seinen bisherigen Vortrag.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. November 2007 sowie den Bescheid vom 29. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld dem Grunde nach auch für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 26. Juli 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Freiburg mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.06.2007 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 26.07.2007 nicht zu, da der Leistungsanspruch für diesen Zeitraum ruht.

Gemäß § 143a Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB III ruht der Leistungsanspruch, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und außerdem das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, ohne dass die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers eingehalten worden ist.

Der Kläger hat wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 7.000,00 EUR zu beanspruchen. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 03.05.2007 zum 30.06.2007 beendet, ohne dass die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden ist. Nach dem zwischen der früheren Arbeitgeberin des Klägers und dem Kläger geschlossenen Anstellungsvertrag vom 07.06.2005 ist nach Ablauf der Probezeit eine Kündigung des Arbeitsvertrages für beide Seiten nur unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zulässig. Diese Frist ist vorliegend nicht eingehalten worden, da bei Einhaltung der Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende das Arbeitsverhältnis am 31.08.2007 frühestens hätte enden können. Die Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist. Fehlt eine solche Kündigung, beginnt die Frist mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 143a Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Aufhebungsvertrag ist von beiden Seiten am 03.05.2007 unterzeichnet worden, sodass zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet worden ist. Der Umstand, dass der Kläger einen noch nicht von beiden Seiten unterzeichneten Aufhebungsvertrag am 05.03.2007 erhalten hat, bedeutet nicht, dass schon zum 05.03.2007 das Arbeitsverhältnis beendet worden wäre. Denn bei dem noch nicht von beiden Seiten unterzeichneten Aufhebungsvertrag handelt es sich lediglich um einen Entwurf oder - falls einseitig von der Arbeitgeberin schon unterzeichnet - um ein Angebot der Arbeitgeberin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dass das Angebot vom Kläger im März 2007 angenommen wurde, wie er erst im Klageverfahren - und damit wenig überzeugend - behauptet hat, wäre unerheblich, worauf bereits das SG hingewiesen hat. Eine solche mündliche Vereinbarung wäre unwirksam. Im Anstellungsvertrag vom 07.06.2005 ist Schriftform (§ 15 des Vertrags) vereinbart. Anhaltspunkte dafür, dass die Schriftformklausel abbedungen wurde, sind nicht ersichtlich. Wirksam geworden ist der Aufhebungsvertrag mithin erst am 03.05.2007.

Da somit die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist und der Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten oder zu beanspruchen hat, trat ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ein.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an grundsätzlich bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III). Er ruht längstens ein Jahr (§ 143a Abs. 2 Satz 1 SGB III).

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld des Klägers ruht wegen der Entlassungsentschädigung bis zum 26.07.2007.

Nach § 143a Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB III kann der Zeitraum verkürzt werden, weil die Entlassungsentschädigung nicht voll, sondern nur anteilig berücksichtigt wird. Der Anteil beträgt höchstens 60%, mindestens aber 25% der Entlassungsentschädigung. Er verringert sich um 5% je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses im selben Betrieb und 5% je fünf Jahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres. Der Kläger war am Ende des Arbeitsverhältnisses 42 Jahre alt und zwei Jahre bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt. Die Entlassungsentschädigung wird daher zu 55% berücksichtigt, was den Betrag von 3.850,00 EUR ergibt. Dieser Anteil der Entlassungsentschädigung ist dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt gegenüberzustellen, das der Kläger während seiner letzten Beschäftigungszeit verdient hat. Berücksichtigt werden dabei die am Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate. Der Kläger erzielte in dieser Zeit kalendertäglich 143,54 EUR. Der Anteil der Entlassungsentschädigung entspricht demnach einem Entgelt für 26 Tage. Die Berechnung des Umfangs des Ruhens ist im Übrigen vom Kläger nicht bestritten worden.

Daneben sind die vom Kläger geltend gemachten subjektiven Umstände nicht zu berücksichtigen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ebenfalls zutreffend und ausführlich begründet hat, worauf der Senat Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23.10.2007 geltend gemacht hat, vorliegend sei zu berücksichtigen, dass bei ihm im Falle einer Arbeitnehmerkündigung wegen eines wichtigen Grundes eine Sperrzeit nicht in Betracht gekommen wäre, weshalb vorliegend bei Anwendung des § 143a SGB III nichts anderes gelten könne, da ansonsten ein Wertungswiderspruch vorliege, und eine entsprechende einschränkende Auslegung des § 143a SGB III daher geboten sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Denn hierzu ist auszuführen, dass die Vorschriften des § 143a SGB III und des § 144 SGB III unterschiedliche Normzwecke beinhalten, weshalb die von ihnen geregelten Sachverhalte auch unterschiedlich gehandhabt werden müssen. Dies hat der Senat in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden (vgl. stellvertretend Urteil vom 18.07.2008 - L 8 AL 540/08).

Die Vorschrift des § 143a SGB III ergänzt § 143 SGB III für Zahlungen, die für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Der Gesetzgeber geht dabei in § 143a SGB III in typisierender Wertung davon aus, dass jede Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, wie dies beim Kläger der Fall war, in einem bestimmten, durch § 143a Abs. 2 SGB III pauschalierten Umfang eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält. § 143a SGB III enthält damit die unwiderlegliche Vermutung, dass Abfindungen, die unter den Voraussetzungen dieser Regelung gewährt werden, in bestimmtem Umfang eine Entschädigung auch für den durch die vorzeitige Beendigung hervorgerufenen Lohnausfall enthalten (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zur vergleichbaren Vorschrift des § 117 Abs. 2 und 3 AFG Urteil vom 20.01.2000 - B 7 AL 48/99 R - m. w. N.; Urteile des erkennenden Senats vom 17.11.2006 - L 8 AL 38514/04 - und 16.03.2007 - L 8 AL 1385/06 -; vgl. auch Düe in Niesel, SGB III § 143a RdNr. 4). Damit sollen (wie bei § 143 SGB III) ungeachtet der subjektiven Umstände Doppelleistungen (Arbeitsentgelt einerseits und Alg andererseits) vermieden werden. Hierdurch unterscheidet sich § 143a SGB III von der Regelung des § 144 SGB III. Sinn der Sperrzeitregelung des § 144 SGB III ist es, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder zu deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (vgl. Niesel in Niesel, a.a.O., § 144 RdNr. 2). Diese unterschiedlichen Normzwecke der Regelungen des § 143a SGB III einerseits und des § 144 SGB III andererseits stehen - entgegen der Ansicht des Klägers - einer analogen Anwendung des § 144 SGB III und einer entsprechenden Berücksichtigung der darin vorgesehenen subjektiven Kriterien bei der Anwendung des § 143a SGB III auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 GG entgegen.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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