Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 V 2734/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 1261/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.02.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen.
Der 1916 geborene Kläger erkrankte als Wehrmachtssoldat im Oktober 1942 vor Stalingrad an Gelbsucht. Am 09.09.1943 erlitt er in Italien eine Granatsplitterverwundung, die zum Verlust des Augenlichts führte. Nach dem Eintrag vom 19.09.1943 im Krankenblatt des Reservelazaretts B. wurde der Kläger auf einem Panzer stehend von einer Geschossgarbe getroffen und prallte gegen den Antennenmast. Bewusstlosigkeit trat nicht ein. Mit dem Umanerkennungsbescheid vom 15.07.1952 anerkannte das damalige Versorgungsamt (VA) als Schädigungsfolgen "Verlust des linken Auges, Erblindung des rechten Auges, Verlust mehrerer Backenzähne im rechten Unterkiefer. Splitternarben linke Schläfe, linker Augenbrauenbogen, linkes Oberlid und rechte Oberlippenhälfte, linker Oberarm" mit einer hierdurch bedingten MdE um 100 vom Hundert (v. H.). Mit Bescheid vom 20.10.1956 anerkannte das VA ferner gestützt auf das versorgungsärztliche (vä) Gutachten vom 12.09.1956 "Leberschaden" als zusätzliche Schädigungsfolge. Hinsichtlich der Splitter erfolgte die Bezeichnung: "Einige kleine Stecksplitter im Weichteil des linken Rückens. Splitternarben im Bereich der linken Gesichtsseite und linker Oberarm". Mit Bescheid vom 04.01.1985 anerkannte das VA zusätzlich als Schädigungsfolge "leichte Hörminderung links mit Pfeifton". Mit Bescheid vom 11.03.1998 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Anerkennung migräneartiger Kopfschmerzen gestützt auf das vä Gutachten von Dr. N. vom 06.03.1998 ab. Im September 1998 legte der Kläger persönlich zwei Röntgenaufnahmen seines Schädels vom 22.09.1943 vor. In seiner Befundung vom 23.09.1998 führte der Radiologe Dr. Z. vom vä Dienst des VA aus, gegenüber den jetzt vorgelegten Fremdaufnahmen vom 22.09.1943 seien in den vorliegenden Röntgenaufnahmen vom 20.11.1967 mehrere kleinere und ein größerer Metallstecksplitter in den Weichteilen der Gesichtsregion und frontotemporal links nicht mehr erkennbar.
Am 13.09.1999 beantragte der Kläger die zusätzliche Anerkennung vegetativer Begleiterscheinungen seiner Blindheit. Mit Schreiben vom 29.03.2000 machte er auch eine Klaustrophobie als Schädigungsfolge geltend. In seinem Gutachten vom 22.07.2002 bejahte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. eine schädigungsbedingte psychoreaktive Entwicklungsstörung mit eingeschränkter Verarbeitungstendenz, die mit einer MdE um 30 v. H. zu bewerten sei. Mit Bescheid vom 09.08.2002 stellte das VA hierauf gestützt als weitere Schädigungsfolge "psychoreaktive Störung" fest und bewilligte dem Kläger ab 01.09.1999 Schwerstbeschädigtenzulage nach der Stufe 3. Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger u. a. eine Verschlechterung seines Hörvermögens geltend. In ihrem daraufhin eingeholten Gutachten vom 05.12.2002 kam die HNO-Ärztin Dr. F. zu dem Ergebnis, die eingetretene weitere Verschlechterung des Hörvermögens könne nicht auf das Knalltrauma zurückgeführt werden. Mit Schreiben vom 20.02.2003 beantragte der Kläger, sechs weitere Splitter am linken Oberarm als Schädigungsfolge festzustellen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 05.09.2003 gab der Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 09.08.2002 insoweit statt, als "Splitter und Splitternarben im Bereich der linken Gesichtsseite und am linken Oberarm" als Schädigungsfolgen anerkannt wurden. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück.
Am 10.02.2004 und am 02.08.2004 stellte der Kläger den jetzt streitbefangenen Antrag auf Anerkennung einer Hirnschädigung mit Gleichgewichtsstörungen sowie einer sensiblen Polyneuropathie mit Geh- und Stehstörungen mit erhöhter Sturzgefahr als Schädigungsfolgen. Zur Begründung trug er u. a. vor, mindestens ein Splitter sei hinter der Nase durchgegangen und habe den rechten Sehnervkopf zerschnitten. Da es sich um kleine Partikel gehandelt habe, sei es wahrscheinlich, dass ein Partikel durch den Schädelknochen in das Innere gelangt sei. Dafür spreche auch der Umstand, dass bei ihm immer wieder starke Kopfschmerzen nur auf der linken Seite aufträten. Das VA zog den ärztlichen Abschlussbericht des Kursanatoriums R. über das Heilverfahren des Klägers vom 02.04. bis 28.05.2004 bei. Darin wird als Diagnose u. a. der Verdacht auf eine sensible Neuropathie aufgeführt. Am 12.04.2004 habe der Kläger einen massiven Schwindelanfall mit Übelkeit, Erbrechen und Blutdruckanstieg erlitten. Das Geschehnis sei als zerebrale Durchblutungsstörung im Sinne einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) gedeutet worden. Auf Anfrage teilte der Hausarzt des Klägers, Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch., dem inzwischen zuständig gewordenen Landratsamt (LRA) unter dem 27.10.2005 mit, der Kläger habe 2004 einen Kreislaufkollaps erlitten. Danach sei der Verdacht auf eine TIA geäußert worden. Seither bestehe eine verstärkte Fallneigung und ein Schwindelgefühl. Als Ursache kämen die Durchblutungsstörungen und die Granatsplitterverletzung des Gehirns in Frage. Seit ca. zwei bis drei Jahren liege eine wechselnde hypertensive Kreislaufdysregulation vor. Etwa zur gleichen Zeit sei ein diätpflichtiger Diabetes mellitus festgestellt worden. Seit 2004 sei außerdem ein Prostata-Neoplasma bekannt. Das LRA holte von der Sozialmedizinerin Obermedizinalrätin (OMR) Dr. L. das nach Aktenlage erstattete vä Gutachten vom 23.11.2005 ein. Diese legte dar, auf keiner der vorliegenden oder beschriebenen Röntgenaufnahmen seien Splitter im Gehirn/Schädelinneren nachweisbar. Die zahlreichen Splitter lägen alle außerhalb des Schädels. Schon dem nervenfachärztlichen Gutachten vom 15.12.1967 sei zu entnehmen, dass eine Schädel-Hirn-Verletzung nicht wahrscheinlich sei. Dagegen bestünden Hinweise auf ein schädigungsunabhängiges Cervikobrachialsyndrom mit Wurzelreizerscheinungen und Schwindel. Einem Gutachten aus dem Jahr 1998 sei ferner zu entnehmen, dass der Kläger trotz seiner schweren Kriegsverwundungen eine erstaunliche Karriere gemacht habe, nämlich als Kriegsblinder das Abitur nachgemacht, anschließend Jura studiert und nach dem Studium als Verwaltungsjurist verantwortungsvolle Positionen bekleidet zu haben. Im Jahr 2000 seien erstmals erhebliche EKG-Veränderungen bei angegebenen Herz-Kreislaufstörungen nachgewiesen worden. 2001 seien erstmals zerebrale Durchblutungsstörungen im Rahmen von Gleichgewichtsstörungen dokumentiert worden. Hierauf sei die am 12.04.2004 durchgemachte TIA bei hypertoner Krise mit Schwindelerscheinungen und Erbrechen zurückzuführen. Die Aussage des Hausarztes, dass als Ursache cerebrale Durchblutungsstörungen und die Granatsplitterverletzung des Gehirns in Frage kämen, könne nicht bestätigt werden, da eine Granatsplitterverwundung des Gehirns nicht nachgewiesen sei. Die im Antrag angegebene Polyneuropathie stehe in direktem Zusammenhang mit dem seit Jahren nachgewiesenen Diabetes mellitus. Ein ursächlicher Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen liege nicht vor. Mit Bescheid vom 06.12.2005 lehnte das LRA daraufhin die Anträge des Klägers vom 10.02. und 02.08.2004 ab.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Polyneuropathie vor, erst seit zwei Jahren weise er erhöhte Blutzuckerwerte auf, die jedoch nicht behandlungsbedürftig seien. Dagegen habe er bereits vor über zehn Jahren über taube Füße geklagt, ohne zuckerkrank gewesen zu sein. Der Beklagte habe auch nicht erläutert, ob und ggf. welche Rolle seine Leberfunktionsstörung für den "Bewandtniszusammenhang" spiele. Hinsichtlich der geltend gemachten Hirnschädigung trug er vor, es falle auf, dass sich der winzige Splitter, der seinen rechten Sehnervkopf durchschnitten habe, nicht mehr in der rechten Augenhöhle befinde. Da er nachweislich an Bluthochdruck leide, sei es nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich, dass Blutleere den Schlaganfall vom 12.04.2004 ausgelöst habe. Dagegen sprächen auch aufgetretene Lähmungserscheinungen Mit dem Widerspruchsbescheid vom 16.05.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger erhob am 08.06.2006 Klage bei dem Sozialgericht Freiburg (SG). Er trug vor, es fehle an einer sorgfältigen Würdigung des Bewandtniszusammenhangs und an einer brauchbaren Synopsis. Dagegen werde versucht, einzelne Gesundheitsstörungen isoliert zu werten und als Bagatelle abzutun. Der Beklagte hätte nicht ohne eine ordnungsgemäße Untersuchung entscheiden dürfen.
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2008 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, soweit der Kläger die cerebrale Attacke des Jahres 2004 auf eine Hirnschädigung durch die Granatsplitterverletzung des Jahres 1943 zurückführe, könne ihm nicht gefolgt werden. Er sei im Jahr 1943 nicht bewusstlos gewesen. Anlässlich der vä Begutachtung im Jahr 1967 sei kein Hinweis auf eine Hirnschädigung gefunden worden. Die röntgenologisch nachweisbaren Granatsplitter, auch derjenige in der Augenhöhle, hätten jeweils außerhalb des Gehirns gelegen. Entgegen der vom Kläger geäußerten Vermutung sei auszuschließen, dass ein Granatsplitter, der 1943 röntgenologisch noch nachweisbar gewesen sei, in späteren Röntgenbildern jedoch nicht mehr habe vorgefunden habe können, in das Gehirn gewandert sei. Denn intracerebrale Granatsplitter seien niemals röntgenologisch nachgewiesen worden. Das cerebrale Ereignis des Jahres 2004 müsse deshalb am ehesten als Ausdruck von cerebralsklerotischen Veränderungen verstanden werden. Soweit der Kläger geltend mache, der bei ihm vorliegende Bluthochdruck könne keine ischämische Attacke im Sinne einer Blutleere verursacht haben, unterliege er einem laienhaften Fehlverständnis der Bluthochdruckerkrankung. Gerade die Hypertonie könne zu Gefäßschäden führen, die wiederum eine Blutleere im Gehirn zur Folge haben könnten. Im Übrigen habe der Kläger bei seiner Begutachtung durch Dr. B. noch selbst angegeben, er habe keine Hirnverletzung erlitten und könne durch sein ausgezeichnetes Gedächtnis viel kompensieren. Dass eine Polyneuropathie der Beine Folge der Granatdetonation bzw. der anerkannten Schädigungsfolgen sein könnte, sei nicht plausibel dargelegt worden. Ob ein Zusammenhang mit dem nach der Darstellung des Klägers erst seit zwei Jahren vorhandenen mäßigen Altersdiabetes bestehe, könne bei dieser Sachlage dahinstehen.
Mit seiner am 12.03.2008 bei Landessozialgericht eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er trägt vor, soweit das SG auf das Vorhandensein von mehreren Granatsplittern in beiden Augenhöhlen hingewiesen habe, die später nicht mehr nachweisbar gewesen sein sollten, habe es hieraus eine unrichtige Schlussfolgerung gezogen. Metallsplitter lösten sich nicht von selbst auf, sondern könnten nur an einen anderen Platz gewandert sein. Die Durchtrennung des Sehnervkörpers sei unbestreitbar. Dass er bei seiner schweren Verwundung im Jahr 1943, einer Schädelverletzung, tatsächlich nicht bewusstlos gewesen sein solle, widerspreche jeder Lebenskenntnis.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.02.2008 und den Bescheid vom 06.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2006 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2003 eine Hirnschädigung sowie eine Polyneuropathie der Beine als weitere Schädigungsfolgen festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 16.10.2008 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, eine diabetische Polyneuropathie könne der Manifestation des Diabetes mellitus auch vorausgehen. Auch ein Diabetes mellitus in nur diätpflichtigem Ausmaß könne zu einer solchen Erkrankung führen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem mit Bescheid vom 20.10.1956 anerkannten Leberschaden und der erst Jahrzehnte später aufgetretenen Polyneuropathie sei schon allein wegen dieses zeitlichen Verlaufs außerordentlich unwahrscheinlich. Das seit 2004 bekannte Prostatakarzinom könnte auch schon vorher unerkannt bestanden haben und somit auch zu einer sogenannten paraneoplastischen Polyneuropathie geführt haben. Im Übrigen entstünden Polyneuropathien häufig idiopathisch, d. h. aus unbekannter Ursache.
Der Senat hat Dr. Sch. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat unter dem 08.10.2008 ausgeführt, seit 2007/2008 seien multiple Knochenmetastasen des seit 2004 nachgewiesenen Prostata-Karzinoms bekannt. Die Metastasen lägen überwiegend im Bereich des Oberkörpers, dem Teil, der im Krieg beim Panzerführer häufig ungeschützt gewesen sei. Der Leberschaden äußere sich sowohl in Symptomen wie Inappetenz, Flatulenz, chronischem Meteorismus und rezidivierendem Oberbauchdruck als auch in wechselnden leichten Veränderungen der Transaminasen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden.
In formeller Hinsicht hat der Senat das Begehren des Klägers sowohl unter den Gesichtspunkt des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) als auch unter demjenigen des § 44 SGB X geprüft. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. Gem. § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach § 44 Abs. 2 SGB X ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Der Senat versteht den Vortrag des Klägers dahingehend, dass er der Meinung ist, seine Schädigungsfolgen hätten sich seit dem letzten bindenden Bescheid vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2003 wesentlich verschlechtert, insbesondere im Hinblick auf das am 12.4.2004 während der Behandlung im Kursanatorium R. abgelaufene Ereignis. Zum anderen wertet der Senat den Vortrag des Klägers dahingehend, dass bei ihm bisher zu Unrecht eine Hirnschädigung nicht als Schädigungsfolge anerkannt worden sei. Die Berufung führt jedoch weder unter dem Gesichtspunkt des § 48 SGB X noch unter demjenigen des § 44 SGB X zum Erfolg. Der Kläger hat nämlich keinen Anspruch darauf, dass bei ihm eine Hirnschädigung und eine Polyneuropathie der Beine als weitere Schädigungsfolgen festgestellt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG auf der Seite 5 und auf Seite 6, 1. Absatz, Bezug. Wäre ein Granatsplitter entsprechend der vom Kläger geäußerten Vermutung aus einer der beiden Augenhöhlen in das Schädelinnere, d. h. in das Gehirn gewandert, so hätte sich bei irgendeiner der zahlreichen Röntgenuntersuchungen des Schädels ein intracerebraler Fremdkörper darstellen müssen. Sämtliche vorhandenen Röntgenaufnahmen zeigen jedoch ausschließlich extracerebrale Splitter. Dies gilt für die vom Kläger vorgelegten Röntgenaufnahmen vom 29.09.1943 ebenso wie für die Röntgenbilder vom 20.11.1967, die anlässlich des vä Gutachtens vom 15.12.1967 hergestellt worden sind, und auch für den Röntgenbefund vom 10.02.1998 im Zusammenhang mit der Begutachtung durch Dr. N. vom 06.03.1998. Auch der Umstand, dass auf den Aufnahmen vom 20.11.1967 bestimmte Splitter nicht mehr erkennbar sind, die in den Aufnahmen vom 22.09.1943 noch in den Weichteilen der Gesichtsregion und frontotemporal links erkennbar waren, beweist keine Wanderung in das Schädelinnere. Der Senat hält es für wahrscheinlicher, dass Splitter herausgeeitert oder im Verlauf von Behandlungsmaßnahmen entfernt worden sind. Aus diesem Grunde vermochte der Senat auch Dr. Sch. nicht darin zu folgen, als Ursache des Kreislaufkollaps vom 12.04.2004 komme u. a. "die Granatsplitterverletzung des Gehirns in Frage". Der Senat erkennt ferner keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es schon am 09.09.1943 in Folge der Granatsplitterverwundung zu einer substanziellen Verletzung des Gehirns gekommen ist. Hiergegen sprechen nicht nur die bereits erwähnten Schädelröntgenaufnahmen vom 22.09.1943, sondern auch der Umstand, dass der Kläger nach seiner schweren Verwundung nicht bewusstlos gewesen ist. Der Senat hat keinerlei Anlass, an der Richtigkeit der Eintragung "keine Bewusstlosigkeit" im erhaltenen Original-Krankenblatt des Reservelazaretts B. zu zweifeln. Soweit der Kläger zur Begründung seiner Berufung vorgetragen hat, es widerspreche erfahrungsgemäß jeglicher Lebenskenntnis, dass er bei seiner schweren Verwundung, einer Schädelverletzung, tatsächlich nicht bewusstlos gewesen sei, verkennt er, das nicht jede Schädelverletzung mit einer Beeinträchtigung des Gehirns verbunden ist. Selbstverständlich waren die am 09.09.1943 erlittenen Verletzungen außerordentlich schwer. Sie betrafen jedoch das Äußere des Gesichtschädels, insbesondere die Augenhöhlen. Zu Recht hat im Übrigen schon das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen, dass der Kläger selbst bei seiner Begutachtung durch Dr. B. angegeben hat, keine Hirnverletzung erlitten zu haben und durch sein ausgezeichnetes Gedächtnis viel habe kompensieren können.
Zu Recht hat der Beklagte auch die Anerkennung einer Polyneuropathie als zusätzliche Schädigungsfolge abgelehnt. Die Diagnose einer "peripheren Neuropathie" findet sich in den umfangreichen Verwaltungsakten erstmals im Ärztlichen Abschlussbericht des Kursanatoriums für Kriegsblinde in B. vom 20.06.2001, danach im Abschlussbericht derselben Kureinrichtung vom 06.06.2002. Fast gleichzeitig hat Dr. B. in seinem Gutachten vom 22.07.2002 "Hinweise auf eine Polyneuropathie der unteren Extremitäten" beschrieben. Polyneuropathien können jedoch auf vielfältigen Ursachen beruhen. Soweit Dr. L. in ihrem Aktengutachten vom 23.11.2005 die Polyneuropathie in einem direkten Zusammenhang mit dem beim Kläger vorliegenden Diabetes mellitus gesehen hat, hält der Senat diese Beurteilung nicht für zwingend, aber immerhin für möglich. Grundsätzlich besteht zwar eine positive Korrelation der Polyneuropathiehäufigkeit mit der Dauer einer Diabeteserkrankung und nach den glaubhaften Ausführungen von Dr. Sch. im Befundbericht vom 27.10.2005 bestand bei dem Kläger ein Diabetes mellitus erst "seit ca. zwei bis drei Jahren", also seit 2003, frühestens 2002. Zutreffend hat jedoch Dr. W. in der vä Stellungnahme vom 16.10.2008 darauf hingewiesen, dass eine diabetische Polyneuropathie der Manifestation des Diabetes mellitus auch vorausgehen kann. Selbst wenn jedoch im vorliegenden Fall ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Diabetes und Polyneuropathie auszuschließen wäre, wäre deshalb ein Zusammenhang mit der Granatdetonation oder mit einer der anerkannten Schädigungsfolgen gleichwohl nicht wahrscheinlich. Nach Auffassung des Senats ist insoweit lediglich zu erwägen, ob der mit Bescheid vom 20.10.1956 als Schädigungsfolge anerkannte Leberschaden die Polyneuropathie im Sinne der Kausallehre der wesentlichen Bedingung hervorgerufen haben kann. Wie Dr. W. in seiner als qualifiziertes Parteivorbringen gewerteten Stellungnahme vom 16.10.2008 aber zutreffend dargelegt hat, erscheint ein solcher Zusammenhang insbesondere bei dem zeitlichen Verlauf außerordentlich unwahrscheinlich. Nicht von der Hand zu weisen ist ferner die von Dr. W. aufgezeigte Möglichkeit, dass das seit 2004 nachgewiesene Prostatakarzinom auch schon in den Jahren zuvor unerkannt bestanden hat und zu einer sogenannten paraneoplastischen Polyneuropathie geführt haben könnte. In der neurologischen Wissenschaft ist nämlich anerkannt, dass maligne Erkrankungen wie ein Prostatakarzinom wesentliche ätiologische Bedingung einer Polyneuropathie sein können. Im Übrigen entstehen Polyneuropathien häufig idiopathisch, d. h. ohne dass eine Ursache ermittelt werden könnte.
Nach alledem konnte die Berufung nicht zum Erfolg führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen.
Der 1916 geborene Kläger erkrankte als Wehrmachtssoldat im Oktober 1942 vor Stalingrad an Gelbsucht. Am 09.09.1943 erlitt er in Italien eine Granatsplitterverwundung, die zum Verlust des Augenlichts führte. Nach dem Eintrag vom 19.09.1943 im Krankenblatt des Reservelazaretts B. wurde der Kläger auf einem Panzer stehend von einer Geschossgarbe getroffen und prallte gegen den Antennenmast. Bewusstlosigkeit trat nicht ein. Mit dem Umanerkennungsbescheid vom 15.07.1952 anerkannte das damalige Versorgungsamt (VA) als Schädigungsfolgen "Verlust des linken Auges, Erblindung des rechten Auges, Verlust mehrerer Backenzähne im rechten Unterkiefer. Splitternarben linke Schläfe, linker Augenbrauenbogen, linkes Oberlid und rechte Oberlippenhälfte, linker Oberarm" mit einer hierdurch bedingten MdE um 100 vom Hundert (v. H.). Mit Bescheid vom 20.10.1956 anerkannte das VA ferner gestützt auf das versorgungsärztliche (vä) Gutachten vom 12.09.1956 "Leberschaden" als zusätzliche Schädigungsfolge. Hinsichtlich der Splitter erfolgte die Bezeichnung: "Einige kleine Stecksplitter im Weichteil des linken Rückens. Splitternarben im Bereich der linken Gesichtsseite und linker Oberarm". Mit Bescheid vom 04.01.1985 anerkannte das VA zusätzlich als Schädigungsfolge "leichte Hörminderung links mit Pfeifton". Mit Bescheid vom 11.03.1998 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Anerkennung migräneartiger Kopfschmerzen gestützt auf das vä Gutachten von Dr. N. vom 06.03.1998 ab. Im September 1998 legte der Kläger persönlich zwei Röntgenaufnahmen seines Schädels vom 22.09.1943 vor. In seiner Befundung vom 23.09.1998 führte der Radiologe Dr. Z. vom vä Dienst des VA aus, gegenüber den jetzt vorgelegten Fremdaufnahmen vom 22.09.1943 seien in den vorliegenden Röntgenaufnahmen vom 20.11.1967 mehrere kleinere und ein größerer Metallstecksplitter in den Weichteilen der Gesichtsregion und frontotemporal links nicht mehr erkennbar.
Am 13.09.1999 beantragte der Kläger die zusätzliche Anerkennung vegetativer Begleiterscheinungen seiner Blindheit. Mit Schreiben vom 29.03.2000 machte er auch eine Klaustrophobie als Schädigungsfolge geltend. In seinem Gutachten vom 22.07.2002 bejahte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. eine schädigungsbedingte psychoreaktive Entwicklungsstörung mit eingeschränkter Verarbeitungstendenz, die mit einer MdE um 30 v. H. zu bewerten sei. Mit Bescheid vom 09.08.2002 stellte das VA hierauf gestützt als weitere Schädigungsfolge "psychoreaktive Störung" fest und bewilligte dem Kläger ab 01.09.1999 Schwerstbeschädigtenzulage nach der Stufe 3. Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger u. a. eine Verschlechterung seines Hörvermögens geltend. In ihrem daraufhin eingeholten Gutachten vom 05.12.2002 kam die HNO-Ärztin Dr. F. zu dem Ergebnis, die eingetretene weitere Verschlechterung des Hörvermögens könne nicht auf das Knalltrauma zurückgeführt werden. Mit Schreiben vom 20.02.2003 beantragte der Kläger, sechs weitere Splitter am linken Oberarm als Schädigungsfolge festzustellen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 05.09.2003 gab der Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 09.08.2002 insoweit statt, als "Splitter und Splitternarben im Bereich der linken Gesichtsseite und am linken Oberarm" als Schädigungsfolgen anerkannt wurden. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück.
Am 10.02.2004 und am 02.08.2004 stellte der Kläger den jetzt streitbefangenen Antrag auf Anerkennung einer Hirnschädigung mit Gleichgewichtsstörungen sowie einer sensiblen Polyneuropathie mit Geh- und Stehstörungen mit erhöhter Sturzgefahr als Schädigungsfolgen. Zur Begründung trug er u. a. vor, mindestens ein Splitter sei hinter der Nase durchgegangen und habe den rechten Sehnervkopf zerschnitten. Da es sich um kleine Partikel gehandelt habe, sei es wahrscheinlich, dass ein Partikel durch den Schädelknochen in das Innere gelangt sei. Dafür spreche auch der Umstand, dass bei ihm immer wieder starke Kopfschmerzen nur auf der linken Seite aufträten. Das VA zog den ärztlichen Abschlussbericht des Kursanatoriums R. über das Heilverfahren des Klägers vom 02.04. bis 28.05.2004 bei. Darin wird als Diagnose u. a. der Verdacht auf eine sensible Neuropathie aufgeführt. Am 12.04.2004 habe der Kläger einen massiven Schwindelanfall mit Übelkeit, Erbrechen und Blutdruckanstieg erlitten. Das Geschehnis sei als zerebrale Durchblutungsstörung im Sinne einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) gedeutet worden. Auf Anfrage teilte der Hausarzt des Klägers, Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch., dem inzwischen zuständig gewordenen Landratsamt (LRA) unter dem 27.10.2005 mit, der Kläger habe 2004 einen Kreislaufkollaps erlitten. Danach sei der Verdacht auf eine TIA geäußert worden. Seither bestehe eine verstärkte Fallneigung und ein Schwindelgefühl. Als Ursache kämen die Durchblutungsstörungen und die Granatsplitterverletzung des Gehirns in Frage. Seit ca. zwei bis drei Jahren liege eine wechselnde hypertensive Kreislaufdysregulation vor. Etwa zur gleichen Zeit sei ein diätpflichtiger Diabetes mellitus festgestellt worden. Seit 2004 sei außerdem ein Prostata-Neoplasma bekannt. Das LRA holte von der Sozialmedizinerin Obermedizinalrätin (OMR) Dr. L. das nach Aktenlage erstattete vä Gutachten vom 23.11.2005 ein. Diese legte dar, auf keiner der vorliegenden oder beschriebenen Röntgenaufnahmen seien Splitter im Gehirn/Schädelinneren nachweisbar. Die zahlreichen Splitter lägen alle außerhalb des Schädels. Schon dem nervenfachärztlichen Gutachten vom 15.12.1967 sei zu entnehmen, dass eine Schädel-Hirn-Verletzung nicht wahrscheinlich sei. Dagegen bestünden Hinweise auf ein schädigungsunabhängiges Cervikobrachialsyndrom mit Wurzelreizerscheinungen und Schwindel. Einem Gutachten aus dem Jahr 1998 sei ferner zu entnehmen, dass der Kläger trotz seiner schweren Kriegsverwundungen eine erstaunliche Karriere gemacht habe, nämlich als Kriegsblinder das Abitur nachgemacht, anschließend Jura studiert und nach dem Studium als Verwaltungsjurist verantwortungsvolle Positionen bekleidet zu haben. Im Jahr 2000 seien erstmals erhebliche EKG-Veränderungen bei angegebenen Herz-Kreislaufstörungen nachgewiesen worden. 2001 seien erstmals zerebrale Durchblutungsstörungen im Rahmen von Gleichgewichtsstörungen dokumentiert worden. Hierauf sei die am 12.04.2004 durchgemachte TIA bei hypertoner Krise mit Schwindelerscheinungen und Erbrechen zurückzuführen. Die Aussage des Hausarztes, dass als Ursache cerebrale Durchblutungsstörungen und die Granatsplitterverletzung des Gehirns in Frage kämen, könne nicht bestätigt werden, da eine Granatsplitterverwundung des Gehirns nicht nachgewiesen sei. Die im Antrag angegebene Polyneuropathie stehe in direktem Zusammenhang mit dem seit Jahren nachgewiesenen Diabetes mellitus. Ein ursächlicher Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen liege nicht vor. Mit Bescheid vom 06.12.2005 lehnte das LRA daraufhin die Anträge des Klägers vom 10.02. und 02.08.2004 ab.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Polyneuropathie vor, erst seit zwei Jahren weise er erhöhte Blutzuckerwerte auf, die jedoch nicht behandlungsbedürftig seien. Dagegen habe er bereits vor über zehn Jahren über taube Füße geklagt, ohne zuckerkrank gewesen zu sein. Der Beklagte habe auch nicht erläutert, ob und ggf. welche Rolle seine Leberfunktionsstörung für den "Bewandtniszusammenhang" spiele. Hinsichtlich der geltend gemachten Hirnschädigung trug er vor, es falle auf, dass sich der winzige Splitter, der seinen rechten Sehnervkopf durchschnitten habe, nicht mehr in der rechten Augenhöhle befinde. Da er nachweislich an Bluthochdruck leide, sei es nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich, dass Blutleere den Schlaganfall vom 12.04.2004 ausgelöst habe. Dagegen sprächen auch aufgetretene Lähmungserscheinungen Mit dem Widerspruchsbescheid vom 16.05.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger erhob am 08.06.2006 Klage bei dem Sozialgericht Freiburg (SG). Er trug vor, es fehle an einer sorgfältigen Würdigung des Bewandtniszusammenhangs und an einer brauchbaren Synopsis. Dagegen werde versucht, einzelne Gesundheitsstörungen isoliert zu werten und als Bagatelle abzutun. Der Beklagte hätte nicht ohne eine ordnungsgemäße Untersuchung entscheiden dürfen.
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2008 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, soweit der Kläger die cerebrale Attacke des Jahres 2004 auf eine Hirnschädigung durch die Granatsplitterverletzung des Jahres 1943 zurückführe, könne ihm nicht gefolgt werden. Er sei im Jahr 1943 nicht bewusstlos gewesen. Anlässlich der vä Begutachtung im Jahr 1967 sei kein Hinweis auf eine Hirnschädigung gefunden worden. Die röntgenologisch nachweisbaren Granatsplitter, auch derjenige in der Augenhöhle, hätten jeweils außerhalb des Gehirns gelegen. Entgegen der vom Kläger geäußerten Vermutung sei auszuschließen, dass ein Granatsplitter, der 1943 röntgenologisch noch nachweisbar gewesen sei, in späteren Röntgenbildern jedoch nicht mehr habe vorgefunden habe können, in das Gehirn gewandert sei. Denn intracerebrale Granatsplitter seien niemals röntgenologisch nachgewiesen worden. Das cerebrale Ereignis des Jahres 2004 müsse deshalb am ehesten als Ausdruck von cerebralsklerotischen Veränderungen verstanden werden. Soweit der Kläger geltend mache, der bei ihm vorliegende Bluthochdruck könne keine ischämische Attacke im Sinne einer Blutleere verursacht haben, unterliege er einem laienhaften Fehlverständnis der Bluthochdruckerkrankung. Gerade die Hypertonie könne zu Gefäßschäden führen, die wiederum eine Blutleere im Gehirn zur Folge haben könnten. Im Übrigen habe der Kläger bei seiner Begutachtung durch Dr. B. noch selbst angegeben, er habe keine Hirnverletzung erlitten und könne durch sein ausgezeichnetes Gedächtnis viel kompensieren. Dass eine Polyneuropathie der Beine Folge der Granatdetonation bzw. der anerkannten Schädigungsfolgen sein könnte, sei nicht plausibel dargelegt worden. Ob ein Zusammenhang mit dem nach der Darstellung des Klägers erst seit zwei Jahren vorhandenen mäßigen Altersdiabetes bestehe, könne bei dieser Sachlage dahinstehen.
Mit seiner am 12.03.2008 bei Landessozialgericht eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er trägt vor, soweit das SG auf das Vorhandensein von mehreren Granatsplittern in beiden Augenhöhlen hingewiesen habe, die später nicht mehr nachweisbar gewesen sein sollten, habe es hieraus eine unrichtige Schlussfolgerung gezogen. Metallsplitter lösten sich nicht von selbst auf, sondern könnten nur an einen anderen Platz gewandert sein. Die Durchtrennung des Sehnervkörpers sei unbestreitbar. Dass er bei seiner schweren Verwundung im Jahr 1943, einer Schädelverletzung, tatsächlich nicht bewusstlos gewesen sein solle, widerspreche jeder Lebenskenntnis.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.02.2008 und den Bescheid vom 06.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2006 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2003 eine Hirnschädigung sowie eine Polyneuropathie der Beine als weitere Schädigungsfolgen festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 16.10.2008 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, eine diabetische Polyneuropathie könne der Manifestation des Diabetes mellitus auch vorausgehen. Auch ein Diabetes mellitus in nur diätpflichtigem Ausmaß könne zu einer solchen Erkrankung führen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem mit Bescheid vom 20.10.1956 anerkannten Leberschaden und der erst Jahrzehnte später aufgetretenen Polyneuropathie sei schon allein wegen dieses zeitlichen Verlaufs außerordentlich unwahrscheinlich. Das seit 2004 bekannte Prostatakarzinom könnte auch schon vorher unerkannt bestanden haben und somit auch zu einer sogenannten paraneoplastischen Polyneuropathie geführt haben. Im Übrigen entstünden Polyneuropathien häufig idiopathisch, d. h. aus unbekannter Ursache.
Der Senat hat Dr. Sch. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat unter dem 08.10.2008 ausgeführt, seit 2007/2008 seien multiple Knochenmetastasen des seit 2004 nachgewiesenen Prostata-Karzinoms bekannt. Die Metastasen lägen überwiegend im Bereich des Oberkörpers, dem Teil, der im Krieg beim Panzerführer häufig ungeschützt gewesen sei. Der Leberschaden äußere sich sowohl in Symptomen wie Inappetenz, Flatulenz, chronischem Meteorismus und rezidivierendem Oberbauchdruck als auch in wechselnden leichten Veränderungen der Transaminasen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden.
In formeller Hinsicht hat der Senat das Begehren des Klägers sowohl unter den Gesichtspunkt des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) als auch unter demjenigen des § 44 SGB X geprüft. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. Gem. § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach § 44 Abs. 2 SGB X ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Der Senat versteht den Vortrag des Klägers dahingehend, dass er der Meinung ist, seine Schädigungsfolgen hätten sich seit dem letzten bindenden Bescheid vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2003 wesentlich verschlechtert, insbesondere im Hinblick auf das am 12.4.2004 während der Behandlung im Kursanatorium R. abgelaufene Ereignis. Zum anderen wertet der Senat den Vortrag des Klägers dahingehend, dass bei ihm bisher zu Unrecht eine Hirnschädigung nicht als Schädigungsfolge anerkannt worden sei. Die Berufung führt jedoch weder unter dem Gesichtspunkt des § 48 SGB X noch unter demjenigen des § 44 SGB X zum Erfolg. Der Kläger hat nämlich keinen Anspruch darauf, dass bei ihm eine Hirnschädigung und eine Polyneuropathie der Beine als weitere Schädigungsfolgen festgestellt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG auf der Seite 5 und auf Seite 6, 1. Absatz, Bezug. Wäre ein Granatsplitter entsprechend der vom Kläger geäußerten Vermutung aus einer der beiden Augenhöhlen in das Schädelinnere, d. h. in das Gehirn gewandert, so hätte sich bei irgendeiner der zahlreichen Röntgenuntersuchungen des Schädels ein intracerebraler Fremdkörper darstellen müssen. Sämtliche vorhandenen Röntgenaufnahmen zeigen jedoch ausschließlich extracerebrale Splitter. Dies gilt für die vom Kläger vorgelegten Röntgenaufnahmen vom 29.09.1943 ebenso wie für die Röntgenbilder vom 20.11.1967, die anlässlich des vä Gutachtens vom 15.12.1967 hergestellt worden sind, und auch für den Röntgenbefund vom 10.02.1998 im Zusammenhang mit der Begutachtung durch Dr. N. vom 06.03.1998. Auch der Umstand, dass auf den Aufnahmen vom 20.11.1967 bestimmte Splitter nicht mehr erkennbar sind, die in den Aufnahmen vom 22.09.1943 noch in den Weichteilen der Gesichtsregion und frontotemporal links erkennbar waren, beweist keine Wanderung in das Schädelinnere. Der Senat hält es für wahrscheinlicher, dass Splitter herausgeeitert oder im Verlauf von Behandlungsmaßnahmen entfernt worden sind. Aus diesem Grunde vermochte der Senat auch Dr. Sch. nicht darin zu folgen, als Ursache des Kreislaufkollaps vom 12.04.2004 komme u. a. "die Granatsplitterverletzung des Gehirns in Frage". Der Senat erkennt ferner keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es schon am 09.09.1943 in Folge der Granatsplitterverwundung zu einer substanziellen Verletzung des Gehirns gekommen ist. Hiergegen sprechen nicht nur die bereits erwähnten Schädelröntgenaufnahmen vom 22.09.1943, sondern auch der Umstand, dass der Kläger nach seiner schweren Verwundung nicht bewusstlos gewesen ist. Der Senat hat keinerlei Anlass, an der Richtigkeit der Eintragung "keine Bewusstlosigkeit" im erhaltenen Original-Krankenblatt des Reservelazaretts B. zu zweifeln. Soweit der Kläger zur Begründung seiner Berufung vorgetragen hat, es widerspreche erfahrungsgemäß jeglicher Lebenskenntnis, dass er bei seiner schweren Verwundung, einer Schädelverletzung, tatsächlich nicht bewusstlos gewesen sei, verkennt er, das nicht jede Schädelverletzung mit einer Beeinträchtigung des Gehirns verbunden ist. Selbstverständlich waren die am 09.09.1943 erlittenen Verletzungen außerordentlich schwer. Sie betrafen jedoch das Äußere des Gesichtschädels, insbesondere die Augenhöhlen. Zu Recht hat im Übrigen schon das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen, dass der Kläger selbst bei seiner Begutachtung durch Dr. B. angegeben hat, keine Hirnverletzung erlitten zu haben und durch sein ausgezeichnetes Gedächtnis viel habe kompensieren können.
Zu Recht hat der Beklagte auch die Anerkennung einer Polyneuropathie als zusätzliche Schädigungsfolge abgelehnt. Die Diagnose einer "peripheren Neuropathie" findet sich in den umfangreichen Verwaltungsakten erstmals im Ärztlichen Abschlussbericht des Kursanatoriums für Kriegsblinde in B. vom 20.06.2001, danach im Abschlussbericht derselben Kureinrichtung vom 06.06.2002. Fast gleichzeitig hat Dr. B. in seinem Gutachten vom 22.07.2002 "Hinweise auf eine Polyneuropathie der unteren Extremitäten" beschrieben. Polyneuropathien können jedoch auf vielfältigen Ursachen beruhen. Soweit Dr. L. in ihrem Aktengutachten vom 23.11.2005 die Polyneuropathie in einem direkten Zusammenhang mit dem beim Kläger vorliegenden Diabetes mellitus gesehen hat, hält der Senat diese Beurteilung nicht für zwingend, aber immerhin für möglich. Grundsätzlich besteht zwar eine positive Korrelation der Polyneuropathiehäufigkeit mit der Dauer einer Diabeteserkrankung und nach den glaubhaften Ausführungen von Dr. Sch. im Befundbericht vom 27.10.2005 bestand bei dem Kläger ein Diabetes mellitus erst "seit ca. zwei bis drei Jahren", also seit 2003, frühestens 2002. Zutreffend hat jedoch Dr. W. in der vä Stellungnahme vom 16.10.2008 darauf hingewiesen, dass eine diabetische Polyneuropathie der Manifestation des Diabetes mellitus auch vorausgehen kann. Selbst wenn jedoch im vorliegenden Fall ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Diabetes und Polyneuropathie auszuschließen wäre, wäre deshalb ein Zusammenhang mit der Granatdetonation oder mit einer der anerkannten Schädigungsfolgen gleichwohl nicht wahrscheinlich. Nach Auffassung des Senats ist insoweit lediglich zu erwägen, ob der mit Bescheid vom 20.10.1956 als Schädigungsfolge anerkannte Leberschaden die Polyneuropathie im Sinne der Kausallehre der wesentlichen Bedingung hervorgerufen haben kann. Wie Dr. W. in seiner als qualifiziertes Parteivorbringen gewerteten Stellungnahme vom 16.10.2008 aber zutreffend dargelegt hat, erscheint ein solcher Zusammenhang insbesondere bei dem zeitlichen Verlauf außerordentlich unwahrscheinlich. Nicht von der Hand zu weisen ist ferner die von Dr. W. aufgezeigte Möglichkeit, dass das seit 2004 nachgewiesene Prostatakarzinom auch schon in den Jahren zuvor unerkannt bestanden hat und zu einer sogenannten paraneoplastischen Polyneuropathie geführt haben könnte. In der neurologischen Wissenschaft ist nämlich anerkannt, dass maligne Erkrankungen wie ein Prostatakarzinom wesentliche ätiologische Bedingung einer Polyneuropathie sein können. Im Übrigen entstehen Polyneuropathien häufig idiopathisch, d. h. ohne dass eine Ursache ermittelt werden könnte.
Nach alledem konnte die Berufung nicht zum Erfolg führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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