L 1 U 4046/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4987/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4046/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung der Folgen eines Wegeunfalls im Streit.

Die 1950 geborene Klägerin war als Reinigungskraft beschäftigt, als sie am 16. Dezember 2003 auf ihrem Heimweg von der Arbeit auf feuchtem und glattem Boden ausrutschte und sich verletzte. Hierbei zog sie sich nach dem Bericht des Orthopäden Dr. H. vom 17. Dezember 2003 eine HWS-Schulter-Thoraxprellung rechts zu. Gleichzeitig sei bei der Klägerin ein unfallunabhängiges degeneratives HWS-Syndrom festgestellt worden. Im Folgebericht vom 02. Februar 2004 teilte Dr. H. einen Zustand nach Prellung der rechten Schulter, einen Zustand nach HWS- und Thoraxprellung, ein mäßiges Impingementsyndrom der rechten Schulter sowie eine Bursitis subacromialis rechts mit. Der Radiologe Dr. S. berichtete am 09. Januar 2004 nach einer Magnetresonanztomographie (MRT) der rechten Schulter von einem Impingement mit mäßiger Einengung des Subacromialraums. Es bestünden nur leichte degenerative Veränderungen des Ansatzes der Supraspinatussehne, hingegen eine deutliche Bursitis subacromialis/subdeltoidea.

Vom 17. Februar 2004 bis zum 10. März 2004 befand die Klägerin sich in stationärer Behandlung in der B. Klinik T ... Bei der Klägerin bestehe eine posttraumatische Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes nach Kontusion vom 16. Dezember 2003 sowie ein Zustand nach HWS-Distorsion bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen. Die Klägerin sei ab dem 15. März 2004 wieder vollschichtig arbeitsfähig und in die ambulante Physiotherapie entlassen worden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Bereich werde nicht verbleiben (Entlassungsbericht von Prof. Dr. W.). Während des stationären Aufenthalts fertigte Privatdozent Dr. H. am 24. Februar 2004 einen neurologischen Befundbericht an, in dem unter anderem eine reduzierte Kraftentfaltung des rechten Armes bei einer Parese der Schultergürtelmuskulatur vom Kraftgrad 4 sowie eine Hypästhesie des gesamten rechten Armes angegeben sind. Hieraus resultiere eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, welche auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Die Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes und zum Teil auch des rechten Armes sei eher auf eine schmerzbedingte Minderinnervation, vornehmlich der Schultermuskulatur, zurückzuführen. Aufgrund der inkonstanten Untersuchungsbefunde der eher schmerzbedingten Kraftentfaltungsminderung des gesamten rechten Armes sowie der seitengleich sehr lebhaft auslösbaren Muskeleigenreflexe werde eine neurologische Ursache der Beschwerden für sehr unwahrscheinlich gehalten. Der Diplompsychologe P., der die Klägerin während ihres stationären Aufenthaltes in der Klinik betreute, teilte am 29. November 2004 mit, das bei der Klägerin durch psychologisch-psychotherapeutische Interventionen eine Schmerzreduktion und Verbesserung der Beweglichkeit erreichbar gewesen sei. Dieser deutliche Effekt werde auf eine Angst- und Spannungsreduktion, einen Abbau einer leichten depressiven Verstimmung sowie auf eine Aktivierung der persönlichen Ressourcen und Bewältigungskompetenzen zurückgeführt. Auf Anfrage teilte der Hausarzt Dr. L. am 16. Dezember 2004 mit, dass er die Klägerin wegen des Unfalles nicht untersucht habe. Der Chirurg Dr. M. stellte am 22. Dezember 2004 eine erhebliche Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes mit schmerzbedingt aufgehobener Elevation und Rotation fest, welche auf einer Rotatorenmanschettenläsion der rechten Schulter beruhe.

Anschließend wurde im Auftrag der Beklagten durch die Chirurgen Prof. Dr. H. und Dr. L. am 16. November 2005 ein Gutachten erstellt. Zum Untersuchungszeitpunkt am 10. Oktober 2005 seien keine Folgen des Unfalles vom 16. Dezember 2003 mehr feststellbar gewesen. Bereits vor dem Unfall hätten degenerative Veränderungen der HWS bestanden. Durch den Unfall sei es zu einer Zerrung der HWS gekommen, welche folgenlos ausgeheilt sei. Ebenfalls sei die durch den Unfall aufgetretene Prellung und Kontusion der rechten Schulter zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt. Zum Unfallzeitpunkt hätten außerdem als Schadensanlage eine degenerative Veränderung der Rotatorenmanschette rechts vorgelegen, außerdem hätten Armschmerzen durch degenerative Veränderungen der HWS mit ausstrahlenden Schmerzen in den gesamten Arm und zum Teil Kribbelparästhesien (unfallunabhängig) bestanden. Durch den Unfall sei es daher zu einer vorübergehenden Verschlimmerung einer Schadensanlage im Bereich der Schulter gekommen, welche spätestens ein halbes Jahr nach dem Unfall folgenlos abgeheilt sei. Unfallbedingt behandlungsbedürftig sei die Klägerin bis zum 15. Juni 2004 und unfallbedingt arbeitsunfähig bis zum 30. März 2004 gewesen. Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 01. April 2004 habe bis zum 15. Juni 2004 eine MdE von 10 % und anschließend eine MdE von 0 % vorgelegen.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 wurde die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Unfalles abgelehnt, da die Klägerin nicht über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus in rentenberechtigendem Grade in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sei. Die Schäden degenerative Veränderungen der HWS mit rechtsseitig ausstrahlenden Beschwerden und Taubheitsgefühl, Karpaltunnelsyndrom rechts, degenerative Veränderungen im Bereich der rechten Rotatorenmanschette und Fersensporn rechts stünden nicht in Zusammenhang mit dem Unfallereignis.

Den Widerspruch begründet der Bevollmächtigte der Klägerin damit, dass die Klägerin vor dem Arbeitsunfall keinerlei Beschwerden mit der rechten Schulter oder mit der rechten Hand gehabt habe. Deswegen sei es unbegreiflich, dass nunmehr von Vorschäden im Bereich der rechten Schulter ausgegangen werde.

Die Klägerin berief sich auf den Befundbericht des Dr. M., wonach sich der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenläsion ergeben habe. Außerdem verwies sie auf die Beiziehung von Unterlagen bei Dr. H. zur Klärung der Frage, ob zuvor im Bereich der rechten Schulter eine Behandlung stattgefunden habe.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte gab Dr. K. am 06. April 2006 an, dass sich Rotatorenmanschettenveränderungen klinisch stumm entwickelten und häufig selbst bei eindrucksvollen bildtechnischen Befunden asymptomatisch blieben. Diese Tatsache sei durch sonographische und kernspintomographische Reihenuntersuchungen unstreitig belegt. Somit sei allein die Objektivierung einer Rotatorenmanschettenveränderung nach einem Ereignis weder ein Indiz für ihren Krankheitswert noch ein Indiz für ihre Entstehung in zeitlichem Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis. Nach dem derzeitigen Stand traumatologischer Erkenntnisse könne die direkte Gewalteinwirkung auf die Schulter die Rotatorenmanschette nicht fehlbelasten. Darüber hinaus komme es selbst bei ausgedehnten frischen traumatischen Rupturen der Rotatorenmanschette erst Monate später zu einem Höhertreten des Oberarmkopfes. Wenn ein solcher Befund dagegen bereits unfallnah nachgewiesen werden könne, ergebe sich ein eindeutiges Indiz für die Annahme einer schicksalshaften Genese.

Mit der Begründung von Dr. K. wies die Beklagte am 26.09.2006 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat am 24. Oktober 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Die Klägerin sei seit ihrem Unfall ununterbrochen arbeitsunfähig, da sie ihren rechten Arm nicht mehr frei bewegen könne und insbesondere die Abduktion und Rotation des Armes nicht mehr möglich sei. Außerdem habe sie keinen Kraftschluss mehr in der rechten Hand. Der Klägerbevollmächtigte legte unter anderem eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. M. vom 08. August 2006 vor, welcher von einer unfallbedingten Läsion der Rotatorenmanschette ausgeht. Das übliche Gegenargument hierzu sei ein inadäquates Trauma, welches ein entsprechend vorgeschädigtes Gelenk getroffen habe; diese Argumentation scheine richtig zu sein, nur ließe sie sich nicht beweisen. Ferner wurde vorgelegt ein Entlassungsbericht des Städtischen Krankenhauses Sindelfingen über eine stationäre Behandlung vom 17. bis zum 22. Juli 2006, in welchem ein Impingementsyndrom der Schulter, eine Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr, ein Fersensporn, eine Läsion der Rotatorenmanschette sowie eine Tendinitis des musculus bizeps brachii rechts angegeben sind.

Das SG forderte bei der AOK ein Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin an, und es wurden die Behandlungsunterlagen der Dres. L., M. und H. beigezogen.

Daraufhin hat im Auftrag des SG am 23. März 2007 der Orthopäde Dr. L. ein Gutachten erstellt. Bei der Klägerin bestünden Druckschmerzen, eine hochgradige aktive und endgradige passive Bewegungseinschränkung sowie Bewegungsschmerzen und eine Kraftminderung im rechten Schultergelenk bei Schädigung der Rotatorenmanschette rechts, sowie ein diffuses Taubheitsgefühl ungeklärter Ursache im rechten Arm. Es bestünden Hinweise auf eine sog. somatoforme Schmerzstörung, da das von der Klägerin geklagte Beschwerdebild mit annähernder Gebrauchsunfähigkeit des Armes, die angegebenen Gefühlstörungen und das Ausmaß der aktiven Bewegungseinschränkung sich durch die auf orthopädischem Fachgebiet von seiten des Haltungs- und Bewegungsapparates objektivierbaren Befunde nicht erklären ließen. Von den gesamten Gesundheitsstörungen sei keine mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Insbesondere die am 18. Juli 2006 im Rahmen einer Schultergelenksarthroskopie festgestellte und behandelte Läsion der Rotatorenmanschette sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf alterungs- und verschleißbedingte Veränderungen zurückzuführen.

Im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Klinikum N. vom 02. April bis 16. Mai 2007 wurde bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine schwere depressive Episode festgestellt.

Auf Antrag der Klägerin wurde anschließend nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 04. Januar 2008 ein weiteres Gutachten durch den Nervenarzt Prof. Dr. B. erstellt. Zusätzlich zu den bekannten orthopädischen Gesundheitsstörungen sei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen festgestellt worden. Diese Krankheitsbilder seien ursächlich allein oder zumindest annähernd gleichwertig auf den Arbeitsunfall vom 16. Dezember 2003 zurückzuführen. Vor dem Arbeitsunfall hätten weder psychische Vorschädigungen noch anlagebedingte Veränderungen vorgelegen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 30 %. Die Klägerin hatte gegenüber dem Gutachter auch angegeben, dass ihr bereits im Februar 2003 gekündigt worden war; als ihr Arbeitgeber am 16. Dezember 2003 vor ihrem Unfall die Kündigung zum 20. Januar 2004 bestätigt habe, sei ihr jedoch erst richtig bewusst geworden, dass sie ihre Arbeit wirklich verloren hatte. Wegen der Kündigung sei es ihr am 16. Dezember 2003 sehr schlecht gegangen, und sie habe sich in die Toilettenräume zurückgezogen, um zu weinen. Anschließend habe sie das Gebäude ihres Arbeitgebers verlassen und sei dann auf Glatteis noch vor dem Gebäude ausgerutscht und hingefallen.

Die Beklagte legte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dipl.-Psychologen Dr. F. vom 17. März 2008 zu dem Gutachten von Prof. Dr. B. vor. Der Gutachter berücksichtige nicht ausreichend die Tatsache, dass der Klägerin am Tag vor dem Unfall endgültig gekündigt worden sei und dass hiermit eine erhebliche Kränkung vorgelegen habe, wobei sich das danach eingetretene Unfallereignis gerade verführerisch als Anknüpfungspunkt für eine Entschädigung angeboten habe. Die Fachliteratur zu psychotraumatologischen Störungen verlange außerdem, dass bei einer schweren seelischen Beeinträchtigung durch ein Trauma eine erhebliche seelische Verletzung und nicht nur die Vorstellung einer solchen seelischen Beeinträchtigung für die Anerkennung der psychotraumatologischen Störung vorliegen müsse. Ein derart geeignetes Ereignis habe jedoch eindeutig nicht vorgelegen. So sei festzuhalten, dass gerade die Diagnose eine somatoformen Schmerzstörung und einer schweren depressiven Episode mit sogar psychotischen Symptomen belege, dass es sich um eine eigenständige unfallfremde Erkrankung handele.

Mit Urteil vom 10. Juli 2008 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf organischem Gebiet habe der Unfall lediglich zu einer bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 30. März 2004 folgenlos abgeheilten Zerrung der HWS bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen sowie zu einer ebenfalls folgenlos abgeheilten Prellung der rechten Schulter geführt, worauf das SG auf die insoweit übereinstimmenden Gutachten von Prof. Dr. H. und von Prof. Dr. L. Bezug nahm. Nicht als weitere Unfallfolge festzustellen sei der bei der Klägerin erst später festgestellte Rotatorenmanschettenschaden, wozu das SG neben den beiden genannten Gutachtern zusätzlich auf die Stellungnahme von Dr. K. verwies. Auch nach der unfallmedizinischen Literatur sei die direkte Krafteinwirkung auf die Schulter durch Sturz, Prellung oder Schlag kein geeigneter Unfallhergang für diese Art der Verletzung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Siebte Auflage 2003, Seite 507). Überdies sei der Sturz auf die rechte Seite und Schulter für die Klägerin selbst offenbar nicht schwerwiegend gewesen, nachdem sie ärztliche Hilfe erst am Folgetag nach dem Unfall in Anspruch genommen habe. Dabei habe Dr. H. weder einen Bluterguss noch sonstige äußere Zeichen einer Gewalteinwirkung objektivieren können, wie sich aus seinen Berichten vom 17. Dezember 2003 und 17. März 2004 ergebe. Bei einer stattgehabten Rotatorenmanschettenruptur seien jedoch regelmäßig solche Verletzungszeichen erkennbar, wie Prof. Dr. L. überzeugend ausgeführt habe (unter Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. Seite 513 sowie Hansis/ Mehrhoff, BG 2000, 98 f.). Gegen eine ursächliche Verknüpfung des Rotatorenmanschettenrisses mit dem Unfallereignis sprächen auch die nachgewiesenen degenerativen Erscheinungen bei der Klägerin. Die im städtischen Krankenhaus S. erst im Juli 2006 und damit rund zweieinhalb Jahre nach dem Arbeitsunfall festgestellte Läsion der Rotatorenmanschette müsse deshalb im späteren zeitlichen Ablauf entstanden sein. Zwar treffe auch zu, dass die Klägerin ausweislich ihres Vorerkrankungsverzeichnisses vor dem Arbeitsunfall keine Beschwerden im Bereich des rechten Schultergelenkes gehabt habe. Doch unterliege die Rotatorenmanschette im hohen Maße der Degeneration, welche ab dem dritten Lebensjahrzehnt beginne und zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr häufig zu Partialrupturen führe. Schließlich seien auch keine neurologisch-psychiatrischen Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalles festzustellen und zu entschädigen. Zwar leide die Klägerin nach den insoweit überzeugenden Darlegungen des Gutachters Prof. Dr. B. an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen. Diese Krankheitsbilder könnten jedoch nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden, was sich bereits aus dem Verlauf der Erkrankung bei der Klägerin ergebe. Denn die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung sei erstmals im Arztbrief des Neurologen Dr. D. vom 08. Juli 2005 und mithin rund eineinhalb Jahre nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis getroffen worden. Erst im April 2006 und mithin mehr als zwei Jahre nach dem Unfallereignis habe dann der Psychiater Dr. G. zudem eine Dysthymie diagnostiziert. Üblicherweise setzten psychoreaktive Störungen jedoch bereits unmittelbar nach einem Versicherungsfall innerhalb einer kurzen Latenzzeit von bis zu einem Monat Dauer ein und hielten zu dem selten länger als sechs Monate an (mit der Ausnahme depressiver Reaktionen, welche jedoch regelmäßig nicht länger als zwei Jahre andauerten; unter Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 227 f.). Zwar gebe es keine Normen seelischen Verhaltens, und jeder Versicherte sei in dem Zustand geschützt, in dem er sich vor Eintritt des Versicherungsfalls befinde, d.h. auch mit einer vorhandenen entsprechenden psychischen Anlage (unter Hinweis auf BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 28 sowie BSGE 18, 173 ff.). Damit sei die Bedeutung des Unfallereignisses rechtlich wertend abzuwägen. Insbesondere unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und der Besonderheiten des Versicherten sei demnach festzustellen, welche Bedeutung das Unfallereignis für ihn gehabt habe. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Arbeitsunfall und psychischen Störungen sei dann als gegeben anzusehen, wenn der Unfall und seine Folgen nach Eigenart und Stärke unersetzlich, d.h. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar seien. Bei wie vorliegend länger anhaltenden psychoreaktiven Gesundheitsstörungen sei ferner zu prüfen, inwieweit der Verlauf noch rechtlich wesentlich auf die ursprüngliche Reaktion zurückzuführen sei oder nicht vielmehr Begehrensvorstellungen oder sonstige aus der Psyche wirkende Kräfte soweit in den Vordergrund träten, dass sie für den weiteren Verlauf die rechtlich noch allein wesentliche Ursache bildeten. Gemessen daran könnten die Darlegungen des Prof. Dr. B. zum ursächlichen Zusammenhang zwischen den psychischen Gesundheitsstörungen der Klägerin und dem Arbeitsunfall nicht überzeugen. Insbesondere stelle das konkrete Unfallereignis, d.h. der Sturz bei Glatteis auf die rechte Seite mit dadurch bedingter, innerhalb kurzer Zeit folgenlos abgeheilter Zerrung der HWS und Prellung des rechten Schultergelenks, keinen schwerwiegenden Vorgang dar. Prof. Dr. B. habe in seinem Gutachten auch wiederholt auf massive Aggravationstendenzen hingewiesen, ohne dies in Bezug auf den ursächlichen Zusammenhang ausreichend zu würdigen. Überdies handele es sich nach den Ausführungen des Gutachters bei der Klägerin auch um eine hochsensible Persönlichkeit mit depressiven und hysterischen Merkmalen. In diesem Zusammenhang könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin am Unfalltag erfahren hatte, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 20. Januar 2004 beendet werden sollte. Nach ihren eigenen Angaben gegenüber dem Gutachter habe sie sich deswegen zum Ende der Arbeit nach dem Feierabend auf die Betriebstoilette zurückgezogen, um dort zu weinen. Die Klägerin sei durch die Kündigung sehr mitgenommen gewesen, was sie gegenüber dem Gutachter anschaulich geschildert habe. Sie habe daher bereits am Unfalltag selbst unmittelbar vor dem Unfall eine erhebliche Kränkung erlitten, wie Dr. F. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme zutreffend ausgeführt habe. Dass es sich bei dem Arbeitsunfall insoweit lediglich um ein geringfügiges, alltäglich vorkommendes Ereignis ohne gravierende, vor allem fortdauernde organische Gesundheitsstörungen gehandelt habe, ergebe sich für das SG auch aus dem Entlassungsbericht des Klinikums N. vom 11. Mai 2007, in welchem die Klinikärzte als Ursache des von ihnen diagnostizierten anhaltend somatoformen Schmerzsyndroms eine Migrationsproblematik mit familiären Belastungen ausgemacht hätten und ebenfalls zusätzlich auf die Kündigung am Unfalltag als massive Kränkung der Klägerin hingewiesen hätten. Auch der behandelnden Psychiater Dr. G. habe in seinem Arztbrief vom 27. April 2006 zu Recht auf den Zusammenhang ängstlich-depressiver Verstimmungen und Schlafstörungen im Rahmen beruflicher Probleme hingewiesen. Das Urteil des SG wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 22. Juli 2008 zugestellt.

Am 22. August 2008 hat der Bevollmächtigte der Klägerin beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG habe die gutachterliche Beurteilung von Prof. Dr. B. nicht ausreichend gewürdigt, der mit nachvollziehbarer Begründung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % dargelegt habe. Vor dem Arbeitsunfall am 16.12.2003 sei die Klägerin nicht nennenswert krank gewesen, wozu ein Attest des Hausarztes Dr. L. vom 29.09.2008 vorgelegt wurde. Auch nach dem Arbeitsunfall habe es kein anderes von außen wirkendes Ereignis gegeben, welches den Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtert hätte. Entgegen der Auffassung des SG sei sowohl hinsichtlich der Rotatorenmanschette als auch hinsichtlich der Beschwerden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von einer Verursachung durch den Arbeitsunfall auszugehen. Es sei für die Klägerin nicht nachvollziehbar, weswegen durch ihren schweren Sturz eine Schädigung der Rotatorenmanschette nicht hätte erfolgen können. Das Auftreten der Beschwerden im Zusammenhang mit dem Unfall sei so zu bewerten, dass die Rotatorenmanschette bereits durch den Unfall eingerissen worden sei. Auch die somatoformen Schmerzstörungen und die schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen seien ohne den Unfall nicht erklärlich. Die erwähnte Kündigung des Arbeitsverhältnisses habe keinen großen Einfluss haben können, da sie bereits seit einem Jahr vorher bekannt gewesen sei. Für den Fall, dass den Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. B. nicht gefolgt werde, werde beantragt, bei ihm ein ergänzendes Sachverständigengutachten einzuholen und ihm insbesondere Gelegenheit zu geben, sich zu der Beurteilung des Dr. Freytag zu äußern.

Die Klägerin beantragt, teils sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 15. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2006 zu verurteilen, "Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Schultergelenks bei Schädigung der Rotatorenmanschette, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine schwere depressive Episode mit psychischen Symptomen" als Unfallfolgen des Unfalles vom 16. Dezember 2003 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr deswegen ab dem 15. Juni 2004 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Das SG habe hinsichtlich der organischen Befunde zu Recht auf die übereinstimmenden Gutachten von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. Bezug genommen. Insbesondere sei eine Läsion der Rotatorenmanschette keine Folge des stattgehabten Unfalls. Ebenso zutreffend habe das SG festgestellt, dass infolge des Unfalls keine psychiatrischen Beschwerden vorlägen. Dem Gutachten des Prof. Dr. B. sei hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs nicht zu folgen, weil er die unfallversicherungsrechtlichen Kriterien verkenne. Das Unfallereignis der Klägerin sei im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht schwerwiegend genug gewesen, um die beklagten psychischen Beschwerden ausgelöst haben zu können.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 20. Oktober 2008 darauf hingewiesen, dass der medizinische Sachverhalt - auch auf nervenärztlichem Gebiet - letztlich auch durch das Gutachten von Prof. Dr. B. aufgeklärt sei. Die entscheidungserhebliche Frage, in wie weit der Unfall neben den unstreitigen anderen Faktoren auch wesentliche (Mit-) Bedingung sei, sei eine Rechtsfrage, die der Senat aus juristischer Sicht zu beantworten habe. Insoweit komme die Zurückweisung der Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 SGG statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Im Anhörungsverfahren (vgl. Hinweis vom 20. Oktober 2008) haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und überzeugenden ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt. Die als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen der Klägerin können nicht als durch den Wegeunfall vom 16. Dezember 2003 verursacht anerkannt werden.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 a.a.O., RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl. 2008, Vorb. v. § 249 RdNr. 58 ff. m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht wer-den kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursa-chen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ur-sache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Be-deutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vor-handenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erschei-nungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die geltend gemachte Gesundheitsstörungen nicht vor.

Hinsichtlich der noch vorliegenden Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Schultergelenks bei Schädigung der Rotatorenmanschette sind die Gutachter Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. übereinstimmend zu der Überzeugung gelangt, dass insoweit eine eher altersbedingt-degenerative Verursachung wahrscheinlich ist. In den Akten findet sich insofern keine Arztmeinung, die eine Verursachung durch den Wegeunfall als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lässt. Auch das Attest von Dr. M. vom 22. Dezember 2004, auf welches die Klägerin sich beruft, stellt die Rotatorenmanschettenverletzung zwar dar, führt diese aber nicht auf den Unfall zurück. Die Äußerung von Dr. M. vom 08. August 2006, welche sich ausdrücklich mit der Frage der Kausalität befasst, äußert lediglich Zweifel am Fehlen der Kausalität, ohne eine solche ausdrücklich zu begründen; allerdings weist Dr. M. selbst darauf hin, dass degenerative Veränderungen der vorliegenden Art bei Erwachsenen im mittleren Lebensalter unstreitig auftreten. Schließlich geht Dr. M. davon aus, dass die Argumentation richtig zu sein scheine, dass ein inadäquates Trauma vorliege, doch ließe sich dies nicht nachweisen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin als Anspruchstellerin die Feststellungs- bzw. Beweislast dafür trägt, dass sich Elemente der Begründung ihres Anspruches auf Verletztengeld - hierzu gehört auch die Verursachung ihrer Beschwerden durch den bei der Beklagten versicherten Unfall - nicht feststellen lassen. Bereits das SG hat aber nach der Überzeugung des Senats zutreffend darauf hingewiesen, dass für den insoweit erforderlichen Nachweis auch ein passendes Unfallereignis erforderlich ist. Beim Sturz mit einer direkten Krafteinwirkung auf die Schulter durch Sturz, Prellung oder Schlag liegt jedoch nach der unfallmedizinischen Literatur gerade kein solcher geeigneter Unfallhergang für eine Verletzung der Rotatorenmanschette vor, weil der Muskelmantel der Schulter insoweit einen ausreichenden Schutz vor dieser Art der Verletzung darstellt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 503 ff.).

Unabhängig hiervon hat das SG drei weitere wesentliche Argumente benannt, die eine Verletzung bereits durch den Unfall als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Zunächst ist der Sturz offensichtlich nicht schwerwiegend gewesen, weil die Klägerin erst am Folgetag nach dem Unfall einen Arzt aufgesucht hat. Hierbei hat Dr. H. keine äußeren Zeichen einer Gewalteinwirkung objektivieren können, wie sich aus seinen Berichten vom 17. Dezember 2003 und 17. März 2004 ergibt, wobei bei einer Rotatorenmanschettenruptur jedoch regelmäßig solche Verletzungszeichen erkennbar sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 513). Außerdem haben auch mehrere Ärzte insoweit auf die bei der Klägerin nachgewiesenen degenerativen Erscheinungen hingewiesen.

Soweit die Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine schwere depressive Episode mit psychischen Symptomen als Unfallfolgen des Unfalles vom 16. Dezember 2003 anzuerkennen begehrt, kann die Verursachung durch den Unfall nach den oben dargelegten Kriterien ebenfalls nicht als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden. Für psychische Krankheiten gelten hinsichtlich der Lehre der wesentlichen Bedingung (s.o.) insoweit keine Besonderheiten. Bei ihrer Entstehung wird häufig der Schwere des Unfallereignisses besondere Bedeutung zukommen. So erfordert beispielsweise die Diagnose einer "posttraumatischen Belastungsstörung" nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10, dort Kapitel V F 43.1) schon definitionsgemäß "ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde". Es gibt allerdings auch bei seelischen Erkrankungen keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ein als geringfügig beurteiltes Trauma stets als bloße Gelegenheitsursache anzusehen ist. Auch eine "abnorme seelische Bereitschaft" schließt deshalb die Bewertung einer psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein bestimmtes Ereignis und eine dadurch verursachte organische Verletzung nach wissenschaftlichen Maßstäben allgemein geeignet sind, eine psychische Störung der geltend gemachten Art hervorzurufen. Bestehen Zweifel an der Geeignetheit des als Krankheitsursache angeschuldigten Ereignisses, muss das Gericht dem nachgehen und überprüfen, ob sich die in den ärztlichen Gutachten vorgenommene Zusammenhangsbeurteilung auf dem Boden des anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse bewegt. Ein Kausalzusammenhang zwischen einem Arbeitsunfall und einer seelischen Krankheit kann nur bejaht werden, wenn nach dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand ein Unfallereignis oder Unfallfolgen der in Rede stehenden Art allgemein geeignet sind, die betreffende Störung hervorzurufen (BSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 40/05 R -).

Der Senat geht davon aus, dass die von Prof. Dr. B. festgestellten Diagnosen bei der Klägerin vorliegen, weswegen eine weitere Stellungnahme des Gutachters entbehrlich war. Die Frage der Verursachung ist demgegenüber eine Rechtsfrage, für die keine weitere Einholung eines Gutachtens erforderlich ist; denn insoweit liegt lediglich eine andere rechtliche Beurteilung seiner unstreitigen medizinischen Feststellungen vor. Insoweit wird auf die überzeugenden Ausführungen des SG verwiesen. Da diese neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen bei der Klägerin erstmalig ca. 1 ½ Jahre nach dem Unfall einsetzten, psychoreaktive Störungen aber regelmäßig innerhalb spätestens eines Monats auftreten und binnen sechs Monaten wieder abklingen, spricht der Verlauf des Krankheitsbildes vorliegend deutlich gegen eine Verursachung durch den Unfall. Hinzu kommt, dass sich in der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und in der Tatsache ihrer Kündigung ausreichende alternative Erklärungsmodelle für diese Erkrankungen finden lassen (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 227 ff.). Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung des Geschehens ist der Sturz auf die rechte Schulter mit innerhalb von weniger als sechs Monaten folgenlos verheilten organischen Verletzungen nicht geeignet gewesen, die weiteren Gesundheitsbeschwerden der Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet wesentlich zu verursachen oder zu verschlimmern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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