Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AY 2792/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 5150/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgemäß erhobene Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 S. 2 SGG, da das Begehren keinen abgegrenzten Zeitraum betrifft. Sie ist jedoch unbegründet.
Richtiger Antragsgegner ist das Land Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 FlüAG sowie § 13 Abs. 1 Nr. 1 Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg; vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R - (juris)). Dass im Rubrum des angefochtenen Beschlusses der Landkreis als Antragsgegner geführt wird, steht dem nicht entgegen. Denn die Auslegung ergibt, dass sich der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zuständigen Träger richtet, mithin das Land Baden-Württemberg, das diese Aufgaben durch die Landratsämter als untere Aufnahmebehörden wahrnimmt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) die einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG als richtige Rechtsschutzform angesehen. Die bisher ergangenen Bewilligungsbescheide regelten keine Leistungsgewährung auf unbestimmte Zeit, sondern nur für den jeweiligen ausdrücklich genannten Monat. Soweit ein schriftlicher Bescheid nicht erging, fiel die Bewilligung mit der Auszahlung der Leistung zusammen. Der "Kürzungsbescheid" vom 3. Juni 2008 stellt somit keine Aufhebung oder Rücknahme einer Bewilligungsentscheidung dar. Dem Begehren des Antragstellers wird daher durch eine reine Anfechtung dieses Bescheides nicht vollständig Rechnung getragen. Vielmehr macht der Antragsteller des Weiteren einen Leistungsanspruch geltend, nämlich auf (höhere) Leistungen nach § 2 AsylbLG (sog. Analogleistungen), hilfsweise auf ungekürzte Grundleistungen nach § 3 ff. AsylbLG. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird insoweit Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Demgemäß war auch nicht über die zum Bescheid vom 3. Juni 2008 ergangene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zu befinden. Denn dieser kommt mangels Anfechtungssituation im Rahmen der einstweiligen Anordnung keine eigenständige Bedeutung zu.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.)
Ein Anordnungsanspruch für die begehrten Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG besteht aus den vom SG genannten Gründen, auf die verwiesen wird, schon deshalb nicht, weil der Antragsteller noch keine 48 Monate Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhalten hat.
Auch ein Anspruch auf ungekürzte Leistungen nach den §§ 3 ff. AsylbLG ist nicht glaubhaft gemacht. Dieser scheitert bereits daran, dass der genannte "Kürzungsbescheid" vom 3. Juni 2008 mangels Erhebung eines Widerspruchs bestandskräftig und damit bindend geworden ist (§ 77 SGG); Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG sind, wie im Bescheid des Antragsgegners vom 9. Oktober 2008 zutreffend ausgeführt wird, nicht ersichtlich. Ist aber der dem Rechtsschutzverlangen zugrunde liegende ablehnende Bescheid zwischenzeitlich unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden, mangelt es bereits an einem streitigen Rechtsverhältnis, bezüglich dessen mit dem Eilantrag eine vorläufige Regelung erstrebt werden sollte (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 - L 7 AS 2050/07 ER-B - (juris); ebenso Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 4. Auflage, § 123 Rdnrn. 38 f.). Das betrifft die Statthaftigkeit und damit Zulässigkeit des Begehrens auf eine einstweilige Anordnung (ebenso Landessozialgericht (LSG) für das Saarland, Beschluss vom 11. August 2005 - L 9 B 4/05 AS - (juris); Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 39; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 102; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 14; ferner Senatsbeschluss vom 12. Juni 2007 - L 7 AS 1779/07 ER-B - (zu § 86b Abs. 1 SGG); anders LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Februar 2006 - L 19 B 112/05 AS ER - (juris); Hess. LSG, Beschluss vom 24. April 2006 - L 9 AS 39/06 ER - (juris) (fehlender Anordnungsanspruch)). Denn nur wenn (noch) Streit über ein Rechtsverhältnis besteht, kommt eine Regelungsanordnung überhaupt in Betracht. Dies ist hier in Anbetracht der zwischenzeitlich eingetretenen Unanfechtbarkeit des Bescheids vom 3. Juni 2008 aber nicht mehr der Fall. Die Bestandskraft des genannten Bescheids hat der Senat zu beachten, was einer summarischen Prüfung der - die Begründetheitsebene berührenden - übrigen Anordnungsvoraussetzungen (Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund) entgegen steht.
Abgesehen davon ergibt sich nach dem derzeitigen Sachstand auch kein Anordnungsanspruch mit Blick auf das unter dem 11. September 2008 beantragte "Wiederaufgreifen des Verfahrens". Soweit darin bei sachdienlicher Auslegung ein Antrag auf Aufhebung des Bescheids vom 3. Juni 2008 und auf Neubescheidung nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu erkennen ist (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., § 44 Rdnr. 13), vermag dieser unabhängig davon, ob der Bescheid des Antragsgegners vom 9. Oktober 2008 eine Entscheidung (auch) hierüber enthält bzw. ob dieser Bescheid seinerseits (rechtzeitig) angefochten wurde, keinen Anspruch des Antragstellers auf ungekürzte Leistungen nach den §§ 3 ff. AsylbLG zu begründen. Einem solchen Anspruch steht die Regelung des § 1a Nr. 2 AsylbLG entgegen. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Der Antragsteller, der abgelehnter Asylbewerber aus dem Iran und lediglich im Besitz einer Duldung ist, gehört zu diesem Personenkreis.
Die der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe müssen vom Leistungsberechtigten zu vertreten sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, in den Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten fallen und diesem vorwerfbar sein. Das Tatbestandsmerkmal des Vertretenmüssens und die davon erfasste Vorwerfbarkeit ist nach dem Zweck des AsylbLG, insbesondere dessen § 1a, eigenständig zu bestimmen. Auf das Vertretenmüssen im zivil- oder die Vorwerfbarkeit im strafrechtlichen Sinne kommt es nicht an. Das AsylbLG soll als Leistungsrecht das Existenzminimum des Ausländers wahren, der sich ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält. § 1a AsylbLG soll dabei eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme dieser Leistungen verhindern. Die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG ist keine Sanktion für strafrechtlich relevantes Verhalten. Die Gesetzesbegründung zu § 1a AsylbLG (BT-Drucks. 13/10155 S. 5) nennt als Beispiele für vom Leistungsberechtigten zu vertretende Gründe die Vernichtung von Ausweisdokumenten, die Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung und die Vereitelung der Abschiebung, also ein Verhalten, das auf die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung gerichtet ist. Voraussetzung des § 1a Nr. 2 AsylbLG ist daher ein im freien Willen des Leistungsberechtigten stehendes, auf die Verhinderung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abzielendes Tun oder Unterlassen, das zu einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG führt (GK-AsylbLG § 1a Rdnr. 103 unter Hinweis auf den Bericht des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks. 13/11172 S. 8); Schneider in Handbuch des Fachanwalts, Sozialrecht, 2. Aufl., Kap. 15 Rdnr. 5).
Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung kann sich der Antragsteller für sein Begehren nicht auf das Urteil des BSG vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R - (juris)) stützen. Zwar hat das BSG ausgeführt, dass ein Rechtsmissbrauch bzgl. der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer nicht schon dann vorliege, wenn lediglich die durch eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erworbene "Rechtsposition" ausgenutzt werde, der Ausländer also nur nicht freiwillig ausreise. Rechtsmissbrauch könne nur bei einer darüber hinausgehenden Sozialwidrigkeit des Verhaltens angenommen werden, was wiederum ein vorsätzliches Verhalten voraussetze. Diese vom BSG formulierten Anforderungen an ein rechtsmissbräuchliches Verhalten beziehen sich jedoch allein auf die Regelung des § 2 AsylbLG über den Anspruch auf sog. Analogleistungen. Diese weicht jedoch in Wortlaut, Voraussetzungen und Rechtsfolgen erheblich von der hier streitigen Vorschrift des § 1a AsylbLG ab. § 1a Nr. 2 und § 2 Abs. 1 AsylbLG normieren zwar sich überschneidende "Missbrauchstatbestände". Dabei führt §§ 1a Nr. 2 AsylbLG bei geringeren Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit, zu geringeren Leistungen im Vergleich zu denen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG. Dies ist aber zeitlich beschränkt auf den Zeitraum, in dem beabsichtigte oder bereits eingeleitete aufenthaltsbeendende Maßnahmen wegen des Verhaltens des Ausländers nicht vollzogen werden können. Der Rechtsmissbrauch im Rahmen des § 2 AsylbLG führt hingegen zum dauerhaften Ausschluss von den höheren Analogleistungen (BSG, a.a.O., Rdnr. 46). Das BSG hebt mehrmals hervor, dass die gesetzlich formulierten Anforderungen in § 2 Abs. 1 AsylbLG von denen des § 1a AsylbLG abweichen und im Rahmen des § 2 Abs. 1 AsylbLG eine andere Wertung gezogen werden kann und muss, weil die dortige Regelung zu einem dauerhaften Ausschluss (höherer) Leistungen führt, § 1a AsylbLG hingegen zu einer vorübergehenden Gewährung niedrigerer Leistungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es der Ausländer im Rahmen des § 1a AsylbLG selbst in der Hand hat, die "Kürzung" der Leistungen zu beenden, indem er der geforderten Mitwirkungshandlung nachkommt. Im Rahmen des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist dies nicht möglich, da bereits ein einmaliges rechtsmissbräuchliches Verhalten den dauerhaften Ausschluss von Analogleistungen nach sich zieht. Demnach ergibt sich aus der genannten Entscheidung des BSG vom 17. Juni 2008 gerade, dass die dortigen Ausführungen nicht auf § 1a AsylbLG übertragen werden können, bei diesem vielmehr gerade andere Maßstäbe gelten.
Nach dem derzeitigen Sachstand ist davon auszugehen, dass im Falle des Antragstellers aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur mangels nötiger Ausreisepapiere (Passersatzpapiere) nicht vollzogen werden können. Andere Hindernisse sind vom Antragsteller nicht vorgetragen und erst recht nicht glaubhaft gemacht worden. Danach steht aufgrund der bestandskräftigen Entscheidungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. Dezember 2000 und 20. November 2001 fest, dass Asylgründe ebenso wenig vorliegen wie die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG; die Ausreisepflicht des Antragstellers ist damit auch vollziehbar.
Das der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehende Hindernis hat der Antragsteller zu vertreten, da er seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Passersatzpapieren nicht nachgekommen ist. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ist der Ausländer verpflichtet, im Falle des Nichtbesitzes eines Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Diese Pflicht endet nicht mit dem bestandskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens; vielmehr dient sie auch dem Zweck, die Rückführung des Ausländers in seinen Heimatstaat zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Oktober 1998 - A 9 S 856/98 - VBlBW 1999, 229). § 48 Abs. 3 AufenthG regelt eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Ausländers. Umfasst ist hiervon nach § 49 Abs. 2 AufenthG die Verpflichtung, im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten die von der Vertretung des Heimatlandes geforderten und mit deutschem Recht in Einklang stehenden Erklärungen abzugeben. Dies bezieht sich zwar nur auf Erklärungen, die der Ermittlung der Identität und der Staatsangehörigkeit dienen, so dass es keine Grundlage für eine selbständig durchsetzbare Pflicht zur Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" gibt. Insoweit handelt es sich jedoch um eine Obliegenheit, die sich aus der Ausreisepflicht selbst ergibt (Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2008 - 17 A 2250/07 - DVBl 2008, 1204 m.w.N.).
Die Abgabe der Freiwilligkeitserklärung ist dem Antragsteller zumutbar (zur Zumutbarkeit der Freiwilligkeitserklärung wie hier LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. September 2007 - L 8 B 11/06 AY ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2007 - L 20 B 65/05 AY ER -; OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O.; OVG Niedersachsen, Urteil vom 11. Dezember 2002 - 4 LB 471/02). Nach dem derzeitigen Sachstand ist davon auszugehen, dass sich diese Erklärung in der Bekundung erschöpft, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen (OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. m.w.N.). Einen weiteren Inhalt oder Bedeutungsgehalt macht auch der Antragsteller nicht geltend. Er hat mithin lediglich das zu bekunden, was ihm das deutsche Recht ausländerrechtlich ohnehin zumutet und von ihm erwartet. Denn die erteilte Duldung ist nur Ausdruck der nicht durchführbaren Abschiebung, lässt aber die Pflicht zur Ausreise gerade unberührt (§§ 50, 60a Abs. 3 AufenthG). Diese Pflicht hat der Antragsteller grundsätzlich freiwillig zu erfüllen. Die Abschiebung darf erst erfolgen, wenn die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist (§ 58 AufenthG). Der weitere Aufenthalt des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland widerspricht somit der Rechtsordnung. Der Antragsteller wird daher nicht dazu angehalten, gegenüber der Vertretung seines Heimatstaates zu lügen. Vielmehr kann und muss vom ausreisepflichtigen Ausländer verlangt werden, dass er sich rechtstreu verhält, also entsprechend der für ihn bestehenden Pflicht zur freiwilligen Ausreise. Dass der Wille zur freiwilligen Ausreise auch von einem subjektiven Rückkehrwunsch getragen sein muss, ist nach derzeitigem Sachstand nicht Inhalt der Freiwilligkeitserklärung. Besteht die Bereitschaft, sich rechtstreu zu verhalten und freiwillig auszureisen, nicht, muss die Erklärung nicht abgegeben werden; ein Zwang zur Lüge besteht somit gerade nicht.
Es stellt sich dann jedoch die Frage, welche Konsequenzen dieses Verhalten leistungsrechtlich hat, das den Widerspruch zur deutschen Rechtsordnung zum Ausdruck bringt, wie sie ausländerrechtlich konkretisiert ist. Es entspricht gerade der Wertung des § 1a Nr. 2 AsylbLG, niedrigere Leistungen zu gewähren, wenn der fortgesetzte Leistungsbezug darauf beruht, dass der Ausländer gegen seine ausländerrechtlichen Pflichten zur Mitwirkung bei der Aufenthaltsbeendigung verstößt. Da die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG keine Sanktion für strafrechtlich relevantes Handeln darstellt, sondern der genannten - eigenständigen - leistungsrechtlichen Wertung folgt, kann nicht auf die zur Freiwilligkeitserklärung ergangene strafgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt NVwZ-Beil. 1999, 8; OLG Köln NVwZ-RR 2007, 133; OLG Nürnberg, Urteil vom 16. Januar 2007 - 2 St OLG Ss 242/06 -; letzteres hat die Frage der Zumutbarkeit der Freiwilligkeitserklärung für Beschaffung von Rückreisepapieren ausdrücklich offen gelassen).
Darüber hinaus ergibt sich auch aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. Oktober 2006 (5 K 2182/05) und des hierzu ergangenen (Nichtzulassungs-) Beschlusses des VGH Baden-Württemberg vom 4. September 2007 (11 S 2842/06), dass der Antragsteller an der Beschaffung von Reisepapieren nicht ausreichend mitwirkt. Diese Nichtmitwirkung an der Passbeschaffung und die Weigerung zur Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" werden vom Antragsteller auch nicht in Abrede gestellt.
Bedenken gegen den Umfang der gewährten Leistungen bzw. der Leistungskürzung bestehen nicht. § 1a AsylbLG macht bereits im Wortlaut deutlich, dass die Bestimmung des "unabweisbar gebotenen" Umfanges nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen hat. Der Barbetrag nach § 3 Abs. 1 S. 4 AsylbLG gehört grundsätzlich nicht zu den unabweisbar gebotenen Leistungen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., AsylbLG § 1a Rdnr. 31). Darüber hinaus hat der Antragsgegner bereits im Bescheid vom 3. Juni 2008 klargestellt, dass Fahrtkosten für die Vorstellung in der Heimatvertretung übernommen werden. Auch die Nichtgewährung eines Barbetrages für den Bekleidungsbedarf begegnet keinen rechtlichen Bedenken (Hohm, a.a.O., Rdnr. 30). Denn der Antragsgegner hat im Parallelverfahren des Sohnes des Antragstellers (s. dazu den Senatsbeschluss vom 24. November 2008 - L 7 AY 5149/08 ER-B -) deutlich gemacht, dass ein akuter Bekleidungsbedarf durch die Inanspruchnahme der Kleiderkammer oder die Ausgabe von Warengutscheinen befriedigt werden wird; es ist nichts dafür ersichtlich, dass im Falle des Antragstellers anders verfahren wird. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner nur noch einen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung stellt (vgl. Hohm, a.a.O., Rdnr. 29). Der Anmietung einer privaten Wohnung war zugestimmt worden, weil der Antragsteller sich zu diesem Zeitpunkt selbst unterhalten konnte. Nach Wegfall seiner Arbeitserlaubnis zum 17. März 2005 und der Inanspruchnahme von Grundleistungen stand zunächst kein freier Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung. Auch unter Berücksichtigung der Gründe, die für eine Unterbringung in einer Privatwohnung gesprochen haben, ist die zukünftige Deckung des Unterkunftsbedarfs in einer Gemeinschaftsunterkunft daher nicht zu beanstanden. Schließlich hat der Antragsgegner dem Antragsteller die Kosten der Miete für die Dauer der für die Kündigung des Mietvertrages geltenden Frist weiter bewilligt. Die weiteren Leistungen werden gewährt oder sind sichergestellt. Der Antragsteller selbst hat hierzu keine konkreten Einwendungen erhoben.
Auch mit Blick auf den gestellten Überprüfungsantrag war die begehrte einstweilige Anordnung daher nicht zu erlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgemäß erhobene Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 S. 2 SGG, da das Begehren keinen abgegrenzten Zeitraum betrifft. Sie ist jedoch unbegründet.
Richtiger Antragsgegner ist das Land Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 FlüAG sowie § 13 Abs. 1 Nr. 1 Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg; vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R - (juris)). Dass im Rubrum des angefochtenen Beschlusses der Landkreis als Antragsgegner geführt wird, steht dem nicht entgegen. Denn die Auslegung ergibt, dass sich der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zuständigen Träger richtet, mithin das Land Baden-Württemberg, das diese Aufgaben durch die Landratsämter als untere Aufnahmebehörden wahrnimmt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) die einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG als richtige Rechtsschutzform angesehen. Die bisher ergangenen Bewilligungsbescheide regelten keine Leistungsgewährung auf unbestimmte Zeit, sondern nur für den jeweiligen ausdrücklich genannten Monat. Soweit ein schriftlicher Bescheid nicht erging, fiel die Bewilligung mit der Auszahlung der Leistung zusammen. Der "Kürzungsbescheid" vom 3. Juni 2008 stellt somit keine Aufhebung oder Rücknahme einer Bewilligungsentscheidung dar. Dem Begehren des Antragstellers wird daher durch eine reine Anfechtung dieses Bescheides nicht vollständig Rechnung getragen. Vielmehr macht der Antragsteller des Weiteren einen Leistungsanspruch geltend, nämlich auf (höhere) Leistungen nach § 2 AsylbLG (sog. Analogleistungen), hilfsweise auf ungekürzte Grundleistungen nach § 3 ff. AsylbLG. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird insoweit Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Demgemäß war auch nicht über die zum Bescheid vom 3. Juni 2008 ergangene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zu befinden. Denn dieser kommt mangels Anfechtungssituation im Rahmen der einstweiligen Anordnung keine eigenständige Bedeutung zu.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.)
Ein Anordnungsanspruch für die begehrten Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG besteht aus den vom SG genannten Gründen, auf die verwiesen wird, schon deshalb nicht, weil der Antragsteller noch keine 48 Monate Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhalten hat.
Auch ein Anspruch auf ungekürzte Leistungen nach den §§ 3 ff. AsylbLG ist nicht glaubhaft gemacht. Dieser scheitert bereits daran, dass der genannte "Kürzungsbescheid" vom 3. Juni 2008 mangels Erhebung eines Widerspruchs bestandskräftig und damit bindend geworden ist (§ 77 SGG); Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG sind, wie im Bescheid des Antragsgegners vom 9. Oktober 2008 zutreffend ausgeführt wird, nicht ersichtlich. Ist aber der dem Rechtsschutzverlangen zugrunde liegende ablehnende Bescheid zwischenzeitlich unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden, mangelt es bereits an einem streitigen Rechtsverhältnis, bezüglich dessen mit dem Eilantrag eine vorläufige Regelung erstrebt werden sollte (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 - L 7 AS 2050/07 ER-B - (juris); ebenso Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 4. Auflage, § 123 Rdnrn. 38 f.). Das betrifft die Statthaftigkeit und damit Zulässigkeit des Begehrens auf eine einstweilige Anordnung (ebenso Landessozialgericht (LSG) für das Saarland, Beschluss vom 11. August 2005 - L 9 B 4/05 AS - (juris); Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 39; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 102; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 14; ferner Senatsbeschluss vom 12. Juni 2007 - L 7 AS 1779/07 ER-B - (zu § 86b Abs. 1 SGG); anders LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Februar 2006 - L 19 B 112/05 AS ER - (juris); Hess. LSG, Beschluss vom 24. April 2006 - L 9 AS 39/06 ER - (juris) (fehlender Anordnungsanspruch)). Denn nur wenn (noch) Streit über ein Rechtsverhältnis besteht, kommt eine Regelungsanordnung überhaupt in Betracht. Dies ist hier in Anbetracht der zwischenzeitlich eingetretenen Unanfechtbarkeit des Bescheids vom 3. Juni 2008 aber nicht mehr der Fall. Die Bestandskraft des genannten Bescheids hat der Senat zu beachten, was einer summarischen Prüfung der - die Begründetheitsebene berührenden - übrigen Anordnungsvoraussetzungen (Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund) entgegen steht.
Abgesehen davon ergibt sich nach dem derzeitigen Sachstand auch kein Anordnungsanspruch mit Blick auf das unter dem 11. September 2008 beantragte "Wiederaufgreifen des Verfahrens". Soweit darin bei sachdienlicher Auslegung ein Antrag auf Aufhebung des Bescheids vom 3. Juni 2008 und auf Neubescheidung nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu erkennen ist (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., § 44 Rdnr. 13), vermag dieser unabhängig davon, ob der Bescheid des Antragsgegners vom 9. Oktober 2008 eine Entscheidung (auch) hierüber enthält bzw. ob dieser Bescheid seinerseits (rechtzeitig) angefochten wurde, keinen Anspruch des Antragstellers auf ungekürzte Leistungen nach den §§ 3 ff. AsylbLG zu begründen. Einem solchen Anspruch steht die Regelung des § 1a Nr. 2 AsylbLG entgegen. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Der Antragsteller, der abgelehnter Asylbewerber aus dem Iran und lediglich im Besitz einer Duldung ist, gehört zu diesem Personenkreis.
Die der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe müssen vom Leistungsberechtigten zu vertreten sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, in den Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten fallen und diesem vorwerfbar sein. Das Tatbestandsmerkmal des Vertretenmüssens und die davon erfasste Vorwerfbarkeit ist nach dem Zweck des AsylbLG, insbesondere dessen § 1a, eigenständig zu bestimmen. Auf das Vertretenmüssen im zivil- oder die Vorwerfbarkeit im strafrechtlichen Sinne kommt es nicht an. Das AsylbLG soll als Leistungsrecht das Existenzminimum des Ausländers wahren, der sich ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält. § 1a AsylbLG soll dabei eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme dieser Leistungen verhindern. Die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG ist keine Sanktion für strafrechtlich relevantes Verhalten. Die Gesetzesbegründung zu § 1a AsylbLG (BT-Drucks. 13/10155 S. 5) nennt als Beispiele für vom Leistungsberechtigten zu vertretende Gründe die Vernichtung von Ausweisdokumenten, die Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung und die Vereitelung der Abschiebung, also ein Verhalten, das auf die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung gerichtet ist. Voraussetzung des § 1a Nr. 2 AsylbLG ist daher ein im freien Willen des Leistungsberechtigten stehendes, auf die Verhinderung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abzielendes Tun oder Unterlassen, das zu einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG führt (GK-AsylbLG § 1a Rdnr. 103 unter Hinweis auf den Bericht des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks. 13/11172 S. 8); Schneider in Handbuch des Fachanwalts, Sozialrecht, 2. Aufl., Kap. 15 Rdnr. 5).
Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung kann sich der Antragsteller für sein Begehren nicht auf das Urteil des BSG vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R - (juris)) stützen. Zwar hat das BSG ausgeführt, dass ein Rechtsmissbrauch bzgl. der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer nicht schon dann vorliege, wenn lediglich die durch eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erworbene "Rechtsposition" ausgenutzt werde, der Ausländer also nur nicht freiwillig ausreise. Rechtsmissbrauch könne nur bei einer darüber hinausgehenden Sozialwidrigkeit des Verhaltens angenommen werden, was wiederum ein vorsätzliches Verhalten voraussetze. Diese vom BSG formulierten Anforderungen an ein rechtsmissbräuchliches Verhalten beziehen sich jedoch allein auf die Regelung des § 2 AsylbLG über den Anspruch auf sog. Analogleistungen. Diese weicht jedoch in Wortlaut, Voraussetzungen und Rechtsfolgen erheblich von der hier streitigen Vorschrift des § 1a AsylbLG ab. § 1a Nr. 2 und § 2 Abs. 1 AsylbLG normieren zwar sich überschneidende "Missbrauchstatbestände". Dabei führt §§ 1a Nr. 2 AsylbLG bei geringeren Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit, zu geringeren Leistungen im Vergleich zu denen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG. Dies ist aber zeitlich beschränkt auf den Zeitraum, in dem beabsichtigte oder bereits eingeleitete aufenthaltsbeendende Maßnahmen wegen des Verhaltens des Ausländers nicht vollzogen werden können. Der Rechtsmissbrauch im Rahmen des § 2 AsylbLG führt hingegen zum dauerhaften Ausschluss von den höheren Analogleistungen (BSG, a.a.O., Rdnr. 46). Das BSG hebt mehrmals hervor, dass die gesetzlich formulierten Anforderungen in § 2 Abs. 1 AsylbLG von denen des § 1a AsylbLG abweichen und im Rahmen des § 2 Abs. 1 AsylbLG eine andere Wertung gezogen werden kann und muss, weil die dortige Regelung zu einem dauerhaften Ausschluss (höherer) Leistungen führt, § 1a AsylbLG hingegen zu einer vorübergehenden Gewährung niedrigerer Leistungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es der Ausländer im Rahmen des § 1a AsylbLG selbst in der Hand hat, die "Kürzung" der Leistungen zu beenden, indem er der geforderten Mitwirkungshandlung nachkommt. Im Rahmen des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist dies nicht möglich, da bereits ein einmaliges rechtsmissbräuchliches Verhalten den dauerhaften Ausschluss von Analogleistungen nach sich zieht. Demnach ergibt sich aus der genannten Entscheidung des BSG vom 17. Juni 2008 gerade, dass die dortigen Ausführungen nicht auf § 1a AsylbLG übertragen werden können, bei diesem vielmehr gerade andere Maßstäbe gelten.
Nach dem derzeitigen Sachstand ist davon auszugehen, dass im Falle des Antragstellers aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur mangels nötiger Ausreisepapiere (Passersatzpapiere) nicht vollzogen werden können. Andere Hindernisse sind vom Antragsteller nicht vorgetragen und erst recht nicht glaubhaft gemacht worden. Danach steht aufgrund der bestandskräftigen Entscheidungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. Dezember 2000 und 20. November 2001 fest, dass Asylgründe ebenso wenig vorliegen wie die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG; die Ausreisepflicht des Antragstellers ist damit auch vollziehbar.
Das der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehende Hindernis hat der Antragsteller zu vertreten, da er seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Passersatzpapieren nicht nachgekommen ist. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ist der Ausländer verpflichtet, im Falle des Nichtbesitzes eines Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Diese Pflicht endet nicht mit dem bestandskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens; vielmehr dient sie auch dem Zweck, die Rückführung des Ausländers in seinen Heimatstaat zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Oktober 1998 - A 9 S 856/98 - VBlBW 1999, 229). § 48 Abs. 3 AufenthG regelt eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Ausländers. Umfasst ist hiervon nach § 49 Abs. 2 AufenthG die Verpflichtung, im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten die von der Vertretung des Heimatlandes geforderten und mit deutschem Recht in Einklang stehenden Erklärungen abzugeben. Dies bezieht sich zwar nur auf Erklärungen, die der Ermittlung der Identität und der Staatsangehörigkeit dienen, so dass es keine Grundlage für eine selbständig durchsetzbare Pflicht zur Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" gibt. Insoweit handelt es sich jedoch um eine Obliegenheit, die sich aus der Ausreisepflicht selbst ergibt (Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2008 - 17 A 2250/07 - DVBl 2008, 1204 m.w.N.).
Die Abgabe der Freiwilligkeitserklärung ist dem Antragsteller zumutbar (zur Zumutbarkeit der Freiwilligkeitserklärung wie hier LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. September 2007 - L 8 B 11/06 AY ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2007 - L 20 B 65/05 AY ER -; OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O.; OVG Niedersachsen, Urteil vom 11. Dezember 2002 - 4 LB 471/02). Nach dem derzeitigen Sachstand ist davon auszugehen, dass sich diese Erklärung in der Bekundung erschöpft, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen (OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. m.w.N.). Einen weiteren Inhalt oder Bedeutungsgehalt macht auch der Antragsteller nicht geltend. Er hat mithin lediglich das zu bekunden, was ihm das deutsche Recht ausländerrechtlich ohnehin zumutet und von ihm erwartet. Denn die erteilte Duldung ist nur Ausdruck der nicht durchführbaren Abschiebung, lässt aber die Pflicht zur Ausreise gerade unberührt (§§ 50, 60a Abs. 3 AufenthG). Diese Pflicht hat der Antragsteller grundsätzlich freiwillig zu erfüllen. Die Abschiebung darf erst erfolgen, wenn die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist (§ 58 AufenthG). Der weitere Aufenthalt des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland widerspricht somit der Rechtsordnung. Der Antragsteller wird daher nicht dazu angehalten, gegenüber der Vertretung seines Heimatstaates zu lügen. Vielmehr kann und muss vom ausreisepflichtigen Ausländer verlangt werden, dass er sich rechtstreu verhält, also entsprechend der für ihn bestehenden Pflicht zur freiwilligen Ausreise. Dass der Wille zur freiwilligen Ausreise auch von einem subjektiven Rückkehrwunsch getragen sein muss, ist nach derzeitigem Sachstand nicht Inhalt der Freiwilligkeitserklärung. Besteht die Bereitschaft, sich rechtstreu zu verhalten und freiwillig auszureisen, nicht, muss die Erklärung nicht abgegeben werden; ein Zwang zur Lüge besteht somit gerade nicht.
Es stellt sich dann jedoch die Frage, welche Konsequenzen dieses Verhalten leistungsrechtlich hat, das den Widerspruch zur deutschen Rechtsordnung zum Ausdruck bringt, wie sie ausländerrechtlich konkretisiert ist. Es entspricht gerade der Wertung des § 1a Nr. 2 AsylbLG, niedrigere Leistungen zu gewähren, wenn der fortgesetzte Leistungsbezug darauf beruht, dass der Ausländer gegen seine ausländerrechtlichen Pflichten zur Mitwirkung bei der Aufenthaltsbeendigung verstößt. Da die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG keine Sanktion für strafrechtlich relevantes Handeln darstellt, sondern der genannten - eigenständigen - leistungsrechtlichen Wertung folgt, kann nicht auf die zur Freiwilligkeitserklärung ergangene strafgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt NVwZ-Beil. 1999, 8; OLG Köln NVwZ-RR 2007, 133; OLG Nürnberg, Urteil vom 16. Januar 2007 - 2 St OLG Ss 242/06 -; letzteres hat die Frage der Zumutbarkeit der Freiwilligkeitserklärung für Beschaffung von Rückreisepapieren ausdrücklich offen gelassen).
Darüber hinaus ergibt sich auch aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. Oktober 2006 (5 K 2182/05) und des hierzu ergangenen (Nichtzulassungs-) Beschlusses des VGH Baden-Württemberg vom 4. September 2007 (11 S 2842/06), dass der Antragsteller an der Beschaffung von Reisepapieren nicht ausreichend mitwirkt. Diese Nichtmitwirkung an der Passbeschaffung und die Weigerung zur Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" werden vom Antragsteller auch nicht in Abrede gestellt.
Bedenken gegen den Umfang der gewährten Leistungen bzw. der Leistungskürzung bestehen nicht. § 1a AsylbLG macht bereits im Wortlaut deutlich, dass die Bestimmung des "unabweisbar gebotenen" Umfanges nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen hat. Der Barbetrag nach § 3 Abs. 1 S. 4 AsylbLG gehört grundsätzlich nicht zu den unabweisbar gebotenen Leistungen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., AsylbLG § 1a Rdnr. 31). Darüber hinaus hat der Antragsgegner bereits im Bescheid vom 3. Juni 2008 klargestellt, dass Fahrtkosten für die Vorstellung in der Heimatvertretung übernommen werden. Auch die Nichtgewährung eines Barbetrages für den Bekleidungsbedarf begegnet keinen rechtlichen Bedenken (Hohm, a.a.O., Rdnr. 30). Denn der Antragsgegner hat im Parallelverfahren des Sohnes des Antragstellers (s. dazu den Senatsbeschluss vom 24. November 2008 - L 7 AY 5149/08 ER-B -) deutlich gemacht, dass ein akuter Bekleidungsbedarf durch die Inanspruchnahme der Kleiderkammer oder die Ausgabe von Warengutscheinen befriedigt werden wird; es ist nichts dafür ersichtlich, dass im Falle des Antragstellers anders verfahren wird. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner nur noch einen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung stellt (vgl. Hohm, a.a.O., Rdnr. 29). Der Anmietung einer privaten Wohnung war zugestimmt worden, weil der Antragsteller sich zu diesem Zeitpunkt selbst unterhalten konnte. Nach Wegfall seiner Arbeitserlaubnis zum 17. März 2005 und der Inanspruchnahme von Grundleistungen stand zunächst kein freier Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung. Auch unter Berücksichtigung der Gründe, die für eine Unterbringung in einer Privatwohnung gesprochen haben, ist die zukünftige Deckung des Unterkunftsbedarfs in einer Gemeinschaftsunterkunft daher nicht zu beanstanden. Schließlich hat der Antragsgegner dem Antragsteller die Kosten der Miete für die Dauer der für die Kündigung des Mietvertrages geltenden Frist weiter bewilligt. Die weiteren Leistungen werden gewährt oder sind sichergestellt. Der Antragsteller selbst hat hierzu keine konkreten Einwendungen erhoben.
Auch mit Blick auf den gestellten Überprüfungsantrag war die begehrte einstweilige Anordnung daher nicht zu erlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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