L 10 R 2323/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 4887/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2323/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.04.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt Rente wegen Erwerbsminderung.

Die im Jahre 1958 geborene Klägerin hat keinen Beruf gelernt und war zuletzt als Maschinen- bzw. Montagearbeiterin beschäftigt. Seit Auflösung ihres Arbeitsvertrages zum Jahreswechsel 2005/2006 ist sie nicht mehr erwerbstätig. Sie leidet im Wesentlichen an einer depressiven Anpassungsstörung sowie an Schmerzen insbesondere im Kopf-, Schulter- und Rückenbereich.

Bereits im Jahre 2004 befand sich die Klägerin zu einer Anschlussheilbehandlung nach einer lumbalen Bandscheibenoperation in der F klinik Bad B. , aus der sie mit der Prognose eines mehr als sechsstündigen Leistungsvermögens für leichte und mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Bücken sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule entlassen wurde. Im Dezember 2005 und Januar 2006 wurde sodann ein weiteres, nunmehr psychosomatisch/psychotherapeutisch ausgerichtetes Heilverfahren in der S klinik Bad B. durchgeführt. Die Entlassung erfolgte wiederum mit der Einschätzung eines mehr als sechsstündigen Leistungsvermögens, allerdings nur für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Nachtschicht und Akkord sowie ohne anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule.

Den am 12.07.2006 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte unter Zugrundelegung des Reha-Entlassungsberichtes der S klinik Bad B. sowie einer hierauf gestützten Stellungnahme des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. R. mit Bescheid vom 03.08.2006 und Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da sie noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide aus, da die Klägerin angesichts der von ihr zuletzt ausgeübten ungelernten Tätigkeit auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne und die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich sei.

Am 15.12.2006 hat die Klägerin beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben und eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nebst Aufhebung der dem entgegenstehenden Bescheide begehrt. Im Verlaufe des Verfahrens hat sie Arztberichte des Schmerzzentrums G. , Dr. M.-Schw. , (u. a. chronifiziertes Schmerzsyndrom im Stadium III nach Gebertshagen) und des Internisten und Rheumatologen Dr. W. (Fibromyalgie) sowie ein Gutachten nach Aktenlage der Vertragsärztin der Agentur für Arbeit A., Dr. E. , (u. a. chronisches Schmerzsyndrom sowie anhaltende somatoforme Schmerzstörung und mittelgradige depressive Episode; tägliches Leistungsvermögen weniger als drei Stunden für voraussichtlich mehr als sechs Monate, nicht aber auf Dauer) vorgelegt.

Das Sozialgericht hat eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. O. (deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit Anfang 2006 mit zusätzlich diagnostiziertem Verdacht auf koronare Herzkrankheit, Gastroduodenitis und Parästhesie beider Arme; auf Grund fehlender psychischer und physischer Belastbarkeit keine Leistungsfähigkeit für eine Erwerbstätigkeit) sowie ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. (Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Operation L5/S1 mit Belastungseinschränkung der Wirbelsäule, einer muskulären Dysbalance und einem sensiblen Defizit L5, depressive Anpassungsstörung nach Konflikten am Arbeitsplatz und Arbeitsplatzverlust, z. T. aggravierte Symptomatik; mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für die bisherige Tätigkeit sowie für leichte bis mittelschwere Arbeiten bei wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen Arbeiten mit Kälte- und Nässeexposition) eingeholt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht darüber hinaus den Facharzt für Orthopädie Dr. K. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt (Postnukleotomiesyndrom mit Hyposensibilität L5 links bei regelrechter Kraft, HWS- und BWS-Syndrom ohne sensomotorische Defizite in beiden oberen Extremitäten, Periarthritis humeroscapularis beidseits bei endgradig schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit aber guter Kraft in beiden oberen Extremitäten, Hallux valgus beidseits sowie Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom; mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für die bisherige Tätigkeit sowie für leichte Frauenarbeiten überwiegend stehend, sitzend und gehend ohne dauernde Überkopfarbeit und Arbeit in Wirbelsäulenzwangshaltung).

Mit Urteil vom 08.04.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert. Sie könne leichte Tätigkeiten, darunter die von ihr zuletzt ausgeübte Beschäftigung noch sechs Stunden je Arbeitstag verrichten. Die depressive Anpassungsstörung und die im Bereich der Wirbelsäule vorhandenen Gesundheitsstörungen bewirkten nach der widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Leistungsbeurteilung der gerichtlichen Sachverständigen zur Überzeugung des Gerichts zwar qualitative, nicht aber quantitative Einschränkungen des Leistungsvermögens. Gleiches gelte für die übrigen Gesundheitsstörungen. Aus der Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms folge für sich allein keine Leistungseinschränkung. Diese Entscheidung ist der Klägerin am 21.04.2008 zugestellt worden.

Am 28.04.2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf das bei ihr diagnostizierte Fibromyalgiesyndrom sowie die Leistungseinschätzung durch Dr. O. und Dr. E. berufen und hierzu ein Attest der erstgenannten Ärztin vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.04.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf das angegriffene Urteil,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Renten- und Reha-Akten der Beklagten verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr sowohl erstinstanzlich als auch im Berufungsverfahren allein begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung, bei der es sich um einen gegenüber dem Anspruch auf teilweise Erwerbsminderung eigenständigen Versicherungsfall (vgl. BSG, Beschluss vom 16.03.2006 - B 4 RA 24/05 B - SozR 4-1500 § 160a Nr. 13 = Breith 2006, 943-948 = SGb 2007, 56 ff.) und damit auch Streitgegenstand im gerichtlichen Verfahren handelt. Sie vermag nämlich leichte Arbeitstätigkeiten noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag zu verrichten und ist damit gem. § 43 Abs. 3, Abs. 2 SGB VI nicht erwerbsgemindert. Die Beklagte hat die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Rentengewährung im Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006 ebenso ausführlich und zutreffend dargelegt, wie das Sozialgericht das sechsstündige Leistungsvermögen der Klägerin im angegriffenen Urteil, so dass insoweit auf die genannten Entscheidungen verwiesen wird (§ 136 Abs. 3, § 142 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Eine hier erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergibt sich nicht aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest von Dr. O ... Denn die darin aufgeführten Gesundheitsbeeinträchtigungen sind bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen, und die nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. O. für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit maßgeblichen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet vermögen nach den überzeugenden fachärztlichen Gutachten von Dr. J. und Dr. K. keine hier erhebliche Leistungseinschränkung zu begründen. Hinsichtlich der Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms hat das Sozialgericht das Erforderliche erläutert und bedarf es keiner weiteren Ausführungen.

Mit Blick auf das Gutachten der Vertragsärztin der Agentur für Arbeit A. Dr. E. vom 01.10.2007 gilt im Ergebnis nichts anderes. Denn das Gutachten beruht im Gegensatz zu den im Mai und Dezember 2007 erstatteten Sachverständigengutachten von Dr. J. und Dr. K. nicht auf einer Untersuchung der Klägerin, sondern lediglich auf deren Beschwerdeangaben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved