L 10 U 2555/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3439/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2555/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.05.2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2000 abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 05.11.1999 bis 31.05.2000 Verletztengeld abzüglich erhaltenem Krankengeld und vom 01.06.2000 bis 23.04.2003 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v. H. und ab 24.04.2003 nach einer MdE von 40 v. H. zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ereignisses vom 02.04.1999.

Der am 1948 geborene Kläger war in den 1990er-Jahren als Verwaltungsangestellter beschäftigt und als ehrenamtlicher Naturschutzwart im Landkreis E. tätig. Er hatte K.-D. S (S.) bereits mehrmals angezeigt, verbotswidrig in einem Naturschutzgebiet mit seinen Schäferhunden Dressurübungen ausgeführt zu haben. Im April 1999 übermittelte das Landratsamt E. unter Hinweis auf eine beigefügte Schilderung des Klägers die Unfallanzeige betreffend den Vorfall vom 02.04.1999. Nach dieser Schilderung befand sich der Kläger mit seinem Fahrrad und seinem Hund auf einer Kontrollfahrt, als er von S., der mit einem seiner Schäferhunde Fährtenarbeit im Naturschutzgebiet übte, bemerkt wurde. S. verfolgte den Kläger mit seinem PKW mit Anhänger, in dem sich seine Hunde befanden, und drängte ihn beim Überholmanöver auf dem Feldweg ab, wobei der Kläger vom Anhänger berührt wurde, stürzte und sich Schürfwunden und Prellungen zuzog. Während der nachfolgenden Angriffe des S., der mehrmals gegen das Fahrrad des Klägers trat, das dieser zu seinem Schutz vor sich hielt, und zudem versuchte, seine Hunde auf den Kläger zu hetzen, fiel der Kläger rücklings mit seinem Fahrrad in einen Acker. Er wehrte sich mit seinem mitgeführten Pfefferspray, sodass S. schließlich von ihm abließ und mit seinem Fahrzeug wegfuhr. Zur weiteren Darstellung der Schilderung des Klägers wird auf Blatt 2/3 der Verwaltungsakte verwiesen.

Nach dem Unfall war der Kläger durchgehend bis einschließlich Mai 2000 vor allem wegen Schmerzen im Bereich des rechten Oberschenkels arbeitsunfähig (Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - vom 28.01.2000, 30.03.2000, 22.05.2000). Er erhielt bis 04.10.1999 sein Gehalt fortgezahlt und - zunächst - von seiner Krankenkasse vom 05.10. bis 04.11.1999 Verletztengeld ausgezahlt (kalendertäglich 111,48 DM), danach wurde ihm bis 31.05.2000 Krankengeld bewilligt (kalendertäglich anfangs 100,33 DM). Vom 01.06. bis 06.09.2000 bezog er Übergangsgeld, seit dem 07.09.2000 erhält der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Im Rahmen der zivilrechtlichen Auseinandersetzung ist S. vom Amtsgericht Kenzingen (Urteil vom 01.10.2002, 1 C 54/02, rechtskräftig nach Zurückweisung der Berufung mit Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 11.04.2003, 3 S 441/02) verurteilt worden, an den Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen.

Ermittlungs- und Strafverfahren wurden gegen beide Beteiligte durchgeführt. Nachdem das Amtsgericht Kenzingen im Urteil vom 03.02.2000 (Cs 33 Js 13331/99 AK 333/99) der Schilderung des Klägers gefolgt war (zur genauen Darstellung wird auf die Feststellungen im Urteil verwiesen) und S. wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, versuchter Körperverletzung und Beleidigung bei gleichzeitigem Freispruch des Klägers zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt hatte, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 26.04.2000 das Ereignis vom 02.04.1999 als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch - auch mit dem Kläger am 05.04.2001 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 03.04.2001 - die Gewährung von Verletztengeld und Rente ab. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe lediglich bis zum 31.05.1999 bestanden, weshalb der Anspruch auf Verletztengeld mit Ablauf des 31.05.1999 ende. Eine Auszahlung von Verletztengeld sei jedoch ausgeschlossen, weil in diesem Zeitraum Entgeltfortzahlung von Seiten des Arbeitgebers geleistet worden sei.

Grundlage der Ablehnung von Leistungen waren die der Beklagten vorliegenden bzw. von ihr beigezogenen Unterlagen: Danach wies der Kläger multiple Prellungen des Beckens und Oberschenkels rechts sowie des Unterschenkels rechts und Schürfverletzungen auf (Durchgangsarztbericht Chirurg Dr. P. vom 16.04.1999). Der Neurologe und Psychiater St. berichtete im Befundbericht vom 26.04.1999 über eine unfallbedingte Verschlechterung eines S1-Syndroms rechts, das ausweislich der beigezogenen Krankenunterlagen des Klägers bei der DAK E. (Behandlungen wegen eines WS-Syndroms bei Lumboischialgie) schon vorbestand. Die Ursache weiter bestehender Schmerzen im rechten Oberschenkel konnte zunächst nicht geklärt werden, der behandelnde Orthopäde Dr. M.-L. teilte im Bericht vom 01.06.1999 mit, eine Ultraschalluntersuchung der Oberschenkelmuskulatur habe keinen Anhalt für eine stattgehabte muskuläre Verletzung oder noch verbliebene Hämatomansammlung ergeben. Im CT der LWS werde deutlich eine rechtsbetonte Bandscheibenkompression sichtbar. Es seien praktisch keine Unfallfolgen mehr feststellbar. Der Befund einer Kernspintomografie vom 29.06.1999 (Beurteilung: Bei Zustand nach Kontusion des rechten Oberschenkels Muskelödem im Bereich des Muskulus bizeps femoris rechts) machte dann nach Auffassung von Dr. M.-L. die Beschwerden glaubhaft (Bericht vom 05.07.1999). Eine weitere MRT-Untersuchung vom 05.10.1999 ergab eine Befundkonstanz; es lag ein nicht resorbiertes Hämatom mit wahrscheinlich zusätzlich entzündlicher Komponente vor. Erst im April 2000 zeigte sich durch eine nochmalige MRT-Untersuchung ein nun allenfalls noch minimaler Restbefund des Ödems. Wurde Arbeitsunfähigkeit anfangs auf die Weichteilkontusion des rechten Oberschenkels mit Muskelödem zurückgeführt (Gutachten vom 28.01.2000), nahm der MDK nun eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung auf der Grundlage einer fortbestehenden Konflikt- und Kränkungssituation an (Gutachten vom 22.05.2000). Vom 02.08. bis 06.09.2000 befand sich der Kläger zur Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik S. Bad B ... Dort wurde eine posttraumatische Belastungsreaktion mit Somatisierungsstörung, ein Zustand nach Weichteilkontusion mit Hämatom und Ödembildung im rechten Oberschenkel sowie Bandscheibenprotrusionen L5/S1 und L4/5 diagnostiziert. In der Folgezeit befand sich der Kläger in psychotherapeutischer Behandlung bei dem Arzt für Psychiatrie - Psychotherapie Dr. K. , der weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit bestätigte.

Prof. Dr. W. , Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. (BG-Klinik), gelangte auf Grund einer Untersuchung des Klägers im Dezember 1999 zu dem Ergebnis, in der bildgebenden Diagnostik ließen sich im Bereich der Wirbelsäule lediglich chronisch degenerative Veränderungen diagnostizieren. Akute Unfallfolgen hätten dort zu keinem Zeitpunkt bestanden. Im Bereich des rechten Oberschenkels habe sich kernspintomographisch zweimal ein Muskelödem im Muskulus bizeps femoris rechts nachweisen lassen. Die Genese dieses auf den Muskel beschränkten Ödems sei nicht eindeutig zuordenbar. Als Folgen des Unfalls hätten multiple Prellungen im Bereich des Ober- und Unterschenkels rechts sowie Schürfungen bestanden, die spätestens mit Eintritt des 01.06.1999 abgeheilt gewesen seien. Ab diesem Zeitpunkt habe auch keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr bestanden. Eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf Grund des Unfalles vom 02.04.1999 bestehe nicht. Dem schloss sich Prof. Dr. We. in seiner Stellungnahme vom 04.12.2000 an.

Gegen den Bescheid vom 26.04.2000 hat der Kläger am 07.05.2001 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben (S 9 U 1331/01, später S 10 U 3439/02), das im Hinblick auf ein strafrechtliches Wiederaufnahmeverfahren vor dem Amtsgericht Freiburg (30 Cs 33 Js 13331/99 - AK 2064/01), endend nach Vernehmung einer von S. benannten Zeugin mit einem Freispruch des S., geruht hat. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 20.11.2003 den Bescheid vom 26.04.2000 nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen. Ein Versicherungsfall (Arbeitsunfall) liege nicht vor. Ein Beweis für die Richtigkeit der vom Kläger angegebenen Schilderung der Geschehensabläufe vom 02.04.1999 könne nicht erbracht werden.

Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. St. hat das Schmerzsyndrom des rechten Beines auf die kernspintomographisch nachgewiesene Prellung der Oberschenkelmuskulatur und des Nervus ischiadicus zurückgeführt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. hat berichtet, der Kläger sei seit dem 06.04.1999 bei ihm in laufender Behandlung und er habe seitdem auch immer die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Eine Besserung der Schmerzen im rechten Oberschenkel sei bisher nicht eingetreten. Dr. K. hat mitgeteilt, er behandle den Kläger unter der Diagnose "reaktive Depression", wobei die Depression zurückzuführen sei auf das vom Kläger so empfundene menschenverachtende Verhalten ihm gegenüber, einerseits von Seiten des Unfallgegners und andererseits von Seiten der Versicherungen. Der Kläger biete keine Anzeichen von Simulation oder Aggravation. Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat berichtet, der Kläger stehe bei ihm seit 17.12.2001 in nervenärztlicher Behandlung. Im Verlauf der Behandlung habe sich der Schwerpunkt von der Annahme einer Plexus- oder Nervenkompression zunehmend in Richtung einer posttraumatischen Belastungsreaktion mit Somatisierungs- bzw. Anpassungsstörung verschoben. Dr. F. , Chefarzt der Anästhesieabteilung und Schmerzambulanz am Kreiskrankenhaus Et. hat unter dem 20.06.2001 berichtet, der Kläger befinde sich seit dem 15.02.2001 bis heute in seiner schmerzambulanten Behandlung. Der Kläger leide unter einem chronifizierten Schmerzsyndrom im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen und es sei auf Grund der posttraumatischen Belastungssituation zu einer Exacerbation eines bestehenden S1-Syndroms gekommen. Gleichzeitig sei aber auch festzuhalten, dass morphologische Schäden verursacht durch den Unfall im Bereich des rechten Oberschenkels mit nachweisbarer Peronäuslatenz, krampfartige Schmerzen und daraus folgender Schonhaltung bestünden. Darüber hinaus bestehe eine Somatisierungsstörung/Anpassungsstörung auf Grund des massiv lebensverändernden Ereignisses, das auch zur psychischen Dekompensation geführt habe. Der Kläger sei sowohl psychisch als auch körperlich massiv traumatisiert worden und auch eine Chronifizierung des Schmerzgeschehens sei bereits eingetreten. Erschwerend komme hinzu, dass Situationen in denen der Kläger S. begegne, schwer zu vermeiden seien und hierdurch ständig neue Angst- und Panikreaktionen ausgelöst würden.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. eingeholt. Er hat ausgeführt, die beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet feststellbaren bzw. aus seinen eigenen anamnestischen Angaben ableitbaren Krankheiten - leichte neurotische Störungen im Sinne einer Dysthymie bzw. im Sinne einer so genannten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. im Sinne einer Somatisierungsstörung bzw. leicht ausgeprägtes Wirbelsäulensyndrom ohne daraus resultierende sensible bzw. motorische neurologische Defizite - seien durchgängig als unfallunabhängig einzuordnen. Die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet habe zu jedem Zeitpunkt 0 v. H. betragen.

Auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Neurologen und Psychiater Dr. K. eingeholt. Er hat eine unfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Episode und eine andauernde Persönlichkeitsänderung diagnostiziert. Die MdE sei wegen der mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mindestens auf 50 v. H. anzusetzen.

Mit Urteil vom 12.05.2005 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2003 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger habe am 02.04.1999 einen Arbeitsunfall erlitten. Die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 26.04.2000 sei nicht nachgewiesen, sodass schon die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vorlägen. Als unfallunabhängige Gesundheitsstörung bestehe ein Lumboischialgiesyndrom mit Bandscheibenveränderungen im Segment L5/S1 und ein Muskelödem des rechten Beins. Die Lumboischialgie habe bereits vor dem streitigen Ereignis bestanden und sei durch dieses nicht wesentlich beeinflusst worden. Auch das im September 1999 nachgewiesene Muskelödem im Muskulus bizeps femoris rechts sei nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Die Genese dieses Muskelödems sei nicht eindeutig geklärt. Schließlich habe sich auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 02.04.1999 beim Kläger kein posttraumatisches Belastungssyndrom entwickelt. Es hat sich Prof. Dr. B. angeschlossen. Dem Gutachten von Dr. K. könne nicht gefolgt werden. Aus dessen Gutachten werde nicht deutlich, weshalb ein relativ geringer Gesundheitsschaden das massive komplexe Krankheitsbild hervorgerufen haben solle. Die mit Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen seien bis zum 31.05.1999 ausgeheilt gewesen.

Gegen das am 03.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.06.2005 Berufung eingelegt. Er meint, das Muskelödem des rechten Oberschenkels sei als Unfallfolge anzusehen und weiter liege bei ihm auch ein posttraumatisches Belastungssyndrom vor. Jedenfalls könne dem Gutachten von Prof. Dr. B. nicht gefolgt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.05.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 05.10.1999 bis 31.05.2000 Verletztengeld abzüglich erhaltenem Krankengeld und ab 01.06.2000 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 40 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik, Psychoanalyse, ärztliches Qualitätsmanagement Dr. L. eingeholt. Sie hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine beginnende querulatorische Persönlichkeitsstörung sowie psychische Faktoren oder Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Erkrankungen (Piriformis-Syndrom) diagnostiziert. Alle diese Diagnosen seien durch das Unfallereignis verursacht worden. Es gebe keinen Hinweis dafür, dass vor dem Unfallereignis eine psychische oder psychosomatische Störung vorgelegen habe. Bis zu dem Zeitpunkt des Zivilurteils des Landgerichts Freiburg im April 2003 habe eine Gesamt-MdE von 50 v. H. vorgelegen, danach eine Gesamt-MdE von 40 v. H. Arbeitsunfähigkeit sei wohl mindestens bis April 2003 anzunehmen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die vorgelegten Verwaltungsakten sowie die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Kenzingen, des Amtsgerichts Freiburg und des Landgerichts Freiburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist in nahezu vollem Umfang begründet. Beim Kläger liegen gesundheitliche Folgen des Ereignisses vom 02.04.1999 vor, die nicht nur eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit verursachten, sondern auch einen Anspruch auf Verletztenrente begründen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 26.04.2000 (in Gestalt des Widerpruchsbescheides, § 95 SGG), soweit die Beklagte damit die Gewährung von Verletztengeld (nämlich ab dem 01.06.1999) und die Gewährung von Verletztenrente ablehnte.

Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist dagegen der Bescheid vom 20.11.2003 und damit die Frage, ob es sich bei dem Ereignis vom 02.04.1999 um einen Arbeitsunfall handelt. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2003 mit dem die Beklagte den Bescheid vom 26.04.2000 insoweit zurückgenommen hat, als der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt worden ist, mit dem Urteil vom 12.05.2005 aufgehoben und die Beklagte hat hiergegen keine Berufung eingelegt. Insoweit ist das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig geworden. Damit ist die Anerkennung des Ereignisses vom 02.04.1999 als Arbeitsunfall im Bescheid vom 26.04.2000 - weil vom Kläger ohnehin als ihm günstig nicht angefochten - bestandskräftig. Auf Grund dieser Bestandskraft steht zwischen den Beteiligten fest (§ 77 SGG), dass das vom Kläger in der Unfallanzeige des Landratsamtes E. geschilderte und vom Amtsgericht Kenzingen im Urteil vom 03.02.2000 so auch festgestellte Geschehen ein Arbeitsunfall war. Hiervon hat daher auch der Senat auszugehen.

Verletztengeld wird gem. § 45 Abs. 1 SGB VII u. a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen hatten. Gem. § 46 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Das Verletztengeld endet u. a. gem. § 46 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Renten an Versicherte werden gem. § 72 Abs. 1 SGB VII von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet,

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum nachfolgenden: BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Dies setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z. B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen ist die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörung, die bei dem Verletzten vorliegt und seine Erwerbsfähigkeit mindert. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Der Senat bejaht einen Anspruch des Klägers auf Verletztengeld und Verletztenrente.

Der Senat schließt sich hinsichtlich der Diagnose und im Wesentlichen auch der Kausalitätsbeurteilung den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. an. Danach bestehen beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4 nach ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation [WHO]), eine beginnende querulatorische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.0) sowie psychische Faktoren bzw. Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Erkrankungen - Piriformis-Syndrom - (ICD-10 F54).

Diese oben genannten unfallbedingten Gesundheitsstörungen wären ohne das Unfallereignis nicht eingetreten. So hat Dr. L. überzeugend ausgeführt, dass beim Kläger bis zu dem Unfallereignis bereits ein latenter und sozial gut kompensierter unbewusster Konflikt zwischen Idealisierung von Ordnung, Gesetz und Recht bzw. von Autorität einerseits und Enttäuschung an dieser versagenden Autorität andererseits vorlag. Dieser Konflikt wurde dann erst durch den Unfall bzw. den Ablauf nach dem Unfall dekompensiert. So wurde ein - wie Dr. L. anschaulich beschreibt - Schneeball (die Verletzung des Gerechtigkeitsempfindens durch die Mutter) der ein solcher hätte bleiben können, durch den Unfall losgetreten und ist zu einer Lawine geworden. Die von Dr. L. so genannte Sollbruchstelle durch das Gerechtigkeitsthema als überwertiger Idee war jedoch nicht beliebig zur Dekompensation zu bringen. Es bedurfte angesichts der stabilen Kompensation des Klägers und seiner stabilen Verwurzelung in seinem Dorf mit dem Status hoher Anerkennung eines sehr spezifischen Auslösers und entsprechenden Verlaufes um aus dem Schneeball die Lawine werden zu lassen, die sich durch das Unfallereignis vom 02.04.1999 entwickelte. Der Unfall hat somit wesentlich zur Entstehung der genannten Gesundheitsstörungen beigetragen.

Allerdings verneint der Senat die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und den beim Kläger zeitlich nach diesem Ereignis aufgetretenen ischialgieformen Beschwerden. Der Einschätzung des Neurologen St. (Bericht vom 26.04.1999) und des Chirurgen Dr. P. (Bericht vom 03.05.1999), es liege eine unfallbedingte Verschlimmerung eines S1-Syndromes vor, vermag der Senat nicht zu folgen. Insoweit fehlt es bereits an zeitnah aufgetretenen Beschwerden. Bei der ersten Untersuchung des Klägers am Unfalltag durch Dr. P. gab der Kläger ausschließlich Schmerzen im Bereich des rechten Beines an. Dr. P. stellte auch nur Schürfwunden und Prellungen im Bereich des rechten Ober- und Unterschenkels fest. Erst zwei Wochen später, am 16.04.1999, gab der Kläger bei Dr. P. erstmalig Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule an, die dann als S1-Syndrom gewertet wurden. Auch in seiner schriftlichen Schilderung vom 10.04.1999 erwähnte der Kläger nur Verletzungen und Beschwerden im Hinblick auf das rechte Bein und den linken Unterschenkel. Hinweise auf eine Beteiligung des Rückens, insbesondere der Wirbelsäule finden sich auch dort nicht. Die bildgebenden Verfahren erbrachten den Nachweis degenerativer Veränderungen mit Bandscheibenvorwölbungen, aber keine Hinweise für traumatische Veränderungen (radiologisches Gutachten von Dr. S. , BG-Klinik, vom 29.12.1999). An ischialgieformen Beschwerden hatte der Kläger bereits vor dem Unfall immer wieder gelitten. So weist die Leistungskartei seiner Krankenkasse - neben nicht weiter konkretisierten Wirbelsäulenbeschwerden - konkret LWS-Syndrome bzw. Ischialgien für Juni 1998, November/Dezember 1992, mehrmals in der Zeit von Juli 1990 bis Januar 1990 und in den 1980iger-Jahren aus. Dementsprechend ist auch Prof. Dr. W. in seinem Gutachten für die Beklagte überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass die ischialgieformen Beschwerden durch die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS verursacht und nicht unfallbedingt sind. Dem schließt sich der Senat an. Auswirkungen auf die übrige Kausalitätsbeurteilung und insbesondere die Arbeitsunfähigkeit und die MdE-Bewertung hat dies nicht. Denn die LWS-Beschwerden spielen - so Dr. L. - keine andere Rolle als vor dem Unfall. Dementsprechend hat Dr. L. diese Beschwerden bei der Beurteilung der MdE auch nicht einfließen lassen.

Anders ist die Kausalität der Schmerzen im Bereich des rechten Oberschenkels zu beurteilen. Dort wurde mittels mehrmaliger kernspintomografischer Untersuchungen ein Muskelödem diagnostiziert (Berichte der Dres. Ba. und Be. vom 29.06.1999 und 05.10.1999, bestätigt in dem von der Beklagten eingeholten radiologischen Gutachten von Dr. S. , BG-Klinik, vom 29.12.1999). Eine solches Muskelödem ist eine hinreichende Erklärung für die vom Kläger damals angegebenen Schmerzzustände (Bericht des Orthopäden Dr. M.-L. vom 05.07.1999). Zwar kann ein solches Muskelödem verschiedene Ursachen haben, in Betracht gezogen worden ist neben dem beim Unfallereignis erlittenen Trauma (s. u.a. Bericht der Dres. Ba. und Be. vom 05.10.1999: nicht resorbiertes Hämatom mit wahrscheinlich zusätzlich entzündlicher Komponente) auch eine (rein) entzündliche Veränderung oder gar eine Muskelerkrankung (so Dr. S. im erwähnten radiologischen Gutachten). Allerdings scheiden die beiden letzten Varianten aus. So legte Prof. Dr. We. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte dar, dass es laborchemisch keinen Hinweis für einen entzündlichen Prozess gab. Hinweise für eine Muskelerkrankung haben sich bei keiner der Untersuchungen des Klägers ergeben. Die Spekulation von Prof. Dr. W. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten, als Ursache des Muskelödems käme auch eine Injektion in Betracht, die möglicherweise vom behandelnden Orthopäden Dr. M.-L. vorgenommen worden sei, vermag - anders als das Sozialgericht meint, das in dieser Spekulation eine unfallunabhängige Ursache sieht - den ursächlichen Zusammenhang nicht in Frage zu stellen. Denn wenn diese Spekulation zuträfe, müsste gerade von einer Unfallfolge ausgegangen werden. Immerhin erfolgte die Behandlung des Klägers durch Dr. M.-L. wegen der - was den Oberschenkel betrifft - unfallbedingten Schmerzen in Gefolge des Unfalles. Komplikationen nach solcherart veranlassten Behandlungen, hierzu gehört auch eine Injektionstherapie, wären als mittelbare Unfallfolgen gemäß § 11 Nr. 1 SGB VII (Gesundheitsschäden infolge einer Heilbehandlung) anzusehen. Im Ergebnis geht der Senat somit davon aus, dass es bei dem Unfall zu einer Muskelverletzung am rechten Oberschenkel in Form eines Hämatoms und daraus entwickeltem Muskelödem kam. Dies erklärt die persistierenden Schmerzzustände, unter denen der Kläger über den 31.05.1999 hinaus litt. Die Annahme von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. We. , die Oberschenkelprellung sei bis spätestens 31.05.1999 abgeheilt gewesen, ist damit widerlegt.

Gerade wegen dieser Schmerzzustände am rechten Oberschenkel war der Kläger auch arbeitsunfähig. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der von den behandelnden Ärzten wegen der Schmerzzustände ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und vor allem auch auf Grund der von der Beklagten beigezogenen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen fest. Dort ist als die Arbeitsunfähigkeit begründende (Haupt)Diagnose der Zustand nach Kontusion des rechten Oberschenkels im April 1999 genannt (s. Gutachten vom 28.01.2000: seit Unfall und weiterhin AU; Gutachten vom 16.03.2000: keine AU mehr, revidiert im Gutachten vom 30.03.2000: derzeit keine Belastbarkeit, AU liege vor). Dass der MDK zuletzt keine (ausschließlich) organische Ursache der Schmerzzustände sah, ändert hieran nichts. Denn der bisherige, organisch erklärte Schmerzzustand ging in eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung über, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte (Gutachten des MDK vom 22.05.2000). Am Vorliegen einer derartigen Schmerzstörung bestehen keine Zweifel.

Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung ist dadurch charakterisiert, dass die vorherrschende Beschwerde ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz ist, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. Der Schmerz tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auf. Diese sollten schwerwiegend genug sein, um als entscheidende ursächliche Einflüsse zu gelten. Die Schmerzen des Klägers sind zum einen auf bekannte physiologische Mechanismen zurückzuführen, wie das Muskelödem und das sich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Muskelödem herauskristallisierende und bis heute bestehende Piriformis-Syndrom. Eine Verkrampfung des Piriformismuskels verursacht diese Schmerzen. Die vom Gesäß auf die Rückseite des Oberschenkels ausstrahlenden Schmerzen, deren Provokation insbesondere durch sitzende Stellung und das zumindest teilweise Ansprechen der Schmerzen auf muskelentspannende Medikamente passen - so Dr. L. - zu dieser Diagnose. Den Ausführungen von Prof. Dr. B. folgt der Senat nicht. Der Sachverständige hat ein solches Syndrom auf Grund seiner Untersuchung (seitengleiche Muskulatur ohne Atrophie) als ausgeschlossen erachtet. Dabei ist er allerdings eine Erklärung dafür schuldig geblieben, warum das sich in Schmerzen äußernde Syndrom zwingend mit einer Muskelminderung verbunden sein soll, insbesondere vor dem von Dr. L. hervorgehobenen Umstand, dass die Schmerzen von einer Verkrampfung - also gerade nicht Schonung - des Muskels herrühren. Außer Acht gelassen oder mit - wie erwähnt unzutreffendem Hinweis auf fehlende neurologische Ausfälle und Atrophien weginterpretiert hat er - so zutreffend Dr. L. - auch die Berichte der behandelnden Ärzte, die gerade Beschwerdeschilderungen belegen, die auf ein solches Syndrom hindeuten (z.B. der Neurochirurg Dr. Wl. im Bericht vom 24.01.2001 mit der ausdrücklichen Diagnose Piriformis-Syndrom; sachverständige Zeugenauskunft des Dr. F. vom 20.06.2001 ebenfalls mit der Diagnose Piriformis-Syndrom).

Die Ursache dieser Verkrampfung ist - so Dr. L. - am ehesten psychogen durch ein erhöhtes inneres Erregungsniveau bedingt. Die vom Kläger angegebene Schmerzlokalisation "genau an der Stelle, wo das Hämatom gesessen war", verweist darauf, dass diese Stelle zu einer insbesondere im übertragenen, psychischen Sinne schmerzenden Erinnerung und Konservierung des Unfallereignisses geworden ist. Permanente Erinnerung und Konservierung beruhen darauf, dass der mit dem Unfallereignis dekompensierte Konflikt sich bislang nicht hat auflösen können. Dieser emotionale Konflikt ist - so überzeugend Dr. L. -, wie in der Klassifikation gefordert, schwer genug um solche Konsequenzen zu zeitigen.

Hinzu kam die Entwicklung einer - als das wesentliche pathogenetische und damit die Beeinträchtigungen des Klägers verursachende Moment, so Dr. L. in ihrer ergänzenden Stellungnahme - Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen Zügen. Bei einer Persönlichkeitsstörung liegt eine schwere Störung der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens vor, die mehrere Bereiche der Persönlichkeit betrifft. Sie geht meist mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Diagnostische Leitlinien sind: 1. Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen. 2. Das auffällige Verhalten ist andauernd und gleichförmig und nicht auf Episoden psychischer Krankheit begrenzt. 3. Das auffällige Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend. 4. Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren sich auf Dauer im Erwachsenenalter. 5. Die Störungen führen zu deutlichem subjektiven Leiden, manchmal jedoch erst im späteren Verlauf. 6. Die Störung ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden. Für die Diagnose müssen in der Regel mindestens drei der jeweils genannten Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen. Mit Dr. L. geht der Senat davon aus, dass von den angegebenen Kriterien beim Kläger die Punkte 1, 4, 5 und 6 erfüllt sind. So schildert Dr. L. den Kläger anlässlich ihrer Untersuchung bei der Thematisierung des Unfalls und dessen Folgen als sichtbar und spürbar unruhig, verzweifelt und ratlos wirkend, fahrig und tendenziell die Kontrolle verlierend. In rascher Folge wechselten sich Trauer angesichts dessen, was er verloren hat, Fassungslosigkeit angesichts der erlebten Ungerechtigkeiten, aber auch Dankbarkeit gegenüber den Stellen, von denen er den Eindruck hat, dass ihm Gerechtigkeit widerfahren sei, ab. Bei einem von Dr. L. angeregten Gedankenexperiment (die Annahme, das jetzige Verfahren ginge negativ für den Kläger aus) weint der Kläger, fällt in sich zusammen, beginnt zu stottern und hat Mühe mit dem Sprechen und redet sich anschließend wieder in Rage. Hierbei hat Dr. L. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nicht den Eindruck habe, der Kläger simuliere oder aggraviere. Auch die unter 4. oben angegebenen Kriterien sind beim Kläger erfüllt. So wurde sein Gerechtigkeitsempfinden bereits durch die Mutter mit der ungerechten Behandlung gegenüber dem Bruder verletzt und dies hat im Laufe des Lebens des Klägers zu einem gesteigerten Gerechtigkeitsempfinden geführt, welches im Laufe der Zeit den Status einer überwertigen Idee erhielt und zu einer "Sollbruchstelle" wurde. Das ganze Leben wurde nachvollziehbar und nachweislich an ihr ausgerichtet; alles sollte der Gerechtigkeit dienen. Weiter haben die Störungen beim Kläger zu einem deutlichen subjektiven Leiden geführt. So leidet der Kläger nach wie vor an dem Unfallereignis das ihn nach seinen Angaben vor allem nachts verfolgt, wenn er immer wieder träume, S. verfolge ihn. Der Kläger fühlt sich insgesamt ängstlich und unsicher. Er hat sein Grundstück befestigt um sich besser gegen S. geschützt zu fühlen und er geht nicht ohne Begleitung nach draußen. Schließlich ist auch die beim Kläger vorliegende Persönlichkeitsstörung mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden. So hat der Kläger nach dem Unfall wegen der - wie dargelegt - durch diese psychische Störung verursachten Schmerzzustände nicht mehr arbeiten können und musste er seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Naturschutzwart ebenso aufgeben wie seine Nebenerwerbslandwirtschaft und sein früheres Hobby, die Jagd.

Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung von Prof. Dr. B ... Dies schon deshalb, weil sich der Sachverständige - wie von Dr. L. zutreffend dargelegt - nicht an die allgemein anerkannten diagnostischen Kriterien und Differenzierungen des ICD 10 hält, sondern meint, mit der Diagnose Dysthymie seien auch "die weiteren entsprechenden - kategorial gleichsinnigen - früheren Diagnosen mit erfasst bzw. mit berücksichtigt, z. B. chronisches Schmerzsyndrom, posttraumatische Belastungsreaktion mit Somatisierungsstörung, Anpassungsstörung und psychische Dekompensation ..., posttraumatische Belastungsreaktion mit Somatisierungs- und Anpassungsstörung ... und somatoformes Schmerzsyndrom ...". Im Übrigen lässt Prof. Dr. B. auch relevante Umstände bei seiner Diagnosestellung außer Betracht, wie sich insbesondere an der Frage des Vorliegens eines Piriformis-Syndroms zeigt und oben dargelegt ist.

Nicht vollumfänglich zu folgen vermag der Senat auch den Ausführungen von Dr. K ... So geht der Senat insbesondere nicht vom Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung aus. Dr. L. weist überzeugend darauf hin, dass nicht jedes Ereignis, auf welches jemand mit einer Erschütterung oder der Entwicklung psychopathologischer Symptome reagiert, ein Trauma ist. Trauma ist vielmehr definiert als ein "vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt." Der erste Teil der Definition, die Diskrepanz zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten ist für das Unfallereignis vom 02.04.1999 selbst nicht erfüllt. Vielmehr konnte sich der Kläger wehren und er wusste das auch. Er hatte seinen Hund bei sich und auch das Abwehrspray, das er auch eingesetzt hat. Schutzlosigkeit und hilflose Preisgabe bestanden demnach für die unmittelbare Unfallsituation nicht.

Bezüglich der Einschätzung der MdE folgt der Senat ebenfalls der Bewertung von Dr. L ... Diese hat unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze (Mehrhoff, Meindl, Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 259) bis zu dem Beschluss des Landgerichts Freiburg in der Sache 3 S 441/02 vom 11.04.2003 eine MdE vom 50 v. H. und danach eine MdE von 40 v. H. angenommen, weil durch diesen Beschluss in den Augen des Klägers im Ansatz die Gerechtigkeit wiederhergestellt wurde. Da dieser Beschluss am 23.04.2003 zugestellt wurde, steht dem Kläger die höhere MdE bis zu diesem Zeitpunkt zu.

Der Kläger hat, nachdem er bis 04.10.1999 Lohnfortzahlung erhielt, ab 05.10.1999 Anspruch auf Verletztengeld. Diese Leistung erhielt er für die Zeit vom 05.10.1999 bis 04.11.1999 von seiner Krankenkasse bereits gezahlt, sodass sein Anspruch insoweit erfüllt und die Berufung insoweit unbegründet ist. Für die Zeit ab 05.11.1999 steht ihm noch Verletztengeld zu, allerdings nur in Höhe des das bereits von der DAK gewährte Krankengeld überschreitenden Betrages. Denn mit dem gezahlten Krankengeld wurde insoweit der Anspruch auf Verletztengeld ebenfalls erfüllt (§ 107 Abs. 1 SGB X). Dieser Anspruch endet gem. § 46 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII zum 31.05.2000, weil der Kläger ab 01.06.2000 Übergangsgeld bezog.

Auf Verletztenrente hat der Kläger Anspruch ab 01.06.2000 gem. § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, nachdem der Anspruch auf Verletztengeld am Tag zuvor endete.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das geringe Unterliegen des Klägers rechtfertigt keine Begrenzung der Erstattungspflicht der Beklagten.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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