L 13 AL 2902/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 670/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2902/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheids, mit dem der Feststellung der Versicherungspflicht durch die Einzugsstelle von der Beklagten für den Bereich der Arbeitslosenversicherung zugestimmt worden war.

Der im Jahre 1950 geborene Kläger war ab dem 1. Februar 1995 als Softwareentwickler bei der Firma N. Computer-Systeme GmbH tätig. Er war Gesellschafter und bis zum 9. Februar 1995 auch Geschäftsführer der dieser Gesellschaft.

Am 15. Februar 1999 berief sich die Firma gegenüber dem Kläger auf die Unwirksamkeit des Anstellungsverhältnisses und kündigte den Anstellungsvertrag mit sofortiger Wirkung. Mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18. August 1999 (8 Ca 120/99) wurde festgestellt, dass der Anstellungsvertrag vom 9. Februar 1995 nicht rechtsunwirksam sei und die Firma N. Computer-Systeme GmbH nicht berechtigt sei, Vergütungszahlungen aus dem abgeschlossenen Anstellungsvertrag unter Berufung auf ein gesetzliches Erfüllungsverbot zu verweigern. Weiterhin wurde festgestellt, dass der Anstellungsvertrag auch durch die Kündigungserklärung nicht aufgelöst worden ist.

Der Kläger beantragte am 27. April 1999 Arbeitslosengeld. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 1. Juni 1999 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er nicht innerhalb von drei Jahren vor dem 19. April 1999 mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Denn er sei nicht abhängig beschäftigt gewesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1999 zurückgewiesen wurde. Der Kläger erhob am 16. August 1999 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (S 7 AL 3120/99). Mit Urteil vom 4. Februar 2004 wies das Sozialgericht Karlsruhe die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juni 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 1999 mit der Begründung zurück, dass der Kläger nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne von § 24 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) gestanden habe. Der Kläger sei nach den vorliegenden Unterlagen nicht abhängig beschäftigt gewesen. Im Rahmen der dagegen eingelegten Berufung (L 3 AL 1104/04) wies der Kläger auf die Zustimmung vom 19. Dezember 2003 hin. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 17. Februar 2006 wegen Vorgreiflichkeit des hier anhängigen Streitgegenstands ausgesetzt.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2003 teilte die Techniker Krankenkasse (TK) dem Kläger mit, dass sie nach eingehender Prüfung der ihr vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass er seit dem 1. Februar 1995 als mitarbeitender Gesellschafter der Firma N. Computer Systeme GmbH in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Zur Begründung der Entscheidung gab sie an, dass er aufgrund seines Gesellschaftsanteils von 27,8 % er keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH habe. Zwar könne er seine Tätigkeit bezüglich Zeit und Ort selbständig einteilen, in der Art der Tätigkeit unterliege er dem Direktionsrecht. Außerdem werde ihm ein festes Monatsgehalt auch bei einer Arbeitsunfähigkeit gezahlt. Es bestehe ab 1. Februar 1995 Versicherungspflicht als Arbeitnehmer in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die TK wies darauf hin, dass die Beklagte nicht an diesen Bescheid gebunden sei und es deshalb anzuraten sei, den anliegenden Antrag auf Zustimmungserklärung auszufüllen und eine Prüfung durch das zuständige Arbeitsamt vornehmen zu lassen. Mit weiterem Bescheid vom 24. September 2003 teilte die TK dem Kläger mit, dass er vom 1. Februar 1995 bis 31. Dezember 1997 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltsgrenze krankenversicherungsfrei gewesen sei.

Am 27. November 2003 ging bei der Beklagten der Antrag auf Zustimmungserklärung zu einem Feststellungsbescheid der Krankenkasse ein. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2003 stimmte die Beklagte dem Bescheid zur Feststellung der Versicherungspflicht der TK für die Tätigkeit ab 1. Januar 1998 bei der Firma N. Computer-Systeme GmbH, Karlsruhe zu. Dazu führte sie unter anderem aus, dass die Arbeitsämter durch die Zustimmungserklärung gebunden seien. Die Bindung erlösche, wenn und soweit der Beitragsbescheid rechtswirksam zurückgenommen oder aufgehoben werde. Dieser Zustimmungsbescheid könne nach Maßgabe der abgedruckten §§ 45 und 48 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 330 SGB III zurückgenommen oder aufgehoben werden.

Nachdem der Kläger diese Zustimmung im Berufungsverfahren - L 3 AL 1104/04 - vorgelegt hatte, hörte die Beklagte ihn darauf hin mit Schreiben vom 16. Juli 2004 zur beabsichtigten Aufhebung des Bescheids vom 19. Dezember 2003 an und nahm diesen mit Bescheid vom 10. September 2004 mit der Begründung zurück, dass die Zustimmung unrichtig gewesen sei. Der Kläger sei nicht abhängig beschäftigt gewesen. Die Zustimmung könne zurückgenommen werden, weil dem Kläger aufgrund des anhängigen Klageverfahrens (S 7 AL 3120/99) die Auffassung der Beklagten, dass er nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, bekannt gewesen sei. Er habe nicht annehmen können, dass das Arbeitsamt die vertretene Rechtsauffassung aufgeben werde. Dagegen legte der Kläger am 14. Oktober 2004 Widerspruch ein und machte geltend, dass die Zustimmung nicht rechtswidrig sei, da Versicherungspflicht bestanden habe. Außerdem habe er auf den Bestand des Bescheids vertraut. Er habe bei Erhalt des Bescheids davon ausgehen müssen, dass die Beklagte sich nun der Rechtsauffassung der Arbeitsgerichte angeschlossen habe. Das Verfahren vor dem Sozialgericht habe seit Einreichung seines Schriftsatzes vom 17. April 2001 bis zur Terminsanberaumung am 8. Januar 2004 geruht. Die Beklagte habe zuletzt mit Schreiben vom 13. Dezember 2000 vorgetragen. Daraus habe er nicht erkennen können, dass die Beklagte sich weiterhin nicht seiner Rechtsauffassung anschließe. Das Vertrauen sei auch schutzwürdig, denn es gehe um seine soziale Sicherung. Er habe Beiträge abgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass der Kläger sich nicht auf Vertrauen berufen könne. Die Tatsache, dass sie seit 13. Dezember 2000 nicht mehr vorgetragen habe, ändere daran nichts, insbesondere sei sie vom Gericht nicht zu weiterem Vortrag aufgefordert worden.

Der Kläger hat sein Begehren weiterverfolgt und am 24. Februar 2005 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung er auf die Widerspruchsbegründung verwiesen hat. Mit Urteil vom 27. April 2007 hat das SG den Bescheid vom 10. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2005 aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, unabhängig davon, ob der Bescheid vom 19. Dezember 2003 rechtswidrig sei, mit dem die Beklagte nach § 336 SGB III ihre Zustimmung zur Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers durch die TK erklärt habe, habe die Beklagte ihn nicht zurücknehmen können. Der Kläger habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut und sein Vertrauen sei schutzwürdig, denn er habe die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht gekannt und seine Unkenntnis sei auch nicht grob fahrlässig gewesen. Dem Kläger sei durch Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe und den beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg geschlossenen Vergleich bestätigt worden, dass ein Arbeitsverhältnis mit der Firma N. Computer Systeme GmbH bestanden habe. Zwar habe die Beklagte in der Folge im sozialgerichtlichen Verfahren noch vorgetragen, dass sie der Auffassung sei, dass die sozialrechtliche Bewertung nicht parallel zur arbeitsrechtlichen Wertung vorzunehmen sei und sie deshalb an den arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht gebunden sei. Dieser Vortrag datiere allerdings aus dem Jahre 2000. In der Zwischenzeit habe der Kläger darüber hinaus eine Entscheidung der TK, die ebenfalls von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgehe, erhalten. Dort habe er die gleichen wahrheitsgemäßen - Angaben gemacht wie bei der Beklagten. Als er darauf hin - nach einem Schweigen von immerhin drei Jahren - eine Bestätigung dieser Entscheidung der TK durch die Beklagte erhalten habe, habe er nicht gewusst, dass der Bescheid rechtswidrig sei. Das gelte insbesondere deshalb, weil er nach wie vor der Auffassung sei, dass die Versagung von Arbeitslosengeld im Jahre 1999 rechtswidrig gewesen sei. Seine Unkenntnis sei auch nicht grob fahrlässig. Zwar trage die Beklagte zu Recht vor, dass ihm die Auffassung der Beklagten aus dem laufenden Rechtsstreit bekannt gewesen sei. Jedoch seien in diesem Rechtsstreit seit inzwischen mehr als drei Jahren von der Beklagten keine Schreiben mehr gekommen und auch der Kläger selbst und sein Prozessbevollmächtigter hätten seit mehr als zwei Jahren keine Stellungnahme mehr abgegeben. Es sei deshalb nicht grob sorgfaltswidrig, wenn der Kläger angenommen habe, dass die Beklagte anhand der Meinung der Techniker Krankenkasse und der Arbeitsgerichte aus seiner Sicht einsichtig geworden und nunmehr ihrerseits die Versicherungspflicht des Klägers - aus seiner Sicht richtigerweise – bestätigten wolle. Der Kläger habe entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht erkennen müssen, dass es hier aufgrund der Organisation der Beklagten zu einem Missverständnis zwischen verschiedenen Abteilungen gekommen sei. Zwar sei der Beklagten recht zu geben, dass ein entgegen gesetzter Bescheid der das Gegenteil feststelle, zu Zweifeln und Nachfragen Anlass gebe. Hier liege der Fall aber anders, denn es sei gerade kein enger zeitlicher Zusammenhang zu bejahen. Der Kläger habe schon seit Jahren nichts mehr von seinem Rechtsstreit gehört gehabt. Es habe deshalb nicht seiner Sorgfaltspflicht in grober Weise widersprochen, wenn er nicht nachgefragt habe, warum die Beklagte nunmehr ihre Meinung geändert habe.

Gegen dieses ihr am 10. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, den 11. Juni 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt. Im Wesentlichen hat sie geltend gemacht, dass das Verfahren über die Gewährung von Arbeitslosengeld zum Zeitpunkt der Erteilung der Zustimmung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei und bis heute noch nicht entschieden sei. Deshalb habe Vertrauensschutz nicht eintreten können.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf das angegriffene Urteil.

Die Berichterstatterin hat mit Verfügung vom 3. Dezember 2007 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat in Betracht ziehe, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31. Dezember 2007 gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakte des SG und der Berufungsakte Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 10. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2005 zu Recht aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Zustimmung vom 19. Dezember 2003 konnte nicht für die Vergangenheit zurückgenommen werden, weil das Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Entscheidung geschützt war.

Die Behörde hat ihre streitgegenständliche Rücknahme der Zustimmung vom 19. Dezember 2003 auf § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gestützt. Diese Rechtsgrundlage setzt voraus, dass die Zustimmung als begünstigender Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig war und der begünstigte Kläger sich auf ein Vertrauen in den Bestand der Entscheidung nicht berufen kann, weil er die Rechtswidrigkeit kannte oder grob fahrlässig nicht kannte.

Diese Voraussetzungen liegen insoweit vor, als es sich bei der Zustimmung schon aufgrund der von der Beklagten gewählten Form um einen Verwaltungsakt handelte. Fraglich ist allerdings bereits, ob dieser Verwaltungsakt von Anfang rechtswidrig war. Die anfängliche Rechtswidrigkeit der Zustimmung beurteilt sich danach, ob im Zeitpunkt des Erlasses die Voraussetzungen hierfür gegeben waren. Gemäß § 336 SGB III in der danach maßgeblichen in der Fassung des 1. SGB III Änderungsgesetz (1. SGB III - ÄndG – vom 16. Dezember 1997) BGBl. I S. 2970) hat die (damals noch) als Bundesanstalt für Arbeit bezeichnete Beklagte, wenn die Einzugsstelle gemäß § 28 SGB des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (IV) oder der Träger der Rentenversicherung, der die ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitgeberpflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß § 28 p i.V.m. Artikel 2 § 15c SGB IV prüft, die Versicherungspflicht nach dem SGB III durch Verwaltungsakt feststellt, auf Antrag des Versicherungspflichtigen zu erklären, ob sie der betroffenen Feststellung zustimmt.

Die auf der Grundlage dieser Bestimmung zu erteilende Zustimmung stellte – ebenso wie die Versagung (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage bei Ablehnung des Antrags auf Zustimmung vgl. Landessozialgericht für das Saarland, Urteile vom 26. Juli 2005 - L 6 AL 27/02 -, 7. Mai 2004 - L 8 AL 29/03 -, veröffentlicht in Juris) -, wovon die Beklagte zutreffend ausgeht, einen Verwaltungsakt dar, so dass die Rechtswidrigkeit sich nicht bereits daraus ergibt, dass die Entscheidung mangels Ermächtigungsgrundlage nicht in Form eines Verwaltungsakts hätte getroffen werden dürfen. Bei der Zustimmung handelte es sich nicht um eine bloße behördeninterne Mitwirkungshandlung. Hiergegen spricht bereits der erforderliche Antrag des Versicherten und die Anwendbarkeit des § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Es handelte sich auch nicht um eine öffentlich-rechtlich Willenserklärung. Vor Einführung dieser Regelung entschied die Bundesanstalt bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung (z.B. auf Arbeitslosengeld) im nach hinein über die Frage, ob jemand in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSGE 70, 81) war sie dabei an eine vorausgehende Entscheidung der Einzugsstelle bzw. des Rentenversicherungsträgers nicht gebunden. Unerheblich war insbesondere, ob Beiträge - zu Unrecht - nicht entrichtet oder - im umgekehrten Fall - wegen einer fehlerhaften Entscheidung der Einzugsstelle zu Unrecht entrichtet worden sind. Insbesondere bei Gesellschaftern und Geschäftsführern kam es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, weil die Arbeitsämter die Leistungsgewährung trotz jahrelanger Beitragszahlung ablehnten und sich überdies häufig bezüglich der Beitragserstattung auf die Verjährung beriefen (vgl. Niesel, Die wichtigsten Änderungen des Arbeitsförderungsrechts durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG), NZA 1997, 580 (585)). Die deshalb eingeführte Zustimmung sollte in Form eines für fünf Jahre bindenden Verwaltungsakts mit der Feststellung des Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass die Regelung es den Betroffenen ermöglichen sollte, Vertrauensschutz hinsichtlich der Frage zu erlangen, ob sie in einem abhängigen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen und damit - bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen - Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem Dritten Buch haben. In Fällen, in denen die Einzugsstelle oder der Rentenversicherungsträger formell durch einen Verwaltungsakt über die Versicherungspflicht nach dem Dritten Buch entschieden habe (§ 28h Abs. 2 und 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV), könne der Betroffene verlangen, dass die Bundesanstalt im Vorgriff auf eine später eventuell eintretende Arbeitslosigkeit oder einen Arbeitsausfall eine Erklärung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses abgibt. Stimme die Bundesanstalt der Entscheidung der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers zu, sei sie daran auch bei einer Entscheidung über die Gewährung von Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch gebunden. Aufgrund dessen habe der Betroffene gegenüber der Bundesanstalt auch die gleichen Mitwirkungspflichten wie derjenige, der eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch erhält oder beantragt habe. Die Bundesanstalt solle jedoch - abgesehen von der Möglichkeit der Rücknahme und Aufhebung von Verwaltungsakten nach den Vorschriften des Zehnten Buches - nicht für unbegrenzte Zeit an der einmal abgegebenen Erklärung festgehalten werden können. Die der Erklärung zugrunde liegenden Verhältnisse des Betroffenen könnten rechtlich falsch bewertet worden sein. Veränderungen in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Betroffenen nach der zustimmenden Erklärung der Bundesanstalt, die dazu führen, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht mehr vorliege, könnten - ohne dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 SGB X vorlägen - der Bundesanstalt unbekannt bleiben. Im Interesse der Solidargemeinschaft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die mit ihren Beiträgen die Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit finanzieren, sei die Bindungswirkung einer Erklärung der Bundesanstalt daher auf längstens fünf Jahre beschränkt (BT-Drucks. 13/4941, S. 213 f.).

Danach sollte die Zustimmung eindeutig in Form eines feststellenden Verwaltungsaktes erfolgen. Die grundsätzlichen Voraussetzungen hierfür lagen vor. Die Einzugsstelle hatte durch Feststellungsbescheid vom 3. Juni 2003 die Versicherungspflicht des Klägers ab 1. Februar 1995 festgestellt. Auch wenn der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung und keine abgesetzten Verfügungssätze enthält, ergibt sich aus der Formulierung eindeutig und bestimmt, dass eine verbindliche Regelung getroffen wird. Es heißt dort, dass die Einzugsstelle nach eingehender Prüfung der vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Kläger seit dem 1. Februar 1995 in seiner Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter der Firma N. Computer-Systeme GmbH in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Dass damit eine Entscheidung getroffen wird, ergibt sich auch aus der folgenden Begründung der "Entscheidung". Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitsämter nicht an die Bescheide der Einzugsstellen gebunden seien und ein "Antrag auf Zustimmungserklärung" beigefügt wurde. Der Antrag des Klägers auf Zustimmungserklärung der (damals noch) Bundesanstalt für Arbeit zu dem Beitragsbescheid der Krankenkasse/des Rentenversicherungsträgers ist am 27. November 2003 beim Arbeitsamt Karlsruhe eingegangen. Die Beklagte hat die beantragte Zustimmung am 19. Dezember 2003 nach § 336 SGB III für die Zeit ab 1. Januar 1998 erteilt. Ob Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Zustimmung auch das tatsächliche Vorliegen der Versicherungspflicht in den betroffenen Zeiten ist, könnte, da nach der Gesetzesbegründung und auch dem Zweck der Zustimmung, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz für den Betroffenen zu schaffen, Zweifeln begegnen. Denn es sollten vor allem unterschiedliche Einschätzungen der Einzugsstelle und des Bundesamts für Arbeit sowie die damit verbundenen negativen Folgewirkungen für den Betroffenen vermieden werden. In dem Fall, in dem die Zustimmung aufgrund einer falschen rechtlichen Würdigung erteilt wurde, sollte den Belangen der Versichertengemeinschaft für die Zukunft durch die zeitliche Befristung der Bindungswirkung der Zustimmung Rechnung getragen werden. Diese Frage kann jedoch offen bleiben. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte nur dann ermächtigt war, auf Antrag eine Zustimmung zu erteilen, wenn der Antragsteller hierauf einen Anspruch hatte, d.h. wenn tatsächlich Versicherungspflicht vorlag, und weiter unterstellt, dass dies hier nicht der Fall war, konnte die Zustimmung im vorliegenden Fall nicht für die Vergangenheit zurückgenommen werden, weil der Kläger auf deren Bestand vertrauen durfte. Wie dargelegt dient die Zustimmung dazu, dem Betroffenen - gerade in einem Fall wie dem vorliegenden - Klarheit im Hinblick auf die Versicherungspflicht zu verschaffen, weil die Voraussetzungen der Versicherungspflicht von Wertungen abhängt und von der Einzugsstelle einerseits und der Bundesagentur andererseits zum Teil unterschiedlich beurteilt werden. Dies schließt es, selbst wenn die Voraussetzungen der Versicherungspflicht objektiv nicht vorliegen, schlichtweg aus, dem Betroffenen in diesen Fällen unterschiedlicher Beurteilung grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit – einer der widerstreitenden – Entscheidungen vorzuwerfen. Dem Gesetzgeber, dem, wie sich aus der wiedergegebenen Gesetzesbegründung ergibt, die Problematik der Rücknahme einer Zustimmung für die Vergangenheit – selbst im Falle des § 48 SGB X bewusst war, hat im Hinblick hierauf die Bindung für die Zukunft auf den Zeitraum von fünf Jahren begrenzt.

Der Schutz des Vertrauens auf den Bestand eines Verwaltungsakts scheidet daher nur dann gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X aus, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit positiv kannte oder grob fahrlässig nicht kannte. Die einzig in Betracht kommende grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit setzt voraus, dass der Betroffene unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße, d.h. in einem das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigendem Ausmaß verletzt hat (Wiesner in von Wulffen SGB X, 5. Aufl., § 45 Rdnr. 24 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dessen kann nicht von grober Fahrlässigkeit des Klägers gesprochen werden. Die schwierig zu klärende Frage einer versicherungspflichtigen Beschäftigung stellt eben keine so eindeutige offensichtliche Tatsache dar, die der Kläger hätte abschließend überblicken können. Gerade deshalb wurde die Klärungsmöglichkeit geschaffen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch die Kenntnis des Klägers über ihre Rechtsansicht, wonach Versicherungspflicht nicht vorlag, nicht mit der Kenntnis der Rechtswidrigkeit der zur zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung der Krankenkasse erteilten Zustimmung gleichzusetzen, zumal die Versicherungspflicht im Berufungsverfahren – L 3 AL 1104/04 – weiterhin in Streit stand und hierüber weder bestands- noch rechtskräftig entschieden war. Hierauf wurde die Beklagte mit Verfügung vom 3. Dezember 2007 hingewiesen. Die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger wegen der unterschiedlichen Entscheidung der Beklagten in der Leistungsangelegenheit, die Rechtswidrigkeit der Zustimmungserklärung hätte kennen müssen, geht fehl. Vertrauensschutz setzt nicht die positive Kenntnis der Rechtmäßigkeit voraus. Vielmehr darf der Begünstigte grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit des Handelns der an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung vertrauen. Die Tatsache, dass unterschiedliche Entscheidungen ergangen sind, zeigt insoweit, dass die Rechtswidrigkeit eben nicht "offensichtlich" feststeht.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des Vertrauensschutzesausschlusses gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 2 SGB X, so dass die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zulässig war (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Andere Rechtsgrundlagen sind nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved