Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 6018/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 776/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2006 aufgehoben und die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird auf je 10.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger verfolgen das Ziel, es der Beklagten gerichtlich zu untersagen, zum einen die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Prüfung dieser Verordnung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, zum anderen zu behaupten, dass vertragsärztliche Verordnungen physiotherapeutischer Heilmittel einer Überprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen.
Der Kläger zu 1 ist ein im Vereinsregister des Amtsgerichts Stuttgart eingetragener Verein mit Sitz in Stuttgart. Er vertritt als einer von mehreren Berufsverbänden die Interessen von Physiotherapeuten und ist als Landesverband für Baden-Württemberg Mitglied im Deutschen Verband für Physiotherapie - Zentralverband der Krankengymnasten/Physiotherapeuten (ZVK) e. V. Er ist - zusammen mit weiteren Berufsverbänden - Vertragspartner des auf der Grundlage des § 125 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) mit den baden-württembergischen Landesverbänden der Krankenkassen geschlossenen Rahmenvertrages nach § 125 Abs. 2 SGB V (RV) vom 1. Dezember 2002 (Bl 19/84 der Akte S 10 KR 6018/05). In § 20 RV ist vereinbart, dass u.a. zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten und Zweifelsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die auf örtlicher Ebene oder zwischen den berührten Landesverbänden nicht bereinigt werden können, ein Vertragsausschuss zu bilden ist, der auf Antrag eines Vertragspartners einzuberufen ist. Dieser Vertragsausschuss wurde in Bezug auf die hier streitigen Fragen bislang nicht einberufen.
Die Klägerin zu 2 ist aufgrund einer Zulassung nach § 124 SGB V berechtigt, als Physiotherapeutin Leistungen der Physikalischen Therapie an gesetzlich Krankenversicherte der Beklagten abzugeben. Sie ist Mitglied des Klägers zu 1.
Die Beklagte hat zu Beginn des Jahres 2005 eine Prüfliste für Leistungserbringer erstellt, um die - ihrer Ansicht nach - Vielzahl unvollständiger und fehlerhafter Verordnungen im Sinne einer Qualitätsverbesserung bei der Versorgung der Versicherten zu verbessern. Diese insgesamt 26 Punkte umfassende Liste "Rechnungsprüfung unvollständiger und inhaltlich fehlerhafter Heilmittelverordnungen sowie falscher Abrechnung" (Bl. 14 und 135 der Akte S 10 KR 6018/05 - im Folgenden als Prüfliste bezeichnet) war Gegenstand eines umfangreichen Schriftwechsels und zahlreicher Gespräche zwischen der Beklagten und unter anderem dem Kläger zu 1. Die Beklagte brachte hierbei zum Ausdruck, dass ihrer Auffassung nach physiotherapeutische Leistungserbringer verpflichtet sind, die ihnen vorgelegten vertragsärztlichen Verordnungen auf die in der Prüfliste aufgeführten "Fehler" zu überprüfen und diese "Fehler", gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem verordnenden Vertragsarzt, zu beheben.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 4. Mai 2005 ihre Prüfliste an Abrechnungszentren übersandt hatte, wurden mit Schreiben vom 22. Juli 2005 von den durch die Klägerin zu 2 zur Bezahlung eingereichten Rechnungen von der Beklagten in insgesamt 14 Fällen Absetzungen mit einem Gesamtbetrag von 1.189,92 EUR vorgenommen. Die Absetzungen wurden damit begründet, dass die Verordnung einen offensichtlichen Verstoß gegen die Heilmittel-Richtlinien enthalte und/oder auf der Verordnung eine Frequenzempfehlung fehle.
Gegen diese Vorgehensweise der Beklagten haben sich die Kläger mit ihrer am 20. September 2005 schriftlich beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage gewandt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte unternehme mit ihrem Verhalten den Versuch, die Leistungserbringer quasi als "Vorprüfstelle und Zensor" des ärztlichen Therapieverhaltens zu missbrauchen. Sie verlange, dass die Leistungserbringer in die Therapiehoheit der Vertragsärzte eingriffen. Dies sei unzulässig. In § 4 Abs. 3 RV sei ausdrücklich normiert, dass hinsichtlich der Verordnungen keine Prüfpflicht beim Leistungserbringer liege. Diese Regelung entspreche dem historisch gewachsenen Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Arzt und nachgeordneten Berufsgruppen. Auf die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Heilmittel-Richtlinien könne sich die Beklagte bei ihrer Forderung an physiotherapeutische Leistungserbringer nicht berufen, da diese Heilmittel-Richtlinien für die Heilmittelerbringer keine Gültigkeit hätten.
Die Kläger haben im Klageverfahren beantragt,
1. der Beklagten zu untersagen,
a) die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel, von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen,
hilfsweise die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel, von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer dahingehend abhängig zu machen, ob der Vertragsarzt
aa) eine Frequenzempfehlung ausgesprochen hat;
bb) nur Heilmittel verordnet hat, die nach den Heilmittel-Richtlinien bei der gegebenen Indikation und der entsprechenden Leitsymptomatik als im Regelfall verordnungsfähig benannt sind.
b) gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen,
hilfsweise gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer auf Frequenzempfehlung und Verordnungsfähigkeit im Regelfall bedürfen.
2. die Beklagte zu verurteilen, abgeleistete Heilmittelverordnungen, die ihr zur Bezahlung vorgelegt werden, im Original an den Leistungserbringer zurückzureichen, wenn die Bezahlung vollständig verweigert wird,
3. die Beklagte zu verurteilen, abgeleistete Heilmittelverordnungen, die ihr zur Bezahlung vorgelegt werden, in Ablichtung und mit einem bezifferten und begründeten Absetzungsvermerk versehen an den Leistungserbringer zurückzureichen, wenn die Bezahlung teilweise verweigert wird,
4. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1. ausgesprochene Untersagung bzw. im Fall der Nichterfüllung der unter 2. und 3. ausgesprochenen Verpflichtungen auf Antrag eines Klägers ein Ordnungsgeld bis zu EUR 50.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an einem Mitglied des Vorstands der Beklagten, festgesetzt werden kann.
Die Beklagte hat ausgeführt, die Kläger hätten weder einen Anspruch auf die beantragten Unterlassungen noch auf die begehrten Verpflichtungen. Sie stimme den Klägern insoweit zu, als die Leistungserbringer selbstverständlich keine Fachaufsicht über den Vertragsarzt zu führen hätten. Eine solche fachliche Prüfungspflicht der Leistungserbringer fordere sie auch nicht. Was sie von den Leistungserbringern einfordere sei eine formale Überprüfung der Verordnung auf Vollständigkeit und Plausibilität. Dass damit ein Vergütungsverlust verbunden sein könne, sei ihrer Auffassung nach rechtmäßig. Hier sei darauf hingewiesen, dass es in den meisten Fällen zu keinem Vergütungsverlust komme, wenn der Leistungserbringer vom Vertragsarzt bestätigt erhalte, dass dieser an seiner ausgestellten Verordnung festhalte und der Leistungserbringer diese Mitteilung handschriftlich auf der Verordnung vermerke. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes - BSG - (Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 2/05 R) anerkannt, dass es für Leistungserbringer eine Überprüfungsverpflichtung von vertragsärztlichen Verordnungen gebe, auch wenn sie grundsätzlich formal ordnungsgemäß ausgestellt worden seien. Auch das SG Darmstadt komme in seinem Urteil vom 11.03.2005 ebenso wie das Hessische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 19.10.2006 zu dem Ergebnis, dass eine Leistung nur dann erbracht werden dürfe, wenn die Verordnung den jeweils gültigen Heilmittel-Richtlinien entspreche. Die Leistungserbringer seien nicht berechtigt, die Leistung aufgrund einer ungültigen Verordnung zu erbringen. Sie seien ausdrücklich verpflichtet, die Verordnung auf die Vereinbarkeit mit den Heilmittel-Richtlinien zu überprüfen. Die Heilmittel-Richtlinien würden auch für den gemäß dem Sachleistungsprinzip zwischengeschalteten weiteren Leistungserbringer gelten und insoweit diesem gegenüber verbindliche Wirkung entfalten. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wolle, ergebe sich eine Verpflichtung zur Beachtung der Heilmittel-Richtlinien nach dem abgeschlossenen RV. In § 3 Abs. 1 dieses Vertrages sei vorgesehen, dass der Leistungserbringer nur im Rahmen der Leistungsbeschreibung (Anlage 3) zur Abgabe der vom Vertragsarzt verordneten physiotherapeutischen Leistungen berechtigt und verpflichtet sei. Anlage 3 RV nehme aber Bezug auf die Heilmittel-Richtlinien. Diese rahmenvertragliche Regelung korrespondiere mit § 30 Abs. 8 des Bundesmantelvertrages-Ärzte, in dem geregelt sei, dass die Abgabe von Heilmitteln keiner Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfe. Dass insoweit zwangsläufig eine gesteigerte Kommunikation zwischen Leistungserbringer und Vertragsarzt erforderlich sei, ergebe sich im RV an mehreren Stellen. Für die Praxis gehe sie davon aus, dass die Physiotherapeuten die Heilmittel-Richtlinien eher besser kennen würden, als die verordnenden Vertragsärzte selbst. Deshalb stelle die Anforderung, die Therapeuten sollten Verordnungen im Hinblick auf die Heilmittel-Richtlinien-Konformität überprüfen, rein tatsächlich nur einen geringen Aufwand dar. § 4 Abs. 3 Satz 3 RV sei daher nur so zu verstehen, dass der Leistungserbringer nicht verpflichtet sei, medizinische Inhalte der Verordnung zu überprüfen. Eine generelle Freistellung von jeglicher Prüfpflicht, die auch eine formale Überprüfung auf die Konformität mit den Heilmittel-Richtlinien beinhalte, könne dieser Vorschrift nicht entnommen werden. Darüber hinaus regle § 18 der Gemeinsamen Rahmenempfehlungen, dass die vertragsärztliche Verordnung nur dann ausgeführt werden könne, wenn die dort im Einzelnen aufgeführten, für die Behandlung erforderlichen Informationen enthalten seien. Zur Abgabe sei der Leistungserbringer deshalb nur dann berechtigt und verpflichtet, wenn er diese Essentialia einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung vor Behandlungsbeginn überprüft habe. Die Bindung der Physiotherapeuten an die Heilmittel-Richtlinien und damit auch eine entsprechende Prüfpflicht ergebe sich überdies unmittelbar aus dem SGB V. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V könnten Versicherte Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, nicht beanspruchen, dürften die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Über diese Vorschrift entfalteten die Heilmittel-Richtlinien, die unzweifelhaft für Versicherte und Krankenkassen gälten, auch für die Kläger als Leistungserbringer unmittelbare bindende Wirkung.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2006 hat das SG den im Hauptantrag der Kläger (Antrag Nr. 1 Buchst. a) und b) sowie Nr. 4) geltend gemachten Unterlassungsbegehren stattgegeben und die Klage im Übrigen (Anträge Nr. 2 und 3) abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass auch der Kläger zu 1 berechtigt sei, das von ihm behauptete vertragswidrige Verhalten der Beklagten in eigenem Namen geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehe für Erbringer physiotherapeutischer Leistungen keine Verpflichtung, vertragsärztliche Verordnungen einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung zu unterziehen. Insoweit sei auch die Behauptung, ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Leistungen bedürften einer Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer, nicht zulässig. Das Urteil ist den Klägern am 12. Januar 2007 und der Beklagten am 15. Januar 2007 zugestellt worden.
Am 14. Februar 2007 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Ein Untersagungsanspruch der Kläger bestehe nicht, da die Beklagte zu Recht eine Prüfpflicht der Leistungserbringer einfordern könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kläger haben keine Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt.
Sie beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie halten an ihrer im Klageverfahren geäußerten Auffassung fest und weisen darauf hin, dass sich die von der Beklagten behaupteten Prüfpflicht weder aus dem RV noch aus dem Gesetz ergebe.
Der Senatsvorsitzende hat die Kläger mit Schreiben vom 26. November 2008 darauf hingewiesen, dass und weshalb fraglich sei, ob für das geltend gemachte Unterlassungsbegehren ein Unterlassungsanspruch gegeben ist. Hierzu haben sich die Kläger mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Dezember geäußert und u.a. vorgetragen, die Kläger wehrten sich nicht gegen eine unverbindliche Meinungsäußerung der Beklagten, sondern gegen deren konkretes Handeln, von dem sowohl der Kläger zu 1 ebenso wie die Klägerin zu 2 unmittelbar betroffen seien. Weder dem Kläger zu 1 als "Tarifpartner" der Beklagten noch der Klägerin zu 2 als Leistungserbringerin sei es zuzumuten, die permanenten Rechtsverstöße der Beklagten hinzunehmen. Dies würde beide Kläger rechtlos stellen.
In der mündlichen Verhandlung haben sowohl die Kläger als auch die Beklagte die Auffassung vertreten, dass eine gerichtliche Klärung der zwischen den Beteiligten bestehenden Meinungsverschiedenheiten möglich und zulässig sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Akte des SG Stuttgart S 10 KR 5996/05 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche, es der Beklagten zu untersagen, die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, und gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen. Die noch im Klageverfahren umstrittene Pflicht zur Herausgabe von Heilmittelverordnungen an Leistungserbringer ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil nur die Beklagte, nicht aber auch die Kläger Berufung eingelegt haben. Gegenstand des Rechtsstreits ist auch nicht die Zahlung einer Vergütung an die Klägerin zu 2 für erbrachte Leistungen.
Die gemäß den §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Bei den Klagen handelt es sich der Klageart nach entweder um Feststellungs- oder um Unterlassungsklagen.
Eine Feststellungsklage wäre bereits unzulässig, da eine solche Klage gegenüber einer auf Zahlung der vom Leistungserbringer beanspruchten Vergütung gerichteten Leistungsklage subsidiär ist. Eine Ausnahme von dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage kommt nicht in Betracht. Denn selbst wenn die von der Beklagten vertretene Vertragsauslegung in dieser Allgemeinheit unzutreffend sein sollte, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass eine von einem Physiotherapeuten erbrachte Leistung deshalb nicht vergütet wird, weil z.B. die vertragsärztliche Verordnung keine Angaben über Art und Anzahl der verordneten Leistungen enthält und deshalb nach § 4 Abs. 3 Satz 2 RV nicht hätte ausgeführt werden dürfen (vgl. Nr. 10 der Prüfliste). Dabei ist es denkbar, dass diese Angaben in manchen Fällen aufgrund der besonderen Umstande des Einzelfalles entbehrlich, dagegen in anderen Fällen unerlässlich sind. Der zwischen den Beteiligten bestehende Streit über die richtige Auslegung des RV kann nach Ansicht des Senats nicht über eine Feststellungsklage geklärt werden. Der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Die von der Beklagten in der Prüfliste aufgelisteten (tatsächlichen oder vermeintlichen) Fehlerquellen betreffen jeweils nur einzelne Elemente dieses Vergütungsanspruches. Die Leistungserbringer müssen deshalb ggf. ihre Ansprüche mit einer Zahlungsklage durchsetzen. Ein berechtigtes Interesse des Klägers zu 1 an erstrebten Feststellung ist erst recht nicht gegeben.
Als Unterlassungsklagen sind die Klagen der Kläger dagegen zulässig. Bei einer Unterlassungsklage handelt es sich um einen Unterfall der echten Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG, so dass an sich keine besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis zu stellen sind. Es ist vielmehr regelmäßig als ausreichend anzusehen, dass die Kläger behaupten, sie hätten einen Rechtsanspruch, dessen drohende Verletzung zu besorgen sei. Ob im hier zu entscheidenden Fall sog. "vorbeugende" Unterlassungsklagen anzunehmen sind, weil der Beklagten untersagt werden soll, auch in Zukunft die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, kann offen bleiben. Im diesem Fall wäre zwar ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse zu fordern, welches voraussetzt, dass die Betroffenen ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegen, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange sie auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden können. Als maßgebliches Kriterium für das Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresse wird aber auch erachtet, dass ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich zu befürchten ist. Diese Voraussetzung wäre hier zu bejahen. Denn die Beklagte hält ihren Rechtsstandpunkt aufrecht (zum Ganzen BSG, Urteil vom 15. November 1995, 6 RKa 17/95, juris).
Die Unterlassungsklagen sind jedoch unbegründet. Materiell-rechtlich beruht der Unterlassungsanspruch auf einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, nach dem der Inhaber eines Rechts, sofern ein Eingriff in ein absolutes Recht oder ein ansonsten geschütztes Rechtsgut droht, die Unterlassung des Eingriffs verlangen kann, wenn er nicht zu dessen Duldung verpflichtet ist. Im Verhältnis Bürger-Staat wird der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch regelmäßig auf die dem Einzelnen zustehenden Freiheitsgrundrechte gestützt. Darüber hinaus kann aber die Bedrohung nicht nur grundrechtlich gesicherter Güter, sondern auch durch öffentlich-rechtliche Normen geschützter Rechtspositionen einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch auslösen (zB nachbarschützende Normen des öffentlichen Bau- und Immissionsschutzrechts). Voraussetzung für die Begründetheit eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs ist danach zum einen eine durch öffentlich-rechtliche Vorschriften begründete und im Verhältnis zu anderen Rechtsträgern geschützte Rechtsposition, zum anderen das Drohen eines Eingriffs in diese Position (BSG aaO).
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer durch öffentlich-rechtliche Vorschriften begründeten und im Verhältnis zu anderen Rechtsträgern geschützten Rechtsposition. Betroffen sind lediglich tatsächliche oder vermeintliche Rechtsansprüche, die nur im Verhältnis der Vertragspartner untereinander bestehen, nicht aber gegenüber Dritten. Derartige "relative" Rechte können nicht im Wege einer (allgemeinen) Unterlassungsklage geltend gemacht werden.
Im Übrigen fehlt es auch an einem drohenden Eingriff in eine geschützte Rechtsposition. Zwar ergibt sich aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm dem RV ein Vergütungsanspruch der Physiotherapeuten gegen die Beklagte, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Ein Eingriff der Beklagten in diese Rechtsposition ist aber nicht schon darin zu sehen, dass sie in Bezug auf die Frage, welche Anforderungen an eine vertragsärztliche Verordnung physiotherapeutischer Leistungen zu stellen sind, eine bestimmte Rechtsauffassung vertritt. Bei der umstrittenen Prüfliste handelt es sich um eine bloße Meinungsäußerung bezüglich der Auslegung von gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts des SGB V und des RV im Einzelfall. Zu einem Eingriff in eine Rechtsposition kommt es erst dann, wenn die Beklagte die Vergütung einer Leistung verweigert. Dafür bedarf es einer Umsetzung der Hinweise in der Prüfliste in jedem Einzelfall (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Umsetzung BSG aaO).
Aufgabe der Sozialgerichte ist zudem (nur) die Gewährung von Rechtsschutz. Dazu gehört die Prüfung und Entscheidung, ob jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist (Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz). Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass eine untergesetzliche Norm (Rechtsverordnung, Satzung, Normsetzungsvertrag) wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam erklärt wird (sog. Incidenter-Prüfung). Die Gerichte sind aber keine Vertragsorgane, die dazu befugt sind, unabhängig von einem Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht Verträge zwischen Beteiligten verbindlich oder gar ergänzend auszulegen, um bestehende Meinungsverschiedenheiten auszuräumen und vertragliche Inhalte verbindlich zu regeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird gemäß §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) auf je 10.000 EUR festgesetzt. Der Sach- und Streitstand bietet für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte. Daher geht der Senat für jede Klage vom Regelwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 EUR aus. Bei den vom Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 erhobenen Klagen handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände (Fall der objektiven und subjektiven Klagehäufung). Denn die Kläger machen eigene Unterlassungsansprüche geltend. Da die Ansprüche nicht identisch sind, erfolgt nach § 202 SGG iVm § 5 Hs. 1 ZPO eine Zusammenrechnung.
Die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird auf je 10.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger verfolgen das Ziel, es der Beklagten gerichtlich zu untersagen, zum einen die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Prüfung dieser Verordnung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, zum anderen zu behaupten, dass vertragsärztliche Verordnungen physiotherapeutischer Heilmittel einer Überprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen.
Der Kläger zu 1 ist ein im Vereinsregister des Amtsgerichts Stuttgart eingetragener Verein mit Sitz in Stuttgart. Er vertritt als einer von mehreren Berufsverbänden die Interessen von Physiotherapeuten und ist als Landesverband für Baden-Württemberg Mitglied im Deutschen Verband für Physiotherapie - Zentralverband der Krankengymnasten/Physiotherapeuten (ZVK) e. V. Er ist - zusammen mit weiteren Berufsverbänden - Vertragspartner des auf der Grundlage des § 125 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) mit den baden-württembergischen Landesverbänden der Krankenkassen geschlossenen Rahmenvertrages nach § 125 Abs. 2 SGB V (RV) vom 1. Dezember 2002 (Bl 19/84 der Akte S 10 KR 6018/05). In § 20 RV ist vereinbart, dass u.a. zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten und Zweifelsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die auf örtlicher Ebene oder zwischen den berührten Landesverbänden nicht bereinigt werden können, ein Vertragsausschuss zu bilden ist, der auf Antrag eines Vertragspartners einzuberufen ist. Dieser Vertragsausschuss wurde in Bezug auf die hier streitigen Fragen bislang nicht einberufen.
Die Klägerin zu 2 ist aufgrund einer Zulassung nach § 124 SGB V berechtigt, als Physiotherapeutin Leistungen der Physikalischen Therapie an gesetzlich Krankenversicherte der Beklagten abzugeben. Sie ist Mitglied des Klägers zu 1.
Die Beklagte hat zu Beginn des Jahres 2005 eine Prüfliste für Leistungserbringer erstellt, um die - ihrer Ansicht nach - Vielzahl unvollständiger und fehlerhafter Verordnungen im Sinne einer Qualitätsverbesserung bei der Versorgung der Versicherten zu verbessern. Diese insgesamt 26 Punkte umfassende Liste "Rechnungsprüfung unvollständiger und inhaltlich fehlerhafter Heilmittelverordnungen sowie falscher Abrechnung" (Bl. 14 und 135 der Akte S 10 KR 6018/05 - im Folgenden als Prüfliste bezeichnet) war Gegenstand eines umfangreichen Schriftwechsels und zahlreicher Gespräche zwischen der Beklagten und unter anderem dem Kläger zu 1. Die Beklagte brachte hierbei zum Ausdruck, dass ihrer Auffassung nach physiotherapeutische Leistungserbringer verpflichtet sind, die ihnen vorgelegten vertragsärztlichen Verordnungen auf die in der Prüfliste aufgeführten "Fehler" zu überprüfen und diese "Fehler", gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem verordnenden Vertragsarzt, zu beheben.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 4. Mai 2005 ihre Prüfliste an Abrechnungszentren übersandt hatte, wurden mit Schreiben vom 22. Juli 2005 von den durch die Klägerin zu 2 zur Bezahlung eingereichten Rechnungen von der Beklagten in insgesamt 14 Fällen Absetzungen mit einem Gesamtbetrag von 1.189,92 EUR vorgenommen. Die Absetzungen wurden damit begründet, dass die Verordnung einen offensichtlichen Verstoß gegen die Heilmittel-Richtlinien enthalte und/oder auf der Verordnung eine Frequenzempfehlung fehle.
Gegen diese Vorgehensweise der Beklagten haben sich die Kläger mit ihrer am 20. September 2005 schriftlich beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage gewandt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte unternehme mit ihrem Verhalten den Versuch, die Leistungserbringer quasi als "Vorprüfstelle und Zensor" des ärztlichen Therapieverhaltens zu missbrauchen. Sie verlange, dass die Leistungserbringer in die Therapiehoheit der Vertragsärzte eingriffen. Dies sei unzulässig. In § 4 Abs. 3 RV sei ausdrücklich normiert, dass hinsichtlich der Verordnungen keine Prüfpflicht beim Leistungserbringer liege. Diese Regelung entspreche dem historisch gewachsenen Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Arzt und nachgeordneten Berufsgruppen. Auf die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Heilmittel-Richtlinien könne sich die Beklagte bei ihrer Forderung an physiotherapeutische Leistungserbringer nicht berufen, da diese Heilmittel-Richtlinien für die Heilmittelerbringer keine Gültigkeit hätten.
Die Kläger haben im Klageverfahren beantragt,
1. der Beklagten zu untersagen,
a) die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel, von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen,
hilfsweise die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel, von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer dahingehend abhängig zu machen, ob der Vertragsarzt
aa) eine Frequenzempfehlung ausgesprochen hat;
bb) nur Heilmittel verordnet hat, die nach den Heilmittel-Richtlinien bei der gegebenen Indikation und der entsprechenden Leitsymptomatik als im Regelfall verordnungsfähig benannt sind.
b) gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen,
hilfsweise gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer auf Frequenzempfehlung und Verordnungsfähigkeit im Regelfall bedürfen.
2. die Beklagte zu verurteilen, abgeleistete Heilmittelverordnungen, die ihr zur Bezahlung vorgelegt werden, im Original an den Leistungserbringer zurückzureichen, wenn die Bezahlung vollständig verweigert wird,
3. die Beklagte zu verurteilen, abgeleistete Heilmittelverordnungen, die ihr zur Bezahlung vorgelegt werden, in Ablichtung und mit einem bezifferten und begründeten Absetzungsvermerk versehen an den Leistungserbringer zurückzureichen, wenn die Bezahlung teilweise verweigert wird,
4. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1. ausgesprochene Untersagung bzw. im Fall der Nichterfüllung der unter 2. und 3. ausgesprochenen Verpflichtungen auf Antrag eines Klägers ein Ordnungsgeld bis zu EUR 50.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an einem Mitglied des Vorstands der Beklagten, festgesetzt werden kann.
Die Beklagte hat ausgeführt, die Kläger hätten weder einen Anspruch auf die beantragten Unterlassungen noch auf die begehrten Verpflichtungen. Sie stimme den Klägern insoweit zu, als die Leistungserbringer selbstverständlich keine Fachaufsicht über den Vertragsarzt zu führen hätten. Eine solche fachliche Prüfungspflicht der Leistungserbringer fordere sie auch nicht. Was sie von den Leistungserbringern einfordere sei eine formale Überprüfung der Verordnung auf Vollständigkeit und Plausibilität. Dass damit ein Vergütungsverlust verbunden sein könne, sei ihrer Auffassung nach rechtmäßig. Hier sei darauf hingewiesen, dass es in den meisten Fällen zu keinem Vergütungsverlust komme, wenn der Leistungserbringer vom Vertragsarzt bestätigt erhalte, dass dieser an seiner ausgestellten Verordnung festhalte und der Leistungserbringer diese Mitteilung handschriftlich auf der Verordnung vermerke. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes - BSG - (Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 2/05 R) anerkannt, dass es für Leistungserbringer eine Überprüfungsverpflichtung von vertragsärztlichen Verordnungen gebe, auch wenn sie grundsätzlich formal ordnungsgemäß ausgestellt worden seien. Auch das SG Darmstadt komme in seinem Urteil vom 11.03.2005 ebenso wie das Hessische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 19.10.2006 zu dem Ergebnis, dass eine Leistung nur dann erbracht werden dürfe, wenn die Verordnung den jeweils gültigen Heilmittel-Richtlinien entspreche. Die Leistungserbringer seien nicht berechtigt, die Leistung aufgrund einer ungültigen Verordnung zu erbringen. Sie seien ausdrücklich verpflichtet, die Verordnung auf die Vereinbarkeit mit den Heilmittel-Richtlinien zu überprüfen. Die Heilmittel-Richtlinien würden auch für den gemäß dem Sachleistungsprinzip zwischengeschalteten weiteren Leistungserbringer gelten und insoweit diesem gegenüber verbindliche Wirkung entfalten. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wolle, ergebe sich eine Verpflichtung zur Beachtung der Heilmittel-Richtlinien nach dem abgeschlossenen RV. In § 3 Abs. 1 dieses Vertrages sei vorgesehen, dass der Leistungserbringer nur im Rahmen der Leistungsbeschreibung (Anlage 3) zur Abgabe der vom Vertragsarzt verordneten physiotherapeutischen Leistungen berechtigt und verpflichtet sei. Anlage 3 RV nehme aber Bezug auf die Heilmittel-Richtlinien. Diese rahmenvertragliche Regelung korrespondiere mit § 30 Abs. 8 des Bundesmantelvertrages-Ärzte, in dem geregelt sei, dass die Abgabe von Heilmitteln keiner Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfe. Dass insoweit zwangsläufig eine gesteigerte Kommunikation zwischen Leistungserbringer und Vertragsarzt erforderlich sei, ergebe sich im RV an mehreren Stellen. Für die Praxis gehe sie davon aus, dass die Physiotherapeuten die Heilmittel-Richtlinien eher besser kennen würden, als die verordnenden Vertragsärzte selbst. Deshalb stelle die Anforderung, die Therapeuten sollten Verordnungen im Hinblick auf die Heilmittel-Richtlinien-Konformität überprüfen, rein tatsächlich nur einen geringen Aufwand dar. § 4 Abs. 3 Satz 3 RV sei daher nur so zu verstehen, dass der Leistungserbringer nicht verpflichtet sei, medizinische Inhalte der Verordnung zu überprüfen. Eine generelle Freistellung von jeglicher Prüfpflicht, die auch eine formale Überprüfung auf die Konformität mit den Heilmittel-Richtlinien beinhalte, könne dieser Vorschrift nicht entnommen werden. Darüber hinaus regle § 18 der Gemeinsamen Rahmenempfehlungen, dass die vertragsärztliche Verordnung nur dann ausgeführt werden könne, wenn die dort im Einzelnen aufgeführten, für die Behandlung erforderlichen Informationen enthalten seien. Zur Abgabe sei der Leistungserbringer deshalb nur dann berechtigt und verpflichtet, wenn er diese Essentialia einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung vor Behandlungsbeginn überprüft habe. Die Bindung der Physiotherapeuten an die Heilmittel-Richtlinien und damit auch eine entsprechende Prüfpflicht ergebe sich überdies unmittelbar aus dem SGB V. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V könnten Versicherte Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, nicht beanspruchen, dürften die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Über diese Vorschrift entfalteten die Heilmittel-Richtlinien, die unzweifelhaft für Versicherte und Krankenkassen gälten, auch für die Kläger als Leistungserbringer unmittelbare bindende Wirkung.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2006 hat das SG den im Hauptantrag der Kläger (Antrag Nr. 1 Buchst. a) und b) sowie Nr. 4) geltend gemachten Unterlassungsbegehren stattgegeben und die Klage im Übrigen (Anträge Nr. 2 und 3) abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass auch der Kläger zu 1 berechtigt sei, das von ihm behauptete vertragswidrige Verhalten der Beklagten in eigenem Namen geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehe für Erbringer physiotherapeutischer Leistungen keine Verpflichtung, vertragsärztliche Verordnungen einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung zu unterziehen. Insoweit sei auch die Behauptung, ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Leistungen bedürften einer Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer, nicht zulässig. Das Urteil ist den Klägern am 12. Januar 2007 und der Beklagten am 15. Januar 2007 zugestellt worden.
Am 14. Februar 2007 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Ein Untersagungsanspruch der Kläger bestehe nicht, da die Beklagte zu Recht eine Prüfpflicht der Leistungserbringer einfordern könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kläger haben keine Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt.
Sie beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie halten an ihrer im Klageverfahren geäußerten Auffassung fest und weisen darauf hin, dass sich die von der Beklagten behaupteten Prüfpflicht weder aus dem RV noch aus dem Gesetz ergebe.
Der Senatsvorsitzende hat die Kläger mit Schreiben vom 26. November 2008 darauf hingewiesen, dass und weshalb fraglich sei, ob für das geltend gemachte Unterlassungsbegehren ein Unterlassungsanspruch gegeben ist. Hierzu haben sich die Kläger mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Dezember geäußert und u.a. vorgetragen, die Kläger wehrten sich nicht gegen eine unverbindliche Meinungsäußerung der Beklagten, sondern gegen deren konkretes Handeln, von dem sowohl der Kläger zu 1 ebenso wie die Klägerin zu 2 unmittelbar betroffen seien. Weder dem Kläger zu 1 als "Tarifpartner" der Beklagten noch der Klägerin zu 2 als Leistungserbringerin sei es zuzumuten, die permanenten Rechtsverstöße der Beklagten hinzunehmen. Dies würde beide Kläger rechtlos stellen.
In der mündlichen Verhandlung haben sowohl die Kläger als auch die Beklagte die Auffassung vertreten, dass eine gerichtliche Klärung der zwischen den Beteiligten bestehenden Meinungsverschiedenheiten möglich und zulässig sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Akte des SG Stuttgart S 10 KR 5996/05 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche, es der Beklagten zu untersagen, die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, und gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Leistungserbringern zu behaupten, dass ärztliche Verordnungen für physiotherapeutische Heilmittel einer Vollständigkeitsüberprüfung durch den Leistungserbringer bedürfen. Die noch im Klageverfahren umstrittene Pflicht zur Herausgabe von Heilmittelverordnungen an Leistungserbringer ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil nur die Beklagte, nicht aber auch die Kläger Berufung eingelegt haben. Gegenstand des Rechtsstreits ist auch nicht die Zahlung einer Vergütung an die Klägerin zu 2 für erbrachte Leistungen.
Die gemäß den §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Bei den Klagen handelt es sich der Klageart nach entweder um Feststellungs- oder um Unterlassungsklagen.
Eine Feststellungsklage wäre bereits unzulässig, da eine solche Klage gegenüber einer auf Zahlung der vom Leistungserbringer beanspruchten Vergütung gerichteten Leistungsklage subsidiär ist. Eine Ausnahme von dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage kommt nicht in Betracht. Denn selbst wenn die von der Beklagten vertretene Vertragsauslegung in dieser Allgemeinheit unzutreffend sein sollte, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass eine von einem Physiotherapeuten erbrachte Leistung deshalb nicht vergütet wird, weil z.B. die vertragsärztliche Verordnung keine Angaben über Art und Anzahl der verordneten Leistungen enthält und deshalb nach § 4 Abs. 3 Satz 2 RV nicht hätte ausgeführt werden dürfen (vgl. Nr. 10 der Prüfliste). Dabei ist es denkbar, dass diese Angaben in manchen Fällen aufgrund der besonderen Umstande des Einzelfalles entbehrlich, dagegen in anderen Fällen unerlässlich sind. Der zwischen den Beteiligten bestehende Streit über die richtige Auslegung des RV kann nach Ansicht des Senats nicht über eine Feststellungsklage geklärt werden. Der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Die von der Beklagten in der Prüfliste aufgelisteten (tatsächlichen oder vermeintlichen) Fehlerquellen betreffen jeweils nur einzelne Elemente dieses Vergütungsanspruches. Die Leistungserbringer müssen deshalb ggf. ihre Ansprüche mit einer Zahlungsklage durchsetzen. Ein berechtigtes Interesse des Klägers zu 1 an erstrebten Feststellung ist erst recht nicht gegeben.
Als Unterlassungsklagen sind die Klagen der Kläger dagegen zulässig. Bei einer Unterlassungsklage handelt es sich um einen Unterfall der echten Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG, so dass an sich keine besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis zu stellen sind. Es ist vielmehr regelmäßig als ausreichend anzusehen, dass die Kläger behaupten, sie hätten einen Rechtsanspruch, dessen drohende Verletzung zu besorgen sei. Ob im hier zu entscheidenden Fall sog. "vorbeugende" Unterlassungsklagen anzunehmen sind, weil der Beklagten untersagt werden soll, auch in Zukunft die Abgabe und Abrechnung vertragsärztlich verordneter physiotherapeutischer Heilmittel von einer vorherigen Vollständigkeitsprüfung durch den Leistungserbringer abhängig zu machen, kann offen bleiben. Im diesem Fall wäre zwar ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse zu fordern, welches voraussetzt, dass die Betroffenen ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegen, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange sie auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden können. Als maßgebliches Kriterium für das Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresse wird aber auch erachtet, dass ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich zu befürchten ist. Diese Voraussetzung wäre hier zu bejahen. Denn die Beklagte hält ihren Rechtsstandpunkt aufrecht (zum Ganzen BSG, Urteil vom 15. November 1995, 6 RKa 17/95, juris).
Die Unterlassungsklagen sind jedoch unbegründet. Materiell-rechtlich beruht der Unterlassungsanspruch auf einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, nach dem der Inhaber eines Rechts, sofern ein Eingriff in ein absolutes Recht oder ein ansonsten geschütztes Rechtsgut droht, die Unterlassung des Eingriffs verlangen kann, wenn er nicht zu dessen Duldung verpflichtet ist. Im Verhältnis Bürger-Staat wird der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch regelmäßig auf die dem Einzelnen zustehenden Freiheitsgrundrechte gestützt. Darüber hinaus kann aber die Bedrohung nicht nur grundrechtlich gesicherter Güter, sondern auch durch öffentlich-rechtliche Normen geschützter Rechtspositionen einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch auslösen (zB nachbarschützende Normen des öffentlichen Bau- und Immissionsschutzrechts). Voraussetzung für die Begründetheit eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs ist danach zum einen eine durch öffentlich-rechtliche Vorschriften begründete und im Verhältnis zu anderen Rechtsträgern geschützte Rechtsposition, zum anderen das Drohen eines Eingriffs in diese Position (BSG aaO).
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer durch öffentlich-rechtliche Vorschriften begründeten und im Verhältnis zu anderen Rechtsträgern geschützten Rechtsposition. Betroffen sind lediglich tatsächliche oder vermeintliche Rechtsansprüche, die nur im Verhältnis der Vertragspartner untereinander bestehen, nicht aber gegenüber Dritten. Derartige "relative" Rechte können nicht im Wege einer (allgemeinen) Unterlassungsklage geltend gemacht werden.
Im Übrigen fehlt es auch an einem drohenden Eingriff in eine geschützte Rechtsposition. Zwar ergibt sich aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm dem RV ein Vergütungsanspruch der Physiotherapeuten gegen die Beklagte, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Ein Eingriff der Beklagten in diese Rechtsposition ist aber nicht schon darin zu sehen, dass sie in Bezug auf die Frage, welche Anforderungen an eine vertragsärztliche Verordnung physiotherapeutischer Leistungen zu stellen sind, eine bestimmte Rechtsauffassung vertritt. Bei der umstrittenen Prüfliste handelt es sich um eine bloße Meinungsäußerung bezüglich der Auslegung von gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts des SGB V und des RV im Einzelfall. Zu einem Eingriff in eine Rechtsposition kommt es erst dann, wenn die Beklagte die Vergütung einer Leistung verweigert. Dafür bedarf es einer Umsetzung der Hinweise in der Prüfliste in jedem Einzelfall (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Umsetzung BSG aaO).
Aufgabe der Sozialgerichte ist zudem (nur) die Gewährung von Rechtsschutz. Dazu gehört die Prüfung und Entscheidung, ob jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist (Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz). Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass eine untergesetzliche Norm (Rechtsverordnung, Satzung, Normsetzungsvertrag) wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam erklärt wird (sog. Incidenter-Prüfung). Die Gerichte sind aber keine Vertragsorgane, die dazu befugt sind, unabhängig von einem Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht Verträge zwischen Beteiligten verbindlich oder gar ergänzend auszulegen, um bestehende Meinungsverschiedenheiten auszuräumen und vertragliche Inhalte verbindlich zu regeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird gemäß §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) auf je 10.000 EUR festgesetzt. Der Sach- und Streitstand bietet für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte. Daher geht der Senat für jede Klage vom Regelwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 EUR aus. Bei den vom Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 erhobenen Klagen handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände (Fall der objektiven und subjektiven Klagehäufung). Denn die Kläger machen eigene Unterlassungsansprüche geltend. Da die Ansprüche nicht identisch sind, erfolgt nach § 202 SGG iVm § 5 Hs. 1 ZPO eine Zusammenrechnung.
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