L 5 R 4083/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 650/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4083/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1961 geborene Kläger ist gelernter Schweißer (Ausbildung von 1977 bis 1980). Im Anschluss daran war er von 1980 bis 1981 als Schlosser, sodann bei der Bundeswehr zur Ableistung des Wehrdienstes und seit 1983 als Sachbearbeiter in der Qualitätssicherung bzw. Fuhrparkleiter tätig. Im Jahr 2003 wurde ihm wegen betriebsfremder Tätigkeiten am Arbeitsplatz gekündigt. Seit dem 27. Juni 2003 ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos.

In der Zeit vom 3. Juli 2003 bis 2. September 2003 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der M.klinik Z ... Nach dem Entlassungsbericht vom 14. Oktober 2003 (Bl. 63 SG-Akte) wurde eine akute Belastungsreaktion, eine mittelgradige depressive Episode, Verdacht auf ängstlich abhängige, selbstunsichere Persönlichkeit und ein Zustand nach kleiner cortikaler Einblutung Anfang Juli 2003 festgestellt. Weiter wurde ausgeführt, der Kläger sei bis zum Ende des Aufenthalts darauf fixiert gewesen, dass ihm durch eine Erwerbsunfähigkeitsberentung Genugtuung widerfahre.

In der Zeit vom 13. April 2004 bis 25. Mai 2004 befand sich der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der Sch.klinik in A. (Bl. M 2 - ärztliche Unterlagen der Rentenakte). Im Entlassungsbericht vom 21. Juli 2004 wurden als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung, eine Somatisierungsstörung, Adipositas sowie eine arterielle Hypertonie gestellt. Dem Kläger, der große Regressionswünsche zeige, habe leider kein psychogenes Krankheitsverständnis vermittelt werden können. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sowie für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden keine wesentlichen Einschränkungen.

Am 22. September 2004 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, er halte sich seit August 2004 wegen einer schweren Depression, Folgen eines Schlaganfalles, Tinnitus sowie Schmerzen in der linken Körperhälfte für erwerbsgemindert.

Mit Bescheid vom 5. Oktober 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, noch würden die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliegen. Er sei vielmehr noch in der Lage unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden je Arbeitstag erwerbstätig zu sein.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Nervenarzt Sch. kam im daraufhin von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 4. Dezember 2004 zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter einer Anpassungsstörung und einem Zustand nach intermittierend aufgetretener brachio-facialbetonter Hemihypästhesie linksseitig bei Zustand nach cerebraler Durchblutungsstörung links leide. Er habe deutlich seine regressiven Ansprüche im Sinne eine Berentung klar gemacht. Beim Kläger seien eine ausgesprochene Aggravation und Simulationstendenz gesehen worden. Die testpsychologische Untersuchung habe weit über das verständliche Maß und über die hirnorganisch diagnostizierte Schädigung hinausgehende kognitive Defizite gezeigt, die man als ausgesprochene Aggravation und Simulationstendenz ansehen müsse. Dem Kläger seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten ohne Zeitdruck bei Tagesschicht noch vollschichtig zumutbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 12. Februar 2005, Posteingang 17. März 2005, Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er hat angegeben, dass er die Klageschrift noch am 12. Februar 2005 in den hausinternen Briefkasten der S.-Klinik (in der er sich seinerzeit zur Behandlung befunden hatte) eingeworfen habe. Der Briefkasten werde täglich geleert. Die Verzögerung könne er sich nicht erklären.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Diplom-Psychologe D. hat in seiner Auskunft vom 11. September 2005 (Bl. 41 SG-Akte) angegeben, dass er bezüglich des psychischen Befundes mit dem Gutachten des Nervenarztes Sch. übereinstimme. Allerdings sei auch bei längerer Psychotherapie nicht davon auszugehen, dass der Kläger in absehbarer Zeit seine volle Arbeitsfähigkeit wiedererlange. Er halte ihn für leichte Arbeiten von drei bis unter sechs Stunden für fähig. Der Allgemeinmediziner L. hat in seiner Auskunft vom 12. September 2005 (Bl. 48 SG-Akte) mitgeteilt, dass er die Beschwerden und Klagen des Klägers für glaubhaft halte. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien sicher überlegenswert. Die Nervenärztin Dr. M. hat schließlich in ihrer Auskunft vom 20. Dezember 2005 (Bl 78 SG-Akte) noch angegeben, dass sie den Kläger von Juli bis Oktober 2003 behandelt habe. Zum damaligen Zeitpunkt sei er in der Lage gewesen, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Das SG hat des Weiteren das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten von Prof. Dr. St., Abteilungsleiter im Zentrum für Psychiatrie W., R., vom 5. Mai 2006 eingeholt. Es wurde ein Tagesablauf erhoben (gegen 8:00 Uhr aufstehen, dann hilft der Kläger seiner Mutter in der Küche und macht Frühstück, gegen später Morgentoilette, gelegentlich gemeinsam mit der Mutter zum Einkaufen, manchmal auch 10 Minuten auf den Hometrainer, ab und zu kocht der Kläger, er hilft beim Putzen, spült Geschirr usw., manchmal hilft er auch dem Sohn seiner Lebensgefährtin bei den Hausaufgaben). Prof. St. hat ausgeführt, dass bei der kritischen Würdigung der Vorgeschichte und der eigenen erhobenen Untersuchungsbefunde sich festhalten lasse, dass der Kläger sowohl Ende der 80er-Jahre als auch zum Zeitpunkt 2003 eine Krise mit psychischer und psychosomatischer Symptomatik durchgemacht habe. Eine tatsächlich erfolgte kleine Hirnblutung in der Hinterhauptsrinde sei bei sorgfältiger Würdigung aller vorliegenden Befunde in Übereinstimmung mit den Voruntersuchern sicher als Nebenereignis einzustufen, dem für das gesamte Geschehen zumindest in körperlicher Hinsicht keine besondere Bedeutung zukomme. Auslösend für die jetzige Dekompensation sei sicher zumindest teilweise ein sich zuspitzender Konflikt mit der Ehefrau wegen fortgesetztem Alkoholmissbrauch und Vernachlässigung aller häuslicher Pflichten sowie ein Konflikt mit dem Arbeitgeber wegen betriebsfremder Arbeit am Arbeitsplatz gewesen. Durchgängig werde praktisch vom ersten Arztbesuch und dem ersten Klinikaufenthalt an beschrieben, dass der Kläger sich abhängig und manipulativ verhalten habe, wenig offen und wenig zu Selbstkritik in der Lage gewesen sei und ein recht klares Rentenbegehren geäußert habe, als Kompensation für vermeidlich erlittenes Unrecht. Den Rentenantrag habe er während des Aufenthaltes auf der Psychotherapiestation gestellt, jedoch nicht im Einverständnis oder gar auf Anregung der behandelnden Ärzte. Insofern sei auch zu bezweifeln, ob die zahlreichen, seit 2004 erfolgten Krankenhausaufenthalte tatsächlich ein Beleg für die Schwere der psychischen Störungen seien oder ob sie in den Rahmen der manipulativ und tendenziösen Haltung zu stellen seien. Bei der eigenen Untersuchung hätten sich sowohl vom klinischen Eindruck her als auch bei den testpsychologischen Untersuchungen deutliche Hinweise auf eine ausgeprägte Aggravationsneigung gezeigt. Im Vergleich zu den mitgeteilten Ergebnissen von der Begutachtung durch den Nervenarzt Sch. 2004 habe sich die gezeigte, schon damals als auffällig im Sinne der Aggravation bewertete Testleistung so sehr verschlechtert, dass dies nur durch eine schwere progrediente psychische Erkrankung oder demenzielle Entwicklung zu erklären wäre, die aber keineswegs vorliege. Aufgrund dieser testpsychologisch eindeutig nachgewiesenen fehlenden Validität der gezeigten Leistungen, die sicher nicht dem tatsächlichen Leistungsvermögen entsprächen, seien natürlich auch die übrigen Selbstschilderungen hinsichtlich Schwere und Ausprägung der Symptomatik in Frage zu stellen. Angesichts der erheblichen Aggravationstendenzen sei eine verlässliche gutachterliche Beurteilung der tatsächlich vorhandenen Störungen jedoch nicht möglich. Das Vorliegen einer depressiven Störung und Angststörung sei nicht sicher beurteilbar. Der Kläger habe eine Persönlichkeitsstörung mit narzistischen, histrionischen und abhängigen Zügen und es bestehe ein Zustand nach occipitaler Hirnblutung im Jahr 2003 ohne neurologische Residuen. Gesundheitsstörungen, die einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten im Wege stehen könnten, hätten sich nicht sicher verifizieren lassen.

Im Weiteren hat der Kläger ein Attest seines behandelnden Nervenarztes Dr. B. vom 26. Juli 2006 (Bl. 134/135 SG-Akte) vorgelegt, wonach er seitens seines psychischen Leistungsvermögens schwerwiegend beeinträchtigt sei. Der Kläger sei momentan in versicherungsrelevantem Umfang nicht belastbar.

Im Weiteren hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das nervenärztliche Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. P. vom 19. Dezember 2006 (Bl. 149 f SG-Akte) eingeholt. Dr. P. hat beim Kläger im Wesentlichen eine Adipositas permagna, eine rezidivierende depressive Störung in gegenwärtig mittelgradiger Episode, eine narzistische Persönlichkeitsstörung, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung und eine Panikattacke diagnostiziert. Als Tagesablauf wurde erhoben, der Kläger er sei nahezu nur noch vor dem Fernseher, würde manchmal auch zu lange liegen bleiben, was seine Freundin als äußerst unangenehm empfinde, deswegen würde er kaum noch zu ihr gehen. Nach Einschätzung von Dr. P. sei der Kläger derzeit nicht in der Lage, vollschichtige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Es sei von einer Belastbarkeit bis maximal vier Stunden auszugehen. Grund für die zeitliche eingeschränkte Arbeitsfähigkeit sei die massive Ich-Bezogenheit des Klägers. Dieser Zustand bestehe seit 2003. Er stimme auch mit dem Reha-Bericht der Schu.klinik überein. Die von den anderen Gutachtern festgestellten Aggravationstendenzen würden auf dem Boden der Persönlichkeitsstörung des Klägers fußen, um letztendlich sich selber dem anderen als möglichst krank zu vermitteln. Dies sei durchaus ein pathologisches Muster und könne nicht als bewusstes Handeln dargestellt werden. Die von Prof. St. festgestellten Gesundheitsstörungen und auch Einschränkungen der Leistungseinschätzungen seien widersprüchlich.

Mit Urteil vom 25. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG hat dem Kläger hinsichtlich der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG gewährt. In der Sache hat es die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vorliegen würden.

Der Kläger leide unter einer Persönlichkeitsstörung und einem Zustand nach occipitaler Hirnblutung im Jahr 2003 ohne neurologische Residuen. Eine tatsächlich rentenrelevante qualitative, also zeitliche Einschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich daraus nicht objektiv ableiten. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr sechsstündig verrichten könnte. Geistig, psychisch und körperlich belastende Tätigkeiten und Tätigkeiten im Schichtdienst sollte er vermeiden. Da weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege, müsse auch eine bestimmte Verweisungstätigkeit nicht bezeichnet werden. Das SG hat sich hierbei in erster Linie auf das Gutachten von Prof. St. gestützt. Dem Gutachten von Dr. P. konnte das SG nicht folgen. So habe bereits Prof. St. zutreffend herausgearbeitet, dass sich aus den Befunden eine zeitliche Leistungseinschränkung der Leistungsfähigkeit nicht sicher verifizieren lasse. Dass der Kläger deutlich erkennbare Demonstrations- und Aggravationstendenzen aufweise, spreche für sein vollschichtiges Leistungsvermögen. Bereits im Entlassungsbericht der M.klinik vom 14. Oktober 2003 werde ein Berentungswunsch des Klägers als Genugtuung für vermeintlich erlittenes Unrecht festgestellt. Der Beratungsarzt Dr. Bu. weise in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme nachvollziehbar auf Widersprüche im Gutachten von Dr. P. hin, während das Gutachten von Prof. St. auch im Detail überzeuge. Hinzu komme, dass selbst die behandelnde Nervenärztin Dr. M. von keinem relevant eingeschränkten Leistungsvermögen während der Behandlung im Jahre 2003 ausgehe, einen Zeitraum für den Dr. P. den Kläger bereits für erwerbsgemindert halte. Auch die negativen Leistungseinschätzungen der behandelnden Ärzte und des Psychologen führten zu keiner anderen Beurteilung. Bei den im vorliegenden Fall führenden seelischen Erkrankungen werde in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wegen der "Simualtionsnähe" dieser Krankheiten bei der Feststellung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ein strenger Maßstab gefordert. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") sei von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Hinweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30. August 2006 - L 3 R 2518/04 -). Beim Kläger, der eine Lebenspartnerin habe, zusammen mit seiner Mutter lebe, das Frühstück mache, gelegentlich einkaufen gehe, die Wohnung putze und das Geschirr spüle, sich also insgesamt selbst versorge, und gelegentlich mit dem Sohn seiner Lebenspartnerin die Hausaufgaben mache, seien aber solche rentenrelevanten, das bedeute erheblichen Einschränkungen gerade nicht erkennbar. Insgesamt halte das SG den noch relativ jungen Kläger für fähig, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedenfalls mindestens sechsstündig auszuüben. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere schon daran, dass der Kläger nach dem 2. Januar 1961 geboren sei (mit Hinweis auf § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Der Kläger hat gegen das seiner Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 15. August 2007 zugestellte Urteil am 20. August 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat seine Bevollmächtigte vorgetragen, dass ebenso wie Prof. St. auch Dr. P. die Vorbefunde und Vorgutachten berücksichtigt und den Beschwerden des Klägers sorgfältig nachgegangen sei. Auch er habe ein ausführliches Explorationsgespräch geführt. Während Prof. St. ausgeführt habe, dass ihm eine verlässliche gutachterliche Beurteilung aufgrund der Aggravationstendenz nicht möglich sei, habe sich Dr. P. detailliert mit den Aggravationstendenzen auseinander gesetzt und sei unter Berücksichtigung derselben zu einem Leistungsvermögen gelangt, welches die Gewährung einer Rente begründe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Juli 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Nervenarztes Prof. Dr. St. vom 19. Oktober 2007 sowie auf Antrag des Klägers des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. vom 28. April 2008 eingeholt. Prof. St. hat in dem Zusammenhang u. a. ausgeführt, dass Dr. P. insgesamt neun Diagnosen gestellt habe, bezüglich der psychiatrischen Diagnosen, insbesondere der mittelgradigen depressiven Episode, aber nicht klar werde aufgrund welcher Kriterien er diese gestellt habe. Die Aufhebung des Leistungsvermögens habe Dr. P. durch eine "in geistiger Hinsicht massive depressive Einengung", "erhebliche Kränkungssituation durch das gleichzeitige Auftreten von beruflicher Zurücksetzung" sowie psychosozialer Faktoren und beginnende Trennung von der Frau begründet. Eine massive depressive Einengung sei dem Befund und der Anamneseerhebung nicht zu entnehmen, wäre auch allenfalls bei einer schweren depressiven Episode anzunehmen. Eine Kündigung und auch Trennung des Ehepartners stellten im Übrigen für jeden Menschen Kränkungen dar. Dadurch, dass man diese Kränkung "narzistische Kränkungen" nenne (jedes derartige Ereignis betreffe natürlich das Selbstwertgefühl), begründeten sie noch keineswegs eine, zumal auch noch überdauernde, Leistungsunfähigkeit. Auch soweit Dr. P. als Grund für die zeitlich eingeschränkte Arbeitsfähigkeit die massive Ich-Bezogenheit des Klägers anführe und weiter ausführe, der Kläger externalisiere die Schuld und sei zu einer selbstkritischen Bewertung der Situation nicht in der Lage, sei dies wohl richtig, für Prof. St. jedoch unverständlich, weshalb daraus eine Leistungseinschränkung resultieren solle. Menschen, die für alles anderen die Schuld geben würden, gebe es bekanntlich in beliebig großer Anzahl und bei den allermeisten von ihnen könne man aus psychotherapeutischer Sicht gestörte innere Strukturen wie ich-strukturelle Schwäche, defizitäres Über-Ich, projektive Tendenzen usw. feststellen. Eine Behandlungsbedürftigkeit oder gar Leistungsunfähigkeit resultiere daraus noch nicht. Auch soweit Dr. P. u. a. darauf verweise, dass gerade die von ihm beschriebenen Aggravationstendenzen Ausdruck der tatsächlichen Störungen des Klägers seien, er sich dem Untersucher als möglichst krank darstellen wolle, bezeichne man allerdings typischerweise das eben gerade als Aggravation. Dr. P. setze letztlich ohne weitere Begründung die gravierenden Beschwerdeschilderungen des Klägers als Zeichen für eine tatsächlich schwere Störung an. Zurückzuweisen sei auch die Behauptung der Klägerbevollmächtigten, eine verlässliche gutachterliche Beurteilung sei ihm aufgrund der Aggravationstendenzen nicht möglich gewesen, während sich Dr. P. damit detailliert auseinander gesetzt habe. Vielmehr habe gerade Dr. P. diese wichtige Auseinandersetzung unterlassen.

Dr. P. ist dem entgegen getreten und hat u. a. ausgeführt, von mehreren Vorbehandlern einschließlich des Analytikers D. sowie der Nervenärztin Dr. M. seien immer wieder die depressiven Befunde in den Vordergrund gestellt und diesen Störungen, nicht nur der schweren, sondern auch der mittelgradigen Depression, sei eine Denkstörung immanent, sodass es sich um eine latente Konzentrations- und dementsprechend Gedächtnisstörung und auch um eine Aufmerksamkeitsstörung handeln könne. Es gebe auch in anderen Bereichen Krankheiten, insbesondere bei Schizophrenen, in denen die wahnhafte Überzeugung von bestimmten Vorgängen und Krankheitsabläufen nicht korrigierbar sei. Das sei gerade die Definition des Wahns. Ein Beispiel sei das so genannte Münchhausensyndrom, in dem meistens Mütter ihre Kinder als krank darstellten bzw. auch selber schädigten, damit diese Erkrankungen entwickelten, um so in den Kontakt zu Hilfsdiensten, Krankenhäusern und Ärzten zu kommen. Auch dies sei eine Störung, die zwar bis heute nicht ganz verstanden werde, die aber ebenso eine fehlende Einsicht bzw. Wahrnehmung in eigene psychosomatische Zusammenhänge und Krankheitsursachen mit sich bringe. Insofern sei seine Argumentation durchaus gerechtfertigt, dass dem Kläger die Einsicht in seine Störung fehle und er deshalb starke Verdeutlichungstendenzen aufweise. Zusammenfassend möchte er auch bei seiner Einschätzung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit der langen Krankheitsgeschichte bleiben, unter Berücksichtigung der biografischen Gegebenheiten.

Die Klägerbevollmächtigte hat im Weiteren noch Arztbriefe der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dr. Hü. sowie über eine ambulante Arthroskopie des Innenmeniskus vorgelegt.

Dr. Bu. verweist in einer abschließenden sozialmedizinischen Stellungnahme vom 6. Juni 2008 u. a. noch darauf, dass sich auch aus den noch vorgelegten Berichten keine klinisch relevanten Untersuchungsbefunde ergeben, die rentenrelevante Bedeutung haben. Hinsichtlich der Stellungnahme von Dr. P. hat Dr. Bu. in Bezug auf die Testergebnisse darauf verwiesen, dass nicht primär entscheidend sei, wie sich die Testergebnisse, auch im zeitlichen Verlauf, darstellten, sondern vielmehr, inwieweit die Testergebnisse mit dem ausführlichen klinischen Untersuchungsbefund korrelierten oder eben nicht. Erheblich Abweichungen zwischen klinischem Befund und Testergebnis seien eben eindeutig als Hinweise auf eine Aggravation zu werten, worauf Prof. St. in seinem Gutachten vom 5. Juni 2006 eindeutig und nachvollziehbar hingewiesen habe. Es mache im Übrigen auch einen Unterschied, ob Testuntersuchungen im Rahmen einer klinischen Betreuung eingesetzt würden oder im Rahmen einer Begutachtung. Üblicherweise würden Testuntersuchungen für die klinische Betreuung eingesetzt und seien für diese validiert, für gutachterliche Fragestellungen liege in den allermeisten Fällen eine entsprechende Validierung hingegen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung liegt nicht vor. Der Kläger begehrt die dauerhafte Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nicht vorliegen.

1. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten beim Kläger vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Der Kläger ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

Der wesentliche Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen des Klägers liegt auf nervenärztlichem Gebiet.

Auf der Grundlage des im Urkundenbeweis zu verwertenden Gutachtens aus dem Verwaltungsverfahren des Nervenarztes Sch., der beigezogenen Auskünfte der behandelnden Ärzte und Entlassberichte verschiedener stationärer Behandlungen, des im SG-Verfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachtens von Prof. St. kann der Kläger im Ergebnis unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben.

Der Nervenarzt Sch. diagnostizierte in seinem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten eine Anpassungsstörung. Im Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass der Kläger in psychischer Hinsicht deutlich regressiv gewesen sei, sich einer positiven Auseinandersetzung mit seiner Lebenssituation verweigerte und, wie es schien, die totale Regression und erlösende Berentung das Mittel des Kampfes gewesen sei. Hinweise für eine hirnorganische, kognitive Beeinträchtigung waren nach den Feststellungen des Nervenarztes Sch. im gesamten Gesprächsablauf nicht zu erkennen, keine Störung der Aufmerksamkeit und des Auffassungsvermögens, der Kläger habe vielmehr gut diskutieren, argumentieren können, wobei er deutlich seine regressiven Ansprüche im Sinne einer Berentung klargemacht hatte. Im Weiteren hat der Nervenarzt Sch. schon darauf verwiesen, dass die testpsychologische Untersuchung weit über das verständliche Maß und über die hirnorganisch diagnostizierte Schädigung hinausgehende kognitive Defizite gezeigt hat, die man als ausgesprochene Aggravation und Simulationstendenz ansehen müsse. Der Diplom-Psychologe D. hat in seiner Arztauskunft eine verfestigte psychoneurotische Fehlentwicklung beschrieben, die sich in einer depressiven Symptomatik und einer regressiven, sich versorgenden Haltung zeigte. Die M.klinik hatte anlässlich der stationären Behandlung des Klägers in der Zeit vom 3. Juli 2003 bis 2. September 2003 als Diagnosen eine akute Belastungsreaktion (im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust) sowie eine mittelgradige depressive Episode und den Verdacht auf eine ängstlich abhängige, selbstunsichere Persönlichkeit u. a. gestellt. Das Zentrum für Psychiatrie Bad Schu. hat ferner im Bericht vom 16. März 2005 hinsichtlich einer stationären psychiatrischen Behandlung vom 3. Dezember 2004 bis zum 5. Januar 2005 als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, eine somatoforme Störung bei abhängiger Persönlichkeitsstörung auf nervenärztlichem Gebiet beschrieben. Im psychopathologischen Aufnahmebefund des Zentrums für Psychiatrie Bad Schu. ist noch ausgeführt, dass subjektive Konzentrations- und Auffassungsstörungen sich bei der Prüfung nicht hätten nachweisen lassen, die Merkfähigkeit und das Gedächtnis gut gewesen seien. Auch sei der formale Gedankengang geordnet gewesen, der Rapport flüssig und schlüssig. Es hätten auch keine Hinweise für eine Wahnsymptomatik, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen bestanden. Im Affekt sei der Kläger seinerzeit deutlich niedergeschlagen gewesen, mit leicht eingeschränkter affektiver Modulationsfähigkeit. Der Antrieb erschien mittelgradig beeinträchtigt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. nennt in ihrer Auskunft als Diagnosen bezüglich ihrer im Zeitraum Juli 2003 bis Oktober 2003 durchgeführten Behandlung des Klägers eine depressive Episode bei persönlicher Belastungssituation. Sie geht allerdings weiter davon aus, dass der Kläger damals in der Lage gewesen sei, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Auch die Schu.klinik (Chefarzt Dr. Schlachter und Psychologe Be.) gelangte im Entlassungsbericht vom 21. Juli 2004 auf der Grundlage einer rezidivierenden depressiven Störung und Somatisierungsstörung zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es wurde im Entlassungsbericht auch ausdrücklich noch darauf hingewiesen, dass die Einschätzung diesbezüglich - was das Leistungsvermögen für die Arbeitsfähigkeit betrifft - seitens des Klägers und seitens der Klinik voneinander abwichen.

Prof. St. gelangt schließlich in seinem Gutachten als Diagnose zu einer depressiven Störung und Angststörung, wobei er den Schweregrad aufgrund der Aggravationstendenzen des Klägers nicht sicher beurteilen konnte, ferner zu einer Persönlichkeitsstörung mit narzistischen, histrionischen und abhängigen Zügen sowie einem Zustand nach occipitaler Hirnblutung 2003 ohne neurologische Residuen. Im Einzelnen hat er auf der Grundlage der von ihm durchgeführten umfangreichen Untersuchung und des Explorationsgespräches ausgeführt, dass zwar zweifellos auch in der Vergangenheit jeweils eine gewisse depressiv-ängstliche Symptomatik vorgelegen hat, die auch heute bis zu einem gewissen Grade zum Zeitpunkt seiner Begutachtung eine Rolle spielt. Durchgängig wird aber von Prof. St. vom ersten Arztbesuch und dem ersten Klinikaufenthalt an beim Kläger beschrieben, dass er sich abhängig und manipulativ verhalten habe, wenig offen und wenig zu Selbstkritik in der Lage gewesen sei und ein recht klares Rentenbegehren geäußert habe, als Kompensation für vermeintlich erlittenes Unrecht. Ferner hat auch Prof. St. ebenso wie schon der Nervenarzt Sch. im Verwaltungsgutachten darauf hingewiesen, dass sich bei seiner eigenen Untersuchung sowohl vom klinischen Eindruck her als auch bei der testpsychologischen Untersuchung deutliche Hinweise auf eine ausgeprägte Aggravationsneigung gezeigt haben. Im Vergleich zu den mitgeteilten Ergebnissen der Begutachtung des Nervenarztes Sch. aus dem Jahr 2004 hat sich nach Einschätzung von Prof. St. die gezeigte, schon damals auffällig im Sinne der Aggravation bewertete Testleistung so sehr verschlechtert, dass dies nur durch eine schwere progrediente psychische Erkrankung oder demenzielle Entwicklung zu erklären wäre, die aber keineswegs vorliegt. Aufgrund der testpsychologisch eindeutig nachgewiesenen fehlenden Validität der gezeigten Leistungen, die sicher nicht dem tatsächlichen Leistungsvermögen des Klägers entsprechen, sind natürlich auch die übrigen Selbstschilderungen hinsichtlich Schwere und Ausprägung der Symptomatik nach Prof. St. in Frage zu stellen. Auch Prof. St. weist darauf hin, dass hier beim Kläger eine gewisse Beeinträchtigung durch depressive und Angstsymptome vorliegen möge. Unübersehbar hat auch der Kläger schwere Einbußen in seiner Lebensgestaltung erlebt, so hat er Ehefrau, Kinder, Besitz und Arbeit verloren. Natürlich stellt sich bei derartigen Entwicklungen immer die Frage, ob es sich nur um ein Nicht-Wollen oder doch um ein Nicht-mehr-Können handelt. Allerdings ist angesichts der erheblichen Aggravationstendenzen eine verlässliche gutachterliche Beurteilung der tatsächlich vorhandenen Störungen nicht möglich und diese Unsicherheit geht letztlich zu Lasten des Klägers, weil sich eventuell vorhandene tatsächliche Funktionseinbußen nicht sicher feststellen lassen. Prof. St. hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er insofern nicht feststellen kann, wie ausgeprägt die tatsächliche depressive Symptomatik und die Angstsymptomatik sind.

Soweit Dr. P. im Unterschied zu Prof. St. von einem Leistungsvermögen von maximal vier Stunden pro Tag auf der Grundlage der von ihm beschriebenen Diagnosen ausgeht, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Prof. St. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten von Dr. P. auch zur Überzeugung des Senats in dem Zusammenhang zutreffend darauf verwiesen, dass es Menschen, die für alles anderen die Schuld geben, in beliebig großer Anzahl gebe und man bei den allermeisten von ihnen aus psychotherapeutischer Sicht gestörte innere Strukturen wie ich-strukturelle Schwäche, defizitäres Über-Ich, projektive Tendenzen usw. feststellen kann, eine Behandlungsbedürftigkeit oder gar Leistungsunfähigkeit im Sinne des Rentenrechtes daraus aber nicht resultiert. Also allein aus dem Verhalten des Klägers, wie es sich hier sehr deutlich zeigt, dass er ganz offensichtlich auch anderen für alles die Schuld gibt, genügt nicht. Auch soweit Dr. P. in seinem Gutachten argumentiert, dass alle gezeigten Verweigerungssymptome einschließlich der mangelnden Mitarbeit und Anstrengungsbereitschaft in der gutachterlichen Situation nur Ausdruck der tatsächlichen Störung seien, also der Kläger sich dem Untersucher als möglichst krank darstellen wolle, begründet auch nach Überzeugung des Senates in Übereinstimmung mit Prof. St. gerade noch nicht die Feststellung einer tatsächlich auch vorliegenden Erkrankung, die zu einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung führt. Vielmehr bezeichnet man gerade dieses Verhalten, sich nämlich dem Gutachter gegenüber als möglichst krank darzustellen, als Aggravation. Wenn man aber als gegeben annimmt, dass es Phänomene wie unangemessene Anspruchshaltung, mangelnde Leistungsbereitschaft und unangemessene Entschädigungserwartung tatsächlich gibt, wirft sich die Frage auf, wie diese feststellbar und von krankhaften Störungen abgrenzbar sein sollen. Dr. P. setzt aber ohne weitere Begründung die aggravierenden Beschwerdeschilderungen als Zeichen für eine tatsächlich schwere Störung an. Dabei lässt sich die Frage der Abgrenzung nach Prof. St. durchaus klar beantworten: Die Behauptung der Leistungsunfähigkeit und das aggravatorische Verhalten selbst können nicht in einem Zirkelschluss eine Diagnose implizieren, sondern diese muss vielmehr unabhängig und bezogen auf andere Lebensbereiche gestellt werden. Gerade dies gelingt hier aber im Falle des Klägers nicht.

In dem Zusammenhang hat bereits das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade bei den auch hier im Vordergrund stehenden seelischen Erkrankungen in der Rechtsprechung des BSG wegen der "Simulationsnähe" dieser Krankheiten bei der Feststellung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ein strenger Maßstab gefordert wird. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (siehe BSG Urteil vom 1. Juli 1964 - 11/1 RA 158/61 -). Die sozialmedizinische Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens richtet sich bei psychischen Störungen im Wesentlichen nach dem Ausmaß der Funktions- bzw. Aktivitätsstörungen und einer möglicherweise eingeschränkten Teilhabe an den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (siehe LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. August 2006 - L 3 R 2518/04 mwN -). Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") ist auch nach Überzeugung des Senates von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (s.a. LSG Baden-Württemberg aaO). Berücksichtigt man in dem Zusammenhang aber die Lebenssituation des Klägers (Lebenspartnerin) und den von Prof. St. erhobenen Tagesablauf (hilft nach dem Aufstehen der Mutter in der Küche und macht Frühstück, danach Morgentoilette, gelegentlich einkaufen gemeinsam mit der Mutter, dann manchmal für einige Zeit auf den Hometrainer, ab und zu auch kochen, putzen der Wohnung, Geschirr spülen usw., auch Hilfe des Sohnes der Lebensgefährtin bei den Hausaufgaben) kann hier nicht von einer "vita minima" gesprochen werden. Hierzu passt auch die von Dr. P. wiedergegebene "Beurteilung des Tagesablaufes" (der Kläger sei nahezu nur noch vor dem Fernseher, würde manchmal auch zu lange liegen bleiben, was seine Freundin als äußerst unangenehm empfinde, deswegen würde er auch kaum noch zu ihr gehen) nicht. Dr. P. geht nämlich davon aus, dass der Kläger schon seit 2003 (Verlust des Arbeitsplatzes) in seinem Leistungsvermögen, wie von ihm beschrieben, massiv reduziert ist. Dann wäre aber zu erwarten gewesen, dass schon der von Prof. St. nur ein halbes Jahr vorher erhobene Tagesablauf deutlich reduzierter hätte ausfallen müssen, als er tatsächlich ausgefallen ist.

Auch Dr. Bu. hat in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 6. März 2007 noch darauf hingewiesen, dass sich bei Prof. St. (im Unterschied zu Dr. P.) eine ausführliche klar strukturierte Anamneseerhebung, eine klare Trennung der anamnestischen Angaben von den objektiv erhobenen Befunden, ausführliche Angaben zum Tagesablauf und ein sehr ausführlicher psychischer Untersuchungsbefund, ergänzt durch Testuntersuchungen, die ausführlich beschrieben würden, findet. Demgegenüber findet sich bei Dr. P. nur ein eher knapper, teils auch recht vager und zum Teil gar widersprüchlicher psychischer Untersuchungsbefund. So heißt es an einer Stelle, dass der Kläger wach sei, in allen Modalitäten gut orientiert sei und sich keine Störung des Bewusstseins oder der Wahrnehmung zeige. Demgegenüber heißt es an anderer Stelle, wenige Zeilen später, dass der Kläger im Affekt stuporös wirke, kaum Mimik, kaum Gestik zeige. Dr. P. führt an anderer Stelle aus, dass sich eine zum depressiven Pol hin ausgelenkte Stimmungslage zeige, allerdings ohne Angabe einer Ausprägung. Auch werde der Antrieb als "reduziert" beschrieben, ebenfalls ohne Angabe einer Ausprägung. Auch sind nach Einschätzung von Dr. Bu. - wie bereits von Seiten des Senats oben ausgeführt - im Gutachten von Dr. P. zum Tagesablauf und zum Freizeitverhalten ebenfalls eher spärliche Angaben und insbesondere sind diese ausgesprochen vage. Im Übrigen werden die Angaben zum Tagesablauf dann gleichzeitig mit der Einschätzung des Gutachters Dr. P. vermischt, dass es sich beim Kläger um einen zutiefst verunsicherten und letztendlich hilflosen Menschen handelt. Schließlich äußert Dr. P. die Ansicht, dass die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers insbesondere aufgrund der Selbstwahrnehmung und der zugrundeliegenden Störung nahezu zu 100 % erloschen sei. Damit aber begründet Dr. P. das geltend gemachte aufgehobene Leistungsvermögen ganz entscheidend mit den eigenen subjektiven Angaben des Klägers, die hier weitgehend unkritisch übernommen werden. An anderer Stelle verweist Dr. P. ferner noch auf eine "massive depressive Einengung", die aber nicht begründet wird und sich gerade den auch im Gutachten mitgeteilten psychischen Befunden nicht nachvollziehbar entnehmen lässt. In diesem Sinne hat sich auch Prof. St. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Oktober 2007 geäußert.

Insgesamt kann sich der Senat damit nicht davon überzeugen, dass beim Kläger neben den insoweit unstreitigen qualitativen Einschränkungen auch quantitativ eine Beschränkung des Leistungsvermögens dahingehend besteht, dass er nicht mehr in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich zumindest leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Damit besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr.5).

2. Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig.

Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitert hier schon daran, dass der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren ist. Damit ist der Kläger auch nicht berufsunfähig im Sinne von § 240 SGB VI und besteht auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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