Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 5121/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2569/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) streitig.
Bei dem 1959 geborenen Kläger sind seit Juli 1996 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen "G") und bei Notwendigkeit einer ständigen Begleitung (Merkzeichen "B") anerkannt (vgl. Widerspruchsbescheid vom 03.07.1997). Dieser Einschätzung hatte der Beklagte ein organisches Nervenleiden (Teil-GdB 60), Restfolgen nach Fersenbeinbruch mit Bewegungs- und Mineralisationsminderung im Sprunggelenk (Teil-GdB 20) sowie eine Sehminderung (Teil-GdB 20) zugrunde gelegt. Mit Bescheid vom 06.05.1999 hatte der Beklagte auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bei außergewöhnlicher Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") mit Wirkung ab 01.01.1999 festgestellt.
Mit einem am 28.01.2005 beim Beklagten eingegangenen Änderungsantrag begehrte der Kläger die Erhöhung des GdB unter Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF"). Unter Berücksichtigung eines Berichtes des Hausarztes Dr. F., L., sowie weiterer von diesem vorgelegter Befunde stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14.04.2005 den GdB mit 80 seit 28.01.2005 sowie zur Inanspruchnahme entsprechender Nachteilsausgleiche die Merkzeichen "G", "B", "aG" fest. Die Zuerkennung der Merkzeichen "GL", "H", "BL" und "RF" lehnte er ab. Bei seiner Entscheidung berücksichtigte der Beklagte ein organisches Nervenleiden (GdB 80) und einen Leberschaden (GdB 20). Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch verwies der Kläger auf die 1986 erlittene Trümmerfraktur des Fersenbeins und bat um Prüfung, ob die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" gegeben seien. Er könne maximal 10 Minuten stehen bzw. gehen und maximal 30 Minuten im Rollstuhl sitzen. Hierzu hat er den Bericht des Facharztes für Chirurgie Dr. B., Pforzheim, vom 22.03.2005 vorgelegt. Unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Nahrun vom 15.07.2005 stellte der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 15.08.2005 den GdB mit 90 seit 28.01.2005 fest. Als weitere Funktionsbeeinträchtigung berücksichtigte er nunmehr auch eine Funktionsbehinderung des rechten unteren Sprunggelenkes (Teil-GdB 20). Es war vermerkt, dass die Merkzeichen "G", "B", "aG" festgestellt blieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2005 bestätigte der Beklagte die Ablehnung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Voraussetzung sei, dass ein behinderter Mensch wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne. Hierbei sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Trotz der Schwere der Behinderung sei der Kläger durchaus noch in der Lage, ggf. mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln, zumindest gelegentlich öffentliche Veranstaltungen aufzusuchen.
Unter Vorlage weiterer Befundberichte hat der Kläger hiergegen am 16.12.2005 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, maximal nur 20 Meter gehen, ca. 5 Minuten stehen und höchstens 20 Minuten sitzen zu können. Ihm sei es auch mit einem Rollstuhl und einer Begleitperson nicht möglich, eine öffentliche Veranstaltung zu besuchen. Der Neurologe und Psychiater Dr. E. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage für das SG vom 03.03.2006 über die Behandlung des Klägers seit Juni 1996 berichtet. Aufgrund einer zunächst bestehenden Schwäche im linken Bein sei nach stationärer neurologischer Abklärung die Diagnose Encephalomyelitis disseminata gestellt worden. In den vergangenen Jahren habe die Schwäche vor allem im linken Bein, gering auch im rechten Bein, zugenommen, so dass er für weitere Strecken einen Rollstuhl benötige. Sekundär sei es zusätzlich zu einer Sprunggelenksarthrose rechts gekommen. Er leide unter Symptomen einer Claudicatio intermittens bei arterieller Verschlusskrankheit. Es bestehe eine zentral bedingte und reflexbetonte Beinparese links mit unerschöpflichen Fußkloni und inzwischen auch eine gewisse Schwäche des rechten Beines. Der ebenfalls vom SG gehörte Dr. F. hat über eine Besserung der Leberwerte, eine Verschlechterung des Gehvermögens und eine zunehmende Angewiesenheit auf den Rollstuhl berichtet. Außerdem hätten die Durchblutungsstörungen an den Beinen und die depressive Verstimmung zugenommen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen "RF" seien aus den beiden sachverständigen Zeugenaussagen nicht ableitbar. Es sei nach Aktenlage nicht nachvollziehbar, wieso der Besuch öffentlicher Veranstaltungen mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (Rollstuhl) nicht in zumutbarer Weise möglich sein solle.
Das SG hat hierauf Dr. R., Institut für Neurologische Begutachtung, K., mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 09.10.2006 den Teil-GdB für die Funktionsausfälle aufgrund der Multiplen Sklerose, Gehstörung und Fatigue-Syndrom auf 80 eingeschätzt. Unter Zugrundelegung einer Visusminderung links auf kleiner als 0,08, die sich dem Bericht des Augenarztes Dr. W. aus L. vom 13.05.1997 (Bl. 55 der Akten der Beklagten) entnehmen lasse und die er mit einem Teil-GdB von 20 bewerte sowie eines Teil-GdB von 20 für den Leberschaden und eines Teil-GdB von 20 für die Arthrose und Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenkes hat er einen Gesamt-GdB von 100 vorgeschlagen. Der Kläger gehöre aber weder zur Gruppe mit sehr schweren Bewegungsstörungen, für die der Besuch von Veranstaltungen selbst mit Begleitperson stets mit übermäßigen und folglich unzumutbaren Anstrengungen verbunden sei, noch zu den Behinderten, die auf ihre Umgebung unzumutbar störend wirkten. Der Kläger sei in der Lage, sich selbstständig zu versorgen und es bestünde eine ausreichende Mobilität (er gehe noch selbst zum Einkaufen, auch in den Supermarkt, gehe häufig auf einen Reiterhof, um Bekannte zu treffen, besuche Freunde, habe bis vor kurzem noch auf 345,- EUR-Basis als Elektriker gearbeitet). Während des ein- bis eineinhalb Stunden dauernden Untersuchungsgespräches habe der Kläger sitzen können. Die von ihm als Begründung angegebenen Einschränkungen könnten auch aus den berichteten Tagesaktivitäten nicht abgeleitet werden. Er habe zusätzlich noch angegeben, dass es bei ihm seit Jahren zu einem ängstlichen Unbehagen, einer Nervosität und Beklemmung komme, auch zu körperlichen Beschwerden wie einem komischen Gefühl in der Magen-Darm-Gegend, wenn er sich in größeren Menschenansammlungen oder mit mehreren Menschen in beengten Räumen befinde. Er vermeide es deshalb zunehmend auf private Feste wie Geburtstagsfeiern zu gehen, gehe auch nicht ins Kino, ins Theater oder ähnliche mit größeren Menschenansammlungen verbundenen Veranstaltungen. Auffällig sei, dass diese Störung in den ärztlichen Berichten nicht erwähnt sei, auch nicht in den eigenen Antragsbegründungen. Dies lasse zumindest den Schluss zu, dass ein größerer Leidensdruck mit Wunsch nach Behandlung bisher nicht bestanden habe.
Hierauf hat der Kläger erwidert, dass er in ein Kino oder Theater nicht gehen könne, weil er keine Stunde sitzen könne. Es sei ihm auch in diesem Jahr noch nicht möglich gewesen, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, weil er sich ca. alle 30 Minuten irgendwo hinlegen müsse. Soweit Dr. R. erwähnt habe, dass er seinen Haushalt im Wesentlichen selber mache, habe er nicht ausgeführt, wie dies ablaufen würde. Er benötige über zwei Tage, bis er einmal die Wohnung durchgesaugt habe. Gleiches gelte für alle anderen anfallenden Arbeiten im Haushalt. Es sei ein ständiger Wechsel von Gehen, Sitzen und Liegen erforderlich. Einkäufe müssten in maximal 20 bis 30 Minuten erledigt sein. Es stimme nicht, dass er während der Untersuchung ein- bis eineinhalb Stunden im Sitzen verbracht habe. Denn diese habe im Sitzen, Liegen und Stehen stattgefunden. Die ersten 45 Minuten, die im Sitzen stattgefunden hätten, hätten ihm durchaus Probleme bereitet, was Dr. R. aber nicht erkannt oder nicht bemerkt habe. In diesem Jahr sei er nur zwei- bis dreimal im Monat für ein bis zwei Stunden auf den Reiterhof gegangen, weil er dort die Möglichkeit gehabt habe, sich öfters hinzulegen. Freunde würden ihn besuchen und nicht umgekehrt. Er habe im Übrigen eine neue Arbeit gefunden. Er überprüfe und programmiere Platinen, diese bekomme er nach Hause geliefert und könne sie dort ohne Zeitlimit in Ruhe abarbeiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.04.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "RF" nicht erfüllt seien. Es hat sich auf die Ausführungen und Schlussfolgerungen im Gutachten von Dr. R. gestützt. Der Kläger sei noch in der Lage, sich selbstständig zu versorgen und es bestünde auch eine ausreichende Mobilität, die einer Zuerkennung des Merkzeichens entgegenstehe. Bei dem von Dr. R. beschriebenen ängstlichen Unbehagen, einer Nervosität und Beklemmung und körperlichen Beschwerden bei Aufenthalt in größeren Menschenansammlungen und mit mehreren Menschen in beengten Räumen handele es sich mit den Ausführungen von Dr. R. um keine schwerwiegende Störung. Es werde zwar für möglich erachtet, dass eine leichte agoraphobische Störung vorliege, weshalb auch die Möglichkeit bestehe, dass der Kläger an ganz bestimmten Veranstaltungen nicht teilnehmen könne. Gleichwohl seien die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens "RF" nicht erfüllt, denn es reiche nicht aus, wenn ein behinderter Mensch an Veranstaltungen mit größeren Menschansammlungen nicht mehr teilnehmen könne. Ungeachtet dessen habe der Gerichtssachverständige zusätzlich dargelegt, dass eine Behandlung einer leichten agoraphobischen Störung durch Medikamente, insbesondere durch eine Verhaltenstherapie möglich sei. Im Übrigen komme es bei der Beurteilung nicht auf die individuelle Situation des Behinderten an, sondern darauf, ob der behinderte Mensch objektiv gehindert sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Gegen den ihm am 25.04.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.05.2007 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages hält der Kläger an dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF" fest. Außerdem verweist er auf seine spastischen Gliedmaßenbewegungen. Diese motorische Unruhe würde beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen stören und er sei daher der Meinung, dass er die Voraussetzung für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" erfülle. Zu einem vom Berichterstatter auf den 25.06.2006 geladenen Termin ist der Kläger zunächst nicht erschienen. Am Folgetag sprach er persönlich auf der Geschäftsstelle vor, wobei sich herausstellte, dass er den Termin verwechselt hat. In dem daraufhin vom Berichterstatter auf den 17.10.2008 anberaumten Termin wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Der Kläger hat angegeben, für die Fahrt zum Gericht seinen eigenen Pkw benützt zu haben. Er sei gegen 8.30 Uhr weggefahren und kurz vor 10.00 Uhr angekommen. Die Fahrt habe er für gut 15 Minuten Pause unterbrechen müssen, weil er sich zur Linderung seiner Schmerzen habe hinlegen müssen. Er verlasse sein Haus nur noch zum Einkaufen und um in das fünf Autominuten entfernte Thermalbad zu fahren. Außerdem fahre er mit seinem Pkw zu seinem etwa 5 km entfernten Arbeitgeber, um die Platinen abzuholen und auch wieder zurückzubringen. Er halte sich dort aber nur kurz auf. Wegen der Schmerzen besuche er keine Veranstaltungen, auch auf dem Reiterhof sei er seit einem halben Jahr nicht mehr gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. April 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 14. April 2005 und 15. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2005 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF") ab 28. Januar 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält daran fest, dass unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses feststehe, dass der Kläger noch ausreichend mobil sei, um sich selbst zu versorgen. Dementsprechend sei er auch nicht umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Aus versorgungsärztlicher Sicht sei nicht nachvollziehbar, wieso der Besuch öffentlicher Veranstaltungen mit Hilfe einer Begleitperson oder eines Rollstuhls nicht in zumutbarer Weise möglich sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs Merkzeichen "RF".
Streitgegenstand des Verfahrens ist insoweit nicht die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, sondern die Feststellung ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen, die dann für die Rundfunkanstalt, die über eine Befreiung zu entscheiden hat, bindend ist (BSGE 52, 168, 170ff = SozR 3870 § 3 Nr. 13 S 31 ff).
Nach § 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitlichen Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen diese Behörde auch die insoweit erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4-3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.).
Für den Kläger war - für die Zeit bis zum 31.3.2005 - als einschlägige landesrechtliche Vorschrift § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21.07.1992 des Landes Baden-Württemberg (GBl 1992, 578) heranzuziehen. An deren Stelle trat mit Wirkung ab 01.04.2005 Art 5 § 6 Abs 1 Nr. 7 und 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15.10.2004 idF. des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.3.2005 (GBl. 2005, 189 - vgl. Art. 5 § 10 Abs. 2). Diese Normen regeln inhaltsgleich die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Sie sind für die inhaltliche Beurteilung, ob dem Kläger die begehrte Feststellung zusteht, zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 08.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, in juris).
Danach sind Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 allein wegen der Sehbehinderung und Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, sowie behinderte Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Der Kläger ist weder hörgeschädigt noch blind und bei ihm besteht auch keine Sehminderung, die für sich allein genommen einen GdB von 60 bedingt. Nach den AHP, Ausgabe 2008 (und ohne Änderung zu den vorhergehenden Ausgaben), Nr. 26.4 und der hierzu anzuwendenden Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft wird eine funktionelle Einäugigkeit mit einem GdB von 25, aufgerundet 30 bewertet. Die von Dr. R. beschriebene Visusminderung auf dem linken Auge rechtfertigt bei unbeeinträchtigter Sehfähigkeit des rechten Auges aber noch keinen GdB in dieser Höhe.
Beim Kläger ist zwar ein GdB von 90 festgestellt; er ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. Urteil vom 28.06.2001, B 9 SB 2/00 R) ist bei der Beurteilung, welche Personen aus gesundheitlichen Gründen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden können, ein enger Maßstab anzulegen. Der Behinderte muss wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch an öffentlichen Veranstaltungen, d.h. von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender Art ausgeschlossen sein, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen können. Dabei ist es unerheblich, ob diejenigen Veranstaltungen, an denen der Behinderte noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Solange der Behinderte mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er an der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht gehindert. Diese Unfähigkeit des Behinderten, ständig an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, steht damit praktisch der Bindung an das Haus gleich. Aus dem subjektiven Empfinden eines Behinderten, an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr partizipieren zu können, folgt nicht, dass ein Besuch unzumutbar ist (vgl. BSG a.a.O.).
Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich "RF" tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird, und ob es sozial geboten erscheint, bestimmten und (auch) finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte (Fernsehen, Rundfunk, Telefon) zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen "RF" festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - a.a.O.).
Für die Auslegung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" sind die in Nr. 33, S. 141 f dargelegten Festlegungen der AHP 2004 weiterhin maßgeblich, auch wenn die Nr. 33 in den Anhaltspunkten 2008 nicht mehr aufgeführt ist. Danach kann von einem dauerhaften Ausschluss bei folgenden Personen und unter folgenden Voraussetzungen ausgegangen werden:
- behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (zum Beispiel Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anuspraeter, häufige gehirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - behinderte Menschen mit - nicht nur vorübergehend - ansteckungsfähiger Lungen¬tuberkulose, - behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Von den genannten Persongruppen kommen insoweit nur die unter den ersten beiden Spiegelstrichen genannten in Betracht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht durch die diagnostizierte Multiple Sklerose und einer deutlichen linksbetonten spastischen Paraparese der Beine eine erhebliche Gehstörung. Hinzu kommen noch die Folgen einer Trümmerfraktur des Sprunggelenkes rechts mit Schmerzen und einer Beweglichkeitseinschränkung. Dennoch ist unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses ebenso wie für Dr. R. und das SG auch für den Senat nicht ersichtlich, weshalb hierdurch selbst mit Hilfe einer Begleitperson oder mit technischen Hilfsmitteln - wie dem vom Kläger genutzten Rollstuhl - öffentliche Veranstaltungen zumutbar nicht besucht werden können. Der Kläger ist durch die Nutzung seines PKW weiterhin mobil. Er fährt regelmäßig zu seinem Arbeitgeber um dort Platinen abzuholen und nach Prüfung wieder zurückzubringen. Außerdem nutzt er ihn, um Einkäufe zu erledigen und um das fünf Autominuten entfernte Thermalbad aufzusuchen. Eine mit einer nahezu vollständigen Bindung an das Haus oder die eigene Wohnung vergleichbare Situation folgt auch nicht daraus, dass ihm die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen aufgrund der erforderlichen Lagewechsel nicht zumutbar sei. Dr. R. hat die Notwendigkeit eines Wechsels von Sitzen, Stehen und Gehen in der vom Kläger geschilderten Häufigkeit nicht beschrieben. Wie die Teilnahme am Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes zeigt, war der Kläger durch die Anfahrt im eigenen PKW - ohne Begleitperson - durchaus auch in der Lage, längere Zeit als die von ihm angegebenen 30 Minuten am Stück zu sitzen, auch wenn er geltend macht, die Fahrt für eine Pause unterbrochen zu haben. Damit ist aber nach Auffassung des Senats grundsätzlich die Teilnahme an allen Veranstaltungen, die vorwiegend im Freien stattfinden, wie Sportveranstaltungen, an Festen, Märkten aber auch an Vorträgen o. ä. grundsätzlich zumutbar und möglich. Der Kläger kann dabei selbst entscheiden, ob und wie lange er daran teilnehmen will, ob er sich in den jeweiligen Veranstaltungspausen für einen Lagewechsel zurückziehen will oder ob er notwendige Lagewechsel auch während der Veranstaltung mit Hilfe einer Begleitperson durchführt.
Darüber hinaus wirken die mit der Beinparese verbundenen unerschöpflichen Fußkloni nicht im Sinne des oben angeführten zweiten Spiegelstriches als so für die Umgebung unzumutbar störend, dass hierdurch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen gerechtfertigt wäre. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 10.08.1993 (9/9a RVs 7/91) bereits darauf hingewiesen, dass das Schwerbehindertenrecht nach seinem Auftrag und seiner Zielsetzung nicht zur Ausgrenzung von behinderten Menschen führen darf, sondern der weitestgehenden Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft dient. Nur in äußersten Randsituationen hält es das oberste Sozialgericht für erlaubt, den Interessen der Öffentlichkeit Vorrang vor dieser Zielsetzung einzuräumen. D. h. der Zweck des Nachteilsausgleiches "RF" würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn er schon zuerkannt würde, um besonderen Empfindlichkeiten der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Deshalb sind auch in diesem Bereich strenge Maßstäbe anzulegen, wenn es darum geht, in welchem Umfang Entstellung und Geruchsbelästigung, unwillkürliche Bewegungen bei Spastikern u. ä. den behinderten Menschen vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausschließen. Die von einem leisen klopfenden Geräusch begleiteten spastischen Gliedmaßenbewegungen haben insoweit noch kein Ausmaß erreicht, dass sie in o. g. Sinn für andere als unzumutbar störend anzusehen wären.
Letztlich führt auch die von Dr. R. angedeutete leichte Agoraphobie nicht zur Anerkennung des Merkzeichens "RF". Sie ist nach seiner Beschreibung gut behandelbar und rechtfertigt schon deshalb nicht die Annahme, dass der Kläger hierdurch auf Dauer von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sein könnte.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) streitig.
Bei dem 1959 geborenen Kläger sind seit Juli 1996 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen "G") und bei Notwendigkeit einer ständigen Begleitung (Merkzeichen "B") anerkannt (vgl. Widerspruchsbescheid vom 03.07.1997). Dieser Einschätzung hatte der Beklagte ein organisches Nervenleiden (Teil-GdB 60), Restfolgen nach Fersenbeinbruch mit Bewegungs- und Mineralisationsminderung im Sprunggelenk (Teil-GdB 20) sowie eine Sehminderung (Teil-GdB 20) zugrunde gelegt. Mit Bescheid vom 06.05.1999 hatte der Beklagte auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bei außergewöhnlicher Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") mit Wirkung ab 01.01.1999 festgestellt.
Mit einem am 28.01.2005 beim Beklagten eingegangenen Änderungsantrag begehrte der Kläger die Erhöhung des GdB unter Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF"). Unter Berücksichtigung eines Berichtes des Hausarztes Dr. F., L., sowie weiterer von diesem vorgelegter Befunde stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14.04.2005 den GdB mit 80 seit 28.01.2005 sowie zur Inanspruchnahme entsprechender Nachteilsausgleiche die Merkzeichen "G", "B", "aG" fest. Die Zuerkennung der Merkzeichen "GL", "H", "BL" und "RF" lehnte er ab. Bei seiner Entscheidung berücksichtigte der Beklagte ein organisches Nervenleiden (GdB 80) und einen Leberschaden (GdB 20). Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch verwies der Kläger auf die 1986 erlittene Trümmerfraktur des Fersenbeins und bat um Prüfung, ob die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" gegeben seien. Er könne maximal 10 Minuten stehen bzw. gehen und maximal 30 Minuten im Rollstuhl sitzen. Hierzu hat er den Bericht des Facharztes für Chirurgie Dr. B., Pforzheim, vom 22.03.2005 vorgelegt. Unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Nahrun vom 15.07.2005 stellte der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 15.08.2005 den GdB mit 90 seit 28.01.2005 fest. Als weitere Funktionsbeeinträchtigung berücksichtigte er nunmehr auch eine Funktionsbehinderung des rechten unteren Sprunggelenkes (Teil-GdB 20). Es war vermerkt, dass die Merkzeichen "G", "B", "aG" festgestellt blieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2005 bestätigte der Beklagte die Ablehnung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Voraussetzung sei, dass ein behinderter Mensch wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne. Hierbei sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Trotz der Schwere der Behinderung sei der Kläger durchaus noch in der Lage, ggf. mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln, zumindest gelegentlich öffentliche Veranstaltungen aufzusuchen.
Unter Vorlage weiterer Befundberichte hat der Kläger hiergegen am 16.12.2005 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, maximal nur 20 Meter gehen, ca. 5 Minuten stehen und höchstens 20 Minuten sitzen zu können. Ihm sei es auch mit einem Rollstuhl und einer Begleitperson nicht möglich, eine öffentliche Veranstaltung zu besuchen. Der Neurologe und Psychiater Dr. E. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage für das SG vom 03.03.2006 über die Behandlung des Klägers seit Juni 1996 berichtet. Aufgrund einer zunächst bestehenden Schwäche im linken Bein sei nach stationärer neurologischer Abklärung die Diagnose Encephalomyelitis disseminata gestellt worden. In den vergangenen Jahren habe die Schwäche vor allem im linken Bein, gering auch im rechten Bein, zugenommen, so dass er für weitere Strecken einen Rollstuhl benötige. Sekundär sei es zusätzlich zu einer Sprunggelenksarthrose rechts gekommen. Er leide unter Symptomen einer Claudicatio intermittens bei arterieller Verschlusskrankheit. Es bestehe eine zentral bedingte und reflexbetonte Beinparese links mit unerschöpflichen Fußkloni und inzwischen auch eine gewisse Schwäche des rechten Beines. Der ebenfalls vom SG gehörte Dr. F. hat über eine Besserung der Leberwerte, eine Verschlechterung des Gehvermögens und eine zunehmende Angewiesenheit auf den Rollstuhl berichtet. Außerdem hätten die Durchblutungsstörungen an den Beinen und die depressive Verstimmung zugenommen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen "RF" seien aus den beiden sachverständigen Zeugenaussagen nicht ableitbar. Es sei nach Aktenlage nicht nachvollziehbar, wieso der Besuch öffentlicher Veranstaltungen mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (Rollstuhl) nicht in zumutbarer Weise möglich sein solle.
Das SG hat hierauf Dr. R., Institut für Neurologische Begutachtung, K., mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 09.10.2006 den Teil-GdB für die Funktionsausfälle aufgrund der Multiplen Sklerose, Gehstörung und Fatigue-Syndrom auf 80 eingeschätzt. Unter Zugrundelegung einer Visusminderung links auf kleiner als 0,08, die sich dem Bericht des Augenarztes Dr. W. aus L. vom 13.05.1997 (Bl. 55 der Akten der Beklagten) entnehmen lasse und die er mit einem Teil-GdB von 20 bewerte sowie eines Teil-GdB von 20 für den Leberschaden und eines Teil-GdB von 20 für die Arthrose und Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenkes hat er einen Gesamt-GdB von 100 vorgeschlagen. Der Kläger gehöre aber weder zur Gruppe mit sehr schweren Bewegungsstörungen, für die der Besuch von Veranstaltungen selbst mit Begleitperson stets mit übermäßigen und folglich unzumutbaren Anstrengungen verbunden sei, noch zu den Behinderten, die auf ihre Umgebung unzumutbar störend wirkten. Der Kläger sei in der Lage, sich selbstständig zu versorgen und es bestünde eine ausreichende Mobilität (er gehe noch selbst zum Einkaufen, auch in den Supermarkt, gehe häufig auf einen Reiterhof, um Bekannte zu treffen, besuche Freunde, habe bis vor kurzem noch auf 345,- EUR-Basis als Elektriker gearbeitet). Während des ein- bis eineinhalb Stunden dauernden Untersuchungsgespräches habe der Kläger sitzen können. Die von ihm als Begründung angegebenen Einschränkungen könnten auch aus den berichteten Tagesaktivitäten nicht abgeleitet werden. Er habe zusätzlich noch angegeben, dass es bei ihm seit Jahren zu einem ängstlichen Unbehagen, einer Nervosität und Beklemmung komme, auch zu körperlichen Beschwerden wie einem komischen Gefühl in der Magen-Darm-Gegend, wenn er sich in größeren Menschenansammlungen oder mit mehreren Menschen in beengten Räumen befinde. Er vermeide es deshalb zunehmend auf private Feste wie Geburtstagsfeiern zu gehen, gehe auch nicht ins Kino, ins Theater oder ähnliche mit größeren Menschenansammlungen verbundenen Veranstaltungen. Auffällig sei, dass diese Störung in den ärztlichen Berichten nicht erwähnt sei, auch nicht in den eigenen Antragsbegründungen. Dies lasse zumindest den Schluss zu, dass ein größerer Leidensdruck mit Wunsch nach Behandlung bisher nicht bestanden habe.
Hierauf hat der Kläger erwidert, dass er in ein Kino oder Theater nicht gehen könne, weil er keine Stunde sitzen könne. Es sei ihm auch in diesem Jahr noch nicht möglich gewesen, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, weil er sich ca. alle 30 Minuten irgendwo hinlegen müsse. Soweit Dr. R. erwähnt habe, dass er seinen Haushalt im Wesentlichen selber mache, habe er nicht ausgeführt, wie dies ablaufen würde. Er benötige über zwei Tage, bis er einmal die Wohnung durchgesaugt habe. Gleiches gelte für alle anderen anfallenden Arbeiten im Haushalt. Es sei ein ständiger Wechsel von Gehen, Sitzen und Liegen erforderlich. Einkäufe müssten in maximal 20 bis 30 Minuten erledigt sein. Es stimme nicht, dass er während der Untersuchung ein- bis eineinhalb Stunden im Sitzen verbracht habe. Denn diese habe im Sitzen, Liegen und Stehen stattgefunden. Die ersten 45 Minuten, die im Sitzen stattgefunden hätten, hätten ihm durchaus Probleme bereitet, was Dr. R. aber nicht erkannt oder nicht bemerkt habe. In diesem Jahr sei er nur zwei- bis dreimal im Monat für ein bis zwei Stunden auf den Reiterhof gegangen, weil er dort die Möglichkeit gehabt habe, sich öfters hinzulegen. Freunde würden ihn besuchen und nicht umgekehrt. Er habe im Übrigen eine neue Arbeit gefunden. Er überprüfe und programmiere Platinen, diese bekomme er nach Hause geliefert und könne sie dort ohne Zeitlimit in Ruhe abarbeiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.04.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "RF" nicht erfüllt seien. Es hat sich auf die Ausführungen und Schlussfolgerungen im Gutachten von Dr. R. gestützt. Der Kläger sei noch in der Lage, sich selbstständig zu versorgen und es bestünde auch eine ausreichende Mobilität, die einer Zuerkennung des Merkzeichens entgegenstehe. Bei dem von Dr. R. beschriebenen ängstlichen Unbehagen, einer Nervosität und Beklemmung und körperlichen Beschwerden bei Aufenthalt in größeren Menschenansammlungen und mit mehreren Menschen in beengten Räumen handele es sich mit den Ausführungen von Dr. R. um keine schwerwiegende Störung. Es werde zwar für möglich erachtet, dass eine leichte agoraphobische Störung vorliege, weshalb auch die Möglichkeit bestehe, dass der Kläger an ganz bestimmten Veranstaltungen nicht teilnehmen könne. Gleichwohl seien die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens "RF" nicht erfüllt, denn es reiche nicht aus, wenn ein behinderter Mensch an Veranstaltungen mit größeren Menschansammlungen nicht mehr teilnehmen könne. Ungeachtet dessen habe der Gerichtssachverständige zusätzlich dargelegt, dass eine Behandlung einer leichten agoraphobischen Störung durch Medikamente, insbesondere durch eine Verhaltenstherapie möglich sei. Im Übrigen komme es bei der Beurteilung nicht auf die individuelle Situation des Behinderten an, sondern darauf, ob der behinderte Mensch objektiv gehindert sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Gegen den ihm am 25.04.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.05.2007 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages hält der Kläger an dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF" fest. Außerdem verweist er auf seine spastischen Gliedmaßenbewegungen. Diese motorische Unruhe würde beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen stören und er sei daher der Meinung, dass er die Voraussetzung für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" erfülle. Zu einem vom Berichterstatter auf den 25.06.2006 geladenen Termin ist der Kläger zunächst nicht erschienen. Am Folgetag sprach er persönlich auf der Geschäftsstelle vor, wobei sich herausstellte, dass er den Termin verwechselt hat. In dem daraufhin vom Berichterstatter auf den 17.10.2008 anberaumten Termin wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Der Kläger hat angegeben, für die Fahrt zum Gericht seinen eigenen Pkw benützt zu haben. Er sei gegen 8.30 Uhr weggefahren und kurz vor 10.00 Uhr angekommen. Die Fahrt habe er für gut 15 Minuten Pause unterbrechen müssen, weil er sich zur Linderung seiner Schmerzen habe hinlegen müssen. Er verlasse sein Haus nur noch zum Einkaufen und um in das fünf Autominuten entfernte Thermalbad zu fahren. Außerdem fahre er mit seinem Pkw zu seinem etwa 5 km entfernten Arbeitgeber, um die Platinen abzuholen und auch wieder zurückzubringen. Er halte sich dort aber nur kurz auf. Wegen der Schmerzen besuche er keine Veranstaltungen, auch auf dem Reiterhof sei er seit einem halben Jahr nicht mehr gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. April 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 14. April 2005 und 15. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2005 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF") ab 28. Januar 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält daran fest, dass unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses feststehe, dass der Kläger noch ausreichend mobil sei, um sich selbst zu versorgen. Dementsprechend sei er auch nicht umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Aus versorgungsärztlicher Sicht sei nicht nachvollziehbar, wieso der Besuch öffentlicher Veranstaltungen mit Hilfe einer Begleitperson oder eines Rollstuhls nicht in zumutbarer Weise möglich sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs Merkzeichen "RF".
Streitgegenstand des Verfahrens ist insoweit nicht die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, sondern die Feststellung ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen, die dann für die Rundfunkanstalt, die über eine Befreiung zu entscheiden hat, bindend ist (BSGE 52, 168, 170ff = SozR 3870 § 3 Nr. 13 S 31 ff).
Nach § 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitlichen Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen diese Behörde auch die insoweit erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4-3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.).
Für den Kläger war - für die Zeit bis zum 31.3.2005 - als einschlägige landesrechtliche Vorschrift § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21.07.1992 des Landes Baden-Württemberg (GBl 1992, 578) heranzuziehen. An deren Stelle trat mit Wirkung ab 01.04.2005 Art 5 § 6 Abs 1 Nr. 7 und 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15.10.2004 idF. des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.3.2005 (GBl. 2005, 189 - vgl. Art. 5 § 10 Abs. 2). Diese Normen regeln inhaltsgleich die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Sie sind für die inhaltliche Beurteilung, ob dem Kläger die begehrte Feststellung zusteht, zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 08.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, in juris).
Danach sind Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 allein wegen der Sehbehinderung und Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, sowie behinderte Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Der Kläger ist weder hörgeschädigt noch blind und bei ihm besteht auch keine Sehminderung, die für sich allein genommen einen GdB von 60 bedingt. Nach den AHP, Ausgabe 2008 (und ohne Änderung zu den vorhergehenden Ausgaben), Nr. 26.4 und der hierzu anzuwendenden Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft wird eine funktionelle Einäugigkeit mit einem GdB von 25, aufgerundet 30 bewertet. Die von Dr. R. beschriebene Visusminderung auf dem linken Auge rechtfertigt bei unbeeinträchtigter Sehfähigkeit des rechten Auges aber noch keinen GdB in dieser Höhe.
Beim Kläger ist zwar ein GdB von 90 festgestellt; er ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. Urteil vom 28.06.2001, B 9 SB 2/00 R) ist bei der Beurteilung, welche Personen aus gesundheitlichen Gründen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden können, ein enger Maßstab anzulegen. Der Behinderte muss wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch an öffentlichen Veranstaltungen, d.h. von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender Art ausgeschlossen sein, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen können. Dabei ist es unerheblich, ob diejenigen Veranstaltungen, an denen der Behinderte noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Solange der Behinderte mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er an der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht gehindert. Diese Unfähigkeit des Behinderten, ständig an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, steht damit praktisch der Bindung an das Haus gleich. Aus dem subjektiven Empfinden eines Behinderten, an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr partizipieren zu können, folgt nicht, dass ein Besuch unzumutbar ist (vgl. BSG a.a.O.).
Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich "RF" tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird, und ob es sozial geboten erscheint, bestimmten und (auch) finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte (Fernsehen, Rundfunk, Telefon) zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen "RF" festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - a.a.O.).
Für die Auslegung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" sind die in Nr. 33, S. 141 f dargelegten Festlegungen der AHP 2004 weiterhin maßgeblich, auch wenn die Nr. 33 in den Anhaltspunkten 2008 nicht mehr aufgeführt ist. Danach kann von einem dauerhaften Ausschluss bei folgenden Personen und unter folgenden Voraussetzungen ausgegangen werden:
- behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (zum Beispiel Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anuspraeter, häufige gehirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - behinderte Menschen mit - nicht nur vorübergehend - ansteckungsfähiger Lungen¬tuberkulose, - behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Von den genannten Persongruppen kommen insoweit nur die unter den ersten beiden Spiegelstrichen genannten in Betracht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht durch die diagnostizierte Multiple Sklerose und einer deutlichen linksbetonten spastischen Paraparese der Beine eine erhebliche Gehstörung. Hinzu kommen noch die Folgen einer Trümmerfraktur des Sprunggelenkes rechts mit Schmerzen und einer Beweglichkeitseinschränkung. Dennoch ist unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses ebenso wie für Dr. R. und das SG auch für den Senat nicht ersichtlich, weshalb hierdurch selbst mit Hilfe einer Begleitperson oder mit technischen Hilfsmitteln - wie dem vom Kläger genutzten Rollstuhl - öffentliche Veranstaltungen zumutbar nicht besucht werden können. Der Kläger ist durch die Nutzung seines PKW weiterhin mobil. Er fährt regelmäßig zu seinem Arbeitgeber um dort Platinen abzuholen und nach Prüfung wieder zurückzubringen. Außerdem nutzt er ihn, um Einkäufe zu erledigen und um das fünf Autominuten entfernte Thermalbad aufzusuchen. Eine mit einer nahezu vollständigen Bindung an das Haus oder die eigene Wohnung vergleichbare Situation folgt auch nicht daraus, dass ihm die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen aufgrund der erforderlichen Lagewechsel nicht zumutbar sei. Dr. R. hat die Notwendigkeit eines Wechsels von Sitzen, Stehen und Gehen in der vom Kläger geschilderten Häufigkeit nicht beschrieben. Wie die Teilnahme am Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes zeigt, war der Kläger durch die Anfahrt im eigenen PKW - ohne Begleitperson - durchaus auch in der Lage, längere Zeit als die von ihm angegebenen 30 Minuten am Stück zu sitzen, auch wenn er geltend macht, die Fahrt für eine Pause unterbrochen zu haben. Damit ist aber nach Auffassung des Senats grundsätzlich die Teilnahme an allen Veranstaltungen, die vorwiegend im Freien stattfinden, wie Sportveranstaltungen, an Festen, Märkten aber auch an Vorträgen o. ä. grundsätzlich zumutbar und möglich. Der Kläger kann dabei selbst entscheiden, ob und wie lange er daran teilnehmen will, ob er sich in den jeweiligen Veranstaltungspausen für einen Lagewechsel zurückziehen will oder ob er notwendige Lagewechsel auch während der Veranstaltung mit Hilfe einer Begleitperson durchführt.
Darüber hinaus wirken die mit der Beinparese verbundenen unerschöpflichen Fußkloni nicht im Sinne des oben angeführten zweiten Spiegelstriches als so für die Umgebung unzumutbar störend, dass hierdurch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen gerechtfertigt wäre. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 10.08.1993 (9/9a RVs 7/91) bereits darauf hingewiesen, dass das Schwerbehindertenrecht nach seinem Auftrag und seiner Zielsetzung nicht zur Ausgrenzung von behinderten Menschen führen darf, sondern der weitestgehenden Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft dient. Nur in äußersten Randsituationen hält es das oberste Sozialgericht für erlaubt, den Interessen der Öffentlichkeit Vorrang vor dieser Zielsetzung einzuräumen. D. h. der Zweck des Nachteilsausgleiches "RF" würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn er schon zuerkannt würde, um besonderen Empfindlichkeiten der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Deshalb sind auch in diesem Bereich strenge Maßstäbe anzulegen, wenn es darum geht, in welchem Umfang Entstellung und Geruchsbelästigung, unwillkürliche Bewegungen bei Spastikern u. ä. den behinderten Menschen vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausschließen. Die von einem leisen klopfenden Geräusch begleiteten spastischen Gliedmaßenbewegungen haben insoweit noch kein Ausmaß erreicht, dass sie in o. g. Sinn für andere als unzumutbar störend anzusehen wären.
Letztlich führt auch die von Dr. R. angedeutete leichte Agoraphobie nicht zur Anerkennung des Merkzeichens "RF". Sie ist nach seiner Beschreibung gut behandelbar und rechtfertigt schon deshalb nicht die Annahme, dass der Kläger hierdurch auf Dauer von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sein könnte.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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