Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2223/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5915/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzu-stellen und ihm deshalb Rente zu gewähren ist.
Der 1942 geborene Kläger durchlief von 1957 bis 1960 eine Lehre zum Zimmermann und war anschließend durchgehend bei der Firma P. St. GmbH & Co. (GmbH) als Zimmermann beschäftigt, zunächst als Geselle und später als Polier. Seit 26. März 2001 ist der Kläger arbeitsunfähig.
Am 10. September 2001 machte der Kläger bei der Beklagten BKen nach den Nr. 2108 und 2109 geltend. Er führte aus, ca. 44 Jahre lang als Zimmermann gearbeitet zu haben und sich offensichtlich durch diese Tätigkeit die Wirbelsäule geschädigt zu haben. Auf die entsprechende Aufforderung, die Anzeige des Unternehmers über eine BK einzureichen, teilte die GmbH mit, der Kläger sei seit geraumer Zeit arbeitsunfähig, allerdings sei sie nur sehr unvollkommen über dessen Beschwerden informiert, weshalb sie sich außer Stande sehe, eine Anzeige oder detaillierte Auskünfte über eine mögliche BK zu machen. Auf die Anfrage der Beklagten zu seiner Wirbelsäulenerkrankung teilt der Kläger unter dem 1. Oktober 2001 mit, erstmals vor ca. 25 Jahren Wirbelsäulenbeschwerden gehabt zu haben. Die Beschwerden träten hauptsächlich beim Hochziehen oder beim schweren Heben im Rahmen seiner Tätigkeit als Zimmermann auf. Es handle sich um Beschwerden der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS). Die Beschwerden äußerten sich in Kopf-, Schulter- und Kreuzschmerzen, die in letzter Zeit regelmäßig wiederkehrend ständig aufträten. An Verletzungen mit Wirbelsäulenbeteiligung gab er an, Arbeitsunfälle im November 1974, August 1994 und Juni 1999 erlitten zu haben. Zur Art der belastenden Arbeiten gab der Kläger für die Zeit von 1957 bis 1960 das Bearbeiten von Bauholz und das Aufrichten von Gebäuden sowie den Treppenbau an und für die Folgezeit das Heben von Maschinen und Holzleimbindern, das Anfertigen von Leimschablonen sowie den Abbund und die Montage von Tennis-, Messe-, Werk- und Schwimmhallen, Kirchen und Brücken. Diese Tätigkeiten habe er acht bis zehn Stunden täglich ausgeübt und dabei Gewichte bis zu 100 kg und mehr vor dem Körper, seitwärts des Körpers, auf dem Rücken sowie auf der Schulter gehoben oder getragen. In der sodann eingegangenen Anzeige des Unternehmers über eine BK bestätige die GmbH unter dem 15. Oktober 2001 die Tätigkeit des Klägers als Montagearbeiter. Die Beklagte schaltete ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) ein, wobei Dipl.-Ing. B. unter dem 4. Februar 2002 aufgrund eines persönlichen Gesprächs die Belastungen des Klägers dahingehend beschrieb, dass dieser von 1957 bis ca. 1960 ca. 55%, von 1960 bis ca. 1968 ca. 50% und von 1969 bis März 2001 ca. 40% seiner Arbeitszeit Gewichte von mehr als 25 kg habe heben und tragen müssen. Die Zeitanteile für Belastungen durch Tragen von mehr als 50 kg schätzte er in den jeweiligen Zeiträumen auf ca. 15%, 10% bzw. wiederum 10%. Belastungen bei einem Rumpfbeugewinkel von mehr als 90 Grad seien während sämtlicher Zeiträume im Umfang von ca. 5% aufgetreten. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen aus ihren Verwaltungsakten die Arbeitsunfälle vom 13. November 1974, 24. März 1987 und 27. Juli 1994 betreffend bei, den Befund der Kernspintomographie der HWS vom 25. Oktober 2000, vom Kreiskrankenhaus G. verschiedene Röntgenaufnahmen, von der Klinik M. den Arztbrief des Prof. Dr. I. vom 4. Juni 2001 und zahlreiche Röntgenbilder. Ferner holte sie den Krankheitsbericht des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 12. April 2002 ein. Bei den AOKn - Die Gesundheitskasse Sch. H. bzw. St. zog sie Auszüge aus der Mitglieder- und Leistungskartei bei, vom damaligen Versorgungsamt (VA) die Schwerbehindertenakte und von der früheren Landesversicherungsanstalt B.-W. die Entlassungsberichte der stationären Maßnahmen zur Rehabilitation in der F.klinik B. B. (3. Februar bis 29. Februar 2000) und im Gesundheitszentrums B. W. (9. bis 30. Mai 2001). Die Beklagte veranlasste ferner aktuelle Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule (BWS) und LWS durch den Arzt für Orthopädie Dr. Z., der sich zum Befund unter dem 19. Juli 2002 und 22. August 2002 äußerte. In seiner Stellungnahme vom 11. September 2002 äußerte sich der Beratungsfacharzt Dr. K. dahingehend, dass aus medizinischer Sicht kein begründeter Verdacht für eine BK nach Nr. 2108 der BKV bestehe. Die degenerativen Veränderungen der HWS, der unteren BWS und unteren LWS sprächen für eine anlagebedingte Erkrankung. Die Veränderungen der unteren LWS seien keinesfalls vorauseilend; es liege kein belastungskonformes Schadensbild vor. Unter dem 30. Oktober 2002 schlug der Gewerbearzt eine BK nicht zur Anerkennung vor, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und einer LWS-Erkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Mit Bescheid vom 27. November 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach § 9 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ab, da eine durch eine versicherte Tätigkeit verursachte bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS und LWS nach den Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV nicht vorliege. Hinsichtlich der BK Nr. 2109 lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor, da Lastgewichte von 50 kg und mehr nur in geringem Umfang auf den Schultern getragen worden seien. In Bezug auf die BK Nr. 2108 führte sie aus, beim Kläger bestünden degenerative Veränderungen im Bereich der HWS, BWS und LWS, jedoch fänden sich im Bereich der unteren LWS keine dem Altersdurchschnitt vorauseilenden degenerative Veränderungen. Bei einer beruflichen Verursachung wäre zu erwarten, dass sich wesentlich vorauseilende degenerative Veränderungen im Bereich der durch die berufliche Tätigkeit besonders belasteten unteren LWS oder nur dort in einer besonderen Ausprägung nachweisen ließen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Belastungsbeurteilung ihres TAD nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodel (MDD), wobei Dipl.-Ing. A. unter dem 24. Juni 2003 für den Zeitraum vom 1. Mai 1957 bis 25. März 2001 eine berufliche Gesamtdosis in Höhe von 43,14 x 106 Nh errechnete. Da dieser Wert über dem Richtwert zur Mindestexposition von 25 x 106 Nh für Männer liege, sah dieser die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 erfüllt. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Kläger am 27. August 2003 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage und machte geltend, das Erfordernis eines belastungskonformen Schadensbildes sei rein spekulativ und nicht wissenschaftlich begründet. Er habe schwere Lasten vor dem Körper und auf der Schulter getragen, so dass es nicht verwunderlich sei, dass er auch an erheblichen berufsbedingten Veränderungen an der HWS leide. Aus diesem Grund eine anlagebedingte Erkrankung anzunehmen, sei eine oberflächliche Betrachtungsweise des Dr. K. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Das SG erhob das Gutachten des Prof. Dr. C., Orthopädische Universitätsklinik H., vom 8. November 2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 9. Februar 2005. Dieser beschrieb eine mäßiggradige Einschränkung der Belastbarkeit der LWS bei altersentsprechender Beweglichkeit der LWS und degenerative Veränderungen des Bewegungssegmentes L4/L5 ohne akute Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallsymptomatik. Die typische Symptomatik einer "bandscheibenbedingten Erkrankung" sah er nicht. Beim Kläger finde sich ein sog. monosegmentales Schadensbild im Bereich der LWS mit Aussparung des am stärksten belasteten Bewegungssegmentes L5/S1. Es seien für die LWS daher weder belastungsadaptive Veränderungen, noch ein sog. belastungskonformes Schadensbild dokumentiert, sondern im Wesentlichen eine monosegmentale, endogen verursachte Degeneration des Bewegungssegmentes L4/L5. Mit Urteil vom 26. Juli 2006 wies das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. C. im Wesentlichen mit der Begründung ab, beim Kläger liege keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2108 vor, da die von dem Sachverständigen beschriebenen degenerativen Veränderungen des Bewegungssegmentes L4/L5 weder zu einer akuten Nervenwurzelreiz- noch zu einer Nervenwurzelausfallsymptomatik geführt hätten. Eine typische bandscheibenbedingte Beschwerdehaftigkeit habe nicht gefunden werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 25. Oktober 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 24. November 2006 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, für die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung sei nicht der zwingende Nachweis einer akuten Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallsymptomatik erforderlich. Auch lokale Schmerzzustände ohne ausstrahlende Beschwerden (LWS-Syndrom) erfüllten die Voraussetzungen für das klinische Bild. Bei ihm habe Dr. W. am 4. Februar 2000 ein LWS-Syndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung linksseitig diagnostiziert. Auch Prof. Dr. C. sei in seinem Gutachten davon ausgegangen, dass erstmals im Jahr 1991 und dann erneut in den Jahren 1995 und 2001 eine Lumboischialgie festgestellt worden sei. Dass ein monosegmentales Schadensbild kein Ausschlusskriterium für das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sei, habe der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme selbst eingeräumt. Die von Prof. Dr. C. als Negativkriterium herangezogenen degenerativen Veränderungen der HWS hingen im Übrigen - selbst wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2109 nicht erfüllt seien - mit seiner beruflichen Tätigkeit zusammen, sodass diese Veränderungen nicht gegen eine berufliche Ursache der LWS-Veränderungen sprächen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2003 zu verurteilen, bei ihm eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm Rente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie geht auf der Grundlage des Gutachtens des Prof. Dr. C. von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS aus, da nach den "Konsensempfehlungen" auch ein chronisch-unspezifisches Schmerzsyndrom - wie es beim Kläger vorliege - bei parallel vorhandenen degenerativen Veränderungen an den Bandscheiben ausreiche. Beim Kläger lägen jedoch nicht nur im Bereich der HWS degenerative Veränderungen vor, sondern auch an der BWS, wobei diese vom Ausmaß her jenen an der HWS und LWS entsprächen. Schon dieser Umstand reiche aus, einen Zusammenhangs zwischen den beruflichen Belastungen und den Veränderungen an der LWS zu verneinen.
Die Berichterstatterin des Senats hat die Rechtssache am 6. September 2007 mit den Beteiligten erörtert und sodann auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. F. vom 18. Februar 2008 erhoben. Dieser führte aus, der Kläger habe anlässlich seiner Untersuchung über in das linke und teilweise in das rechte Bein ausstrahlende Schmerzen im sog. "Lateralstreifen" geklagt; der radiologische Befund habe neben der bereits vorbeschriebenen Degeneration im Segment L4/L5 nunmehr eine deutliche Degeneration im Segment L5/S1 ergeben. Seines Erachtens sei beim Kläger ein normaler, dem Alter entsprechender Verschleiß, wie ihn jeder andere in der Normalpopulation auch bekommen könne, durch die berufliche Tätigkeit mit den durch den TAD nachgewiesenen erheblichen Belastungen verstärkt worden. Die vorhandenen degenerativen Veränderungen der LWS in den beiden untersten Segmenten bewerte er als beruflich bedingt. Seine Schlussfolgerung resultiere aus den radiologisch nachgewiesenen Verschleißerscheinungen der am stärksten belasteten unteren Segmente, aus der über Wochen anhaltenden Schmerzsyndrome in das linke Bein (Ischialgie) und den Bewertungen des TAD, wonach die Gesamtdosis der beruflichen Belastung die notwendige Grenzdosis überschritten habe.
Die Beklagte wandte hiergegen ein, die Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. seien insoweit widersprüchlich als er selbst davon ausgehe, dass die Beurteilung, ob eine BK Nr. 2108 vorliege, klinisch und radiologisch nach dem Zeitpunkt zu bewerten sei, bis zu dem die beruflichen Belastungen stattgefunden haben oder kurz danach. Gleichwohl habe Dr. F. seiner Beurteilung nicht den von Prof. Dr. C. im Jahr 2004 erhobenen Befund zu Grunde gelegt. Ungeachtet dessen habe Dr. F. bezüglich der haftungsausfüllenden Kausalität keinerlei medizinische Überlegungen angestellt und den Zusammenhang nicht begründet. Er sei lediglich wegen der erfüllten arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität gelangt. Aus den arbeitstechnischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK könne jedoch nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises auf einen ursächlichen Zusammenhang des LWS-Schadens mit schädigenden Einwirkungen der versicherten Tätigkeit geschlossen werden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV liegt beim Kläger nicht vor. Daher war weder eine entsprechende BK festzustellen, noch steht dem Kläger eine Verletztenrente zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 (20 vom Hundert [v.H.]) gemindert ist. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. Dies sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d.h. dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Auch wenn ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, führt dies nicht automatisch zur Anerkennung und - gegebenenfalls - Entschädigung. Vielmehr ist, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u.a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, müssen erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52; 42, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9/Anm. 26).
Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSG 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen. Mit der hiermit festgelegten beruflichen Belastung wird verbindlich umschrieben, welche beruflichen Einwirkungen generell geeignet sind, bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS zu verursachen bzw. zu verschlimmern. Die Entscheidung des Verordnungsgebers ist nicht rechtswidrig. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt die Formulierung der Nr. 2108 der BKV die übliche differenzierende Umschreibung der bisher vorliegenden spezifischen Erkenntnisse dar (BSGE 84, 30).
Im Falle des Klägers geht der Senat angesichts der nach dem MDD errechneten Gesamtdosis von 43,14 x 106 Nh, die deutlich über der geforderten Mindestdosis für Männer von 25 x 106 Nh liegt, ebenso wie die Beklagte und das SG davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die haftungsbegründende Kausalität für die Feststellung einer BK der Nr. 2108 erfüllt sind. Darüber hinaus teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leidet.
Jedoch fehlt es an der haftungsausfüllenden Kausalität. Denn es kann nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass die Veränderungen an der LWS des Klägers wesentlich durch die berufliche Belastung verursacht worden sind. Dass der Kläger in seinem Berufsleben so lange entsprechende wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten durchgeführt hat, dass die Belastungsdosis eindeutig überschritten worden ist, reicht beim Vorliegen einer LWS-Erkrankung gerade nicht, um mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Erkrankung wesentlich durch die schädigenden Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit verursacht wurde. Insoweit ist insbesondere auch die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII nicht anwendbar. Auch hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, dass das Vorliegen einer Krankheit entsprechend der Nr. 2108 sowie einer beruflichen Exposition, die geeignet ist, diese Krankheit zu verursachen, für sich allein keinen Anscheinsbeweis zugunsten der beruflichen Verursachung begründet. Vielmehr müssen gesicherte Erfahrungssätze hinzukommen, die einen typischen Geschehensablauf hinsichtlich der beruflichen Verursachung ergeben (Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 48/96 = SGb 1999, 39 ff. mit Anmerkung Ricke). Typisch für bandscheibenbedingte Erkrankungen ist nämlich eine multifaktorielle Verursachung, die vielfach durch das Zusammenwirken von endogenen (prädispositionellen) und exogenen Faktoren (belastende Einwirkungen im privaten und versicherten Lebensbereich) geprägt ist. Erforderlich ist deshalb eine individuelle Kausalitätsbeurteilung, die eine Vielzahl einzelfallbezogener Kriterien berücksichtigt und abwägt: - Bewertung der Art, Intensität und Dauer der Exposition, - Merkmale eines für die nachgewiesene Einwirkung charakteristischen (typischen), zumindest eines mit der Einwirkung konformen Krankheits- und Schadensbildes, - Art und Ausprägung individueller Prädispositionsfaktoren, - Individueller Krankheitsverlauf (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 577 ff.) Zwar konnte in keiner Studie ein für eine berufsbedingte LWS-Erkrankung belastungstypisches Degenerationsmuster der Wirbelsäule nachgewiesen werden, und wird in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor höchst kontrovers diskutiert, unter welchen Voraussetzungen die haftungsausfüllende Kausalität bei der BK Nr. 2108 bejaht werden kann. Jedoch gibt es inzwischen Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, in der Wissenschaftler mit stark divergierenden Ausgangspunkten mitgewirkt haben wie Prof. Dr. B.-A. und Prof. Dr. E ... einerseits sowie Prof. Dr. W. und Dr. Sch. andererseits (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff.). Danach konnte ein Konsens darüber erzielt werden, dass es kein von den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben eindeutig abgrenzbares belastungstypisches Krankheitsbild gibt, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulenschadensbild der BK. Das belastungskonforme Schadensbild wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und der Entwicklung einer Begleitspondylose. Einigkeit besteht unter den maßgeblichen Wissenschaftlern ferner darüber, dass berufliche Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 2108 hauptsächlich die LWS belasten, während die Belastungen an der HWS und der BWS erheblich geringer sind. Entsprechend ist zu erwarten, dass sich berufliche Belastungen im Sinne der BK Nr. 2108 hauptsächlich an der LWS auswirken.
Diese Bewertungskriterien hat der Sachverständige Prof. Dr. C. herangezogen und aus dem Umstand, dass sich beim Kläger im Bereich der beruflich weniger belasteten mittleren und unteren BWS eine erhebliche Spondylose findet, die stärker ausgeprägt ist als im Bereich der LWS und HWS, zutreffend geschlossen, dass sich beim Kläger kein belastungskonformes Schadensbild findet. Denn eine überwiegend belastungsbedingte Induktion einer bandscheibenbedingten Erkrankung ist gerade dort zu erwarten, wo die Belastungen kumulieren. Dies ist in der Regel im Bereich der unteren LWS, insbesondere in den Bewegungssegmenten L4/L5 und L5/S1 der Fall. Zeitnah zur Beendigung der beruflichen Tätigkeit befand sich beim Kläger röntgenologisch im Bewegungssegment L5/S1, also dem maximal belasteten Bewegungssegment der LWS jedoch ein altersentsprechender Befund mit allenfalls marginalen und nicht dem Alter vorauseilenden degenerativen Veränderungen ohne wesentliche spondylotische Abstützreaktionen und ohne fortgeschrittene Sklerose der Grund- und Deckplatten. Demgegenüber zeigte das Bewegungssegment L4/L5 fortgeschrittene degenerative Veränderungen mit Bandscheibenraumverschmälerung sowie eine Osteochondrose und Spondylose. Die darüber liegenden Bewegungssegmente zeigten bildmorphologisch wiederum altersentsprechende Veränderungen. Dieses monosegmentale Schadensbild im Bereich der LWS, das gerade das am stärksten belastete Bewegungssegment L5/S1 ausspart, spricht daher für eine endogen verursachte Degeneration des Bewegungssegments L4/L5. Auch der Umstand, dass eine klinische Symptomatik beim Kläger erst-mals im Jahr 1991, also im Alter von 49 Jahren aufgetreten ist, spricht gegen eine berufliche Verursachung. Denn die Manifestation einer Kreuzschmerzsymptomatik in diesem Alter entspricht der üblichen Norm und ist nicht dem Alter vorauseilend.
Da somit nicht wahrscheinlich gemacht werden kann, dass die Veränderungen an der LWS des Klägers wesentlich durch die berufliche Belastung verursacht worden sind, konnte auf die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. F. rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn Dr. F. hat die erforderliche individuelle Kausalitätsbeurteilung unter Berücksichtigung der dargelegten Gesichtspunkte gerade nicht vorgenommen. Insoweit hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass Dr. F. seine Beurteilung allein auf der Grundlage der am 7. Januar 2008 radiologisch nachgewiesenen Verschleißerscheinungen der Segmente L4/L5 und L5/S1, der über Wochen anhaltenden Schmerzsyndrome in das linke Bein sowie im Hinblick auf die vom TAD ermittelte Überschreitung der Gesamtbelastungsdosis getroffen hat. Dabei hat er gerade auch unberücksichtigt gelassen, dass sich die von ihm im Jahr 2008 objektivierten erheblichen Verschleißerscheinungen im Bereich der Segmente L5/S1 erst mehrere Jahre nach Aufgabe der schweren beruflichen Tätigkeit entwickelt haben. Denn zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im Juli 2004 fand der Sachverständige Prof. Dr. C. insoweit noch einen altersentsprechenden Befund.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzu-stellen und ihm deshalb Rente zu gewähren ist.
Der 1942 geborene Kläger durchlief von 1957 bis 1960 eine Lehre zum Zimmermann und war anschließend durchgehend bei der Firma P. St. GmbH & Co. (GmbH) als Zimmermann beschäftigt, zunächst als Geselle und später als Polier. Seit 26. März 2001 ist der Kläger arbeitsunfähig.
Am 10. September 2001 machte der Kläger bei der Beklagten BKen nach den Nr. 2108 und 2109 geltend. Er führte aus, ca. 44 Jahre lang als Zimmermann gearbeitet zu haben und sich offensichtlich durch diese Tätigkeit die Wirbelsäule geschädigt zu haben. Auf die entsprechende Aufforderung, die Anzeige des Unternehmers über eine BK einzureichen, teilte die GmbH mit, der Kläger sei seit geraumer Zeit arbeitsunfähig, allerdings sei sie nur sehr unvollkommen über dessen Beschwerden informiert, weshalb sie sich außer Stande sehe, eine Anzeige oder detaillierte Auskünfte über eine mögliche BK zu machen. Auf die Anfrage der Beklagten zu seiner Wirbelsäulenerkrankung teilt der Kläger unter dem 1. Oktober 2001 mit, erstmals vor ca. 25 Jahren Wirbelsäulenbeschwerden gehabt zu haben. Die Beschwerden träten hauptsächlich beim Hochziehen oder beim schweren Heben im Rahmen seiner Tätigkeit als Zimmermann auf. Es handle sich um Beschwerden der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS). Die Beschwerden äußerten sich in Kopf-, Schulter- und Kreuzschmerzen, die in letzter Zeit regelmäßig wiederkehrend ständig aufträten. An Verletzungen mit Wirbelsäulenbeteiligung gab er an, Arbeitsunfälle im November 1974, August 1994 und Juni 1999 erlitten zu haben. Zur Art der belastenden Arbeiten gab der Kläger für die Zeit von 1957 bis 1960 das Bearbeiten von Bauholz und das Aufrichten von Gebäuden sowie den Treppenbau an und für die Folgezeit das Heben von Maschinen und Holzleimbindern, das Anfertigen von Leimschablonen sowie den Abbund und die Montage von Tennis-, Messe-, Werk- und Schwimmhallen, Kirchen und Brücken. Diese Tätigkeiten habe er acht bis zehn Stunden täglich ausgeübt und dabei Gewichte bis zu 100 kg und mehr vor dem Körper, seitwärts des Körpers, auf dem Rücken sowie auf der Schulter gehoben oder getragen. In der sodann eingegangenen Anzeige des Unternehmers über eine BK bestätige die GmbH unter dem 15. Oktober 2001 die Tätigkeit des Klägers als Montagearbeiter. Die Beklagte schaltete ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) ein, wobei Dipl.-Ing. B. unter dem 4. Februar 2002 aufgrund eines persönlichen Gesprächs die Belastungen des Klägers dahingehend beschrieb, dass dieser von 1957 bis ca. 1960 ca. 55%, von 1960 bis ca. 1968 ca. 50% und von 1969 bis März 2001 ca. 40% seiner Arbeitszeit Gewichte von mehr als 25 kg habe heben und tragen müssen. Die Zeitanteile für Belastungen durch Tragen von mehr als 50 kg schätzte er in den jeweiligen Zeiträumen auf ca. 15%, 10% bzw. wiederum 10%. Belastungen bei einem Rumpfbeugewinkel von mehr als 90 Grad seien während sämtlicher Zeiträume im Umfang von ca. 5% aufgetreten. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen aus ihren Verwaltungsakten die Arbeitsunfälle vom 13. November 1974, 24. März 1987 und 27. Juli 1994 betreffend bei, den Befund der Kernspintomographie der HWS vom 25. Oktober 2000, vom Kreiskrankenhaus G. verschiedene Röntgenaufnahmen, von der Klinik M. den Arztbrief des Prof. Dr. I. vom 4. Juni 2001 und zahlreiche Röntgenbilder. Ferner holte sie den Krankheitsbericht des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 12. April 2002 ein. Bei den AOKn - Die Gesundheitskasse Sch. H. bzw. St. zog sie Auszüge aus der Mitglieder- und Leistungskartei bei, vom damaligen Versorgungsamt (VA) die Schwerbehindertenakte und von der früheren Landesversicherungsanstalt B.-W. die Entlassungsberichte der stationären Maßnahmen zur Rehabilitation in der F.klinik B. B. (3. Februar bis 29. Februar 2000) und im Gesundheitszentrums B. W. (9. bis 30. Mai 2001). Die Beklagte veranlasste ferner aktuelle Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule (BWS) und LWS durch den Arzt für Orthopädie Dr. Z., der sich zum Befund unter dem 19. Juli 2002 und 22. August 2002 äußerte. In seiner Stellungnahme vom 11. September 2002 äußerte sich der Beratungsfacharzt Dr. K. dahingehend, dass aus medizinischer Sicht kein begründeter Verdacht für eine BK nach Nr. 2108 der BKV bestehe. Die degenerativen Veränderungen der HWS, der unteren BWS und unteren LWS sprächen für eine anlagebedingte Erkrankung. Die Veränderungen der unteren LWS seien keinesfalls vorauseilend; es liege kein belastungskonformes Schadensbild vor. Unter dem 30. Oktober 2002 schlug der Gewerbearzt eine BK nicht zur Anerkennung vor, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und einer LWS-Erkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Mit Bescheid vom 27. November 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach § 9 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ab, da eine durch eine versicherte Tätigkeit verursachte bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS und LWS nach den Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV nicht vorliege. Hinsichtlich der BK Nr. 2109 lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor, da Lastgewichte von 50 kg und mehr nur in geringem Umfang auf den Schultern getragen worden seien. In Bezug auf die BK Nr. 2108 führte sie aus, beim Kläger bestünden degenerative Veränderungen im Bereich der HWS, BWS und LWS, jedoch fänden sich im Bereich der unteren LWS keine dem Altersdurchschnitt vorauseilenden degenerative Veränderungen. Bei einer beruflichen Verursachung wäre zu erwarten, dass sich wesentlich vorauseilende degenerative Veränderungen im Bereich der durch die berufliche Tätigkeit besonders belasteten unteren LWS oder nur dort in einer besonderen Ausprägung nachweisen ließen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Belastungsbeurteilung ihres TAD nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodel (MDD), wobei Dipl.-Ing. A. unter dem 24. Juni 2003 für den Zeitraum vom 1. Mai 1957 bis 25. März 2001 eine berufliche Gesamtdosis in Höhe von 43,14 x 106 Nh errechnete. Da dieser Wert über dem Richtwert zur Mindestexposition von 25 x 106 Nh für Männer liege, sah dieser die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 erfüllt. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Kläger am 27. August 2003 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage und machte geltend, das Erfordernis eines belastungskonformen Schadensbildes sei rein spekulativ und nicht wissenschaftlich begründet. Er habe schwere Lasten vor dem Körper und auf der Schulter getragen, so dass es nicht verwunderlich sei, dass er auch an erheblichen berufsbedingten Veränderungen an der HWS leide. Aus diesem Grund eine anlagebedingte Erkrankung anzunehmen, sei eine oberflächliche Betrachtungsweise des Dr. K. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Das SG erhob das Gutachten des Prof. Dr. C., Orthopädische Universitätsklinik H., vom 8. November 2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 9. Februar 2005. Dieser beschrieb eine mäßiggradige Einschränkung der Belastbarkeit der LWS bei altersentsprechender Beweglichkeit der LWS und degenerative Veränderungen des Bewegungssegmentes L4/L5 ohne akute Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallsymptomatik. Die typische Symptomatik einer "bandscheibenbedingten Erkrankung" sah er nicht. Beim Kläger finde sich ein sog. monosegmentales Schadensbild im Bereich der LWS mit Aussparung des am stärksten belasteten Bewegungssegmentes L5/S1. Es seien für die LWS daher weder belastungsadaptive Veränderungen, noch ein sog. belastungskonformes Schadensbild dokumentiert, sondern im Wesentlichen eine monosegmentale, endogen verursachte Degeneration des Bewegungssegmentes L4/L5. Mit Urteil vom 26. Juli 2006 wies das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. C. im Wesentlichen mit der Begründung ab, beim Kläger liege keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2108 vor, da die von dem Sachverständigen beschriebenen degenerativen Veränderungen des Bewegungssegmentes L4/L5 weder zu einer akuten Nervenwurzelreiz- noch zu einer Nervenwurzelausfallsymptomatik geführt hätten. Eine typische bandscheibenbedingte Beschwerdehaftigkeit habe nicht gefunden werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 25. Oktober 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 24. November 2006 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, für die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung sei nicht der zwingende Nachweis einer akuten Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallsymptomatik erforderlich. Auch lokale Schmerzzustände ohne ausstrahlende Beschwerden (LWS-Syndrom) erfüllten die Voraussetzungen für das klinische Bild. Bei ihm habe Dr. W. am 4. Februar 2000 ein LWS-Syndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung linksseitig diagnostiziert. Auch Prof. Dr. C. sei in seinem Gutachten davon ausgegangen, dass erstmals im Jahr 1991 und dann erneut in den Jahren 1995 und 2001 eine Lumboischialgie festgestellt worden sei. Dass ein monosegmentales Schadensbild kein Ausschlusskriterium für das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sei, habe der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme selbst eingeräumt. Die von Prof. Dr. C. als Negativkriterium herangezogenen degenerativen Veränderungen der HWS hingen im Übrigen - selbst wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2109 nicht erfüllt seien - mit seiner beruflichen Tätigkeit zusammen, sodass diese Veränderungen nicht gegen eine berufliche Ursache der LWS-Veränderungen sprächen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2003 zu verurteilen, bei ihm eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm Rente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie geht auf der Grundlage des Gutachtens des Prof. Dr. C. von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS aus, da nach den "Konsensempfehlungen" auch ein chronisch-unspezifisches Schmerzsyndrom - wie es beim Kläger vorliege - bei parallel vorhandenen degenerativen Veränderungen an den Bandscheiben ausreiche. Beim Kläger lägen jedoch nicht nur im Bereich der HWS degenerative Veränderungen vor, sondern auch an der BWS, wobei diese vom Ausmaß her jenen an der HWS und LWS entsprächen. Schon dieser Umstand reiche aus, einen Zusammenhangs zwischen den beruflichen Belastungen und den Veränderungen an der LWS zu verneinen.
Die Berichterstatterin des Senats hat die Rechtssache am 6. September 2007 mit den Beteiligten erörtert und sodann auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. F. vom 18. Februar 2008 erhoben. Dieser führte aus, der Kläger habe anlässlich seiner Untersuchung über in das linke und teilweise in das rechte Bein ausstrahlende Schmerzen im sog. "Lateralstreifen" geklagt; der radiologische Befund habe neben der bereits vorbeschriebenen Degeneration im Segment L4/L5 nunmehr eine deutliche Degeneration im Segment L5/S1 ergeben. Seines Erachtens sei beim Kläger ein normaler, dem Alter entsprechender Verschleiß, wie ihn jeder andere in der Normalpopulation auch bekommen könne, durch die berufliche Tätigkeit mit den durch den TAD nachgewiesenen erheblichen Belastungen verstärkt worden. Die vorhandenen degenerativen Veränderungen der LWS in den beiden untersten Segmenten bewerte er als beruflich bedingt. Seine Schlussfolgerung resultiere aus den radiologisch nachgewiesenen Verschleißerscheinungen der am stärksten belasteten unteren Segmente, aus der über Wochen anhaltenden Schmerzsyndrome in das linke Bein (Ischialgie) und den Bewertungen des TAD, wonach die Gesamtdosis der beruflichen Belastung die notwendige Grenzdosis überschritten habe.
Die Beklagte wandte hiergegen ein, die Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. seien insoweit widersprüchlich als er selbst davon ausgehe, dass die Beurteilung, ob eine BK Nr. 2108 vorliege, klinisch und radiologisch nach dem Zeitpunkt zu bewerten sei, bis zu dem die beruflichen Belastungen stattgefunden haben oder kurz danach. Gleichwohl habe Dr. F. seiner Beurteilung nicht den von Prof. Dr. C. im Jahr 2004 erhobenen Befund zu Grunde gelegt. Ungeachtet dessen habe Dr. F. bezüglich der haftungsausfüllenden Kausalität keinerlei medizinische Überlegungen angestellt und den Zusammenhang nicht begründet. Er sei lediglich wegen der erfüllten arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität gelangt. Aus den arbeitstechnischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK könne jedoch nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises auf einen ursächlichen Zusammenhang des LWS-Schadens mit schädigenden Einwirkungen der versicherten Tätigkeit geschlossen werden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV liegt beim Kläger nicht vor. Daher war weder eine entsprechende BK festzustellen, noch steht dem Kläger eine Verletztenrente zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 (20 vom Hundert [v.H.]) gemindert ist. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. Dies sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d.h. dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Auch wenn ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, führt dies nicht automatisch zur Anerkennung und - gegebenenfalls - Entschädigung. Vielmehr ist, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u.a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, müssen erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52; 42, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9/Anm. 26).
Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSG 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen. Mit der hiermit festgelegten beruflichen Belastung wird verbindlich umschrieben, welche beruflichen Einwirkungen generell geeignet sind, bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS zu verursachen bzw. zu verschlimmern. Die Entscheidung des Verordnungsgebers ist nicht rechtswidrig. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt die Formulierung der Nr. 2108 der BKV die übliche differenzierende Umschreibung der bisher vorliegenden spezifischen Erkenntnisse dar (BSGE 84, 30).
Im Falle des Klägers geht der Senat angesichts der nach dem MDD errechneten Gesamtdosis von 43,14 x 106 Nh, die deutlich über der geforderten Mindestdosis für Männer von 25 x 106 Nh liegt, ebenso wie die Beklagte und das SG davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die haftungsbegründende Kausalität für die Feststellung einer BK der Nr. 2108 erfüllt sind. Darüber hinaus teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leidet.
Jedoch fehlt es an der haftungsausfüllenden Kausalität. Denn es kann nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass die Veränderungen an der LWS des Klägers wesentlich durch die berufliche Belastung verursacht worden sind. Dass der Kläger in seinem Berufsleben so lange entsprechende wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten durchgeführt hat, dass die Belastungsdosis eindeutig überschritten worden ist, reicht beim Vorliegen einer LWS-Erkrankung gerade nicht, um mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Erkrankung wesentlich durch die schädigenden Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit verursacht wurde. Insoweit ist insbesondere auch die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII nicht anwendbar. Auch hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, dass das Vorliegen einer Krankheit entsprechend der Nr. 2108 sowie einer beruflichen Exposition, die geeignet ist, diese Krankheit zu verursachen, für sich allein keinen Anscheinsbeweis zugunsten der beruflichen Verursachung begründet. Vielmehr müssen gesicherte Erfahrungssätze hinzukommen, die einen typischen Geschehensablauf hinsichtlich der beruflichen Verursachung ergeben (Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 48/96 = SGb 1999, 39 ff. mit Anmerkung Ricke). Typisch für bandscheibenbedingte Erkrankungen ist nämlich eine multifaktorielle Verursachung, die vielfach durch das Zusammenwirken von endogenen (prädispositionellen) und exogenen Faktoren (belastende Einwirkungen im privaten und versicherten Lebensbereich) geprägt ist. Erforderlich ist deshalb eine individuelle Kausalitätsbeurteilung, die eine Vielzahl einzelfallbezogener Kriterien berücksichtigt und abwägt: - Bewertung der Art, Intensität und Dauer der Exposition, - Merkmale eines für die nachgewiesene Einwirkung charakteristischen (typischen), zumindest eines mit der Einwirkung konformen Krankheits- und Schadensbildes, - Art und Ausprägung individueller Prädispositionsfaktoren, - Individueller Krankheitsverlauf (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 577 ff.) Zwar konnte in keiner Studie ein für eine berufsbedingte LWS-Erkrankung belastungstypisches Degenerationsmuster der Wirbelsäule nachgewiesen werden, und wird in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor höchst kontrovers diskutiert, unter welchen Voraussetzungen die haftungsausfüllende Kausalität bei der BK Nr. 2108 bejaht werden kann. Jedoch gibt es inzwischen Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, in der Wissenschaftler mit stark divergierenden Ausgangspunkten mitgewirkt haben wie Prof. Dr. B.-A. und Prof. Dr. E ... einerseits sowie Prof. Dr. W. und Dr. Sch. andererseits (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff.). Danach konnte ein Konsens darüber erzielt werden, dass es kein von den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben eindeutig abgrenzbares belastungstypisches Krankheitsbild gibt, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulenschadensbild der BK. Das belastungskonforme Schadensbild wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und der Entwicklung einer Begleitspondylose. Einigkeit besteht unter den maßgeblichen Wissenschaftlern ferner darüber, dass berufliche Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 2108 hauptsächlich die LWS belasten, während die Belastungen an der HWS und der BWS erheblich geringer sind. Entsprechend ist zu erwarten, dass sich berufliche Belastungen im Sinne der BK Nr. 2108 hauptsächlich an der LWS auswirken.
Diese Bewertungskriterien hat der Sachverständige Prof. Dr. C. herangezogen und aus dem Umstand, dass sich beim Kläger im Bereich der beruflich weniger belasteten mittleren und unteren BWS eine erhebliche Spondylose findet, die stärker ausgeprägt ist als im Bereich der LWS und HWS, zutreffend geschlossen, dass sich beim Kläger kein belastungskonformes Schadensbild findet. Denn eine überwiegend belastungsbedingte Induktion einer bandscheibenbedingten Erkrankung ist gerade dort zu erwarten, wo die Belastungen kumulieren. Dies ist in der Regel im Bereich der unteren LWS, insbesondere in den Bewegungssegmenten L4/L5 und L5/S1 der Fall. Zeitnah zur Beendigung der beruflichen Tätigkeit befand sich beim Kläger röntgenologisch im Bewegungssegment L5/S1, also dem maximal belasteten Bewegungssegment der LWS jedoch ein altersentsprechender Befund mit allenfalls marginalen und nicht dem Alter vorauseilenden degenerativen Veränderungen ohne wesentliche spondylotische Abstützreaktionen und ohne fortgeschrittene Sklerose der Grund- und Deckplatten. Demgegenüber zeigte das Bewegungssegment L4/L5 fortgeschrittene degenerative Veränderungen mit Bandscheibenraumverschmälerung sowie eine Osteochondrose und Spondylose. Die darüber liegenden Bewegungssegmente zeigten bildmorphologisch wiederum altersentsprechende Veränderungen. Dieses monosegmentale Schadensbild im Bereich der LWS, das gerade das am stärksten belastete Bewegungssegment L5/S1 ausspart, spricht daher für eine endogen verursachte Degeneration des Bewegungssegments L4/L5. Auch der Umstand, dass eine klinische Symptomatik beim Kläger erst-mals im Jahr 1991, also im Alter von 49 Jahren aufgetreten ist, spricht gegen eine berufliche Verursachung. Denn die Manifestation einer Kreuzschmerzsymptomatik in diesem Alter entspricht der üblichen Norm und ist nicht dem Alter vorauseilend.
Da somit nicht wahrscheinlich gemacht werden kann, dass die Veränderungen an der LWS des Klägers wesentlich durch die berufliche Belastung verursacht worden sind, konnte auf die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. F. rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn Dr. F. hat die erforderliche individuelle Kausalitätsbeurteilung unter Berücksichtigung der dargelegten Gesichtspunkte gerade nicht vorgenommen. Insoweit hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass Dr. F. seine Beurteilung allein auf der Grundlage der am 7. Januar 2008 radiologisch nachgewiesenen Verschleißerscheinungen der Segmente L4/L5 und L5/S1, der über Wochen anhaltenden Schmerzsyndrome in das linke Bein sowie im Hinblick auf die vom TAD ermittelte Überschreitung der Gesamtbelastungsdosis getroffen hat. Dabei hat er gerade auch unberücksichtigt gelassen, dass sich die von ihm im Jahr 2008 objektivierten erheblichen Verschleißerscheinungen im Bereich der Segmente L5/S1 erst mehrere Jahre nach Aufgabe der schweren beruflichen Tätigkeit entwickelt haben. Denn zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im Juli 2004 fand der Sachverständige Prof. Dr. C. insoweit noch einen altersentsprechenden Befund.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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Aus
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