L 4 R 3894/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 5267/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3894/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin höhere Altersrente für Frauen unter Einstufung der Beitragszeit vom 08. Mai 1971 bis 30. April 1984 und vom 01. Januar 1986 bis 31. Juli 1989 in die Qualifikationsgruppe 4 (Bereich 23) der Anlage 13 zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) beanspruchen kann.

Die am 1932 in S. in Rumänien geborene Klägerin kam am 25. Oktober 1990 in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Inhaberin des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge A. Seit 16. Oktober 1990 war sie arbeitslos. Sie war ihren Angaben zufolge (Antrag zur Kontenklärung und Beschäftigungsübersicht vom 08. Januar 1992) in Rumänien nach der Schulentlassung am 15. Juni 1945 zunächst vom 01. Mai 1946 bis 31. Dezember 1957 in der elterlichen Landwirtschaft in H. tätig und dann als Landarbeiterin bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft H. (LPG) vom 01. Januar 1958 bis zum 01. Juni 1968 sowie erneut vom 15. März 1989 bis 15. September 1990 beschäftigt. Dazwischen war sie vom 01. Mai 1967 bis 25. April 1984 und - nach einer Krankheitszeit mit Arbeitsunfähigkeit vom 25. April 1984 bis 29. Januar 1986 - bis 01. August 1989 als "Näherin" bei der Handwerksgenossenschaft "U." Rebs (Handwerksgenossenschaft) beschäftigt. In der Beschäftigungsübersicht vom 08. Januar 1992 war insoweit ein "Anlernverhältnis vom 01.06.70 - 01.11.70 Näherin" angegeben. Vom 01. August 1989 bis 01. November 1990 bezog die Klägerin in Rumänien auch Altersrente. Dazu hatte die Klägerin mit ihrem Rentenantrag und dem Antrag auf Kontenklärung bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Baden folgende Unterlagen eingereicht: Adeverinta der Handwerksgenossenschaft vom 01. Oktober 1991 (Mitglied der Handwerksgenossenschaft in der Abteilung Konfektionsschneiderei vom 01. Mai 1967 bis 25. April 1984 und vom 29. Januar 1986 bis 01. August 1989), Adeverinta der Filiale C. vom 20. März 1991 (Beschäftigung als "confectioner" vom 01. Mai 1967 bis 25. April 1984 und vom 29. Januar 1986 bis 01. August 1989 bei der Handwerksgenossenschaft und Rentenbezug vom 01. August 1989 bis 01. November 1990), Adeverintae der LPG vom 18. März und 10. April 1991, Rentenbescheid vom 25. Juli 1989; Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. R. vom 04. Oktober 1991 (Arbeitsunfähigkeit vom 25. April bis 29. Januar 1986). Ferner wurde die "Qualifizierungsbescheinigung" der Handwerksgenossenschaft vom 07. Mai 1971 vorgelegt, wonach die Klägerin gemäß einem Protokoll der Technischen Arbeiter-Einstufungskommission vom 07. Mai 1971 während eines Praktikums am Arbeitsplatz vom 01. Juni bis 01. November 1970 für den Beruf confectioner qualifiziert wurde.

Mit Bescheid vom 13. August 1992 (im Berufungsverfahren von der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg als Ausdruck mit dem Datum 20. Juli 1993 vorgelegt) bewilligte die Landesversicherungsanstalt Baden der Klägerin ab 01. Mai 1992 Altersrente für Frauen (ursprünglicher monatlicher Rentenzahlbetrag DM 798,46). Dabei wurde die Zeit vom 01. Mai 1967 bis 30. April 1984 (ausgenommen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im September und Oktober 1976, im Dezember 1980 sowie im November und Dezember 1983) und vom 01. Januar 1986 bis 31. Juli 1989 als "Näherin" bzw. "angelernte Näherin" der Qualifikationsgruppe 5 (Bereich 23) zugeordnet.

Am 21. Dezember 2000 beantragte die Klägerin bei der Landesversicherungsanstalt Baden die "Überprüfung aller bisherigen Feststellungen (Zahlungen und Nachzahlungen von Beiträgen sowie Wechsel in höherwertigere Rente)". Sie machte u.a. unter Bezugnahme auf die Qualifizierungsbescheinigung vom 07. Mai 1971 geltend, für die Zeit vom 02. November 1970 bis 31. Juli 1989 sei bei der Berechnung der Rente die Qualifikationsgruppe 4 zugrunde zu legen; bei der Qualifizierungsbescheinigung handle es sich um einen Facharbeiterbrief. In Verbindung mit den zum damaligen Zeitpunkt im Beruf erworbenen Erfahrungen sei ihr die Möglichkeit eingeräumt worden, nach dem ergänzend zurückgelegten Vorbereitungskurs die Facharbeiterqualifizierung nachzuholen. Die Zulassung zur Prüfung sei nach einer § 40 des Berufsbildungsgesetzes entsprechenden Regelung erfolgt. Die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg wies die Klägerin mit Schreiben vom 17. Mai 2001 darauf hin, aus der Übersetzung der Qualifizierungsbescheinigung sei zu ersehen, dass es sich dabei nicht um einen Facharbeiterbrief, sondern lediglich um eine Bescheinigung über die Anpassungsqualifikation handle. Den Nachweis einer Facharbeiterqualifikation stelle diese Bescheinigung nicht dar. Außerdem müssten die Qualifikationen der ehemaligen DDR auf die Verhältnisse in den Herkunftsländern angewandt werden. Dazu trug die Klägerin weiterhin vor, bei der Berufsbezeichnung "confectioner" handle es sich um ein dem Facharbeiter für Textiltechnik in der ehemaligen DDR entsprechendes Berufsbild. Insoweit verwies sie auf die DDR-Berufsnummer 40201. Ferner reichte die Klägerin weitere Adeverintae der Handwerksgenossenschaft vom 23. April 2001 ein, in denen die Mitgliedschaft der Klägerin in der Handwerksgenossenschaft vom 01. Mai 1967 bis 25. April 1984 und vom 29. Januar 1989 bis 31. Juli 1989 bescheinigt wurde, wobei die Funktion der Klägerin mit der einer "Schneiderin/Konfektionsanfertigerin" bezeichnet wurde. Mit Bescheid vom 01. Februar 2002 stellte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg die Altersrente für Frauen der Klägerin neu fest. Für die Zeit vom 01. Mai 1967 bis 30. April 1984 (unterbrochen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit) und vom 01. Januar 1986 bis 31. Juli 1989 verblieb es bei der Einstufung in die Qualifikationsgruppe 5. In einer Anlage zum Bescheid führte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg aus, sofern es sich bei der Berufsbezeichnung "confectioner" um ein dem "Facharbeiter zur Textiltechnik" entsprechendes Berufsbild gehandelt habe, wobei auf die DDR-Berufsnummer 40201 verwiesen werde, betrage die Ausbildungsdauer für diesen Beruf mindestens zwei Jahre. Die Klägerin habe in ihren früheren Anträgen als Berufsbezeichnung immer Näherin angegeben. In der Adeverinta vom 20. März 1991 sei die Berufsbezeichnung "confectioner" bereits ab Mai 1967 angegeben, obwohl die Klägerin erst ab 01. März 1970 (richtig 01. Juni 1970) mittels eines Praktikums qualifiziert worden sei. Dieser Qualifizierungskurs habe nur acht Monate (richtig fünf Monate) gedauert, sodass anzunehmen sei, dass es sich um eine Weiterbildungsmaßnahme, eventuell auch um eine Teilausbildung, gehandelt habe. Als "Herstellerin" sei die Klägerin in Einstufungskategorie zwei beschäftigt gewesen. In der Qualifikationsgruppe 4 seien Personen mit einer Qualifikation als Facharbeiter einzustufen. In Rumänien würden diese in der Regel als "municitor calificat" (= qualifizierte Arbeiter) bezeichnet. Es habe auch durch betriebliche Qualifikationskurse ein Facharbeiterabschluss erworben werden können; jedoch habe nur ein Qualifikationskurs 2. Grades zu einer Qualifikation auf Facharbeiterniveau geführt. In Rumänien habe es in der Zeit von 1968 bis 1978 auch einen so genannten Perfektionierungskurs (normale Dauer zwischen einem und sechs Monaten) gegeben. Er habe nur der Anpassung der Arbeitskräfte an die technische Entwicklung gedient, ohne dass das Qualifikationsniveau verändert worden sei. Auch der Qualifikationskurs 1. Grades (Dauer von drei bis zehn Monaten) habe nicht zu einer Qualifikation als Facharbeiter geführt. Da der Kurs 2. Grades auf dem des 1. Grades aufbaue und aus der Qualifizierungsbescheinigung diesbezüglich nichts hervorgehe, sei die Qualifikationsgruppe 4 nicht gerechtfertigt. In der Regel führe die Qualifikation durch einen Qualifikationslehrgang auch in die dritte Einstufungskategorie. Mithin verbleibe es bei der Qualifikationsgruppe 5 für den geltend gemachten Zeitraum ab 1970. Dieser Bescheid wurde insoweit bestandskräftig.

Am 30. Dezember 2003 beantragte die Klägerin bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg erneut die Überprüfung der getroffenen Feststellungen. Aufgrund der Qualifizierungsbescheinigung vom 07. Mai 1971 sei im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Mai 2003 (B 4 RA 26/02 R) bei ihr ab 07. Mai 1971 die Qualifikationsgruppe 4 anzuerkennen. Mit Bescheid vom 22. März 2004 lehnte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 01. Februar 2002 ab, da die Zuerkennung der Qualifikationsgruppe 4 ab 07. Mai 1971 nicht in Betracht komme. In die Qualifikationsgruppe 4 seien Facharbeiter einzustufen. Dabei handle es sich um Personen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden hätten oder im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses seien, oder Personen, denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden sei. Aus den vorliegenden Unterlagen sei ersichtlich, dass die Klägerin bereits ab Mai 1967 als "confectioner" beschäftigt gewesen sei und ab 01. März 1970 (richtig 01. Juni 1970) während eines achtmonatigen (richtig fünfmonatigen) Praktikums am Arbeitsplatz als "confectioner" qualifiziert worden sei. Bei der Bescheinigung vom 07. Mai 1971 handle es sich nicht um einen Facharbeiterbrief, sondern lediglich um eine Bescheinigung über eine Anpassungsqualifikation. Eine ausreichende Ausbildung im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 sei damit nicht absolviert. Zur näheren Begründung werde auf die Anlage zum Bescheid vom 01. Februar 2002 verwiesen. Die Qualifikationsmerkmale für die Qualifikationsgruppe 4 nach Satz 1 der Anlage 13 zum SGB VI seien nicht erfüllt. Nach Satz 2 der Anlage 13 erfolge die Einstufung in die entsprechende Qualifikationsgruppe auch, wenn Versicherte aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erwürben, die denen einer höheren Qualifikationsgruppe entsprächen und eine entsprechende Tätigkeit ausüben würden. Die Klägerin selbst habe als Berufsbezeichnung "Näherin" angegeben. Als "confectioner" werde eine Tätigkeit bei der fabrikmäßigen Herstellung von Textilien bezeichnet. Allein aus dieser Bezeichnung könne keine höherwertige Tätigkeit, z.B. im Sinne eines Facharbeiters zur Textiltechnik, unterstellt werden. Laut Beschluss vom 25. Juli 1989 sei die Klägerin zuletzt in der "Einstufungskategorie 2" beschäftigt gewesen. In der Regel führe ein erfolgreich abgeschlossener betrieblicher Qualifizierungskurs 2. Grades (und damit der Erwerb des Facharbeiterabschlusses) zur dritten Einstufungskategorie. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin keine Tätigkeit im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 ausgeübt habe.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zu ihrer Tätigkeit bei der Handwerksgenossenschaft trug sie vor, sie sei dort im Jahre 1967 eingetreten; sie sei für alle in einer Schneiderei anfallenden Arbeiten eingearbeitet worden. Hauptsächlich hätten sie Herrenanzüge angefertigt, die dann für den Verkauf in die Läden geliefert worden seien. Nach der Einarbeitung habe sie selbstständig gearbeitet. Folgende Tätigkeiten hätten zu ihrem Aufgabenbereich gehört: Von der Zuschneideabteilung habe sie die Vorderteile der Herrenanzüge fertig zugeschnitten bekommen. Sie habe die Teile mit der Hand auf ein steifes Material geheftet und den Aufschlagkragen angezeichnet. Dann seien die Teile in andere Abteilungen, wo das steife Material an den Aufschlagkragen angenäht worden sei, weitergegangen. Nachher seien die Teile wieder zu ihr zurückgekommen. Dann habe sie die Kanten abgerichtet, nochmals den Aufschlagkragen und die Taschen angezeichnet. Anschließend seien die Teile nochmals in eine andere Abteilung gegangen, wo das Futter angenäht worden sei. In einem erneuten Arbeitsgang bei ihr habe sie dann die Knopflöcher angezeichnet. Wenn es in anderen Abteilungen Personalausfall gegeben habe, habe sie auch Vertretung machen müssen. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid des bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg gebildeten Widerspruchsausschusses vom 08. Dezember 2004 wurde u.a. ausgeführt, Ausbildungslehrgänge von bis zu einem Jahr hätten nur eine eng begrenzte Berufsausbildung vermittelt. Aufgrund der beruflichen Vorbildung und der ausgeübten Beschäftigung könne die Qualifikationsgruppe 4 nicht zuerkannt werden.

Deswegen erhob die Klägerin am 21. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie machte geltend, die bisherigen Entscheidungen seien nicht nachvollziehbar. Denn aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass sie Mitglied der Handwerksgenossenschaft gewesen sei; nach den im Vertreibungsgebiet maßgebenden Bestimmungen sei sie als Handwerkerin anerkannt gewesen. Ihre berufliche Tätigkeit als Bekleidungsfacharbeiterin/Konfektionsnäherin sei nach den allein ausschlaggebenden Standards im Vertreibungsgebiet eine Facharbeitertätigkeit gewesen. In jedem Fall sei ihre langjährige Berufserfahrung zu berücksichtigen. Insoweit komme nach Zurücklegen der doppelten Zeit der einfachen Lehrzeit, mithin ab 08. Mai 1971, die Qualifikationsgruppe 4 in Betracht. Das Qualifizierungszeugnis, das nach den Bestimmungen im Vertreibungsgebiet nach langjähriger Berufserfahrung und einem ergänzenden Kurs von acht Monaten erworben worden sei, sei zweifelsfrei ein Facharbeiterzeugnis. Dazu müsse ein Sachverständigengutachten des Instituts für Ostrecht in München eingeholt werden. Nach dem Unterrichtsgesetz in Rumänien von 1968 sei die Berufsausbildung für qualifizierte Arbeiter in Vollzeitberufsschulen mit praktischer Ausbildung in der Schule und den Basisbetrieben in Form einer Lehrausbildung am Arbeitsplatz mit begleitender theoretischer Ausbildung und mittels einer Qualifizierung durch betriebliche Kurse möglich gewesen. Ihre Ausbildung sei eine Lehrausbildung am Arbeitsplatz mit begleitender theoretischer Ausbildung gewesen. Eine Unterscheidung nach den Ausbildungskursen 1. und 2. Grades ergebe sich aus der Qualifizierungsbescheinigung nicht. Sie habe die entsprechende Prüfung nach dreieinhalbjähriger Tätigkeit abgelegt. Es könne nicht angenommen werden, dass sie als Mitglied einer Handwerksgenossenschaft dauerhaft unterhalb der Facharbeiterebene eingesetzt worden wäre, zumal die Handwerksgenossenschaft ursprünglich ein Zusammenschluss freier Handwerker gewesen sei. Der Beruf der Bekleidungsfacharbeiterin für Stoffe und Trikotagen (Endarbeiter von Textilprodukten) sei nach rumänischen Standards ein Facharbeiterberuf gewesen. Maßgebend sei die Verkehrsauffassung im Vertreibungsgebiet Rumänien. Wenn während des letzten Zeitabschnitts einer 42-monatigen Tätigkeit in einem achtmonatigen Kurs berufstheoretische Kenntnisse vermittelt würden, so entspreche dies im Wesentlichen auch den Kenntnissen, die im Bundesgebiet unter der Geltung des so genannten dualen Systems berufstheoretisch vermittelt würden.

Die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg als damalige Beklagte trat der Klage entgegen. Streitig sei ersichtlich die Zeit vom 08. Mai 1971 bis 31. Juli 1989, da die Klägerin anschließend als Landarbeiterin beschäftigt gewesen sei. In Rumänien habe ein Facharbeiterabschluss auch durch betriebliche Qualifikationskurse erworben werden können. Diese Form der Weiterbildung für Berufstätige sei seit 1968 gesetzlich geregelt gewesen. Es habe Qualifikationskurse 1. und 2. Grades gegeben. Sie hätten jeweils zwischen drei und zwölf Monaten gedauert. Zu einer Qualifikation auf Facharbeiterniveau habe nur der Qualifikationskurs 2. Grades geführt. Diese Unterteilung sei erst 1978 aufgegeben worden. Bei der Qualifizierungsbescheinigung vom 07. Mai 1971 handle es sich um den Nachweis über ein Praktikum am Arbeitsplatz. Es sei nicht ersichtlich, wieso dieses einem Qualifikationskurs 2. Grades entsprechen solle. Die zur Einstufung in eine bestimmte Qualifikationsgruppe berechtigende Qualifikation könne auch aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworben worden sein. Die Einstufung aufgrund langjähriger Berufserfahrung hänge jedoch davon ab, dass auch eine entsprechende höherwertige Beschäftigung ausgeübt worden sei. Abzustellen sei auf die Fähigkeiten, die für die jeweilige höhere Gruppe erforderlich seien. Sie müssten durch langjährige Berufserfahrung in dem höherwertigen Beruf erworben worden sein, setzten also eine Ausübung des höherwertigen Berufs während eines Zeitraums voraus, der ausreiche, um die mangels formeller Ausbildung erforderlichen theoretischen und praktischen Fähigkeiten für eine vollwertige Berufsausbildung zu vermitteln. Ein Wechsel der Tätigkeit habe jedoch hier nach der kurzen Einarbeitung nicht stattgefunden. Bei der Klägerin habe die Qualifizierungsmaßnahme lediglich fünf Monate gedauert. In der Beschäftigungsübersicht habe die Klägerin lediglich ein "Anlernverhältnis" angegeben. Nunmehr werde eine Facharbeiterqualifizierung behauptet. Die Maßnahme spreche für einen so genannten Perfektionierungskurs, der nur der Anpassung der Arbeitskräfte an die technische Entwicklung gedient habe. Bei der Klägerin sei keinerlei Änderung in der Art der ausgeübten Tätigkeit eingetreten. Auch wenn eine Lehrausbildung am Arbeitsplatz mit begleitender theoretischer Ausbildung möglich gewesen sei, sei bei der Klägerin eine theoretische Ausbildung an einer Berufs- oder Lehrlingsschule in Form von Abend- oder Blockunterricht nicht bewiesen. Sie habe im Übrigen selbst angegeben, am 15. Juni 1945 aus der Schule entlassen worden zu sein. Nach der Rechtsprechung des BSG stelle Satz 1 der Anlage 13 zum SGB VI den Grundtatbestand dar, nach dem die Einstufung in eine Qualifikationsgruppe von zwei Voraussetzungen abhänge, der Erfüllung von (formellen) Qualifikationsmerkmalen und der tatsächlichen Ausübung einer diesen Merkmalen entsprechenden Tätigkeit. Die in den Herkunftsländern erworbenen formalen Berufsqualifikationen müssten mit denen der früheren DDR vergleichbar sein, und zwar sowohl qualitativ als auch zeitlich, da die Qualifikationsgruppen die Berufswelt der DDR widerspiegeln würden. Damit sei zunächst zu prüfen, ob nach rumänischem Recht in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden worden sei und ein Facharbeiterzeugnis vorliege. Falls dies der Fall sei, sei nachfolgend festzustellen, ob das erworbene Niveau materiell dem einer Facharbeiterqualifikation in der DDR entsprochen habe. Schließlich müsse auch die tatsächliche Ausübung einer diesen Merkmalen entsprechenden Tätigkeit bewiesen sein. Den vorliegenden Unterlagen lasse sich keine Bestätigung einer Facharbeiterqualifikation entnehmen, sondern lediglich eine Berufsbezeichnung ohne Nennung eines erreichten Ausbildungsniveaus. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in Rumänien der Facharbeiter als "municitor calificat" bezeichnet werde. Selbst wenn die Qualifizierungsbescheinigung vom 07. Mai 1971 einer rumänischen Facharbeiterqualifikation gleichzustellen wäre, so käme auch dann keine Zuerkennung der Qualifikationsgruppe 4 in Betracht, denn als zweiter Schritt wäre zu prüfen, ob das erworbene Niveau materiell dem einer Facharbeiterqualifikation in der DDR entsprochen hätte. Davon könne jedoch angesichts der Dauer des Praktikums von fünf Monaten nicht ausgegangen werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2006 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neuberechnung der Altersrente unter Zuordnung der Zeit ab 08. Mai 1971 zur Qualifikationsgruppe 4. Die Klägerin selbst habe in früheren Anträgen als Berufsbezeichnung "Näherin" angegeben. Die Berufsbezeichnung "confectioner" bezeichne eine Tätigkeit in der fabrikmäßigen Herstellung von Textilien. Allein aus ihr könne keine höherwertige Tätigkeit im Sinne eines Facharbeiters zur Textiltechnik unterstellt werden. Die Ausführungen der (damaligen) Beklagten im Klageverfahren seien zutreffend. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Juli 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 03. August 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Nachdem die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) als Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass am 01. Juni 2006 das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit vom 08. April 2005 in Kraft getreten sei und nach dessen Art. 24 nun die Deutsche Rentenversicherung Unterfranken (jetzt Deutsche Rentenversicherung Nordbayern) zuständig sei, mithin eine Funktionsnachfolge mit Parteiwechsel kraft Amtes eingetreten sei, hat der Berichterstatter des Senats zunächst mit Beschluss vom 20. November 2006 die Deutsche Rentenversicherung Unterfranken (jetzt Deutsche Rentenversicherung Nordbayern) zum Verfahren beigeladen. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2008 ist dann festgestellt worden, dass an die Stelle der bisher beklagten Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg durch Funktionsnachfolge als nunmehrige Beklagte die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern getreten sei, weshalb der Beiladungsbeschluss vom 20. November 2006 insoweit aufgehoben werde, sowie weiter, dass die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg am Verfahren nicht mehr beteiligt sei.

Die Klägerin macht weiterhin geltend, bei der Qualifizierungsbescheinigung vom 07. Mai 1971 handle es sich um ein Facharbeiterzeugnis. Insoweit sei weitere Sachaufklärung durch eine Anfrage beim Institut für Ostrecht geboten. Nach der Verkehrsauffassung im Vertreibungsgebiet sei sie als Facharbeiterin in der streitigen Zeit anzusehen gewesen. Sie habe als Konfektionsnäherin gearbeitet. In den Fünfziger Jahren habe sie einen dreimonatigen Schneiderkurs bei einer gelernten Schneiderin gemacht; dort habe sie Nähen und Zuschneiden gelernt. Sie sei ab 01. Mai 1967 Mitglied der Handwerksgenossenschaft gewesen, die auch zugleich der Beschäftigungsbetrieb gewesen sei. Das Praktikum (Qualifikationskurs) habe sie von Juni bis Oktober 1970 durchlaufen mit dem Zweck, ihren Arbeitsplatz als qualifizierte Arbeitnehmerin behalten zu können. Die im Jahre 2004 abgegebene Tätigkeitsbeschreibung beziehe sich auf die gesamten Arbeitsjahre bei der Handwerksgenossenschaft. Auch nach dem 01. November 1970 habe sich ihre Tätigkeit nicht geändert (vgl. Angaben der Klägerin im Schreiben vom 02. Juni 2008, Bl. 49/50 der LSG-Akte).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juli 2006 sowie den Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 23. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Rücknahme des Bescheids der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 01. Februar 2002 zu verurteilen, ihr unter Zuordnung der Beitragszeit vom 08. Mai 1971 bis 30. April 1984 - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - und vom 01. Januar 1986 bis 31. Juli 1989 zur Qualifikationsgruppe 4 höhere Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Beklagte des Rechtsstreits ist als Funktionsnachfolgerin der früheren Beklagten die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern (vgl. BSGE 62, 269). Denn sie ist der nunmehr für die Klägerin zuständige Rentenversicherungsträger.

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (als ursprünglicher Beklagter) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Dezember 2004, der aufgrund der ab 01. Juni 2006 eingetretenen Funktionsnachfolge mit Beklagtenwechsel der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern als jetzige Beklagte (bisherige Beigeladene), die für die Rentenzahlung ab 01. Juni 2006 zuständig ist, zuzurechnen ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. In den genannten Bescheiden wurde zu Recht, wie auch das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, die teilweise Rücknahme des Rentenbescheids vom 01. Februar 2002 abgelehnt.

Streitig ist ersichtlich hier nur die höhere Einstufung der Zeit vom 08. Mai 1971 bis 30. April 1984 (unterbrochen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im September und Oktober 1976, im Dezember 1980 sowie im November und Dezember 1983) und vom 01. Januar 1986 bis 31. Juli 1989, nachdem die Klägerin auch vom 25. April 1984 bis 29. Januar 1986 arbeitsunfähig krank war und ab 01. August 1989, als sie in Rumänien Rente bezog, nicht mehr als Näherin ("confectioner") tätig war, sondern zuletzt bis 15. September 1990 wieder als Landarbeiterin gearbeitet hat. Demgemäß kann sich das Begehren der Klägerin, über das der Senat zu entscheiden hat (§ 123 SGG), nur auf die zuvor genannten Zeiträume bis 31. Juli 1989 beziehen und nicht - wie in den Anträgen in der Klageschrift vom 20. Dezember 2004 und der Berufungsschrift vom 02. August 2006 angegeben - bis 15. September 1990.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Klägerin insoweit die Überprüfung des letzten Bescheids vom 01. Februar 2002 begehrt, mit dem die Rente zuletzt neu berechnet worden war, unabhängig davon, dass es bereits bei dem diesem Bescheid zugrunde liegenden Antrag vom 21. Dezember 2000, soweit es um die hier noch streitige Zeit geht, um einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich des Bescheids vom 13. August 1992 gegangen war. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass bei der Einstufung der hier streitigen Zeit in die Qualifikationsgruppe 5 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Tatbestand ausgegangen worden ist, weshalb die Rente der Klägerin zu niedrig berechnet worden wäre. Eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 scheidet hier aus.

Auf die Klägerin, was hier unstreitig ist, finden für die Berücksichtigung von in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten die Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) Anwendung. Daran hat sich auch aufgrund des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union ab 01. Juni 2006 nichts geändert. Die Beklagte hat bei der Rentenberechnung die hier geltend gemachten Zeiten als nachgewiesene Pflichtbeitragszeit im Sinne des § 15 FRG anerkannt. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG werden u.a. für Zeiten der in § 15 FRG genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) ermittelt. Die streitige Zeit ist nicht der Qualifikationsgruppe 4, sondern zutreffend der Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI, die nach den §§ 22 Abs. 1 Satz 1 FRG, 256b Abs. 1 Satz 1 SGB VI für die Ermittlung der Entgeltpunkte insoweit maßgebend ist, zuzuordnen. In die Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) sind einzustufen Personen, die über die Berufsausbildung im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist (Satz 1). Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufs entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind (Satz 2). In die Qualifikationsgruppe 5 (angelernte und ungelernte Tätigkeiten) sind einzustufen 1. Personen, die in der Berufsausbildung im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufs abgeschlossen haben und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind, 2. Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind, 3. Personen ohne Ausbildung oder spezielle Schulung für die ausgeübte Tätigkeit. Maßgeblich für die Einstufung in eine Qualifikationsgruppe ist nach Satz 1 der Präambel der Anlage 13, dass Versicherte in eine bestimmte Qualifikationsgruppe einzustufen sind, wenn sie deren Qualitätsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Nach Satz 2 der Präambel kommt auch eine Einstufung in eine bestimmte Qualifikationsgruppe in Betracht, wenn die Versicherten aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben haben, die üblicherweise denen von Versicherten in einer Qualifikationsgruppe entsprechen. Insoweit stellt Satz 2 auf die Fähigkeiten ab, die für die jeweilige höhere Gruppe erforderlich sind. Sie müssen durch "langjährige Berufserfahrung" in dem höherwertigen Beruf "erworben" worden sein, setzen also die Ausübung des höherwertigen Berufs während eines Zeitraums voraus, der ausreicht, um die mangels formeller Ausbildung erforderlichen theoretischen und praktischen Befähigungen für eine vollwertige Berufsausbildung zu vermitteln. Hierfür kommt es auch auf den jeweiligen ausgeübten Beruf an (BSG, Urteil vom 14. Mai 2003 - B 4 RA 26/02 R - = SozR 4-2600 § 256b Nr. 1). Im Rahmen des § 22 Abs. 1 FRG kommt dabei nur eine sinngemäße Anwendung der Anlage 13 zum SGB VI in Betracht, die vom Wortlaut her nur die Bewertung der in der ehemaligen DDR zurückgelegten Zeiten betrifft. Die Frage, ob im Falle der Klägerin, die aus Rumänien eingereist ist, eine Facharbeiterqualifikation vorliegt, bestimmt sich nicht nach den Gegebenheiten in der DDR, sondern nach denen im konkreten Verweisungsgebiet (vgl. dazu BSG SozR 4-2600 § 256b Nr. 1; BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 61/02 R - = SozR 4-2600 § 256b Nr. 2; BSG, Urteil vom 17. April 2008 - B 13 R 99/07 R; auch Urteil des Senats vom 26. Oktober 2007 - L 4 R 1354/05 - veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Insoweit ist aufgrund der im Herkunftsgebiet (hier Rumänien) erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems zu ermitteln, welcher Qualifikationsgruppe - übertragen auf die Verhältnisse der DDR - nach den Kriterien der Lohngruppenstatistik der DDR diese berufliche Ausbildung und Qualifikation materiell entspricht. Das in Rumänien anzutreffende Berufsbildungswesen ist auf die Verhältnisse in der DDR zu projizieren. Maßgebend ist nicht die Bezeichnung der ausgeübten Tätigkeit im Vertreibungsgebiet, sondern, ob das Niveau der Tätigkeit materiell dem eines Ausbildungsabschlusses im Sinne des DDR-Rechts entspricht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17. April 2008, a.a.O.).

Auch für die geltend gemachte Zeit erst ab 08. Mai 1971 bis 31. Juli 1989 vermag der Senat bei der Klägerin die Voraussetzungen als Facharbeiterin im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 nicht zu bejahen. Die Klägerin macht die Qualifikation als Facharbeiterin erst ab 08. Mai 1971 geltend, nachdem sie eine Tätigkeit als Näherin ("confectioner") bei der Handwerksgenossenschaft schon am 01. Mai 1967 aufgenommen hatte. Die Klägerin wurde ihren Angaben zufolge am 15. Juni 1945 aus der Schule entlassen. Sie arbeitete dann ab 01. Mai 1946 in der elterlichen Landwirtschaft und ab 1958 als Landarbeiterin bei der LPG. Am 01. Mai 1967 nahm sie die Tätigkeit als Näherin bei der Handwerksgenossenschaft als Beschäftigungsbetrieb auf. Dabei hat die Klägerin im Schreiben vom 02. Juni 2008 angegeben, in den Fünfziger Jahren lediglich einen dreimonatigen Schneiderkurs durchlaufen zu haben. Damit übereinstimmend hat die Klägerin in der Beschäftigungsübersicht auch einen erlernten Beruf verneint und nur von einem "Anlernverhältnis" gesprochen. Nach den Angaben der Klägerin hat sich ihre Tätigkeit während der ganzen Zeit ihrer Zugehörigkeit zur Handwerksgenossenschaft und der Beschäftigung dort nicht geändert. Ihre tatsächliche Tätigkeit bestand seit 01. Mai 1967 durchgehend darin, dass sie (nach der Einarbeitung) arbeitsteilig bei der Fertigung von Herrenanzügen eingesetzt war. Sie heftete zugeschnittene Vorderteile auf steifes Material und zeichnete den Aufschlagkragen an; später richtete sie die Kanten ab und zeichnete nochmals den Aufschlagkragen und die Taschen an; schließlich wurden von ihr die Knopflöcher angezeichnet. Dabei handelte es sich ersichtlich nur um immer wiederkehrende Teiltätigkeiten bei der Fertigstellung der Herrenanzüge als Gesamtprodukt. Die Klägerin hat dann nach der vorgelegten Qualifizierungsbescheinigung am Arbeitsplatz in der Zeit vom 01. Juni bis 01. November 1970 im Beschäftigungsbetrieb ein Praktikum durchlaufen und sich als "confectioner" "qualifiziert", wobei die Tätigkeit der Klägerin bereits ab 01. Mai 1967 als die als "confectioner" bezeichnet worden war. Auch nach dem Ende des Praktikums bzw. nach Ausstellung der Qualifizierungsbescheinigung vom 07. Mai 1971 hat sich die Tätigkeit der Klägerin nicht geändert. Diese Qualifizierungsbescheinigung kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Ausbildungswesens in Rumänien zur damaligen Zeit nicht als Facharbeiterzeugnis (Facharbeiterbrief) angesehen werden. Zum einen wurde in Rumänien der Facharbeiter als "municitor calificat" bezeichnet und als Facharbeiterbrief ein "certificat de municitor calificat" erteilt. Zum anderen hätte die Facharbeiterqualifikation vorausgesetzt, dass mindestens ein Qualifikationskurs 2. Grades (Dauer zwölf Monate) absolviert worden wäre (vgl. dazu Müller in DAngVers 1995, 354, 360; auch BSG SozR 4-2600 § 256b Nr. 1). Insoweit vermittelten kürzere Qualifikationskurse 1. Grades allenfalls Kenntnisse und Fähigkeiten im Anlernniveau. Dass ein solcher Qualifikationskurs 2. Grades durchlaufen wurde, ist nicht nachgewiesen. Nachdem die Klägerin zuletzt angegeben hat, dass während des Praktikums (Qualifikationskurs) lediglich über die Stoffarten und deren Qualitäten unterrichtet worden sei und dass am Ende des Praktikums einer Kommission Näharbeiten hätten vorgeführt werden müssen, woraufhin ihr dann die Qualifizierungsbescheinigung vom Mai 1971 ausgestellt worden sei, erscheint die Qualifizierungsbescheinigung gerade nicht als Facharbeiterzeugnis, sondern eher als Bescheinigung über einen Perfektionierungskurs, der der Anpassung der Arbeitskräfte an die technische Entwicklung im Zusammenhang mit der konkreten Tätigkeit bezweckt hat. Dafür spricht auch, dass die Klägerin angegeben hat, der Zweck sei es gewesen, dass sie ihren Arbeitsplatz in der Handwerksgenossenschaft weiterhin habe innehalten können. Jedenfalls lässt sich auch nicht feststellen, dass diese fünfmonatige Qualifizierung dem Niveau nach einer Qualifikation als Facharbeiter zur Textiltechnik in der DDR entsprach, wofür eine Ausbildung von wenigstens zwei Jahren erforderlich gewesen ist. Insoweit fehlt es also an den formalen Kriterien für eine Facharbeiterqualifikation. Die Klägerin ist auch nicht aufgrund langjähriger Berufserfahrung ab 08. Mai 1971 in die Qualifikationsgruppe 4 einzustufen. Denn die langjährige Berufserfahrung setzt eine Tätigkeit in dem höherwertigen Beruf, d.h. hier in dem Facharbeiterberuf voraus. Dass die Klägerin bereits seit 01. Mai 1967, als sie ihre Tätigkeit bei der Handwerksgenossenschaft aufgenommen hatte, als angelernte Näherin eine höherwertige Facharbeitertätigkeit ausgeübt hätte, vermag der Senat nicht festzustellen, zumal sich die tatsächliche Tätigkeit, wie oben festgestellt, seit 01. Mai 1967 nicht geändert hat. Auch für die Zeit nach dem Praktikum hat die Klägerin ihren Angaben zufolge keine andere, insbesondere höherwertige Tätigkeit ausgeübt.

Die Erhebung einer Auskunft bzw. eines Gutachtens des Instituts für Ostrecht zur Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin seit 01. Mai 1967 bzw. seit 08. Mai 1971 war danach nicht geboten, auch nicht im Hinblick auf die Beurteilung der Qualifizierungsbescheinigung vom 07. Mai 1971 nach dem rumänischen Recht der Berufsausbildung.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved