Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 3614/08 A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 5633/08 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Ordnungsgeld gegen einen im Termin zur Erörterung des Sachverhalts nicht erschienen Beteiligten kann nicht verhängt werden, wenn der Beteiligte zuvor die Aufhebung des Termins beantragt hat und über diesen Antrag nicht entschieden worden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Antrag so rechtzeitig gestellt worden ist (hier: zwei Wochen vor dem Termin), dass eine Entscheidung über den Antrag noch ohne Weiteres hätte ergehen können.
2. Bei einer der Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss stattgebenden Entscheidung sind die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren analog § 193 SGG der Staatskasse aufzuerlegen.
2. Bei einer der Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss stattgebenden Entscheidung sind die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren analog § 193 SGG der Staatskasse aufzuerlegen.
Auf die Beschwerden des Klägers werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Ulm vom 13. Oktober 2008 (S 2 AS 3614/08 A, S 2 AS 3615/08 A, S 2 AS 3616/08 A, S 2 AS 3617/08 A und S 2 AS 3618/08 A) aufgehoben.
Die Staatskasse hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten, vom Senat zur einheitlichen Entscheidung verbundenen Beschwerden des Klägers sind zulässig und begründet.
Gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 7 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann der Vorsitzende einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern. Ob das persönliche Erscheinen aller oder nur einzelner Beteiligter angeordnet wird, entscheidet er nach eigenem Ermessens (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 106 Rdnr. 15a). Die Anordnung liegt jedoch bei einem sich schriftsätzlich nur unsicher äußernden Beteiligten nahe (Roller in Lütke, SGG, 3. Aufl., § 111 Rdnr. 3 m.w.N.). Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Nach § 202 SGG in Verbindung mit § 141 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen einen Beteiligten, der im Termin ausgeblieben ist, ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen (vgl. § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festgesetzt werden. Nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn das Ausbleiben genügend entschuldigt ist. Liegt ein solcher Ausschlusstatbestand nicht vor, ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob ein Ordnungsgeld festgesetzt werden soll. Das Gericht sollte dabei zurückhaltend verfahren; wesentliches Kriterium ist, ob das persönliche Erscheinen des Beteiligten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts erforderlich war (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 111 Rdnr. 6a m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat das Sozialgericht (SG) mit den vom Kläger mit der Beschwerde angefochtenen Beschlüssen vom 13. Oktober 2008 zu Unrecht Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 50,00 EUR (insgesamt 250,00 EUR) festgesetzt. Der Kläger ist zu den Terminen am 13. Oktober 2008 ordnungsgemäß geladen und über die Folgen nicht genügend entschuldigten Ausbleibens belehrt worden. Nachdem er gleichwohl nicht erschienen ist, hätte das SG über die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entscheiden müssen; hierbei stand dem SG nicht nur ein die Höhe des zu verhängenden Ordnungsgeldes betreffendes Auswahl-, sondern auch ein Entschließungsermessen zu. Das SG hätte also eine sich am Gesetzeszweck orientierende und mit dem Vortrag des Klägers zur Begründung seines sinngemäß gestellten Antrags auf Terminsaufhebung inhaltlich auseinandersetzende Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. dazu Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - L 5 B 1180/08 AS - veröffentlicht in Juris). Eine solche (Entschließungs-) Ermessensausübung lassen die angefochtenen Beschlüsse nicht erkennen; vielmehr legen deren Gründe nahe, dass das SG (das Entschließungsermessen betreffend) zu Unrecht von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine am Gesetzeszweck orientierte Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis als der Nichtverhängung eines Ordnungsgeldes hätte führen können. Vor einer solchen Maßnahme wäre das SG nämlich gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 4 ZPO gehalten gewesen, über den Antrag des Klägers auf Aufhebung des Termins zu entscheiden. Dies wäre hier ohne weiteres möglich gewesen, nachdem der Kläger bereits am 30. September 2008, also zwei Wochen vor dem Termin mitgeteilt hat, er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht im Termin erscheinen. Eine solche Entscheidung ist vor Durchführung des Erörterungstermins am 13. Oktober 2008 jedoch nicht ergangen; der Kläger ist auch nicht darauf hingewiesen worden, dass nach Auffassung des Gerichts die angegebene Begründung eine Aufhebung des Termins nicht rechtfertigt. Erst mit den angefochtenen Ordnungsgeldbeschlüssen hat das SG den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass die vorgetragenen Gründe für eine Terminsaufhebung nicht als ausreichend erachtet wurden. Damit fehlte es jedoch im Hinblick auf den Aufhebungsantrag an einem erneuten Hinweis gemäß § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO, um dem Kläger die Folgen seines Ausbleibens trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zu verdeutlichen (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Der Kläger ist hier in der Ungewissheit gelassen worden, ob seinem Antrag stattgegeben und - wie von ihm sinngemäß angeregt - die Rechtsstreite ohne mündliche Verhandlung entschieden werden können. Bei dieser Sachlage können die angefochtenen Beschlüsse des SG keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 111 Rdnr. 6c m.w.N.; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - L 19 B 1829/08 AS - veröffentlicht in Juris). An seiner bisherigen Rechtssprechung, die Kostenentscheidung ergehe analog §§ 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung, 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Senatsschluss vom 7. Februar 2007 - L 13 R 293/07 B - nicht veröffentlicht), hält der Senat im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2007 (NJW-RR 2007, 1364) nicht mehr fest.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Die Staatskasse hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten, vom Senat zur einheitlichen Entscheidung verbundenen Beschwerden des Klägers sind zulässig und begründet.
Gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 7 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann der Vorsitzende einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern. Ob das persönliche Erscheinen aller oder nur einzelner Beteiligter angeordnet wird, entscheidet er nach eigenem Ermessens (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 106 Rdnr. 15a). Die Anordnung liegt jedoch bei einem sich schriftsätzlich nur unsicher äußernden Beteiligten nahe (Roller in Lütke, SGG, 3. Aufl., § 111 Rdnr. 3 m.w.N.). Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Nach § 202 SGG in Verbindung mit § 141 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen einen Beteiligten, der im Termin ausgeblieben ist, ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen (vgl. § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festgesetzt werden. Nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn das Ausbleiben genügend entschuldigt ist. Liegt ein solcher Ausschlusstatbestand nicht vor, ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob ein Ordnungsgeld festgesetzt werden soll. Das Gericht sollte dabei zurückhaltend verfahren; wesentliches Kriterium ist, ob das persönliche Erscheinen des Beteiligten zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts erforderlich war (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 111 Rdnr. 6a m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat das Sozialgericht (SG) mit den vom Kläger mit der Beschwerde angefochtenen Beschlüssen vom 13. Oktober 2008 zu Unrecht Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 50,00 EUR (insgesamt 250,00 EUR) festgesetzt. Der Kläger ist zu den Terminen am 13. Oktober 2008 ordnungsgemäß geladen und über die Folgen nicht genügend entschuldigten Ausbleibens belehrt worden. Nachdem er gleichwohl nicht erschienen ist, hätte das SG über die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entscheiden müssen; hierbei stand dem SG nicht nur ein die Höhe des zu verhängenden Ordnungsgeldes betreffendes Auswahl-, sondern auch ein Entschließungsermessen zu. Das SG hätte also eine sich am Gesetzeszweck orientierende und mit dem Vortrag des Klägers zur Begründung seines sinngemäß gestellten Antrags auf Terminsaufhebung inhaltlich auseinandersetzende Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. dazu Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - L 5 B 1180/08 AS - veröffentlicht in Juris). Eine solche (Entschließungs-) Ermessensausübung lassen die angefochtenen Beschlüsse nicht erkennen; vielmehr legen deren Gründe nahe, dass das SG (das Entschließungsermessen betreffend) zu Unrecht von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine am Gesetzeszweck orientierte Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis als der Nichtverhängung eines Ordnungsgeldes hätte führen können. Vor einer solchen Maßnahme wäre das SG nämlich gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 4 ZPO gehalten gewesen, über den Antrag des Klägers auf Aufhebung des Termins zu entscheiden. Dies wäre hier ohne weiteres möglich gewesen, nachdem der Kläger bereits am 30. September 2008, also zwei Wochen vor dem Termin mitgeteilt hat, er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht im Termin erscheinen. Eine solche Entscheidung ist vor Durchführung des Erörterungstermins am 13. Oktober 2008 jedoch nicht ergangen; der Kläger ist auch nicht darauf hingewiesen worden, dass nach Auffassung des Gerichts die angegebene Begründung eine Aufhebung des Termins nicht rechtfertigt. Erst mit den angefochtenen Ordnungsgeldbeschlüssen hat das SG den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass die vorgetragenen Gründe für eine Terminsaufhebung nicht als ausreichend erachtet wurden. Damit fehlte es jedoch im Hinblick auf den Aufhebungsantrag an einem erneuten Hinweis gemäß § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO, um dem Kläger die Folgen seines Ausbleibens trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zu verdeutlichen (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Der Kläger ist hier in der Ungewissheit gelassen worden, ob seinem Antrag stattgegeben und - wie von ihm sinngemäß angeregt - die Rechtsstreite ohne mündliche Verhandlung entschieden werden können. Bei dieser Sachlage können die angefochtenen Beschlüsse des SG keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 111 Rdnr. 6c m.w.N.; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - L 19 B 1829/08 AS - veröffentlicht in Juris). An seiner bisherigen Rechtssprechung, die Kostenentscheidung ergehe analog §§ 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung, 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Senatsschluss vom 7. Februar 2007 - L 13 R 293/07 B - nicht veröffentlicht), hält der Senat im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2007 (NJW-RR 2007, 1364) nicht mehr fest.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
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