L 11 R 233/05 AK-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 927/04 AK-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 233/05 AK-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 1. Dezember 2004 wird abgeändert.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1954 geborenen Klägerin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit befristet vom 19.02.2000 bis 31.12.2002. Am 19.09.2002 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung/Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit über den Wegfallmonat hinaus. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 17.12.2002 ab. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte die Klägerin unter Aufhebung des Bescheids vom 17.12.2002 ihr über den 31.12.2002 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Der zurückweisende Widerspruchsbescheid datiert vom 15.07.2003.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie begehrte die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31.12.2002 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. In der Klagebegründung verwies sie auf einen Arztbrief der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der J. G.-Universität M., wonach ihre weitere berufliche Einbindung in die Arbeitswelt als nicht möglich angesehen wird.

Nach erneuter Überprüfung des Sachverhalts anerkannte die Beklagte, dass die Klägerin über den 31.12.2002 hinaus voll erwerbsgemindert ist und erklärte sich bereit, die Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.12.2000 hinaus befristet bis 31.01.2005 in gesetzlicher Höhe weiter zu gewähren. Außerdem erklärte sich die Beklagte bereit, die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu übernehmen.

Die Klägerin nahm das Anerkenntnis im Hinblick auf die Rente an. Für die Übernahme der außergerichtlichen Kosten nur zur Hälfte sah sie jedoch keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb sie eine gerichtliche Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beantragte.

Die Beklagte trug dagegen vor, dass ausweislich des Wortlauts der Klageantrag nicht auf die befristete Weitergewährung der Rente beschränkt gewesen sei. Die Formulierung enthalte immanent das Begehren auf eine unbefristete Weitergewährung. Da sie die Rente nur auf Zeit und nicht auf Dauer weitergewährt habe, sei die Klage nur teilweise erfolgreich, weshalb es gerechtfertigt sei, dass sie die außergerichtlichen Kosten nur zur Hälfte übernehme.

Mit Beschluss vom 01.12.2004 entschied das SG, dass die Beklagte der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten hat. Zur Begründung führte es aus, die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer sei ausdrücklich nicht begehrt worden. Durch die Annahme des Anerkenntnisses habe die Klägerin mit ihrem Antrag, ihr Rente über den 31.12.2002 hinaus zu gewähren in vollem Umfang obsiegt.

Hiergegen hat die Beklagte am 20.12.2004 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es stelle eine willkürliche Einengung des Klagebegehrens dar, wenn das Gericht davon ausgehe, dass nur eine zeitlich befristete Rente begehrt worden sei. Die gerichtliche Praxis zeige, dass die Kläger fast ausnahmslos die Gewährung einer Dauerrente anstreben würden. Die Annahme, dass nur eine Zeitrente angestrebt werde, müsse deshalb durch konkrete Äußerungen der Klägerseite, die auf ein entsprechend beschränktes Klagebegehren hindeuten würden, gestützt sein. Solche Äußerungen lägen nicht vor. Darüber hinaus würde die strikte Anwendung der Argumentation des SG zu grob unbilligen Ergebnissen führen. Wenn allein die Tatsache der Weitergewährung der Rente über den Wegfallzeitpunkt hinaus zum vollen Obsiegen und zur vollen Kostenerstattung führen würde, müsste auch die Weitergewährung der Rente lediglich um einen Monat zur vollen Kostentragungspflicht führen. Eine hälftige Kostenerstattung halte sie für gerechtfertigt.

Die Klägerin hält den Beschluss für rechtmäßig. Erfahrungsgemäß ließen sich Behauptungen, dass eine Besserung der Leistungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne, nur schwer widerlegen. Aus diesem Grunde habe sie bewusst von einem Antrag auf Gewährung einer Dauerrente Abstand genommen. Wäre eine Dauerrente das Ziel gewesen, hätte sie das Verfahren vor dem SG unter Annahme des Anerkenntnisses als Teilanerkenntnis ohne weiteres fortsetzen können. Tatsächliches Ziel sei aber die Weitergewährung der Rente über den 31.12.2002 hinaus gewesen, zumal die Weiterbewilligung der Zeitrente, wie sich nunmehr gezeigt habe, bei unveränderten Verhältnissen keine besonderen Schwierigkeiten mache.

Das SG hat die Beschwerde unter Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat der Klägerin nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gemäß § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird, auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Diese Vorschrift ist hier anzuwenden, nachdem das Verfahren vor dem SG dadurch beendet worden ist, dass die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben hat und die Klägerin dieses Anerkenntnis angenommen hat. Feste Kriterien für die Kostenverteilung sind in § 193 Abs. 1 SGG allerdings nicht vorgegeben. Die Entscheidung ist in das Ermessen des Gerichts gestellt, das sich aber im Regelfall - wenn nicht eine besondere Fallkonstellation gegeben ist - an den Kriterien des § 91 a der Zivilprozessordnung und des § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung orientiert: Danach wird im Falle der Erledigung in der Hauptsache nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens entschieden, wobei auch das erreichte Prozessergebnis sowie die zur Erhebung der Klage und die zur Erledigung des Rechtsstreit führenden Umstände berücksichtigt werden können (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.11.1993 - L 5 Ka 1759/92 - in Breithaupt 1995, 158 f).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorab festzustellen, dass die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Dies entspricht auch der Auffassung der Beklagten, die im Klageverfahren eine befristete Rente über den 31.12.2002 hinaus anerkannt hat. Dies allein führt jedoch nicht automatisch zu einer vollen Kostentragungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist ferner, ob die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang erreicht hat. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG nicht der Fall. Indem die Klägerin wie schon im Widerspruchsverfahren die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.12.2002 hinaus beantragt hat, hat sie einen Antrag auf eine Dauerrente gestellt. Hinweise auf eine Befristung finden sich nicht. Vielmehr verweist die Klägerin in der Klagebegründung auf einen Arztbrief der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der J. G.-Universität M., wonach ihre weitere berufliche Einbindung in die Arbeitswelt als nicht möglich angesehen werde. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass die Klägerin eine Dauerrente begehrte. Für diese Auslegung des Antrags spricht auch, dass das SG nach Beweiserhebung befugt gewesen wäre, der Klägerin eine Dauerrente zuzusprechen. Nur die Gewährung einer befristeten Rente hätte eine teilweise Klagerücknahme dargestellt. Im übrigen ist auch zu beachten, dass auf den Rentenantrag der Klägerin gemäß § 302 b Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) altes Recht anzuwenden ist. Unter Zugrundelegung des bis 31.12.2000 gültigen Rechts war die Dauerrente die Regel, die befristete Rente war die Ausnahme.

Dementsprechend bedeutete das Anerkenntnis der Beklagten keinen vollen Klageerfolg, sondern stellte ein teilweises Unterliegen dar. Dies kann nicht ohne kostenrechtliche Auswirkungen bleiben. Der Senat ist der Auffassung, dass die Beklagte der Klägerin deshalb nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten hat.

Auf die Beschwerde der Beklagten war daher der angefochtene Beschluss abzuändern und zu entscheiden, dass die Beklagte der Klägerin nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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