L 3 AL 3784/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 1094/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3784/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld über den 21.11.2004 hinaus.

Der 1947 geborene Kläger war von 1969 bis zum 30.09.2000 als EDV-Leiter versicherungspflichtig beschäftigt. Auf seine Arbeitslosmeldung und Antragstellung vom 10.10.2000 bewilligte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld ab dem 01.10.2000 mit einer Anspruchsdauer von 780 Tagen. In der Folgezeit bezog er Arbeitslosengeld vom 01.10.2000 bis zum 30.11.2000. Ab dem 01.12.2000 war er selbständig tätig.

Am 03.09.2004 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Hierbei gab er an, vom 01.12.2000 bis 02.09.2004 selbständig tätig gewesen zu sein. Hierzu legte er eine Gewerbeabmeldung vor, in welcher als Datum der Betriebsaufgabe der 15.09.2004 angegeben ist. Bei seiner Vorsprache bei der Beklagten am 06.09.2004 gab er ausweislich des Beratungsvermerks an, vom 18.08.2004 (wohl: 18.09.2004) bis 02.10.2004 sei er im Urlaub, den er bereits im Frühjahr gebucht habe. Weiter ist vermerkt, der Urlaub sei genehmigt und dem Kläger eine Einladung zum 05.10.2004 mitgegeben worden. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 29.09.2004 Arbeitslosengeld ab dem 16.09.2004 mit einer Anspruchsdauer von 719 Kalendertagen und einem wöchentlichen Leistungsbetrag von 395,92 EUR (Leistungsgruppe C/0).

Ab dem 11.10.2004 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt wegen der Einsetzung einer Hüftgelenk-Totalendoprothese. Mit Bescheid vom 11.10.2004 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 11.10.2004 auf mit der Begründung, der Kläger habe Anspruch auf Übergangsgeld ab dem 11.10.2004. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Übergangsgeld lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.11.2004 zunächst ab.

Bei einer Vorsprache bei der Beklagten am 25.11.2004 teilte der Kläger mit, er sei noch bis 15.12.2004 arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte tatsächlich jedoch noch bis zum 13.03.2005.

Am 14.03.2005 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 17.03.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, der Kläger habe aufgrund des Antrags vom 01.10.2000 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Seit der Entstehung dieses Anspruchs habe er nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaft erworben. Es bestehe auch kein Restanspruch aus der früheren Anwartschaft.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er sei bei einem Beratungsgespräch am 05.10.2004 dahingehend informiert worden, dass er weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, wenn er binnen 48 Monaten nach dem Beginn seiner Selbständigkeit am 01.12.2000 diese Tätigkeit, aus welchen Gründen auch immer, beenden müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 20.04.2005 stellte der Kläger den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 11.10.2004 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Am 06.05.2005 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 17.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2005 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10.07.2006 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11.10.2004 bis 25.10.2004 mit einer Anspruchsdauer von 15 Kalendertagen bewilligt.

Mit Urteil vom 19.06.2007 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 26.10.2004 bis 21.11.2004 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei auch die Überprüfung des Aufhebungsbescheides vom 11.10.2004 gemäß § 44 SGB X. Die so gefasste Klage sei unzulässig, soweit die Beklagte mit Bescheid vom 10.07.2006 dem Kläger die begehrte Leistung für die Zeit vom 11. bis 25.10.2004 zuerkannt habe, da es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klage sei insoweit begründet, als der Kläger im Rahmen der Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld bis zum 21.11.2004 habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen. Über den 21.11.2004 hinaus habe der Kläger keinen Leistungsanspruch. Insbesondere bestehe kein Anspruch aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III, da keine mehr als sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit vorliege. Auch ab Wiedereintritt der Verfügbarkeit und erneuter Arbeitslosmeldung am 14.03.2005 habe der Kläger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Zum einen sei am 14.03.2005 kein neuer Anspruch entstanden. Der Kläger könne sich zum anderen auch nicht auf einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld aus dem am 01.10.2000 entstandenen Anspruch berufen. Gemäß § 147 Abs. 2 SGB III könne der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Die Verfallsfrist nach § 147 Abs. 2 SGB III für den am 01.10.2000 entstandenen Anspruch habe am 01.10.2004 geendet. Mit Ablauf dieses Tages sei jeglicher noch vorhanden gebliebener Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitslosengeld erloschen. Es sei auch keine vorsorgliche Geltendmachung des Anspruchs möglich.

Gegen das am 26.06.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.07.2007 Berufung eingelegt mit der Begründung, er habe für die gesamte Dauer der durch die Hüftoperation bedingten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 125 SGB III. Darüber hinaus sei die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosengeld auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet. Wäre er über die Folgen informiert worden, so hätte er die Hüftgelenksoperation um 2,5 Monate verschoben.

Mit Bescheid vom 31.07.2007 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger ab 26.10.2004 Übergangsgeld bewilligt und bis 23.11.2004 gezahlt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Juni 2007 abzuändern, den Bescheid vom 11. Oktober 2004 sowie den Bescheid vom 17. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 21. November 2004 hinaus Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund zum Verfahren beigezogen. Diese hat mit Bescheid vom 02.04.2007 den Antrag vom 10.10.2006 auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung abgelehnt mit der Begründung, der Kläger sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich mindestens sechs Stunden tätig zu sein. Der Kläger sei auch noch in der Lage, in seinem bisherigen Beruf als selbständiger Berater mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat über die gemäß § 126 SGB III erfolgte Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Wochen hinaus keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Wird ein Arbeitsloser während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, oder wird er während des Bezugs von Arbeitslosengeld auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt, verliert er dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen (Leistungsfortzahlung) (§ 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Kläger ist während des Bezugs von Arbeitslosengeld ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klinik Tettnang GmbH am 10.10.2004 arbeitsunfähig erkrankt. Er hat danach für die Dauer von sechs Wochen, somit bis zum 21.11.2004, Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslosengeldes bei Arbeitsunfähigkeit gemäß § 126 SGB III.

Für die Zeit danach hat der Kläger keinen Anspruch gemäß § 125 Abs. 1 SGB III. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat danach auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Leistungsgewährung aufgrund dieser Vorschrift setzt somit eine mindestens sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit voraus. Diese lag beim Kläger nicht vor, er war vielmehr lediglich vom 10.10.2004 bis zum 13.03.2005 und damit weniger als sechs Monate arbeitsunfähig. Dies war auch bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der durch die Hüftgelenksoperation bedingten Arbeitsunfähigkeit absehbar. So hat der Kläger bei seiner Vorsprache bei der Beklagten am 25.11.2004 selbst angegeben, seine Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich noch bis zum 15.12.2004.

Der Kläger hat auch keinen auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützten Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dahingestellt bleiben kann, ob insoweit eine Falschberatung des Klägers vorlag, als er bei der Vorsprache am 05.10.2004 nicht darauf hingewiesen wurde, dass bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung des Leistungsbezugs das Erlöschen des am 01.10.2000 entstandenen Anspruchs drohte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann jedenfalls die Verfügbarkeit, die beim Kläger ab dem 11.10.2004 nicht mehr vorlag, nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden, weil eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen, denen gestaltende Entscheidungen des Antragstellers zugrunde liegen, ausgeschlossen ist (BSG Urteil vom 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R - in juris). Die Entscheidung über die Durchführung der Operation stellt eine solche gestaltende Entscheidung des Klägers dar, die zur Arbeitsunfähigkeit und damit zum Wegfall der Verfügbarkeit geführt hat.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 14.03.2005, dem Zeitpunkt der erneuten Arbeitslosmeldung. Nach § 147 Abs. 2 SGB III kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. § 147 Abs. 2 SGB III beinhaltet eine Ausschlussfrist, die ohne Hemmungs- oder Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig abläuft (BSGE 91, 221; SozR 4-4300 § 144 Nr. 1 m.w.N.). Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ist am 01.10.2000 entstanden. Hat der Arbeitslose den Anspruch vor Ablauf der Frist geltend gemacht - wie vorliegend am 03.09.2004 - , stehen ihm Leistungen auch über das Fristende hinaus zu; allerdings darf nach Fristende keine Unterbrechung - z.B. durch eine kurzzeitige Arbeitsaufnahme oder eine mehr als sechswöchige Arbeitsunfähigkeit - eintreten und danach ein "Geltendmachen" des Anspruchs erforderlich sein (Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 147 Rz. 20 f.).

Nur bei einer bis zu sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III wirkt die Arbeitslosmeldung weiter mit der Folge, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld wieder auflebt, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Nur wegen einer derartigen Unterbrechung greift die Verfallsfristregelung des § 147 Abs. 2 SGB III nicht ein (BSG Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 61/04 R - SozR 4-4300 § 147 Nr. 4). Durch § 122 Abs. 2 SGB III sollte geregelt werden, dass die Wirkung einer persönlichen Meldung nur dann, aber auch immer dann erlischt, wenn die Arbeitslosigkeit für einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als sechs Wochen unterbrochen war. Die persönliche Meldung soll innerhalb eines Zeitraumes von sechs Wochen auch dann fortwirken, wenn der Arbeitslose durch Aufnahme einer Beschäftigung oder durch sonstige Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses eine neue Anwartschaftszeit erfüllt hat (Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 13/4941, S. 176). Die Wirkung der Arbeitslosigkeit des Klägers war jedoch gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III wegen einer durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit erloschen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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