L 4 KR 5775/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 5211/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5775/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren L 4 KR 5775/08 ER-B Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Gewährung von Vitamin B 12-Präparaten als Sachleistung sowie die Erstattung der Kosten für das im Dezember 2008 selbstbeschaffte Arzneimittel Vitamin B 12 Depot Injektopas 1500µg in Höhe von EUR 19,90.

Der 1956 geborene Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich EUR 412,96 (Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg über die Anpassung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vom Juni 2008) und ist versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin. Des Weiteren bezieht er Leistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII). Seinen Antrag, einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung nach § 30 Abs. 5 SGB XII zu bewilligen, lehnte das Sozial- und Jugendamt der Stadt F. ab (Bescheid vom 20. Mai 2008). Seiner Behauptung nach ist er Vegetarier und ernährte sich eine zeitlang vegan.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten unter Vorlage eines Attests des Facharztes für Innere Medizin Dr. W. vom 29. Februar 2008 die Übernahme der Kosten der Versorgung mit Vitamin B 12-Präparaten. Dr. W. gab an, der Kläger befinde sich in seiner internistisch-hausärztlichen Behandlung. Er sei untergewichtig und habe einen nachgewiesenen Vitamin B 12-Mangel. Die Ernährung als Veganer führe zu einem finanziellen Mehrbedarf, da nur eine hochwertige Nahrungsauswahl dazu beitragen könne, den defizitären Alimentationszustand zu verbessern. Die Beklagte holte darauf hin die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg (MDK) vom 10. April 2008 (Dr. M.) ein. Darin wurde dargelegt, bei den zugelassenen apothekenpflichtigen Vitamin B 12-Präparaten handle es sich um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Sie seien zwar für die Substitution des Mangels zugelassen, aber als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien) sei die Therapie mit wasserlöslichen Vitaminen wie Vitamin B 12 im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur dann zu gewähren, wenn der Mangel nicht durch entsprechende Ernährung zu beheben sei. Da im Falle des Klägers der Vitamin B 12-Mangel durch dessen Diät verursacht sei, seien die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht nicht erfüllt. Die Beklagte hielt in der Aktennotiz vom 22. April 2008 das Telefonat mit der Praxis Dr. W. fest, wonach es um den finanziellen Mehrbedarf für hochwertige Lebensmittel gehe.

Mit Bescheid vom 24. April 2008, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Leistungsgewährung ab, da die Kostenübernahme von wasserlöslichem Vitamin B 12 nur dann erfolgen könne, soweit der Vitamin B 12-Mangel nicht durch eine entsprechende Ernährung zu beheben sei. Resultiere der Vitaminmangel auf der persönlichen Lebenseinstellung (z.B. Ernährung als Veganer), finde keine Kostenerstattung statt. Die Entscheidung darüber, ob die Verordnung eines Arzneimittels im Einzelfall medizinisch notwendig und wirtschaftlich sei, liege beim behandelnden Arzt. Nach Vorlage von Privatverordnungen könne eine Genehmigung durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger nicht erfolgen, ebenso sei eine Kostenerstattung von Privatverordnungen ausgeschlossen. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Erholung nach einem Schädelhirntrauma 1998 mit "todesnaher Erfahrung" sei auf seine veganische Ernährung zurückzuführen. Seine Unterernährung komme daher, dass er nicht genügend Geld habe, sich satt zu essen. Die Beklagte holte daraufhin die Stellungnahme des MDK vom 24. Juni 2008 ein. Dr. B. teilte hierin mit, Vitamin B 12-Präparate seien in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel bzw. als nicht rezeptpflichtige Arzneimittel im Handel. Der GBA habe in Abschnitt F Nr. 16.4.39 der Arzneimittel-Richtlinien festgelegt, dass eine Versorgung mit wasserlöslichen Vitaminen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zulässig sei, wenn ein nachgewiesener, schwerwiegender Vitaminmangel vorliege, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden könne. Da der Vitamin B 12-Mangel durch Zufuhr tierischen Eiweißes zu beheben sei, liege eine derartige Ausnahmesituation beim Kläger nicht vor. Aufgrund der angegebenen finanziellen Situation sei eine Beratung über in Frage kommender Sozialhilfeleistungen angezeigt. Die Beklagte teilte dem Kläger das Ergebnis der Stellungnahme des MDK mit (Schreiben vom 25. Juni 2008), woraufhin dieser seinen Widerspruch aufrecht erhielt. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. September 2008). Nach § 29 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) liege die Verordnung von Arzneimitteln in der Verantwortung des Vertragsarztes. Die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse sei unzulässig. Deshalb erfolge durch den MDK nur eine grundsätzliche Stellungnahme und könne auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur als solche gewertet werden. Nach § 31 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Die Versorgung mit solchen Arzneimitteln sei sowohl in den Arzneimittel-Richtlinien als auch im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt. Danach hätten Versicherte grundsätzlich Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 SGB V oder durch die Richtlinien des GBA nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen seien. Die Therapie mit wasserlöslichen Vitaminen, wie bei Vitamin B 12-Mangel, welcher nicht durch entsprechende Ernährung zu beheben sei, sei in den Arzneimittel-Richtlinien aufgeführt. Vorliegend sei der Vitamin B 12-Mangel jedoch durch die Diät als Veganer verursacht, weshalb die Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sei und mithin eine Kostenübernahme für Vitamin B 12-Präparate nicht in Betracht komme.

Am 20. Oktober 2008 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), die beim SG noch anhängig ist (S 11 KR 5199/08), und beantragte zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Beklagte zur Übernahme der Kosten der Versorgung mit Vitamin B 12-Präparaten zu verpflichten (S 11 KR 5211/08 ER). Sein Vitamin B 12-Mangel beruhe nicht unbedingt auf seiner veganischen Ernährung. Es sei nicht eindeutig feststellbar, dass nicht eine Malabsorption (ungenügende Aufnahme von Vitamin B 12 im Darm) bzw. eine ungenügende Produktion von "Intrinsic Factor" oder ein angeborener Vitamin B 12-Mangel vorliege. Die Kosten für eine diesbezügliche Untersuchung würden von der Beklagten nicht übernommen. Er sei gelernter Koch und ernähre sich schon deshalb ausgewogen, wobei er auf seinen Vitaminhaushalt achte. Trotzdem nehme sein Körper Vitamin B 12 nicht auf. Die Folgen seien für ihn verheerend und seine Konzentrationsfähigkeit sei schon stark eingeschränkt. Ein Vitamin B 12-Mangel sei bei ihm aufgrund einer Blutuntersuchung bereits festgestellt worden.

Die Beklagte trat der Klage und dem Antrag auf einstweiligem Rechtsschutz entgegen. Die Verordnung von Arzneimitteln liege in der Verantwortung des Vertragsarztes. Eine Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse sei unzulässig. Eine entsprechende ärztliche Verordnung über ein Vitamin B 12-Präparat liege nicht vor. Schon aus diesem Grund sei der Antrag unbegründet. Es sei auch davon auszugehen, dass keine Verordnungsfähigkeit eines entsprechenden Vitamin B 12-Präparates vorliege. Selbst in der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung werde keine entsprechende Verordnungsfähigkeit dargelegt, sondern auf den notwendigen finanziellen Mehrbedarf verwiesen, den der Kläger habe, wenn er sich entsprechende Produkte auf eigene Kosten beschaffen müsse. Hierin liege keine Verordnung der entsprechenden Vitamin B 12-Präparate. Der finanzielle Mehrbedarf sei eine soziale Indikation, die keinen Leistungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung begründe.

Das SG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab (Beschluss vom 20. November 2008). Die Voraussetzungen des Abschnitts F Nr. 16. 4.39 der Arzneimittel-Richtlinien ließen sich nicht feststellen. Es fehle bereits an der erforderlichen vertragsärztlichen Verordnung. Bei dem Rechtsanspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln handle es sich um ein konkretisierungsbedürftiges Rahmenrecht, wobei die Konkretisierung durch ärztliche Verordnung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erfolge. Im Falle des Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen hätte deshalb Vertragsarzt Dr. W. die begehrten Präparate als Sachleistung zu Lasten der Beklagte verordnen können. Eine derartige Verordnung habe er nicht ausgestellt. Aus seiner Bescheinigung vom 29. Februar 2008 ergäben sich die für eine Verordnung bestehenden Voraussetzungen nicht. Vom Vorliegen eines nicht durch ausreichende Ernährung behebbaren Vitaminmangels könne nicht ausgegangen werden.

Gegen den am 21. November 2008 dem Kläger zugestellten Beschluss hat dieser am 08. Dezember 2008 schriftlich beim SG zum Landessozialgericht (LSG) Beschwerde eingelegt sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Er habe erstmals im Dezember 2008 das Arzneimittel Vitamin B 12 Depot Injektopas 1500 µg zum Preis von EUR 19,90 gekauft. Sein Vitamin B 12-Mangel könne auch auf einer generellen Veranlagung beruhen. Er ernähre sich trotz fleischloser Ernährung ausgewogen. Ein Test, mit dem überprüft werden könnte, ob er Vitamin B 12 aufnehmen könne, werde von der Beklagte nicht bezahlt. Er könne sich einen solchen Test nicht leisten, da er nur Leistungen der Grundsicherung erhalte. Auch könne er nicht gezwungen werden, Fleisch zu essen. Seine Entscheidung sei wohl überlegt und beruhe auf seiner humanistischen Einstellung. Zudem nehme er nunmehr auch tierische Produkte, wie z.B. Käse, Milch und Joghurt zu sich. Er habe sich nur wenige Monate vegan ernährt. Deshalb sei es unrealistisch, dass sein Vitamin B 12-Mangel auf einer vegetarischen Ernährungsweise beruhe. Er hat in Kopie zwei Rechnungen der "S. Apotheke" vom 19. Dezember 2008 für das Arzneimittel Vitamin B 12 Depot Injektopas 1500 µg vorgelegt, wobei in der einen Rechnung als zu zahlende Endsumme EUR 19,90 und in der anderen Rechnung als zu zahlende Endsumme EUR 14,74 (Zuzahlung in Höhe von EUR 5,00 + Mehrkosten in Höhe von EUR 9,74) ausgewiesen sind. Weiter hat er die Kopie der "Verordnung" des Dr. W. vom 29. Februar 2008, von ihm (Dr. W.) unterschrieben am 19. Dezember 2008, über das Arzneimittel Vitamin B 12 Depot Injektopas 1500 µg N 2 vorgelegt. Als Diagnose ist hierin "nachgew. B 12-Mangel" angegeben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20. November 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens Vitamin B 12-Präparate als Sachleistung zu gewähren sowie ihm EUR 19,90 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Sofern der behandelnde Arzt der Auffassung sei, dass eine Krankheit die Ursache des beschriebenen Vitamin B 12-Mangels sei, könne dieser die erforderlichen Untersuchungen veranlassen und in dem in den Arzneimittel-Richtlinien ausnahmsweise vorgesehenen Umfang auch die Verordnungen vornehmen. Vorliegend habe der behandelnde Arzt jedoch die medizinischen Voraussetzungen für eine Verordnung insoweit nicht als gegeben angesehen. Es liege mithin weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch vor.

II.

1. Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (dazu unter 2.). Deshalb kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger auch bedürftig im Sinne der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe ist.

2. Die zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Beklagte zu verpflichten, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens Vitamin B 12-Präparate als Sachleistung zu gewähren, zu Recht abgelehnt. Ebenfalls besteht kein Anspruch auf die erst im Beschwerdeverfahren begehrte Kostenerstattung (für die Vergangenheit) in Höhe von EUR 19,90.

2.1. Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Artikel 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGG-ArbGÄndG - BGBl I, S. 444) ausgeschlossen. Denn die Berufung wäre mit dem in der Hauptsache geltend gemachten Begehren zulässig, da der Kläger nicht nur die Kostenerstattung in Höhe von EUR 19,90 geltend macht, sondern auch die zukünftige Gewährung von Vitamin B 12-Präparaten als Sachleistung. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstands nicht erkennbar. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Behandlung mit diesen Arzneimitteln Kosten von weniger als EUR 750,00 anfallen werden und dass die Behandlung einen Zeitraum von weniger als einem Jahr umfasst.

2.2. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstands hat der Kläger weder einen Anspruch auf zukünftige Versorgung mit Vitamin B 12-Präparten als Sachleistung noch einen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von EUR 19,90, so dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

2.2.1. Einen Sachleistungsanspruch (abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung) auf Versorgung mit Vitamin B 12-Präparaten bzw. mit dem Arzneimittel Vitamin B 12 Depot Injekopas 1500 µg hat der Kläger nicht, weil diese Mittel nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Es handelt sich um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, für die vorliegend nach derzeitigem Sachstand kein Ausnahmetatbestand eingreift.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Abweichendes sehen weder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil es sich um keine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 15 SGB IX handelt - noch das SGB V vor.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ab 01. Januar 2004 geltenden Fassung sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der GBA legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Diese Regelung gilt nicht für versicherte Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Nach Abschnitt F Nr. 16.4.39 der auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V vom GBA beschlossenen Arzneimittel-Richtlinien - in der Fassung vom 31. August 1993, zuletzt geändert am 18. Juli 2008 (Bundesanzeiger 2008, Nr. 112, S. 2746) - sind wasserlösliche Vitamine, Benfotiamin und Folsäure als Monopräparate nur bei nachgewiesenem, schwerwiegendem Vitaminmangel, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann, verordnungsfähig. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes geht der Senat davon aus, dass diese Voraussetzungen beim Kläger nicht vorliegen. Zwar leidet der Kläger an einem Vitamin B 12-Mangel. Dies ergibt sich aus dem ärztlichen Attest des Dr. W. vom 29. Februar 2008. Allerdings ist bislang nicht glaubhaft gemacht, dass es sich um einen schwerwiegenden Vitaminmangel handelt, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann. Hiergegen spricht insbesondere, dass Dr. W. in seinem Attest vom 29. Februar 2008 nur darauf hingewiesen hat, dass aus der veganischen Ernährung ein finanzieller Mehrbedarf resultiere und nur durch eine hochwertige Nahrungsauswahl der defizitäre Alimentationszustand verbessert werden könne. Andere (medizinische) Ursachen des Vitamin B 12-Mangels hat Dr. W. nicht angegeben. Zwar trägt der Kläger in diesem Zusammenhang vor, es sei bislang nicht festgestellt worden, ob der bei ihm nachgewiesene Vitamin B 12-Mangel nicht auf einer Malabsorption, einer ungenügenden Produktion von "Intrinsic Factor" bzw. auf einen angeborenen Vitamin B 12-Mangel beruhe. Derartige medizinische Ermittlungen sind jedoch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht angezeigt. Sie bleiben vielmehr dem Klageverfahren vorbehalten. Das SG wird daher - z.B. durch eine eingehende Befragung von Dr. W. - zu prüfen haben, worauf der Vitamin B 12-Mangel beim Kläger beruht, zumal der Kläger angegeben hat, nunmehr auch tierische Produkte - mit Ausnahme von Fleisch - zu sich zu nehmen.

Des Weiteren haben Versicherte nur einen Anspruch auf kostenfreie Verschaffung der vom Vertragsarzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf Kassenrezept verordneten Arzneimittel. Versicherte können mithin ein bestimmtes Mittel erst dann beanspruchen, wenn es ihnen in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2500 § 13 Nr. 13 m.w.N.). Der Sachleistungsanspruchs setzt eine vertragsärztliche Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V auf dem entsprechenden Formblatt (sog. Kassenrezept) voraus. Dies ergibt sich auch aus § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise "verordnet" werden können. Diese erforderliche vertragsärztliche Verordnung fehlt. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass das Arzneimittel Vitamin B 12 Depot Injektopas 1500 µg, das sich der Kläger im Dezember 2008 selbst beschafft hat, vertragsärztlich verordnet worden war. Aus der vom Kläger vorgelegten Kopie der "Verordnung" des Dr. W. vom 29. Februar 2008, die dieser am 19. Dezember 2008 unterschrieben hat (Bl. 21 der LSG-Akte), geht nicht hervor, ob es sich hierbei um ein Kassenrezept oder um eine private Verordnung handelt.

Wenn der behandelnde Vertragsarzt Dr. W. der Auffassung sein sollte, die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Verordnung nach Abschnitt F Nr. 16.4.39 der Arzneimittel-Richtlinien lägen vor, müsste er entsprechende vertragsärztliche Verordnungen ausstellen. Dass dies nicht erfolgt ist, spricht dafür, dass medizinische Gründe für die Verordnung von Vitamin B 12-Präparaten wie Vitamin B 12 Depot Injektopas 1500 µg nicht vorliegen.

Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an (BSG, Urteil vom 06. November 2008 - B 1 KR 6/08 R - veröffentlicht in juris).

2.2.2. Da der Kläger keinen Anspruch auf Sachleistung von Vitamin B 12-Präparaten hat, besteht auch kein Kostenerstattungsanspruch für das im Dezember 2008 selbst beschaffte Arzneimittel Vitamin B 12 Depot Injektopas. Mangels entsprechende Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat. Als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch kommt damit nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Hierdurch wird geregelt, dass der Anspruch auf Kostenerstattung an die Stelle des Anspruchs auf die Sachleistung tritt. Damit reicht sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung als auch der Anspruch auf Versorgung für die Zukunft nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher nach der ständigen Rechtsprechung voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 06. November 2008 - B 1 KR 6/08 R - m.w.N. , in juris veröffentlicht; BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Da ein Sachleistungsanspruch aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht besteht, kann auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestehen. Es kann deshalb auch für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens offen bleiben, ob der Kläger tatsächlich für die Beschaffung des Arzneimittels Vitamin B 12 Depot Injektopas EUR 19,90 oder nur EUR 14,74 aufgewendet hat, also welcher der in den vorgelegten Rechnungen der S. Apotheke vom 19. Dezember 2008 tatsächlich gezahlt worden ist.

2.3. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat offen lassen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Denn der Kläger hat schon keinen Sachleistungsanspruch gegen die Antragsgegnerin, so dass bereits ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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