L 4 R 946/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 1792/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 946/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. Januar 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2003 vom 01. März 2006 bis 28. Februar 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger ab 01. Juli 2002 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht.

Der am 1958 geborene Kläger hat seinen Angaben zufolge von 1974 bis 1977 eine Lehre als Maschinenschlosser bei der Deutschen Bundesbahn durchlaufen. Er übte dann Tätigkeiten als Montagearbeiter und Einrichter aus. Vom 01. April 1979 bis 29. Februar 1996 war der Kläger als Versicherungsfachmann (Angestellter im Versicherungsaußendienst) beschäftigt. Bei den N. Versicherungen (Versicherung) war er ab 01. Juli 1985 insoweit "Versicherungs-Oberinspektor" (Vertrag vom 25. April 1985); zum 01. April 1987 erhielt er den Titel "Organisationsleiter" (vgl. Schreiben vom 20. März 1987 und Vertrag vom 13. April 1993). Vom 01. März 1996 bis 30. Juni 1999 war der Kläger für die genannte Versicherung als selbstständiger Handelsvertreter tätig. Er entrichtete vom 01. März 1996 bis 31. Januar 1999 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung. Nach der Auskunft der Versicherung vom 09. August 2006 wurde dieser Vertrag wegen "Berufsunfähigkeit" beendet. Vom 01. Juli 1999 bis 31. Oktober 2002 war der Kläger mit einer wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden als Tankwart beschäftigt. Nach der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 10. April 2006 gehörten zu seinen Tätigkeiten Abkassieren der Kundschaft, kleinere Reparaturen, Luft- und Ölstandüberprüfung, Ware kontrollieren und Regale bestücken, Monatsabrechnungen erstellen, Online-Abfragen zur Mineralölgesellschaft. Ihm war zum 31. Oktober 2002 gekündigt worden, weil er nach der genannten Bescheinigung aufgrund von Krankheit immer öfter seiner Arbeit nicht habe nachgehen können. Bis zum 12. Mai 2003 bezog der Kläger danach Krankengeld und ab 13. Mai 2003 Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit.

Am 20. Juni 2002 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) Rente wegen Erwerbsminderung. Er machte ärztliche Behandlung wegen Epilepsie geltend; Anfälle träten ein- bis dreimal wöchentlich auf. Die Beklagte erhob einen Befundbericht der Fachärztin für Innere Krankheiten Dr. v. E. vom 18. Juli 2002, die weitere Arztbriefe vorlegte. Sie wies darauf hin, beim Kläger bestehe ein cerebrales Anfallsleiden; zwei- bis dreimal pro Woche träten starke Schwindelanfälle auf. Eine antiepileptische Therapie werde nicht vertragen. Die Beklagte erhob ferner das nervenärztliche Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. U. vom 21. August 2002, die als Diagnosen Verdacht auf fokale Anfälle mit fraglicher sekundärer Generalisierung sowie Schwindelattacken ungeklärter Ätiologie erhob, ferner den Verdacht auf psychosomatisches Syndrom. Aus nervenärztlich-sozialmedizinischer Sicht sei bei dem Kläger ein Leistungsvermögen von täglich unter drei Stunden bezüglich des erlernten Berufs des Maschinenschlossers gegeben. Hingegen sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von täglich sechs Stunden und mehr anzunehmen mit Ausnahme von Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, auf Leitern und Gerüsten sowie an laufenden Maschinen. Auch Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Personen und Menschen sowie mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge und Wechselschichtarbeit könnten nicht durchgeführt werden. Die Wiederaufnahme einer neurologischen Therapie sei dringend indiziert. Dieser Leistungsbeurteilung stimmte Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zu (Stellungnahme vom 11. September 2002). Mit Bescheid vom 20. September 2002 lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Am 23. Dezember 2002 beantragte der Kläger medizinische Leistungen zur Rehabilitation. Er gab Schwindelanfälle drei- bis viermal wöchentlich mit anschließendem starkem Unwohlsein oder Bewusstseinstrübung an. Der Beklagten lag auch das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (Dr. D.) vom 25. November 2002 vor. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 24. Juni 2003 eine stationäre medizinische Rehabilitation. Wegen Rücknahme dieses Antrags wurde der Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 25. August 2003 widerrufen. Später führte der Kläger vom 19. Juli bis 12. August 2005 eine stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung mit einer in einer Gärtnerei vom 02. bis 12. August 2005 absolvierten medizinischen Belastungserprobung in der Rehabilitations-Abteilung für Anfallskranke des Epilepsie-Zentrums B. durch, die er während des späteren sozialgerichtlichen Verfahrens am 22. Februar 2005 beantragt hatte und die mit Bescheid vom 25. April 2005 bewilligt worden war. Diese Maßnahme, wobei die Belastungserprobung ursprünglich bis zum 19. August 2005 dauern sollte, wurde vom Kläger vorzeitig abgebrochen (vgl. dazu Entlassungsbericht des Leitenden Arztes Dr. S. vom 16. September 2005). Dr. S. diagnostizierte dissoziative Anfälle sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und abhängigen Anteilen. Während der Belastungserprobung seien an vier Tagen "Vorgefühle" mit nachfolgenden Kopfschmerzen aufgetreten, die eine Unterbrechung bzw. einen Abbruch seiner Arbeit zur Folge gehabt hätten. Der Kläger sei grundsätzlich vollschichtig für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig. Wegen seiner Erkrankung könne er bis auf weiteres nicht mehr in seiner früheren Berufstätigkeit (z.B. Versicherungsvertreter) arbeiten. Erst nach einer anfallfreien Zeit von mindestens zwei Jahren sei ein beruflicher Einsatz an Arbeitsplätzen wieder möglich, an denen durch eine plötzliche Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit hinsichtlich Eigen- oder Fremdgefährdung oder einer erheblichen Gefährdung von Sachwerten ein höheres als das "allgemein hinzunehmende Unfallrisiko" entstehe.

Wegen der Rentenablehnung erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, im Hinblick auf die festgestellten Gesundheitsstörungen, nämlich Verdacht auf fokale Anfälle mit fraglicher sekundärer Generalisierung, Schwindelattacken ungeklärter Ätiologie und Verdacht auf psychosomatisches Syndrom, sei er auch nicht mehr in der Lage. leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens in einem Umfang von sechs Stunden täglich auszuüben. Im Vordergrund stünden die jetzt vermehrt auftretenden starken Schwindelanfälle, und zwar mehrmals wöchentlich, ungefähr drei- bis viermal, die mit Kopfschmerzen verbunden seien. Er müsse sich übergeben. Er müsse innehalten und jede Tätigkeit beenden, sich hinsetzen und abwarten. Auch Stunden danach sei er noch völlig erschöpft und zu keiner geregelten Arbeit mehr fähig. Eine medikamentöse Behandlung im Sinne einer antiepileptischen Therapie scheide wegen Unverträglichkeit der Mittel aus. Von einer sechsstündigen Belastbarkeit könne nicht mehr ausgegangen werden. Darüber hinaus stellten die Anfälle eine spezielle Leistungseinbuße dar, denn er (der Kläger) könne nicht unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen tätig sein. Bei der bestehenden Anfallshäufigkeit und den damit verbundenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sei es ausgeschlossen, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Dr. G. äußerte hierzu in der Stellungnahme vom 24. Januar 2003, dass das Anfallsleiden von Dr. U. sozialmedizinisch hinreichend bewertet worden sei. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. April 2003). Zur Begründung führte sie aus, sie schließe sich dem Ergebnis der durchgeführten medizinischen Sachaufklärung an. Mit dem beschriebenen Leistungsvermögen könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts tätig sein.

Der Kläger erhob deswegen am 26. Mai 2003 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er benannte die ihn behandelnden Ärzte. Er verwies darauf, mindestens drei- bis viermal pro Woche unter Anfällen zu leiden. Sobald er einen Anfall bemerke, müsse er sich sofort hinsetzen oder hinlegen und die Augen schließen. Dadurch könne er in den meisten Fällen verhindern, dass es zu einem schlimmen Anfall komme. Soweit sich ein Anfall nicht sofort bekämpfen lasse, komme es zur Bewusstlosigkeit nach Erbrechen und starken Kopfschmerzen. Der letzte große Anfall habe sich im März 2002 ereignet. Es sei keinem Arbeitgeber zumutbar, ihn zu beschäftigen, wenn er drei- bis viermal pro Woche seine Tätigkeit unterbrechen müsse, um sich einige Zeit hinzulegen, um so ein weiteres Ausmaß der Anfälle zu verhindern. Die Anfälle dauerten eineinhalb bis zwei Stunden. Anfälle hätten sich beispielsweise am 06., 07. 08., 11. und 14. November 2003 ereignet. Am 08. November 2003 habe es sich um ein Schlüsselerlebnis gehandelt. Seither befinde er sich in intensiver psychotherapeutischer Behandlung. Der Kläger reichte auch einen Anfallskalender für Februar 2004 (Bl. 101 der SG-Akte) und für die Zeit vom 01. bis 21. Januar 2006 (Bl. 204a der SG-Akte) ein. Ferner machte er Berufsschutz geltend. Aufgrund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Versicherungsfachmann sei er den Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen. Seine eigene Versicherungsagentur habe er im Februar 1999 wegen Erkrankung schließen müssen; danach habe er nur noch eine Aushilfstätigkeit an einer Tankstelle verrichtet. Von 1985 bis 1996 sei er Organisationsleiter (Versicherungsfachmann im Außendienst) bei der Versicherung gewesen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, wenigstens eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen, die er noch ausüben könne. Aufgrund seiner Erkrankung seien ihm weder Tätigkeiten mit Publikumsverkehr möglich noch solche, bei denen er mit einem PKW fahren müsse. Als Ursache der Anfälle vermute er Stress und Angstzustände, die die Anfälle auslösen würden. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte den Entlassungsbericht des Dr. S. vom 16. September 2005 vor, ferner die Stellungnahme des Dr. G. vom 08. Oktober 2004. Der Kläger habe den Beruf eines Versicherungskaufmanns nicht erlernt. Selbst wenn die langjährige Tätigkeit vermuten lasse, dass diese Tätigkeit vollwertig ausgeübt worden sei, sei er noch in der Lage, den Beruf des Versicherungskaufmanns im Innendienst, wobei der Kläger dann nicht mit dem PKW unterwegs sein müsse, auszuüben. Ferner komme als Verweisungstätigkeit diejenige eines Pförtners an einer Nebenpforte in Betracht. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Privatdozenten Dr. W., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Schmerztherapie vom 13. August 2003, der weitere Arztbriefe vorlegte, der Dr. v. E. vom 22. August 2003, die ebenfalls weitere Untersuchungsbefunde vorlegte, des Facharztes für Neurologie Dr. H. vom 01. September 2003, der gleichfalls weitere Arztbriefe einreichte, und des Psychologischen Psychotherapeuten Ma. vom 19. Dezember 2003. Ferner erstattete im Auftrag des SG Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Di. das Gutachten vom 20. Oktober 2003 (Untersuchung am 17. Oktober 2003). Darin stellte er als Diagnose Synkopen unklarer Ursache. Das Vorliegen eines Anfallsleidens sei nicht mit Sicherheit auszuschließen. Bis zur diagnostischen Abklärung der Symptomatik sei der Kläger nicht geeignet für Tätigkeiten, bei denen er durch das Auftreten möglicherweise epileptisch bedingter Anfälle gefährdet wäre, also keine Tätigkeiten an potentiell gefährdenden Maschinen, keine Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten, an offenen Feuern oder tiefen Gewässern, sofern sie mit einer Absturzgefahr verbunden seien, keine Tätigkeiten, bei denen er selbst ein Kraftfahrzeug führen müsse. Außerdem sei Schichtarbeit gleich welcher Art, da dadurch möglicherweise vorliegende epileptische Anfälle vermehrt ausgelöst werden könnten, zu vermeiden. Unter diesen Einschränkungen sei der Kläger fünf Tage in der Woche ganzschichtig arbeitsfähig. Ferner vernahm das SG die Ehefrau des Klägers (B. M.) im Termin vom 22. Februar 2005 als Zeugin zu den Anfällen und hörte den Kläger an (Bl. 116 - 119 der SG-Akte). Weiter erhob das SG die Auskunft des Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft vom 28. November 2005, in der mitgeteilt wurde, die Bezeichnung "Versicherungsfachmann (BWV)" sei eine brancheninterne Qualifizierung der Versicherungswirtschaft, der in der Regel eine einjährige Ausbildung bei einem Versicherungsunternehmen vorausgehe. Es handle sich nicht um eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz und somit nicht um einen anerkannten Beruf. Die Versicherung teilte in der Auskunft vom 25. November 2005 mit, der Kläger sei vom 01. Juli 1985 bis 28. Februar 1993 sowie dann erneut vom 01. Januar 1996 bis 28. Februar 1996 bei ihr als Angestellter im Versicherungsaußendienst tätig gewesen, ehe er vom 01. März 1996 bis 30. Juni 1999 als selbstständiger Handelsvertreter ausschließlich für sie (die Versicherung) vermittelt habe. Mit Urteil vom 31. Januar 2006 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, da er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit sei auf die Tätigkeit des Klägers als Versicherungsfachmann abzustellen. Als solcher sei der Kläger als einfach Angelernter anzusehen, da nach Auskunft des Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft für die Ausbildung eine Aus- und Fortbildung von einem Jahr erforderlich sei. Soweit der Kläger vortrage, er sei in einem längeren Zeitraum, nämlich zwei Jahre, zum Versicherungsfachmann ausgebildet worden, beruhe dies darauf, dass die Fortbildung nicht ganztägig gewesen sei. Als oberer Angelernter im Sinne des Mehrstufenschemas könne der Kläger nicht angesehen werden, da die nachgewiesene Ausbildungszeit ein Jahr nicht übersteige. Eine Vergleichbarkeit mit Arbeitnehmern mit einer längeren Ausbildungszeit folge auch nicht ohne Weiteres daraus, dass der Kläger die Tätigkeit eines Versicherungsfachmanns jahrelang ausgeübt habe und daher über langjährige Berufserfahrung verfüge. Den früheren Beruf als Außendienstmitarbeiter einer Versicherung könne der Kläger nicht mehr ausüben, da dieser mit der Notwendigkeit verbunden sei, einen PKW zu führen, wozu der Kläger krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sei. Eine quantitative Leistungseinschränkung könne beim Kläger nicht angenommen werden. Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass beim Kläger wegen der Anfälle mehrmals wöchentlich mehrstündige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufträten, die es einem Arbeitgeber unzumutbar machen würden, ihn einzustellen. Es könne zwar einem an Epilepsie leidenden Versicherten Rente wegen Erwerbsminderung wegen Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarkts zustehen, wenn für sein Restleistungsvermögen geeignete Arbeitsplätze zwar vorhanden und allgemein zugänglich seien, jedoch bei den in Frage kommenden Arbeitgebern erhebliche, sachlich gerechtfertigte Vorbehalte gegen die Einstellung eines entsprechenden Arbeitnehmers bestünden. Dies würde jedoch voraussetzen, dass beim Kläger Anfälle in entsprechendem Ausmaß objektiv nachweisbar wären. Davon sei nicht auszugehen. Insbesondere halte das Gericht den Vortrag des Klägers nicht für nachgewiesen, dass die seit 1977 zunächst sporadisch aufgetretenen Synkopen sich in den letzten Jahren in Qualität und Quantität soweit verstärkt hätten, dass er drei- bis viermal wöchentlich wegen Anfällen starke Kopfschmerzen und Übelkeit erleide und sich dadurch für mehrere Stunden hinlegen müsse. Die vom Kläger geschilderten Häufigkeiten und Auswirkungen der Anfälle würden auch im Rahmen von stationären Aufenthalten des Klägers nicht bestätigt. Aus dem Entlassungsbericht des Epilepsie-Zentrums B., in dem der Kläger vom 19. Juli bis 12. August 2005 stationär gewesen und eine Belastungserprobung in einer Gärtnerei vom 02. bis 12. August 2005 durchgeführt habe, seien Vorfälle für Anfälle nur an vier Tagen berichtet worden. Das Gericht teile die Auffassung des Sachverständigen Dr. Di., dass der Kläger aufgrund der Synkopen in seiner Lebensführung und Gestaltung durch die Beschwerden relativ wenig beeinträchtigt sei. Unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Leistungseinschränkungen könne der Kläger noch als Pförtner an der Nebenpforte in einem Umfang von mindestens sechs Stunden tätig sein und sei damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Zur weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen. Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 07. Februar 2006 zugestellt.

Dagegen hat der Kläger am 23. Februar 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Soweit das SG es als nicht für nachgewiesen ansehe, dass die Anfälle mit der vorgetragenen Häufigkeit und dem entsprechenden Ausmaß aufträten, habe es nicht berücksichtigt, dass tatsächlich während der stationären Belastungserprobung in der Gärtnerei im Epilepsie-Zentrum B. nicht nur vier, sondern zwölf Anfälle dokumentiert seien. Dies belege der vorgelegte Bericht mit Dokumentation des Dr. Hü. vom 10. März 2006. Er habe bei den Anfällen nur noch eine schichtweise Wahrnehmung, wie bei einer Fahrt mit einem Auto durch eine Allee, wenn die Sonne scheine. Während der Konzentration, um eine Ohnmacht abzuhalten, dürfe er nicht gestört, insbesondere auch nicht angesprochen werden. Der Versuch, die Ohnmacht abzuwenden, dauere zwischen einer bis fünf Minuten. Falls die Konzentration fehlschlage, folge ein Ohnmachtsanfall. Von seinem letzten Arbeitgeber sei er ebenfalls wegen der Anfälle, während der er seiner Arbeit nicht habe nachgehen können, entlassen worden. Dr. v. E. bestätige in der vorgelegten Bescheinigung vom 24. Februar 2006, dass er (der Kläger) am 05. Juni 2004 für einige Minuten in der Praxis weggetreten gewesen sei. Aufgrund der Tätigkeit als Organisationsleiter bei der Versicherung sei er als Angelernter im oberen Bereich anzusehen. Dazu hat der Kläger die Verträge mit der Versicherung vom 25. April 1985 und 13. April 1993 vorgelegt und zu seiner Tätigkeit als Organisationsleiter bei der Versicherung angegeben, er habe General- und Autohausagenturen betreut. Zu seinem Mitarbeiterstamm hätten insoweit sieben männliche Personen und eine weibliche Person gehört. Diese hätten von ihm im Außen- und im Innendienst geschult und verkäuferisch unterstützt werden müssen. Außerdem seien regelmäßige Workshops wöchentlich durchzuführen gewesen. Als Organisationsleiter habe er auch regen persönlichen Kontakt mit den Inhabern der Autohäuser gepflegt und sei damit auch für die richtige versicherungsrechtliche Absicherung des Autohauses selbst verantwortlich gewesen. Regelmäßige Gespräche mit den Inhabern hätten zur Tagesordnung gehört. Mitarbeiterwerbung und Bewerbungsgespräche seien ebenfalls ein großer Bestandteil der täglichen Arbeit gewesen. Nach den jetzigen Tarifverträgen wäre er in die Gehaltsgruppe VII einzustufen gewesen und genösse damit Berufsschutz. Am 29. Oktober 2004 sei ihm der Führerschein entzogen worden. Die Rehabilitation habe er am 12. August 2005 abgebrochen, da seine Mutter mit dem Verdacht auf Gehirnschlag ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Juni 2006 hat vortragen lassen, derzeit nicht in fachärztlicher Behandlung zu sein, hat er dann mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2007 geltend gemacht, erneut von Dr. Ke., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, behandelt zu werden. Der Kläger hat weiter vorgetragen, am 18. November 2007 sei es erneut zu einem epileptischen Anfall gekommen. Ferner hat er eine Auflistung über seine Reaktion auf die Medikamenteneinnahme im Rahmen der Therapie des Dr. Ke. eingereicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2003 zu verurteilen, ihm ab 01. Juli 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide und das streitbefangene Urteil für zutreffend. Sie hat Versicherungsverläufe vom 21. März und 09. Juni 2006 eingereicht, ferner die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. G. vom 26. Februar 2008 und die Berufsgenossenschaftlichen Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie (BGl 585).

Der Berichterstatter des Senats hat Auskünfte der Versicherung vom 09. August (Bl. 61 bis 87 der Senatsakte), vom 20. September (Bl. 121/122 der Senatsakte) und vom 21. Dezember 2006 (Bl. 126 der Senatsakte) eingeholt, ferner eine Auskunft des Arbeitgeberverbands der Versicherungsunternehmen in Deutschland vom 13. September 2006 (Bl. 94 bis 120 der Senatsakte). Weiter hat der Berichterstatter des Senats die schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge des Dr. Ke. vom 26. November 2007 erhoben, der über Behandlungen am 22. Oktober und 19. November 2007 berichtet hat, und die Leistungsakte des Klägers von der Agentur für Arbeit W. beigezogen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Agentur für Arbeit, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte es (auch) abgelehnt hat, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren. Der Kläger hat Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines im August 2005 mit dem Ende der stationären Heilbehandlung dokumentierten Versicherungsfalls auf Zeit vom 01. März 2006 bis 28. Februar 2010. Anspruch auf unbefristete Rente bereits seit 01. Juli 2002, sei es auch wegen teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht nicht.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 454), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI nicht vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Allerdings kann ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung dann beansprucht werden, wenn der Versicherte aus ärztlicher Sicht sechs Stunden oder mehr erwerbstätig sein kann, die Erwerbsfähigkeit aber durch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder durch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung gemindert ist. Jedenfalls wenn insoweit Zweifel bestehen, dass der Versicherte in einem Betrieb unter betriebsüblichen Bedingungen einsetzbar ist, wäre eine konkrete Verweisungstätigkeit auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu benennen. Insoweit bezieht sich der Begriff der betriebsüblichen Arbeitsbedingungen nicht nur auf die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes und der Gewährung von Pausen während der Arbeitsschicht, sondern auch darauf, dass die erforderliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers grundsätzlich auch auf jeden Tag der Arbeitswoche erwartet wird. Zu den schweren spezifischen Leistungseinschränkungen gehört es auch, dass unvorhergesehene, üblicherweise regelmäßig jede Woche auftretende Anfälle zu Arbeitsunterbrechungen bzw. Arbeitsunfähigkeit führen (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14).

1. Der Kläger ist aufgrund eines im August 2005 eingetretenen Leistungsfalls voll erwerbsgemindert.

Zwar geht der Senat davon aus, dass der Kläger aufgrund des Sachverständigengutachtens des Dr. Di. vom 20. Oktober 2003 und des Entlassungsberichts des Dr. S. vom 16. September 2005 noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten mit den von Dr. Di. benannten qualitativen Leistungseinschränkungen zu verrichten. Dr. Di. geht beim Kläger von Synkopen unklarer Ursache als Diagnose aus. Auch im Entlassungsbericht des Dr. S. werden - neben einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und abhängigen Anteilen - dissoziative Anfälle diagnostiziert. Aufgrund dessen hält der Senat die Beurteilung des Dr. Di., dass der Kläger nur für solche Tätigkeiten nicht geeignet ist, bei denen er durch das Auftreten von Synkopen sich oder andere gefährden könnte, für schlüssig ... Dies hat auch Dr. S. bestätigt. Im Hinblick darauf , dass beim Kläger nach den im Berufungsverfahren eingereichten "Anfallsbeschreibungen" des Epilepsie-Zentrums B. (Bl. 30 der Senatsakte) für die Zeit vom 22. Juli bis 09. August 2005 im Sinne von Vorgefühlen bzw. Auren Anfälle am 22., 27., und 30. Juli 2005 sowie am 01., 03. (zweimal), 05., 06. (zweimal) und 09. August 2005 (zweimal) zu unterschiedlichen Tageszeiten, wobei die Dauer beispielsweise mit fünf bis sechs Minuten, sieben Minuten bzw. zehn Minuten angegeben ist, beschrieben sind, stellt der Senat fest, dass beim Kläger ab August 2005 die nun nachgewiesene Häufigkeit der Anfälle eine schwere spezifische Leistungseinschränkung darstellt. Diese häufigen, zeitlich nicht genau festzulegenden Anfälle stellen nach Überzeugung des Senats ein erhebliches Hindernis für den Arbeitseinsatz des Klägers dar, unabhängig davon, ob nach einem Anfall dann Arbeitsunfähigkeit besteht. Es kommt insoweit nicht darauf an, dass lediglich für den 09. August 2006 dokumentiert ist, dass der Kläger nach zwei "Vorgefühlen" nicht mehr habe weiterarbeiten können und ersichtlich die behandelnden Ärzte, insbesondere Dr. Ke., beim Kläger Arbeitsunfähigkeit wegen Anfällen nicht bescheinigt haben. Der Senat geht auch davon aus, dass im Hinblick auf die Angaben des Klägers die im Juli/August 2005 festgestellten Anfälle in dieser Häufigkeit auch nach dem 09. August 2006 weiterhin auftreten. Gegen die Annahme eines erheblichen Hindernisses für den Arbeitseinsatz unter betriebsüblichen Bedingungen spricht dabei auch nicht, dass der Kläger seinen Angaben zufolge weitgehend in der Lage ist, einen Ohnmachtsanfall mit Bewusstseinsverlust jeweils zu vermeiden, indem er sich auf den Anfall bzw. das Vorgefühl konzentriert und sich hinlegt. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass infolge der Anfälle dann zunächst auch Kopfschmerzen vorhanden sind. Gegen ein erhebliches Hindernis für den Arbeitseinsatz des Klägers spricht daher auch nicht, dass Dr. S. dargelegt hat, dass die nachgewiesenen Anfälle des Klägers infolge ihrer Symptomatik analog epileptischen Anfällen der Gefährdungskategorie A nach den Berufsgenossenschaftlichen Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie (BGl 585) einzuordnen seien, also solche mit "Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit bei erhaltenem Bewusstsein mit Haltungskontrolle" sind. Auch auf die Ursache der Anfälle kommt es nicht an.

Der Senat vermag für den Kläger auch keine Verweisungstätigkeiten zu benennen, bei denen die ab August 2005 dokumentierten Anfälle kein erhebliches Hindernis für einen Arbeitseinsatz darstellen würden. Dies vermag der Senat nicht für die Tätigkeit als Versicherungsfachmann im Innendienst zu bejahen. Soweit die Beklagte die Tätigkeit als Pförtner an einer Nebenpforte benannt hat, steht dem ersichtlich entgegen, dass beispielsweise Epileptiker typischerweise nicht für Tätigkeiten in Alleinarbeit mit besonderen Anforderungen an das Reaktionsvermögen oder mit Alleinverantwortung geeignet sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006 - B 13 R 27/06 R - Rdnr. 21).

Für die Zeit vor August 2005 sind die Anfälle in dem Umfang, wie sie im Epilepsie-Zentrum B. anlässlich der Belastungserprobung dokumentiert sind, nicht nachgewiesen, auch nicht aufgrund der Aussagen der Ehefrau des Klägers, wobei sie nach ihren Angaben aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht jeden Anfall wahrnehmen konnte. Im Übrigen berücksichtigt der Senat auch, dass Dr. Di. aufgrund der Angaben des Klägers zum Tagesablauf bei der Untersuchung am 17. Oktober 2003 noch zu dem Ergebnis gelangt war, dass der Kläger damals in seiner Lebensführung und Gestaltung durch seine Anfallsbeschwerden relativ wenig beeinträchtigt gewesen sei. Er ging insoweit seinen Interessen und Neigungen weitgehend nach und wurde seinen Alltagspflichten gerecht. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der im Entlassungsbericht des Dr. S. aufgeführten allgemeinen Sozialanamnese. Nachdem beim Kläger vor August 2005 die dann dokumentierte Häufigkeit der Anfälle nicht nachgewiesen war, bestand bis dahin beim Kläger kein erhebliches Hindernis für den Arbeitseinsatz, auch nicht als Versicherungsfachmann im Innendienst, weshalb insoweit ein Versicherungsfall vor August 2005 nicht eingetreten war und ein Rentenanspruch nicht bestanden hat.

2. Aufgrund des am 12. August 2005 eingetretenen Leistungsfalls erfüllt der Kläger auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nach § 43 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung u.a. um Anrechnungszeiten. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Der Fünf-Jahres-Zeitraum vom 12. August 2002 bis 11. August 2005 war hier um die im Versicherungsverlauf vom 09. Juni 2006 (Bl. 50 der Senatsakte) dokumentierten Anrechnungszeiten der Arbeitslosigkeit ab 07. Mai 2004 zu verlängern, mithin um 15 Monate bis zum 12. Mai 2001 zurückzuverlegen. In der Zeit vom 12. Mai 2001 bis 11. August 2005 hatte der Kläger nach dem Versicherungsverlauf ersichtlich 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.

Ferner ergibt sich aus dem Versicherungsverlauf, dass der Kläger die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.

3. Aufgrund des am 12. August 2005 eingetretenen Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung steht dem Kläger befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt längstens für drei Jahre nach Rentenbeginn (Satz 2 der Vorschrift). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (Satz 3 der Vorschrift). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach Ablauf der bisherigen Frist (Satz 4 der Vorschrift). Renten, auf die Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden befristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; davon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (Satz 5 der Vorschrift). Die in § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI formulierte Ausnahme vom Regelfall der Gewährung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit liegt beim Kläger nicht vor. Denn es ist nicht "unwahrscheinlich", dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei ihm behoben werden kann. "Unwahrscheinlich" im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann jedoch erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Diese schließen alle Therapiemöglichkeiten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V)) ein, also auch Operationen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese duldungspflichtig sind (zum Ganzen BSG SozR 4-2600 § 102 Nr. 2). Im Hinblick auf die bisher ungeklärte Ursache der Anfälle, wobei Dr. Ke. zuletzt unter der Annahme dissoziativer (psychischer) Anfälle eine antidepressive Therapie empfohlen und nach seiner Auskunft vom 26. November 2007 auch eine Medikamentenänderung vorgenommen hat, einerseits und der ersichtlich nach der (vorzeitigen) Entlassung aus dem Epilepsie-Zentrum B. von Dr. Ke. am 22. Oktober 2007 eingeleiteten medizinischen Therapie andererseits geht der Senat nicht davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, dass beim Kläger die Anfälle als erhebliches Hindernis für den Arbeitseinsatz wirksam behandelt werden können, zumal sich der Kläger ersichtlich bisher einer konsequenten Therapie verweigert hat. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats findet fachärztliche Behandlung derzeit nicht statt. Dr. S. empfahl im Entlassungsbericht vom 16. September 2005 eine erneute psychotherapeutische Behandlung. Eine solche Therapie erfolgte nach der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme bislang nicht, sodass die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind.

Der Beginn der Rente bestimmt sich nach § 101 Abs. 1 SGB VI. Danach werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Mithin gilt als Rentenbeginn hier der 01. März 2006. Da die Frist von drei Jahren (Fristende 28. Februar 2009) derzeit fast abgelaufen ist, die Befristung von drei Jahren jedoch verlängert werden kann, erachtet es der Senat für sachgerecht, die Befristung um ein Jahr zu verlängern und auf den 28. Februar 2010 zu begrenzen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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