Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3050/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 6033/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30. November 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht noch einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend.
Die 1950 geborene Klägerin absolvierte keine Berufsausbildung und war überwiegend als Verkäuferin berufstätig. Von April 2003 bis Februar 2005 war sie arbeitslos und daneben geringfügig als Verkäuferin tätig. Seit März 2005 ist sie wieder in einem Lebensmittelgeschäft als Verkäuferin wöchentlich 25 Stunden versicherungspflichtig beschäftigt.
Aufgrund eines Arbeitsunfalls am 5. August 1969 (Glassplitterverletzung) erblindete sie auf dem linken Auge. Sie erhält deswegen von der Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. Wegen dieser Gesundheitsstörung und wegen weiterer Funktionsbeeinträchtigungen (Diabetes mellitus, Bluthochdruck, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk) ist sie als Schwerbehinderte anerkannt. Der Grad der Behinderung (GdB) betrug 60 ab Februar 2002 und beträgt 70 (zusätzlich: Arthrose beider Kniegelenke, Krampfadern, seelische Störung, depressive Verstimmung, Kopfschmerzsyndrom) seit August 2004.
Am 20. Januar 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Februar 2004 und Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004 mit der Begründung ab, die von ihr veranlasste sozialmedizinische Begutachtung (Gutachten Dr. S. vom 17. Februar 2004) habe ergeben, dass die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne besonderen Zeitdruck (z. B. Akkord, Fließband), ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen, ohne Nachtschicht und ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mindestens sechs Stunden ausüben könne.
Am 16. Dezember 2004 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung der Beklagten könne ihr schon aufgrund der orthopädischen Beschwerden eine Erwerbstätigkeit von höchstens zwei Stunden täglich abverlangt werden. Weitere Einschränkungen ergäben sich aus dem Diabetes mellitus und einer depressiven Erkrankung.
Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht (BSG) bei Einäugigkeit von einer schweren spezifischen Leistungsminderung ausgehe, die die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordere. Hierauf hat die Beklagte erwidert, die Klägerin könne Tätigkeiten als Verpackerin, Warensortiererin, Warenprüferin und Warenaufmacherin (Aufbereitung und Verpackung von Waren für den Versand und Verkauf) noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.
Anschließend hat das SG beim Internisten und Kardiologen Dr. K. das Gutachten vom 24. März 2006 eingeholt. Dieser hat nach einer ausführlichen Darlegung der von ihm festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgeführt, die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten als Verpackerin, Warensortiererin, Warenprüferin, Warenaufmacherin bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben. Sie könne die genannten Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch 3 bis 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche ausüben. Mit Schreiben vom 27. Juni 2006 hat die Beklagte anerkannt, dass die Klägerin seit 20. Januar 2004 teilweise erwerbsgemindert ist.
Mit Bescheid vom 15. September 2006 hat die Beklagte ihr Anerkenntnis ausgeführt und der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Februar 2004 gewährt. In diesem Bescheid hat die Beklagte u. a. ausgeführt, der Zugangsfaktor für die Rente betrage 1,0, er vermindere sich aber für jeden Kalendermonat nach dem 31. August 2010 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003. Die Verminderung betrage für 36 Kalendermonate 0,108, somit ergebe sich ein Zugangsfaktor von 0,892. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, soweit darin die Rente mit dem verminderten Zugangsfaktor berechnet wurde. Diesen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 30. November 2006, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 4. Dezember 2006, abgewiesen.
Noch am 4. Dezember 2006 hat die Klägerin Berufung eingelegt, diese aber erst am 31. August 2007 begründet. Sie macht geltend, sie leide an einer Vielzahl von körperlichen Beeinträchtigungen und übe ihre Tätigkeit von derzeit 4 Stunden täglich unter Aufopferung und Gefährdung ihrer Restgesundheit aus. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie ein vom 3. Senat des LSG im Verfahren L 3 SB 3745/06 eingeholtes Gutachten des Dr. M. vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 aufzuheben, den Bescheid vom 15. September 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. Z. (Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin) hat unter Darlegung der von ihm erhobenen Befunde mitgeteilt, durch die seit Jahren vorliegende, inzwischen chronifizierte depressive Störung, die mit massiven Konzentrationsstörungen verbunden sei, liege keine ausreichende Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit für eine berufliche Tätigkeit vor. Dr. G., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Gynäkologie, hat ausgeführt, aus ihrer Sicht sei die Klägerin aufgrund ihrer zahlreichen Erkrankungen und Beschwerden an 5 Tagen in der Woche maximal 3 Stunden täglich einsetzbar. Der Inhaber des Lebensmittelgeschäfts, in dem die Klägerin beschäftigt ist, hat dem Senat auf Anfrage die Arbeitsbedingungen der Klägerin mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin voll belastbar sei. Allerdings sei ihr die Arbeit, die u. a. mit Heben und Tragen von Lasten bis 20 kg verbunden sei, zeitweise zu anstrengend.
Ferner hat der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin, Naturheilverfahren Dr. B. gutachtlich gehört. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 14. Juni 2008 dargelegt, dass die Klägerin an einer depressiven Störung sowie an einer somatoformen Schmerzstörung leide. Sie sei noch willens und in der Lage, ohne erkennbare Gefährdung der Gesundheit, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 3 Stunden an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit könne weiter verrichtet werden. Allerdings erscheine ihm die Einbindung über 4 Stunden täglich, gemessen an der Störungstiefe und Störungsbreite, als nicht mehr zumutbar.
Die Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur der Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, nicht hingegen die Höhe der mit Bescheid vom 15. September 2006 bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Der Bescheid vom 15. September 2006 ist zwar gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er die Klägerin nicht völlig klaglos gestellt hat, sondern ihre Beschwer nur gemindert hat (Teilabhilfebescheid). Nachdem der Widerspruch gegen diesen Bescheid von der Beklagten jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2007 zurückgewiesen worden war, hat die Klägerin eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht mehr geltend gemacht.
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß den §§ 143 ff. SGG statthaft und zulässig; sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) - Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 3 bis unter 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche auszuüben. Ferner ist der Senat davon überzeugt, dass sie ihre derzeit ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft von wöchentlich 25 Stunden nicht auf Kosten der Gesundheit verrichtet. Dies folgt aus den Gutachten des Internisten Dr. K. und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B ... Beide Sachverständige stimmen darin überein, dass die Klägerin trotz vorhandener Gesundheitsstörungen noch über ein beruflich verwertbares Leistungsvermögen verfügt. Die Klägerin leidet nach den Feststellungen von Dr. K. vor allem an einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus, erheblichem Übergewicht, einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk und degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule. Außerdem ist nach einem 1969 erlittenen Arbeitsunfall das linke Auge erblindet. Diese Erkrankungen wirken sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit dergestalt aus, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Dr. K. hat ausführlich und nachvollziehbar begründet, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch 3 bis 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Er hat aber ausdrücklich bestätigt, dass sie ihre derzeit ausgeübte Arbeit als Verkäuferin in einem zeitlichen Umfang von 4 Stunden täglich noch verrichten kann. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung des Sachverständigen an.
Aus dem Gutachten des Dr. B. ergeben sich keine weitergehenden Einschränkungen. Er hat bei der Klägerin eine depressive Störung und eine somatoforme Schmerzstörung, beides mit mittlerem Schweregrad, diagnostiziert. Die depressive Stimmungslage mindere den Antrieb und bedinge eine Minderbelastbarkeit und das Schmerzsyndrom führe zu körperlichen Einschränkungen. Da auch Dr. K. bei seiner Einschätzung des Leistungsvermögens u. a. Schmerzen im rechten Kniegelenk und eine Neigung zu Erschöpfung mit zunehmender psychischer Beeinträchtigung (Gutachten S. 25) berücksichtigt hat, führen die von Dr. B. genannten Befunde und Diagnosen zu keiner weiteren Einschränkung der beruflichen Belastbarkeit. Soweit Dr. B. daher eine 4-stündige Tätigkeit pro Arbeitstag als nicht mehr zumutbar erachtet hat, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Immerhin hat auch der Inhaber des Lebensmittelgeschäfts darauf hingewiesen, dass die Klägerin voll belastbar sei und ihr die Arbeit nur zeitweise zu anstrengend sei. Daraus kann auch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin auf Kosten der Gesundheit arbeitet. Der Umstand, dass die Arbeit ihr schwer fällt und zeitweise zu anstrengend ist, belegt noch nicht, dass die Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird. Da die Klägerin somit über einen Arbeitsplatz verfügt, der ihrem Leistungsvermögen entspricht und den sie täglich mit dem eigenen Pkw erreichen kann, ihr die ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin auch nach ihrem beruflichen Werdegang zumutbar ist, kommt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auch nicht unter dem Gesichtpunkt einer Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht noch einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend.
Die 1950 geborene Klägerin absolvierte keine Berufsausbildung und war überwiegend als Verkäuferin berufstätig. Von April 2003 bis Februar 2005 war sie arbeitslos und daneben geringfügig als Verkäuferin tätig. Seit März 2005 ist sie wieder in einem Lebensmittelgeschäft als Verkäuferin wöchentlich 25 Stunden versicherungspflichtig beschäftigt.
Aufgrund eines Arbeitsunfalls am 5. August 1969 (Glassplitterverletzung) erblindete sie auf dem linken Auge. Sie erhält deswegen von der Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. Wegen dieser Gesundheitsstörung und wegen weiterer Funktionsbeeinträchtigungen (Diabetes mellitus, Bluthochdruck, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk) ist sie als Schwerbehinderte anerkannt. Der Grad der Behinderung (GdB) betrug 60 ab Februar 2002 und beträgt 70 (zusätzlich: Arthrose beider Kniegelenke, Krampfadern, seelische Störung, depressive Verstimmung, Kopfschmerzsyndrom) seit August 2004.
Am 20. Januar 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Februar 2004 und Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004 mit der Begründung ab, die von ihr veranlasste sozialmedizinische Begutachtung (Gutachten Dr. S. vom 17. Februar 2004) habe ergeben, dass die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne besonderen Zeitdruck (z. B. Akkord, Fließband), ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen, ohne Nachtschicht und ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mindestens sechs Stunden ausüben könne.
Am 16. Dezember 2004 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung der Beklagten könne ihr schon aufgrund der orthopädischen Beschwerden eine Erwerbstätigkeit von höchstens zwei Stunden täglich abverlangt werden. Weitere Einschränkungen ergäben sich aus dem Diabetes mellitus und einer depressiven Erkrankung.
Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht (BSG) bei Einäugigkeit von einer schweren spezifischen Leistungsminderung ausgehe, die die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordere. Hierauf hat die Beklagte erwidert, die Klägerin könne Tätigkeiten als Verpackerin, Warensortiererin, Warenprüferin und Warenaufmacherin (Aufbereitung und Verpackung von Waren für den Versand und Verkauf) noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.
Anschließend hat das SG beim Internisten und Kardiologen Dr. K. das Gutachten vom 24. März 2006 eingeholt. Dieser hat nach einer ausführlichen Darlegung der von ihm festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgeführt, die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten als Verpackerin, Warensortiererin, Warenprüferin, Warenaufmacherin bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben. Sie könne die genannten Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch 3 bis 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche ausüben. Mit Schreiben vom 27. Juni 2006 hat die Beklagte anerkannt, dass die Klägerin seit 20. Januar 2004 teilweise erwerbsgemindert ist.
Mit Bescheid vom 15. September 2006 hat die Beklagte ihr Anerkenntnis ausgeführt und der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Februar 2004 gewährt. In diesem Bescheid hat die Beklagte u. a. ausgeführt, der Zugangsfaktor für die Rente betrage 1,0, er vermindere sich aber für jeden Kalendermonat nach dem 31. August 2010 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003. Die Verminderung betrage für 36 Kalendermonate 0,108, somit ergebe sich ein Zugangsfaktor von 0,892. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, soweit darin die Rente mit dem verminderten Zugangsfaktor berechnet wurde. Diesen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 30. November 2006, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 4. Dezember 2006, abgewiesen.
Noch am 4. Dezember 2006 hat die Klägerin Berufung eingelegt, diese aber erst am 31. August 2007 begründet. Sie macht geltend, sie leide an einer Vielzahl von körperlichen Beeinträchtigungen und übe ihre Tätigkeit von derzeit 4 Stunden täglich unter Aufopferung und Gefährdung ihrer Restgesundheit aus. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie ein vom 3. Senat des LSG im Verfahren L 3 SB 3745/06 eingeholtes Gutachten des Dr. M. vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 aufzuheben, den Bescheid vom 15. September 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. Z. (Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin) hat unter Darlegung der von ihm erhobenen Befunde mitgeteilt, durch die seit Jahren vorliegende, inzwischen chronifizierte depressive Störung, die mit massiven Konzentrationsstörungen verbunden sei, liege keine ausreichende Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit für eine berufliche Tätigkeit vor. Dr. G., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Gynäkologie, hat ausgeführt, aus ihrer Sicht sei die Klägerin aufgrund ihrer zahlreichen Erkrankungen und Beschwerden an 5 Tagen in der Woche maximal 3 Stunden täglich einsetzbar. Der Inhaber des Lebensmittelgeschäfts, in dem die Klägerin beschäftigt ist, hat dem Senat auf Anfrage die Arbeitsbedingungen der Klägerin mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin voll belastbar sei. Allerdings sei ihr die Arbeit, die u. a. mit Heben und Tragen von Lasten bis 20 kg verbunden sei, zeitweise zu anstrengend.
Ferner hat der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin, Naturheilverfahren Dr. B. gutachtlich gehört. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 14. Juni 2008 dargelegt, dass die Klägerin an einer depressiven Störung sowie an einer somatoformen Schmerzstörung leide. Sie sei noch willens und in der Lage, ohne erkennbare Gefährdung der Gesundheit, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 3 Stunden an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit könne weiter verrichtet werden. Allerdings erscheine ihm die Einbindung über 4 Stunden täglich, gemessen an der Störungstiefe und Störungsbreite, als nicht mehr zumutbar.
Die Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur der Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, nicht hingegen die Höhe der mit Bescheid vom 15. September 2006 bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Der Bescheid vom 15. September 2006 ist zwar gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er die Klägerin nicht völlig klaglos gestellt hat, sondern ihre Beschwer nur gemindert hat (Teilabhilfebescheid). Nachdem der Widerspruch gegen diesen Bescheid von der Beklagten jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2007 zurückgewiesen worden war, hat die Klägerin eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht mehr geltend gemacht.
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß den §§ 143 ff. SGG statthaft und zulässig; sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) - Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 3 bis unter 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche auszuüben. Ferner ist der Senat davon überzeugt, dass sie ihre derzeit ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft von wöchentlich 25 Stunden nicht auf Kosten der Gesundheit verrichtet. Dies folgt aus den Gutachten des Internisten Dr. K. und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B ... Beide Sachverständige stimmen darin überein, dass die Klägerin trotz vorhandener Gesundheitsstörungen noch über ein beruflich verwertbares Leistungsvermögen verfügt. Die Klägerin leidet nach den Feststellungen von Dr. K. vor allem an einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus, erheblichem Übergewicht, einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk und degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule. Außerdem ist nach einem 1969 erlittenen Arbeitsunfall das linke Auge erblindet. Diese Erkrankungen wirken sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit dergestalt aus, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Dr. K. hat ausführlich und nachvollziehbar begründet, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch 3 bis 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Er hat aber ausdrücklich bestätigt, dass sie ihre derzeit ausgeübte Arbeit als Verkäuferin in einem zeitlichen Umfang von 4 Stunden täglich noch verrichten kann. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung des Sachverständigen an.
Aus dem Gutachten des Dr. B. ergeben sich keine weitergehenden Einschränkungen. Er hat bei der Klägerin eine depressive Störung und eine somatoforme Schmerzstörung, beides mit mittlerem Schweregrad, diagnostiziert. Die depressive Stimmungslage mindere den Antrieb und bedinge eine Minderbelastbarkeit und das Schmerzsyndrom führe zu körperlichen Einschränkungen. Da auch Dr. K. bei seiner Einschätzung des Leistungsvermögens u. a. Schmerzen im rechten Kniegelenk und eine Neigung zu Erschöpfung mit zunehmender psychischer Beeinträchtigung (Gutachten S. 25) berücksichtigt hat, führen die von Dr. B. genannten Befunde und Diagnosen zu keiner weiteren Einschränkung der beruflichen Belastbarkeit. Soweit Dr. B. daher eine 4-stündige Tätigkeit pro Arbeitstag als nicht mehr zumutbar erachtet hat, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Immerhin hat auch der Inhaber des Lebensmittelgeschäfts darauf hingewiesen, dass die Klägerin voll belastbar sei und ihr die Arbeit nur zeitweise zu anstrengend sei. Daraus kann auch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin auf Kosten der Gesundheit arbeitet. Der Umstand, dass die Arbeit ihr schwer fällt und zeitweise zu anstrengend ist, belegt noch nicht, dass die Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird. Da die Klägerin somit über einen Arbeitsplatz verfügt, der ihrem Leistungsvermögen entspricht und den sie täglich mit dem eigenen Pkw erreichen kann, ihr die ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin auch nach ihrem beruflichen Werdegang zumutbar ist, kommt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auch nicht unter dem Gesichtpunkt einer Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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