Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 3057/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 5468/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 30.10.2008 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der am 31.01.1964 geborene Beschwerdeführer ist gelernter Agraringenieur und hat zuletzt 1995 in diesem Berufsfeld gearbeitet. Seit seinem erstmaligen Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 31.07.2006 bezieht er von der Beschwerdegegnerin Arbeitslosengeld II.
Der Beschwerdeführer beantragte im Januar 2007 die Ausstellung eines Bildungsgutscheines für eine Weiterbildung im Bereich "Mitwelt /Ökologie". In einem Beratungsgespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten lehnte diese dem Kläger gegenüber die Ausstellung des Bildungsgutscheins in mündlicher Form am 25.09.2007 ab. Der Beschwerdeführer legte deswegen am 12.08.2007 Widerspruch ein.
Am 12.08.2008 erinnerte der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin an den bisher nicht erledigten Widerspruch. Er legte Unterlagen für eine Fortbildungsmaßnahme "Koordinator/-in für Umwelt und Ressourcenmanagement" vor, welche am 06.10.2008 begann. Außerdem legte er eine Kursbeschreibung für einen am 01.09.2008 beginnenden Norwegisch-Kurs vor.
Am 16.10.2008 erhob der Beschwerdeführer Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Konstanz (SG); am 18.10.2008 beantragte er die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trug er vor, dass die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) jedenfalls hinsichtlich der Maßnahme "Koordinator/-in für Umwelt und Ressourcenmanagement" und im Bereich erneuerbare Energien vorlägen. Auch in seinem Alter von 44 Jahren sei eine berufliche Umorientierung noch sinnvoll. Seine Vermittlungsaussichten würden dadurch wesentlich gebessert. Aufgrund seiner Ausbildung im Bereich der Landwirtschaft habe er hierfür auch gewisse Vorkenntnisse, die verwertet werden könnten. Im Bereich Mitwelt seien anders als im Bereich Landwirtschaft weniger ethische Konflikte aufgrund seiner Eigenschaft als Veganer zu erwarten, da in der Landwirtschaft die von ihm abgelehnte Viehhaltung eine große Rolle spiele. Er beantrage daher im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Ausstellung eines Bildungsgutscheins für diese Maßnahme.
Mit Beschluss vom 30.10.2008 hat das SG den Antrag abgelehnt. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 3 SGB III handele es sich bei der Bewilligung einer sonstigen Leistung in Form eines Bildungsgutscheins um eine Ermessensleistung. Im einstweiligen Rechtsschutz könne eine einstweilige Anordnung auf Gewährung einer Ermessenleistung nur dann ergehen, wenn die Rechtssache spruchreif im Sinne einer Ermessensreduzierung der Beklagten auf eine einzelne Leistung (sog. Ermessenreduzierung auf Null) sei (mit Hinweis u.a. auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2003 - L 13 AL 1666/03 ER-B -). Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II werde das Ermessen nicht nur im Hinblick auf die Art der angebotenen Maßnahme, sondern bereits im Hinblick auf die Leistungsgewährung dem Grunde nach eingeräumt (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008 § 16 RdNr. 61). Da der Beschwerdegegnerin eine Vielzahl von Instrumentarien zur Verfügung stehe und der Bildungsgutschein im Hinblick auf die Eingliederung des Beschwerdeführers in den Arbeitsmarkt nur eine Möglichkeit darstelle, liege eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidung vor. Es könne daher im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offenbleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 3 SGB III vorlägen. Zwar habe die Beschwerdegegnerin noch kein endgültiges Ermessen ausgeübt, da ein Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen sei. Jedoch könne der Beschwerdeführer im Rahmen der gleichfalls erhobenen Untätigkeitsklage lediglich den Erlass eines Widerspruchsbescheides erreichen. Über die Fälle der Ermessensreduzierung auf Null hinaus sei eine vorläufige Verurteilung zur Leistung nicht möglich, weil sonst sogar über die Vorwegnahme der Hauptsache hinaus ein mehr gegenüber dem im Hauptsacheverfahren erreichbaren gerichtlichen Anspruch, nämlich der Verurteilung zur Neubescheidung, gewährt würde (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.08.1990 - 5 S 1659/90 -). Der Beschluss des SG wurde dem Beschwerdeführer am 07.11.2008 zugestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008 hat die Beschwerdegegnerin den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25.09.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Die zuständige Arbeitsvermittlerin habe von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht und eine Förderung nicht als notwendig erachtet, da die Eingliederungschancen hierdurch nicht erheblich verbessert würden. Eine positive Beschäftigungsprognose könne selbst nach der Weiterbildungsmaßnahme nicht gesehen werden.
Am 20.11.2008 hat der Beschwerdeführer beim SG Beschwerde gegen den Beschluss vom 30.10.2008 eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG sei es eine allein ermessensgerechte Entscheidung gewesen, ihm den begehrten Bildungsgutschein zu geben. Das SG habe insbesondere nicht hinreichend berücksichtigt, dass den Neigungen des Antragstellers besonderes Gewicht beizumessen sei. Auf die Beschwerdeschrift vom 17.11.2008 wird für die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers Bezug genommen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 30.10.2008 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm einen Bildungsgutschein für die von ihm angestrebte Fortbildungsmaßnahme "Koordinator/-in für Umwelt und Ressourcenmanagement" zu gewähren.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin hält den Beschluss des SG für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des Landesozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Ein Anordnungsanspruch liegt nicht vor. Die Erteilung eines Bildungsgutscheines für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 SGB III (bis zum 31.12.2008: § 77 Abs. 3 SGB III) ist eine Ermessensleistung. Es besteht lediglich Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Nur wenn das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne rechtmäßig ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre, besteht ein Anspruch auf diese einzig mögliche rechtmäßige Entscheidung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.07.2007 - L 28 B 1085/07 AS ER -), hier die von dem Beschwerdeführer begehrte Erteilung des Bildungsgutscheins. Das Vorliegen einer Ermessensreduzierung in dem Sinne, dass jede andere Entscheidung als die Feststellung des Vorliegens der Fördervoraussetzungen rechtswidrig wäre, ist nicht ersichtlich. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn eine einstweilige Anordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Abwendung - insbesondere grundrechtsrelevanter - wesentlicher Nachteile als nötig erscheint.
Der Beschwerdeführer trägt keine grundrechtsrelevanten Beeinträchtigungen vor, welche die begehrte vorläufige Regelung im einstweiligen Rechtsschutz als erforderlich erscheinen lassen. Die begehrte Fortbildung kann ihm auch zu einem späteren Zeitpunkt noch gewährt werden. Demgegenüber wäre die Investition der Beklagten in eine vorläufig gewährte Fortbildung unwiederbringlich verloren, sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf einen Bildungsgutschein hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
2. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der am 31.01.1964 geborene Beschwerdeführer ist gelernter Agraringenieur und hat zuletzt 1995 in diesem Berufsfeld gearbeitet. Seit seinem erstmaligen Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 31.07.2006 bezieht er von der Beschwerdegegnerin Arbeitslosengeld II.
Der Beschwerdeführer beantragte im Januar 2007 die Ausstellung eines Bildungsgutscheines für eine Weiterbildung im Bereich "Mitwelt /Ökologie". In einem Beratungsgespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten lehnte diese dem Kläger gegenüber die Ausstellung des Bildungsgutscheins in mündlicher Form am 25.09.2007 ab. Der Beschwerdeführer legte deswegen am 12.08.2007 Widerspruch ein.
Am 12.08.2008 erinnerte der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin an den bisher nicht erledigten Widerspruch. Er legte Unterlagen für eine Fortbildungsmaßnahme "Koordinator/-in für Umwelt und Ressourcenmanagement" vor, welche am 06.10.2008 begann. Außerdem legte er eine Kursbeschreibung für einen am 01.09.2008 beginnenden Norwegisch-Kurs vor.
Am 16.10.2008 erhob der Beschwerdeführer Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Konstanz (SG); am 18.10.2008 beantragte er die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trug er vor, dass die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) jedenfalls hinsichtlich der Maßnahme "Koordinator/-in für Umwelt und Ressourcenmanagement" und im Bereich erneuerbare Energien vorlägen. Auch in seinem Alter von 44 Jahren sei eine berufliche Umorientierung noch sinnvoll. Seine Vermittlungsaussichten würden dadurch wesentlich gebessert. Aufgrund seiner Ausbildung im Bereich der Landwirtschaft habe er hierfür auch gewisse Vorkenntnisse, die verwertet werden könnten. Im Bereich Mitwelt seien anders als im Bereich Landwirtschaft weniger ethische Konflikte aufgrund seiner Eigenschaft als Veganer zu erwarten, da in der Landwirtschaft die von ihm abgelehnte Viehhaltung eine große Rolle spiele. Er beantrage daher im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Ausstellung eines Bildungsgutscheins für diese Maßnahme.
Mit Beschluss vom 30.10.2008 hat das SG den Antrag abgelehnt. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 3 SGB III handele es sich bei der Bewilligung einer sonstigen Leistung in Form eines Bildungsgutscheins um eine Ermessensleistung. Im einstweiligen Rechtsschutz könne eine einstweilige Anordnung auf Gewährung einer Ermessenleistung nur dann ergehen, wenn die Rechtssache spruchreif im Sinne einer Ermessensreduzierung der Beklagten auf eine einzelne Leistung (sog. Ermessenreduzierung auf Null) sei (mit Hinweis u.a. auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2003 - L 13 AL 1666/03 ER-B -). Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II werde das Ermessen nicht nur im Hinblick auf die Art der angebotenen Maßnahme, sondern bereits im Hinblick auf die Leistungsgewährung dem Grunde nach eingeräumt (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008 § 16 RdNr. 61). Da der Beschwerdegegnerin eine Vielzahl von Instrumentarien zur Verfügung stehe und der Bildungsgutschein im Hinblick auf die Eingliederung des Beschwerdeführers in den Arbeitsmarkt nur eine Möglichkeit darstelle, liege eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidung vor. Es könne daher im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offenbleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 3 SGB III vorlägen. Zwar habe die Beschwerdegegnerin noch kein endgültiges Ermessen ausgeübt, da ein Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen sei. Jedoch könne der Beschwerdeführer im Rahmen der gleichfalls erhobenen Untätigkeitsklage lediglich den Erlass eines Widerspruchsbescheides erreichen. Über die Fälle der Ermessensreduzierung auf Null hinaus sei eine vorläufige Verurteilung zur Leistung nicht möglich, weil sonst sogar über die Vorwegnahme der Hauptsache hinaus ein mehr gegenüber dem im Hauptsacheverfahren erreichbaren gerichtlichen Anspruch, nämlich der Verurteilung zur Neubescheidung, gewährt würde (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.08.1990 - 5 S 1659/90 -). Der Beschluss des SG wurde dem Beschwerdeführer am 07.11.2008 zugestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008 hat die Beschwerdegegnerin den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25.09.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Die zuständige Arbeitsvermittlerin habe von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht und eine Förderung nicht als notwendig erachtet, da die Eingliederungschancen hierdurch nicht erheblich verbessert würden. Eine positive Beschäftigungsprognose könne selbst nach der Weiterbildungsmaßnahme nicht gesehen werden.
Am 20.11.2008 hat der Beschwerdeführer beim SG Beschwerde gegen den Beschluss vom 30.10.2008 eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG sei es eine allein ermessensgerechte Entscheidung gewesen, ihm den begehrten Bildungsgutschein zu geben. Das SG habe insbesondere nicht hinreichend berücksichtigt, dass den Neigungen des Antragstellers besonderes Gewicht beizumessen sei. Auf die Beschwerdeschrift vom 17.11.2008 wird für die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers Bezug genommen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 30.10.2008 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm einen Bildungsgutschein für die von ihm angestrebte Fortbildungsmaßnahme "Koordinator/-in für Umwelt und Ressourcenmanagement" zu gewähren.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin hält den Beschluss des SG für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des Landesozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Ein Anordnungsanspruch liegt nicht vor. Die Erteilung eines Bildungsgutscheines für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 SGB III (bis zum 31.12.2008: § 77 Abs. 3 SGB III) ist eine Ermessensleistung. Es besteht lediglich Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Nur wenn das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne rechtmäßig ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre, besteht ein Anspruch auf diese einzig mögliche rechtmäßige Entscheidung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.07.2007 - L 28 B 1085/07 AS ER -), hier die von dem Beschwerdeführer begehrte Erteilung des Bildungsgutscheins. Das Vorliegen einer Ermessensreduzierung in dem Sinne, dass jede andere Entscheidung als die Feststellung des Vorliegens der Fördervoraussetzungen rechtswidrig wäre, ist nicht ersichtlich. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn eine einstweilige Anordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Abwendung - insbesondere grundrechtsrelevanter - wesentlicher Nachteile als nötig erscheint.
Der Beschwerdeführer trägt keine grundrechtsrelevanten Beeinträchtigungen vor, welche die begehrte vorläufige Regelung im einstweiligen Rechtsschutz als erforderlich erscheinen lassen. Die begehrte Fortbildung kann ihm auch zu einem späteren Zeitpunkt noch gewährt werden. Demgegenüber wäre die Investition der Beklagten in eine vorläufig gewährte Fortbildung unwiederbringlich verloren, sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf einen Bildungsgutschein hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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