Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 EG 564/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 69/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einmaliges Einkommen (hier: nachträglich bezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld), das im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes erlangt worden ist, ist auch dann zu berücksichtigen, wennmit der Zahlung ein Anspruch aus früheren Jahren erfüllt wird (Zuflusssprinzip).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Erziehungsgeld (ErzG) im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) für das erste Lebensjahr des 2006 geborenen Kindes E ...
Die Klägerin ist Deutsche, verheiratet, und erhält neben E. für weitere vier Kinder Kindergeld. Ihr Ehemann ist als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Im Jahr 2005 erzielte er einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 58.371,15 EUR (Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers vom 19. Januar 2006).
Den Antrag der Klägerin vom 15. Mai 2006 auf Gewährung von Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes E. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2006 ab. Das anzurechnende Einkommen betrage 43.662,76 EUR und überschreite die Einkommensgrenze von 42.560 EUR für die ersten sechs Lebensmonate des Kindes bzw. die Grenze von 29.060 EUR für die Zeit ab dem 7. Lebensmonat. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Aktenseite 49 der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Die Klägerin erhob hiergegen mit der Begründung Widerspruch, in dem bescheinigten Arbeitslohn sei eine Nachzahlung des Arbeitgebers vom September 2005 in Höhe von insgesamt 11.069,03 EUR enthalten. Diese beruhe auf einem arbeitsgerichtlichen Vergleich über ausstehende Gehaltsansprüche (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) des Ehemannes für die Jahre 2003 und 2004. Die Einkünfte seien einmalig gewesen und bei der Einkommensberechnung, die auf die voraussichtlichen Einkünfte abzustellen habe, nicht heranzuziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es komme auf die tatsächlich erzielten Einkünfte im Kalenderjahr vor der Geburt an. Auch bei den Nachzahlungen handele es sich um steuerpflichtiges Einkommen, das auch tatsächlich versteuert worden sei. Der nach den vorzunehmenden Abzügen ermittelte Beitrag überschreite die maßgeblichen Einkommensgrenzen.
Die Klägerin hat hiergegen am 28. Februar 2007 Klage bei dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie angeführt, es sei zwar richtig, dass ihr Ehemann im Kalenderjahr 2005 ein steuerpflichtiges Einkommen von 58.371,00 EUR erzielt habe. Ihr Ehemann habe jedoch den darin enthaltenen Nachzahlungsbetrag nicht im Jahr 2005 erarbeitet. Außerdem sei die Nachzahlung als Sonderzuwendungen gem. § 6 Abs. 6 Satz 3 BErzGG bei der Ermittlung der Einkünfte nicht heranzuziehen.
Die Beklagte hat hingegen auf das steuerrechtliche Zuflussprinzip hingewiesen. Inwieweit Schadensersatzansprüche des Ehemannes der Klägerin gegen den Arbeitgeber bestünden, könne sie nicht beurteilen.
Mit Urteil vom 29. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 5 Abs. 3 BErzGG entfalle der Anspruch auf den Regelbetrag in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes, wenn das Einkommen nach § 6 BErzGG bei Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, 30.000 EUR übersteige. Dieser Betrag der Einkommensgrenze erhöhe sich um 3.140 EUR für jedes weitere Kind, für das Kindergeld gezahlt werde, so dass hier die maßgebliche Einkommensgrenze für die ersten sechs Lebensmonate 42.560 EUR und ab dem siebten Lebensmonat 29.060 EUR betrage. Diese Einkommensgrenze werde überschritten. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG gelte als Einkommen die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für die Berechnung des Erziehungsgeldes im ersten Lebensjahr des Kindes sei nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG das Einkommen im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes maßgebend. Die frühere gesetzliche Regelung (gemeint § 6 Abs. 2 BErzGG vor der Neufassung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. Dezember 2003, BGBl. I S. 3076), wonach für die Berechnung des Erziehungsgeldes im ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend war, finde seit dem 1. Januar 2004 keine Anwendung mehr. Das nachträglich gezahlte Arbeitsentgelt in Höhe von 11.069,03 EUR könne nicht außen vor gelassen werden, selbst wenn es auf Gehaltsansprüchen aus den Jahren 2003 und 2004 beruhe. Maßgebend sei nach § 11 Abs. 1 EStG nämlich nur der Zufluss im Jahre 2005 und nicht der Zeitpunkt, zu dem die Ansprüche erarbeitet worden bzw. entstanden seien. § 6 Abs 1 BErzGG halte strikt am Jährlichkeitsprinzip fest. Eine Verschiebung der Einkünfte in andere Kalenderjahre sei nicht zulässig. Die Nachzahlung sei auch keine Sonderzuwendung im Sinne des § 6 Abs. 6 Satz 3 BErzGG.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11. Dezember 2007 zugestellte Urteil am 7. Januar 2008 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe übersehen, dass die Leistungsfähigkeit im Bezugszeitraums des ErzG gegenüber dem der Geburt vorausgehenden Kalenderjahr eingeschränkt sei, wenn man dort außerplanmäßige oder nicht regelmäßig erzielte Einkünfte berücksichtige. Es komme aber auf die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie an, was auch die Regelung des § 6 Abs. 7 BErzGG sowie die Entscheidung des BSG vom 29. Januar 2002, B 10/14 EG 11/99 R, SozR 3-7833 § 6 Nr. 24, deutlich machten. Hätte der Arbeitgeber das rückständige Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Jahren 2003 und 2004 anteilig ausbezahlt, wäre es in diesen Jahren zu versteuern gewesen. Sonderzuwendungen seien nach § 12 Abs. 2 BErzGG auch vom Arbeitgeber zu bescheinigen. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber oder dessen freiwilliger Ersatz des entstandenen Schadens sei nicht denkbar. Schließlich könne auch der Rechtsgedanke des § 2 Abs. 7 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), wonach sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG unberücksichtigt bleiben, herangezogen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vorn 26. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes E. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf ErzG für das erste Lebensjahr des Kindes E ...
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für das hier von der Klägerin beanspruchte ErzG dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, weil die Einkommensgrenzen überschritten sind. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das BErzGG knüpft in § 6 Abs. 1 Satz 1 an das Steuerrecht an. Nach § 11 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG gilt laufender Arbeitslohn in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Lediglich die "sonstigen Bezüge", also Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn bezahlt wird, werden in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Arbeitnehmer zufließen. Darauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen. Die nachbezahlten Weihnachts- und Urlaubsgelder sind im Jahr der Zahlung, also im Jahr 2005, zugeflossen, in diesem Jahr versteuert worden und finden daher auch für die Einkommensgrenzen des § 5 Abs. 3 BErzGG Berücksichtigung. Die Lohnsteuerrichtlinien (hier R 115) bestätigen dies, wenn sie das dreizehnte und vierzehnte Monatsgehalt, einmalige Abfindungen und Entschädigungen, Urlaubsgelder und Weihnachtszuwendungen den sonstigen Bezügen zurechnen.
Die Berücksichtigung einmaliger Leistungen oder Sonderzuwendungen für die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist dem Sozialrecht auch nicht fremd, wie die Rechtsprechung des BSG zu der Beitragsbemessungsgrundlage der Beiträge freiwillig Versicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung (s. § 240 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) zeigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 1995, 12 RK 12/95, SozR 3-2500 § 240 Nr. 23; BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, B 12 KR 1/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 34).
Das von der Klägerin angeführte Urteil des BSG vom 29. Januar 2002 spricht zwar die "tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie" an, jedoch in einem ganz anderen Zusammenhang als hier. Der dort angeführte Grundsatz ist auch nicht geeignet, die klare Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG außer Acht zu lassen, die ausdrücklich auf die Verhältnisse im Kalenderjahr vor der Geburt abstellt. Von einer Prognoseentscheidung, die die alte Regelung mit der Berücksichtigung des Einkommens im Kalenderjahr der Geburt notwendig machte, wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 gerade Abstand nehmen (vgl. Pauli in: Hambüchen, § 6 BErzGG Rdnr. 21, 24). Soweit § 6 Abs. 7 BErzGG - auf Antrag - eine Neuberechnung bei einer Abweichung des Bezugszeitraums erzielten Einkommens vom denjenigen nach § 6 Abs. 2 BErzGG ermöglicht, ist dies gerade auf den Fall einer 20%-tigen Abweichung beschränkt und erfasst - im Gegenschluss - die beim Ehemann der Klägerin vorliegenden Verhältnisse nicht.
Ebenfalls nicht übertragbar ist die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 3 BErzGG, die es ausschließt, Sonderzuwendungen im Bezugszeitraum, zu berücksichtigen. Dass sie nach Wortlaut und Regelungsintention auf den hier vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist, hat das SG bereits dargelegt. Der Grund dafür, die Sonderzuwendungen beim Einkommen im Bezugszeitraum unberücksichtigt zu lassen, war die Vorstellung mit der Einführung der JobCard das voraussichtliche Erwerbseinkommen der berechtigten Person anhand der ersten Verdienstbescheinigung, die regelmäßig keine Sonderzuwendungen ausweist, hochrechnen zu können (Pauli, a.a.O., Rdnr. 60 mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Demgegenüber steht das Einkommen im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes im Zeitpunkt der Antragstellung fest und es besteht kein Grund, Sonderzuwendungen unberücksichtigt zu lassen.
Auch aus § 12 Abs. 2 BErzGG folgt nichts anderes. Die Regelung beschreibt allein die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt und die Sonderzuwendungen zu bescheinigen, und sagt nichts über die rechtliche Relevanz des Bescheinigten. Dass das Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber oder dessen fehlende Bereitschaft, dem Kläger den entstandenen "Schaden" auszugleichen, nicht geeignet ist, einen Anspruch gegen die Beklagte zu begründen, versteht sich von selbst.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf einem irgendwie gearteten "Rechtsgedanken" des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG, der - wie die Klägerin meint - im Wege der Rückwirkdung eine ergänzende Anwendung auf das BErzGG beanspruche, berufen. Unabhängig davon, dass es sich kaum begründen lässt, hier eine Regelung für eine grundlegend anders konzipierte, auch nur für eine spätere Zeit in Frage kommende Leistung heranzuziehen, steht § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG auch in einem anderen Regelungszusammenhang. Dass "sonstige Bezüge" im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, wozu Weihnachtszuwendungen, einmalige Abfindungen und Entschädigungen gehören (Pauli, a.a.O., § 2 BEEG Rdnr. 21), beim Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit unberücksichtigt bleiben, soll zu einer Angleichung an die Regelung beim Mutterschaftsgeld führen. Die Regelung soll verhindern, dass insbesondere bei Bezugszeiträumen unter einem Jahr es vom Zufall abhängt, ob eine einmalige Einnahme mit der Folge zu berücksichtigen wäre, dass das ansonsten zustehende Elterngeld sich reduziert oder sogar entfällt (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/2785, S. 37). Der Gesetzgeber hatte damit im Blick, dass sich das Elterngeld bei Erwerbseinkommen der berechtigten Person im Bezugszeitraum anteilig vermindert (§ 2 Abs. 3 BEEG). Dass § 2 Abs. 7 BEEG auch für die Berechnung des Einkommens im Berechnungszeitraum nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG Anwendung findet und insoweit zu einer Verringerung des Elterngeldanspruchs führen kann, wenn dieser im konkreten Fall nicht ohnehin schon durch den Höchstbetrag von 1.800 EUR begrenzt ist, hat der Gesetzgeber offensichtlich als weniger bedeutsam angesehen. Die Frage der Höhe des Elterngeldes aufgrund des Einkommens im Berechnungszeitraum hat jedoch mit der dem Wegfall des ErzG aufgrund Überschreitens der Einkommensgrenzen nach § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 2 BErzGG nichts zu tun.
Im Kern handelt es sich bei der Vorschrift des § 6 Abs. 1 und 2 BErzGG um eine pauschalierte Regelung, die naturgemäß Vorteile, aber auch Härten mit sich bringen kann. So hätte die Nachzahlung durchaus auch erst 2006 anfallen können und hätte dann die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ihrer Familie im Bezugszeitraum erhöht, ohne dass sie nach § 5 Abs. 3 BErzGG hätte berücksichtigt werden können. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung hat der Senat nicht. Sie sind für den vergleichbaren Fall des Verbots des die Jährlichkeitsgrenze überspringenden horizontalen Verlustausgleichs bereits vom BSG (Urteil vom 11. Dezember 2003, B 10 EG 3/03 R, SozR 4-7833 § 6 Nr. 2), in der hier zu entscheidenden Konstellation auch im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. April 2008, L 30 EG 1000/05, verneint worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, auch weil es sich bei dem BErzGG um auslaufendes Recht handelt (§ 24 Abs. 4 BErzGG, § 27 Abs. 1 BEEG).
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Erziehungsgeld (ErzG) im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) für das erste Lebensjahr des 2006 geborenen Kindes E ...
Die Klägerin ist Deutsche, verheiratet, und erhält neben E. für weitere vier Kinder Kindergeld. Ihr Ehemann ist als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Im Jahr 2005 erzielte er einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 58.371,15 EUR (Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers vom 19. Januar 2006).
Den Antrag der Klägerin vom 15. Mai 2006 auf Gewährung von Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes E. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2006 ab. Das anzurechnende Einkommen betrage 43.662,76 EUR und überschreite die Einkommensgrenze von 42.560 EUR für die ersten sechs Lebensmonate des Kindes bzw. die Grenze von 29.060 EUR für die Zeit ab dem 7. Lebensmonat. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Aktenseite 49 der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Die Klägerin erhob hiergegen mit der Begründung Widerspruch, in dem bescheinigten Arbeitslohn sei eine Nachzahlung des Arbeitgebers vom September 2005 in Höhe von insgesamt 11.069,03 EUR enthalten. Diese beruhe auf einem arbeitsgerichtlichen Vergleich über ausstehende Gehaltsansprüche (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) des Ehemannes für die Jahre 2003 und 2004. Die Einkünfte seien einmalig gewesen und bei der Einkommensberechnung, die auf die voraussichtlichen Einkünfte abzustellen habe, nicht heranzuziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es komme auf die tatsächlich erzielten Einkünfte im Kalenderjahr vor der Geburt an. Auch bei den Nachzahlungen handele es sich um steuerpflichtiges Einkommen, das auch tatsächlich versteuert worden sei. Der nach den vorzunehmenden Abzügen ermittelte Beitrag überschreite die maßgeblichen Einkommensgrenzen.
Die Klägerin hat hiergegen am 28. Februar 2007 Klage bei dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie angeführt, es sei zwar richtig, dass ihr Ehemann im Kalenderjahr 2005 ein steuerpflichtiges Einkommen von 58.371,00 EUR erzielt habe. Ihr Ehemann habe jedoch den darin enthaltenen Nachzahlungsbetrag nicht im Jahr 2005 erarbeitet. Außerdem sei die Nachzahlung als Sonderzuwendungen gem. § 6 Abs. 6 Satz 3 BErzGG bei der Ermittlung der Einkünfte nicht heranzuziehen.
Die Beklagte hat hingegen auf das steuerrechtliche Zuflussprinzip hingewiesen. Inwieweit Schadensersatzansprüche des Ehemannes der Klägerin gegen den Arbeitgeber bestünden, könne sie nicht beurteilen.
Mit Urteil vom 29. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 5 Abs. 3 BErzGG entfalle der Anspruch auf den Regelbetrag in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes, wenn das Einkommen nach § 6 BErzGG bei Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, 30.000 EUR übersteige. Dieser Betrag der Einkommensgrenze erhöhe sich um 3.140 EUR für jedes weitere Kind, für das Kindergeld gezahlt werde, so dass hier die maßgebliche Einkommensgrenze für die ersten sechs Lebensmonate 42.560 EUR und ab dem siebten Lebensmonat 29.060 EUR betrage. Diese Einkommensgrenze werde überschritten. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG gelte als Einkommen die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für die Berechnung des Erziehungsgeldes im ersten Lebensjahr des Kindes sei nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG das Einkommen im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes maßgebend. Die frühere gesetzliche Regelung (gemeint § 6 Abs. 2 BErzGG vor der Neufassung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. Dezember 2003, BGBl. I S. 3076), wonach für die Berechnung des Erziehungsgeldes im ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend war, finde seit dem 1. Januar 2004 keine Anwendung mehr. Das nachträglich gezahlte Arbeitsentgelt in Höhe von 11.069,03 EUR könne nicht außen vor gelassen werden, selbst wenn es auf Gehaltsansprüchen aus den Jahren 2003 und 2004 beruhe. Maßgebend sei nach § 11 Abs. 1 EStG nämlich nur der Zufluss im Jahre 2005 und nicht der Zeitpunkt, zu dem die Ansprüche erarbeitet worden bzw. entstanden seien. § 6 Abs 1 BErzGG halte strikt am Jährlichkeitsprinzip fest. Eine Verschiebung der Einkünfte in andere Kalenderjahre sei nicht zulässig. Die Nachzahlung sei auch keine Sonderzuwendung im Sinne des § 6 Abs. 6 Satz 3 BErzGG.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11. Dezember 2007 zugestellte Urteil am 7. Januar 2008 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe übersehen, dass die Leistungsfähigkeit im Bezugszeitraums des ErzG gegenüber dem der Geburt vorausgehenden Kalenderjahr eingeschränkt sei, wenn man dort außerplanmäßige oder nicht regelmäßig erzielte Einkünfte berücksichtige. Es komme aber auf die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie an, was auch die Regelung des § 6 Abs. 7 BErzGG sowie die Entscheidung des BSG vom 29. Januar 2002, B 10/14 EG 11/99 R, SozR 3-7833 § 6 Nr. 24, deutlich machten. Hätte der Arbeitgeber das rückständige Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Jahren 2003 und 2004 anteilig ausbezahlt, wäre es in diesen Jahren zu versteuern gewesen. Sonderzuwendungen seien nach § 12 Abs. 2 BErzGG auch vom Arbeitgeber zu bescheinigen. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber oder dessen freiwilliger Ersatz des entstandenen Schadens sei nicht denkbar. Schließlich könne auch der Rechtsgedanke des § 2 Abs. 7 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), wonach sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG unberücksichtigt bleiben, herangezogen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vorn 26. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes E. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf ErzG für das erste Lebensjahr des Kindes E ...
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für das hier von der Klägerin beanspruchte ErzG dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, weil die Einkommensgrenzen überschritten sind. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das BErzGG knüpft in § 6 Abs. 1 Satz 1 an das Steuerrecht an. Nach § 11 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG gilt laufender Arbeitslohn in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Lediglich die "sonstigen Bezüge", also Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn bezahlt wird, werden in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Arbeitnehmer zufließen. Darauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen. Die nachbezahlten Weihnachts- und Urlaubsgelder sind im Jahr der Zahlung, also im Jahr 2005, zugeflossen, in diesem Jahr versteuert worden und finden daher auch für die Einkommensgrenzen des § 5 Abs. 3 BErzGG Berücksichtigung. Die Lohnsteuerrichtlinien (hier R 115) bestätigen dies, wenn sie das dreizehnte und vierzehnte Monatsgehalt, einmalige Abfindungen und Entschädigungen, Urlaubsgelder und Weihnachtszuwendungen den sonstigen Bezügen zurechnen.
Die Berücksichtigung einmaliger Leistungen oder Sonderzuwendungen für die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist dem Sozialrecht auch nicht fremd, wie die Rechtsprechung des BSG zu der Beitragsbemessungsgrundlage der Beiträge freiwillig Versicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung (s. § 240 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) zeigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 1995, 12 RK 12/95, SozR 3-2500 § 240 Nr. 23; BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, B 12 KR 1/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 34).
Das von der Klägerin angeführte Urteil des BSG vom 29. Januar 2002 spricht zwar die "tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie" an, jedoch in einem ganz anderen Zusammenhang als hier. Der dort angeführte Grundsatz ist auch nicht geeignet, die klare Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG außer Acht zu lassen, die ausdrücklich auf die Verhältnisse im Kalenderjahr vor der Geburt abstellt. Von einer Prognoseentscheidung, die die alte Regelung mit der Berücksichtigung des Einkommens im Kalenderjahr der Geburt notwendig machte, wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 gerade Abstand nehmen (vgl. Pauli in: Hambüchen, § 6 BErzGG Rdnr. 21, 24). Soweit § 6 Abs. 7 BErzGG - auf Antrag - eine Neuberechnung bei einer Abweichung des Bezugszeitraums erzielten Einkommens vom denjenigen nach § 6 Abs. 2 BErzGG ermöglicht, ist dies gerade auf den Fall einer 20%-tigen Abweichung beschränkt und erfasst - im Gegenschluss - die beim Ehemann der Klägerin vorliegenden Verhältnisse nicht.
Ebenfalls nicht übertragbar ist die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 3 BErzGG, die es ausschließt, Sonderzuwendungen im Bezugszeitraum, zu berücksichtigen. Dass sie nach Wortlaut und Regelungsintention auf den hier vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist, hat das SG bereits dargelegt. Der Grund dafür, die Sonderzuwendungen beim Einkommen im Bezugszeitraum unberücksichtigt zu lassen, war die Vorstellung mit der Einführung der JobCard das voraussichtliche Erwerbseinkommen der berechtigten Person anhand der ersten Verdienstbescheinigung, die regelmäßig keine Sonderzuwendungen ausweist, hochrechnen zu können (Pauli, a.a.O., Rdnr. 60 mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Demgegenüber steht das Einkommen im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes im Zeitpunkt der Antragstellung fest und es besteht kein Grund, Sonderzuwendungen unberücksichtigt zu lassen.
Auch aus § 12 Abs. 2 BErzGG folgt nichts anderes. Die Regelung beschreibt allein die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt und die Sonderzuwendungen zu bescheinigen, und sagt nichts über die rechtliche Relevanz des Bescheinigten. Dass das Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber oder dessen fehlende Bereitschaft, dem Kläger den entstandenen "Schaden" auszugleichen, nicht geeignet ist, einen Anspruch gegen die Beklagte zu begründen, versteht sich von selbst.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf einem irgendwie gearteten "Rechtsgedanken" des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG, der - wie die Klägerin meint - im Wege der Rückwirkdung eine ergänzende Anwendung auf das BErzGG beanspruche, berufen. Unabhängig davon, dass es sich kaum begründen lässt, hier eine Regelung für eine grundlegend anders konzipierte, auch nur für eine spätere Zeit in Frage kommende Leistung heranzuziehen, steht § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG auch in einem anderen Regelungszusammenhang. Dass "sonstige Bezüge" im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, wozu Weihnachtszuwendungen, einmalige Abfindungen und Entschädigungen gehören (Pauli, a.a.O., § 2 BEEG Rdnr. 21), beim Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit unberücksichtigt bleiben, soll zu einer Angleichung an die Regelung beim Mutterschaftsgeld führen. Die Regelung soll verhindern, dass insbesondere bei Bezugszeiträumen unter einem Jahr es vom Zufall abhängt, ob eine einmalige Einnahme mit der Folge zu berücksichtigen wäre, dass das ansonsten zustehende Elterngeld sich reduziert oder sogar entfällt (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/2785, S. 37). Der Gesetzgeber hatte damit im Blick, dass sich das Elterngeld bei Erwerbseinkommen der berechtigten Person im Bezugszeitraum anteilig vermindert (§ 2 Abs. 3 BEEG). Dass § 2 Abs. 7 BEEG auch für die Berechnung des Einkommens im Berechnungszeitraum nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG Anwendung findet und insoweit zu einer Verringerung des Elterngeldanspruchs führen kann, wenn dieser im konkreten Fall nicht ohnehin schon durch den Höchstbetrag von 1.800 EUR begrenzt ist, hat der Gesetzgeber offensichtlich als weniger bedeutsam angesehen. Die Frage der Höhe des Elterngeldes aufgrund des Einkommens im Berechnungszeitraum hat jedoch mit der dem Wegfall des ErzG aufgrund Überschreitens der Einkommensgrenzen nach § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 2 BErzGG nichts zu tun.
Im Kern handelt es sich bei der Vorschrift des § 6 Abs. 1 und 2 BErzGG um eine pauschalierte Regelung, die naturgemäß Vorteile, aber auch Härten mit sich bringen kann. So hätte die Nachzahlung durchaus auch erst 2006 anfallen können und hätte dann die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ihrer Familie im Bezugszeitraum erhöht, ohne dass sie nach § 5 Abs. 3 BErzGG hätte berücksichtigt werden können. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung hat der Senat nicht. Sie sind für den vergleichbaren Fall des Verbots des die Jährlichkeitsgrenze überspringenden horizontalen Verlustausgleichs bereits vom BSG (Urteil vom 11. Dezember 2003, B 10 EG 3/03 R, SozR 4-7833 § 6 Nr. 2), in der hier zu entscheidenden Konstellation auch im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. April 2008, L 30 EG 1000/05, verneint worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, auch weil es sich bei dem BErzGG um auslaufendes Recht handelt (§ 24 Abs. 4 BErzGG, § 27 Abs. 1 BEEG).
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