L 4 R 5641/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 4539/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5641/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Entscheidung der Beklagten, mit welcher diese die Befreiung der Klägerin von der Antragspflichtversicherung als selbstständig Tätige abgelehnt hat sowie im Beschwerdeverfahren hilfsweise die Einstellung der Zwangsvollstreckung.

Die am 1963 in Portugal geborene Klägerin war bis zum Dezember 1997 in der Rentenversicherung der Arbeiter versichert. Am 22. Dezember 1997 nahm sie ausweislich der Gewerbeanmeldung der Gemeinde S. vom 15. Dezember 1997 eine selbstständige Tätigkeit im Rahmen einer "Agentur für Direktmarketing und Lettershop" auf. In der Gewerbeanmeldung wurde angegeben, dass es sich nicht um ein Handwerk handelt.

Mit Schreiben vom 09. Dezember 1997 unterrichtete die Landesversicherungsanstalt Unterfranken die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), dass die Klägerin eine Pflichtversicherung für selbstständig Tätige beantragen werde. Am 10. Dezember 1997 ließ sich die Klägerin von der Auskunft- und Beratungsstelle der Beklagten in P. telefonisch und am 12. Dezember 1997 persönlich beraten. Am 14. Dezember 1997 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Beitragszahlung zur Arbeiterrentenversicherung für eine Pflichtversicherung von selbstständig Tätigen, der von ihr unterschrieben wurde. Die Klägerin gab im Antrag an, sie werde am 22. Dezember 1997 eine selbstständige Tätigkeit über 18 Stunden wöchentlich aufnehmen. Die Pflichtbeiträge sollten nach einem Arbeitseinkommen in Höhe von 50 vom Hundert (v.H.) der Bezugsgröße (halber Regelbetrag) bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gezahlt werden. Mit Bescheid vom 15. Januar 1998 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab dem 22. Dezember 1997 nach § 4 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) versicherungspflichtig sei und ein Beitrag in Höhe von DM 144,47 zu zahlen sei, wobei dieser Beitrag dem anteiligen halben Regelbeitrag entspreche. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Versicherungspflicht unwiderruflich und ein Verzicht, d.h. eine freiwilliges Ausscheiden aus der Versicherungspflicht, nicht möglich sei. Die Versicherungspflicht ende mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht wegfielen. Der Bescheid enthielt zudem eine Rechtsbehelfsbelehrung.

Nachdem die Klägerin in der Folgezeit die Beiträge für den Zeitraum von Dezember 2005 bis März 2006 nicht entrichtete, mahnte die Beklagte die Zahlung der Beiträge an. Daraufhin teilte die Klägerin am 27. April 2006 der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in K. telefonisch mit, dass sie aus der Versicherungspflicht "aussteigen" wolle. Ausweislich eines entsprechenden Aktenvermerks der Beklagten vom selben Tag, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Antragspflichtversicherung nicht beendet werden könne und die Zwangsvollstreckung wegen der Beitragsrückstände durchgeführt werde. Zudem sei die Klägerin auf die Zahlung einkommensgerechter Beiträge für die Zukunft hingewiesen worden. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 24. März 2006 ein Vollstreckungsersuchen an die Gerichtsvollzieherstelle des Amtsgerichts P. hinsichtlich der Pflichtbeiträge für Dezember 2005 und Januar 2006 gerichtet hatte, überwies die Klägerin am 27. April 2006 insgesamt EUR 2.442,67. Aufgrund eines weiteren Vollstreckungsersuchens vom 22. September 2006 zahlte die Klägerin am 28. September 2006 insgesamt EUR 969,00 (Pflichtbeiträge Juli und August 2006). Damit waren die Beitragsrückstände ausgeglichen (Aktenvermerk der Beklagten vom 17. Oktober 2006).

Mit Schreiben vom 19. März 2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie aus der Rentenversicherung "wegen Falschberatung" entlassen werden wolle. Sie habe im Jahr 1997 nur den Mindestbeitrag bezahlen wollen, "um den Frührentenschutz zu behalten". Bei der damaligen Beratung sei ihr zugesichert worden, dass sie die gesetzliche Rentenversicherung jederzeit kündigen könne, wenn ihre Firma nicht gut liefe. Nur deshalb habe sie einen entsprechenden Antrag unterschrieben. Dies könne Frau B. L. (jetzt: M. d. S.) als Zeugin bestätigen. Unter dem 03. April 2007 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass eine Falschberatung nicht erfolgt sei. Bei Antragstellung sei für die Klägerin ein Schutz wegen Erwerbsminderung aufgrund der gesetzlichen Regelungen mit freiwilligen Beiträgen nicht möglich gewesen. Da sie nunmehr aus wirtschaftlichen Gründen ihren Regelbeitrag nicht mehr bezahlen wolle, weise man sie auf die Möglichkeit der einkommensgerechten Bezahlung hin.

Am 02. Juni 2008 teilte die Klägerin der Auskunft- und Beratungsstelle der Beklagten in K. telefonisch erneut mit, dass sie ihre Antragspflichtversicherung kündigen wolle, da sie bei der Antragstellung falsch beraten worden sei. Mit Telefax vom gleichen Tag teilte sie mit, dass sie "ab sofort" die Rentenversicherung kündige. Mit Bescheid vom 04. Juni 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Antrag auf Befreiung von Antragspflichtversicherung nicht entsprochen werden könne. Die Klägerin habe gegen den Bescheid vom 15. Januar 1998 keinen Widerspruch erhoben oder zeitnah in sonstiger Weise geltend gemacht, dass die Antragspflichtversicherung nicht gewünscht gewesen sei. Sie könne den Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht durch die laufende Entrichtung freiwilliger Beiträge aufrechterhalten, da sie bis zum 31. Dezember 1983 keine Wartezeit von fünf Jahren zurückgelegt habe. Ein Verzicht, d.h. ein freiwilliges Ausscheiden aus der Antragspflichtversicherung sei nicht möglich. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei damals falsch beraten und arglistig getäuscht worden. Frau B. L. (jetzt: M. d. S.) könne dies bestätigen. Unter dem 30. Juni 2008 wies die Beklagte die Klägerin erneut auf die Möglichkeit der einkommensgerechten Beitragszahlung hin. Eine Beitragsänderung könne ab dem Folgemonat der Antragstellung bzw. nach Eingang entsprechender Nachweise des Finanzamts erfolgen. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008). Die Klägerin habe die Wartezeit von fünf Kalenderjahren bis zum 31. Dezember 1983 nicht erfüllt. Somit habe sie durch die Zahlung freiwilliger Beiträge bei Eintritt der Erwerbsminderung keinen Rentenanspruch erwerben können. Deshalb habe die Verpflichtung bestanden, sie (die Klägerin) über die Antragspflichtversicherung zu informieren. Im Übrigen hätte die Klägerin spätestens gegen den Bescheid vom 15. Januar 1998 Widerspruch einlegen müssen, da hierin ausdrücklich erklärt worden sei, dass die Versicherungspflicht unwiderruflich sowie ein Verzicht, d. h. ein freiwilliges Ausscheiden aus der Versicherungspflicht nicht möglich sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 03. September 2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), die beim SG noch anhängig ist (S 13 R 3899/08). Am 21. Oktober 2008 beantragte die Klägerin beim SG die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (S 13 R 4539/08 ER). Zur Begründung legte sie das Schreiben der Beklagten vom 15. September 2008 vor, wonach im Beitragsverfahren Widerspruch bzw. Klage keine aufschiebende Wirkung hätten, weshalb sie (die Klägerin) aufgefordert werde, die seit Juni 2008 angefallenen Beiträge, Säumniszuschläge und Mahngebühren umgehend zu zahlen. Zugleich wurde hierin die Einziehung der Forderung durch den Gerichtsvollzieher angedroht. Des Weiteren legte die Klägerin das Schreiben des Gerichtsvollziehers S. vom 14. Oktober 2008 vor, wonach er eine Geldforderung in Höhe von insgesamt EUR 1.026,00 für die Beklagte beizutreiben habe. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage begründete die Klägerin - wie im Wesentlichen auch ihre Klage - damit, dass sie am 14. Dezember 1997 in P. von einem Mitarbeiter der Beklagten dahingehend beraten worden sei, dass sie in der Rentenversicherung auch als Selbstständige bleiben solle, um einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente zu erhalten, zumal sie zu diesem Zeitpunkt wegen mehrerer Knieoperationen "zu 30 Prozent" behindert gewesen sei. Dieser Mitarbeiter habe ihr mitgeteilt, dass sie in jedem Fall die Versicherung kündigen könne, da sie freiwillig versichert sei. Sie solle sich an dem Ausdruck "Pflichtversicherung" nicht stören. Dies könne von der jetzigen Lebenspartnerin der Klägerin, Frau B. M. d. S. (früher L.), bestätigt werden. Sie hätte die Versicherungspflicht nicht beantragt, wenn sie nicht die Möglichkeit gehabt hätte, jederzeit insbesondere auch bei finanziellen Schwierigkeiten die Versicherung zu kündigen. Aufgrund der Falschberatung bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, so dass sie so zu stellen sei, als ob sie richtig beraten worden wäre. Dann hätte sie jedoch den Anspruch auf Zulassung zur Pflichtversicherung nicht gestellt. Sie sei jedenfalls ab Juni 2008 aus der Beitragsverpflichtung zu entlassen. Die Beklagte habe einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen, der die Entlassung aus der Versicherungspflicht rechtfertige. Nunmehr könne sie die Beitragsleistungen nicht mehr erbringen, da sie monatliche Darlehensbelastungen in Höhe von EUR 750,00 sowie weitere Belastungen in Höhe von ebenfalls EUR 750,00 (Lebenshaltungskosten, Telefon, Versicherungen etc.) habe. Zum Lebensunterhalt dienten nur EUR 1.500,00. Ihre Lebenspartnerin habe bis Anfang des Jahres 2008 monatlich EUR 900,00 hinzugezahlt. Seit Anfang 2008 sei eine Beteiligung ihrer Lebenspartnerin nicht mehr möglich. Diese habe vielmehr einen Kredit über EUR 15.300,00 von ihrer Schwester in Anspruch nehmen müssen. Diesbezüglich legte die Klägerin einen Kreditvertrag vom 19. Oktober 2007 zwischen Frau D. L. und Frau B. M. d. S. über einen Betrag von EUR 15.300,00 vor. Der effektive Jahreszins betrage 8,59 v.H ... Außer der Verpflichtung, dass Frau B. M. d. S. die Summe plus die anlaufenden Zinsen zurückzuzahlen habe, wurden weitere Rückzahlungsmodalitäten nicht vereinbart. Des Weiteren trug die Klägerin vor, dass ihr Einkommen wechselhaft sei und jährlich EUR 28.000,00 nicht überschreite. Das Haus diene der zukünftigen Existenzsicherung und der Altersvorsorge, so dass ein Verkauf nicht in Betracht komme.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 wies das SG den Antrag zurück. Soweit die Klägerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 03. September 2008 beantragt habe, bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Selbst wenn der Klage aufschiebende Wirkung zukäme, bestünde das Pflichtversicherungsverhältnis mit seinen Wirkungen, insbesondere der Beitragspflicht, fort. Soweit der Antrag interessengerecht dahin auszulegen sei, dass die Feststellung begehrt werde, dass das Versicherungsverhältnis beendet sei, sei dies in unzulässiger Weise auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Die Frage des Bestehens des Versicherungsverhältnisses müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die Beitragspflicht könne ab dem 01. Juni 2008 auch nicht mit einer Regelungsanordnung vorläufig ausgesetzt werden, da ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Ein materieller Anspruch auf Entlassung aus dem Versicherungsverhältnis sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Auch sei ein Anspruch auf Befreiung nach § 6 SGB VI nicht ersichtlich. Dies gelte auch für ein rückwirkendes Entfallen der Pflichtversicherung wegen Anfechtung des Aufnahmeantrags nach § 119 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Selbst wenn das Schreiben der Klägerin vom 19. März 2007 oder ihr Kündigungsschreiben vom 02. Juni 2008 als Anfechtungserklärung auslegt würde, könne dies nicht zum Erfolg führen. Dabei könne dahinstehen, ob die Klägerin einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum über den Inhalt dieser Erklärung erlegen sei, oder nur über rechtliche Nebenfolgen ihrer Erklärung geirrt habe. Jedenfalls hätte die Anfechtung gemäß § 121 BGB unverzüglich nach Kenntnis vom Anfechtungsgrund erfolgen müssen. Diese Kenntnis habe sie spätestens mit dem Bescheid vom 15. Januar 1998 erlangt. Auch sei die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB versäumt. Das Vorliegen eines "Anordnungsgegenstandes" sei auch aus dem Gedanken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Klägerin sei im Bescheid vom 15. Januar 1998 darauf hingewiesen worden, dass ein Verzicht oder freiwilliges Ausscheiden aus der Antragspflichtversicherung nicht möglich sei. Angesichts des langen Zeitraums zwischen der Kenntnis von der Unkündbarkeit des Versicherungsverhältnisses und der Berufung auf den angeblichen Beratungsfehler könne die Beratung nicht als wesentliche Ursache für das Festhalten an dem Versicherungsverhältnis angesehen werden. Die Klägerin habe die Versicherung jahrelang als vorteilhaft angesehen, wofür auch spreche, dass ihr die Absicherung für den Fall der Erwerbsminderung wichtig gewesen sei. Die Aussetzung der bevorstehenden Zwangsvollstreckung hinsichtlich der ausstehenden Beiträge für Juni und Juli 2008 in Höhe von insgesamt EUR 1.026,60 komme ebenfalls nicht in Betracht, da ein Anordnungsanspruch nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Die Klägerin habe keine wesentlichen Nachteile glaubhaft gemacht, die dazu führten, dass das Interesse der Beklagten an der Vollstreckung ihrer Forderung zurückstehen müsse. Umstände, die eine Unzumutbarkeit des Zuwartens auf die Hauptsachentscheidung begründen könnten, wie unmittelbar drohende Insolvenz, Schließung des Betriebs, konkrete Gefährdung der Existenz oder Vernichtung der Lebensgrundlage, seien nicht dargetan. Die Klägerin habe auch keine Angaben zur Höhe ihrer laufenden Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit gemacht, ebenso wenig zu vorhandenem Vermögen. Der Darlehensvertrag vom 19. Oktober 2007 ergebe keine Verpflichtung zur Tilgung des Darlehens, zumal die Fälligkeit der Rückzahlung nicht erkennbar sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Klägerin nicht um eine einkommensgerechte Beitragsfestsetzung bemüht habe.

Gegen den am 28. Oktober 2008 der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 28. November 2008 schriftlich beim SG zum Landessozialgericht (LSG) Beschwerde eingelegt. Das Kündigungsschreiben vom 02. Juni 2008 sei auch als Anfechtung der im Antrag vom 14. Dezember 1997 abgegebenen Willenserklärung anzusehen. Sie habe diese Erklärung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung angefochten. Spätestens im Widerspruchsschreiben vom 24. Juni 2008 sei eine solche Anfechtung erfolgt. Die Anfechtung sei auch unverzüglich seit Kenntnis erfolgt. Sie habe nämlich erst im Telefonat mit der Beklagten am 02. Juni 2008 erfahren, dass sie nicht jederzeit aus der Pflichtversicherung für Selbstständige ausscheiden könne. Im Übrigen habe die zehnjährige Anfechtungsfrist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) erst ab dem 01. Januar 2002 begonnen zu laufen. Auch sei die Jahresfrist nach § 124 BGB noch nicht abgelaufen. Hinzu komme, dass sich der Irrtum, der aufgrund der falschen Beratung hervorgerufen worden sei, auch nach Erlass des Bescheids vom 15. Januar 1998 fortgewirkt habe. Deshalb bestehe auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Bei richtiger Beratung hätte sie den Antrag zur Pflichtversicherung für Selbstständige nicht gestellt. Ihr selbst sei der Begriff des Frührentenschutzes bei der Beratung im Dezember 1997 nicht bekannt gewesen. Allerdings habe der damalige Mitarbeiter der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für sie keine dauerhafte Verpflichtung der Mitgliedschaft bestehe und sie jederzeit aus der Versicherung ausscheiden könne. Auf ihren Hinweis, sie wolle freiwillig versichert sein, habe der Mitarbeiter mitgeteilt, dass der Ausdruck Pflichtversicherung nicht bedeute, dass sie verpflichtet sei, ohne Änderung in der Versicherung zu bleiben. Dies sei ihr auch am 18. Dezember 1997 nochmals telefonisch bestätigt worden. Letztendlich habe sie dem gesprochenen Wort mehr vertraut als dem schriftlichen Bescheid vom 15. Januar 1998. Ihr sei es damals nicht auf den Erhalt des Versicherungsschutzes im Hinblick auf den Fall einer Erwerbsminderung angekommen. Sie habe lediglich einen Mindestbeitrag zahlen wollen, um sich die Altersvorsorge zu erhalten. Aufgrund der Arbeitslosigkeit ihrer Lebenspartnerin sei die weitere Beitragsleistung nur mit Schwierigkeiten möglich, zumal sie seit 2005 auch ihre Eltern unterstütze. Darüber hinaus könne sie gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden. Die Zwangsvollstreckung entbehre jeglicher Grundlage. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin das Schreiben der Beklagten vom 19. Dezember 2008 hinsichtlich der ausstehenden Beiträge für Oktober und November 2008 in Höhe von jeweils EUR 495,52 nebst Mahngebühren in Höhe von EUR 4,95 und Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 19,50 vorgelegt. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung habe sie auf das Schreiben des Gerichtsvollziehers S. vom 14. Oktober 2008 EUR 1.026,60 sowie auf die Beitragsrechnung der Beklagten vom 15. September 2008 EUR 1.992,04 gezahlt. Gegen die Mahnungen über die Pflichtbeiträge seit August 2008 habe sie Widerspruch erhoben.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2008 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 03. September 2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 anzuordnen, hilfsweise, die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 15. Januar 1998 im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig einzustellen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Der Klägerin sei damals das Merkblatt zur Pflichtversicherung auf Antrag für Selbstständige und zur freiwilligen Versicherung ausgehändigt worden. Sie hätte daher im Merkblatt nachlesen können, dass sie die Antragspflichtversicherung wegen Selbstständigkeit nicht jederzeit auflösen könne. Zudem hätte sie spätestens gegen den Bescheid vom 15. Januar 1998 Widerspruch einlegen müssen. Die Klägerin könne auch nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden, da es sich vorliegend nicht um einen Handwerksbetrieb handle. Sie (die Beklagte) sei auch nicht bereit auf Vollstreckungsmaßnahmen während des laufenden Klageverfahrens zu verzichten. Die Klägerin sei mit den Beiträgen ab August 2008 bis laufend in Rückstand. Für die rückständigen Beiträge sei noch kein Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher ergangen. Die Klägerin habe bei ihr auch keinen Antrag auf Außervollzugsetzung der Zwangsvollstreckung gestellt. Die Beklagte hat die Mahnschreiben vom 23. September 2008 (Pflichtbeitrag für August 2008 EUR 495,52, Mahngebühr EUR 4,00, Säumniszuschlag EUR 14,50), vom 23. Oktober 2008 (Pflichtbeitrag für September 2008 EUR 495,52, Mahngebühr EUR 4,00, Säumniszuschlag EUR 19,50), vom 19. Dezember 2008 (Pflichtbeiträge für Oktober und November 2008 in Höhe von jeweils EUR 494,52, Mahngebühr EUR 4,95, Säumniszuschlag EUR 19,50) und 23. Januar 2009 (Pflichtbeitrag für Dezember 2008 EUR 494,52, Mahngebühr EUR 4,00, Säumniszuschlag EUR 24,50) vorgelegt. Die Gesamtforderung betrage unter Berücksichtigung des Pflichtbeitrags auch für Januar 2009 und der Mahngebühren in Höhe von insgesamt EUR 16,95 sowie der Säumniszuschläge in Höhe von EUR 78,00 insgesamt EUR 3.069,03.

II.

1. Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGGArbGÄndG – (BGBl. I, S. 444) ausgeschlossen. Denn die Berufung wäre mit dem in der Hauptsache geltend gemachten Begehren zulässig, da die Klägerin die Entlassung aus der Antragspflichtversicherung der Selbstständigen begehrt.

2. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Auch ist die Zwangsvollstreckung nicht einzustellen.

2.1. Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist § 86b SGG. Für die Abgrenzung, ob der einstweilige Rechtsschutz sich nach Abs. 1 oder Abs. 2 dieser Vorschrift richtet, ist auf die Klageart in der Hauptsacheart abzustellen. Danach ist die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage (Abs. 1) die richtige Form des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage die statthafte Rechtsschutzform ist, während bei den anderen Hauptsacheklagearten (Verpflichtungs-, allgemeine Leistungs- und Feststellungsklage) der entsprechende einstweilige Rechtsschutz über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Abs. 2) erfolgt. Die Formulierung in § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG "soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt" bringt den Vorrang der aufschiebenden Wirkung vor der einstweiligen Anordnung zum Ausdruck (s. auch § 123 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). Wenn und soweit einstweiliger Rechtsschutz über das speziellere Institut der aufschiebenden Wirkung gewährt werden kann, ist die einstweilige Anordnung nicht statthaft (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 08. Mai 2008 - L 4 KR 958/08 ER-B -; s. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 1996 - L 5 Ka 1367/96 - = MedR 1997, 89).

Mit dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt die Klägerin ausdrücklich die aufschiebende Wirkung der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vom 03. September 2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 anzuordnen. Damit richtet sich das Begehren der Klägerin (§ 123 SGG) auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (hierzu unter 2.2.). Wenn eine Rechtsanwältin unmissverständlich die rechtstechnische Bezeichnung "Anordnung der aufschiebenden Wirkung" wählt, kann das Begehren an sich nicht in die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG umgedeutet werden (vgl. in anderem Zusammenhang Bundessozialgericht (BSG) SozR 1500 § 160a Nr. 2 und 6; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03. November 2008 - L 8 AS 1583/08; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 145 RdNr. 3a; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. 2008, Kap. IX, RdNr. 143 m.w.N.). Selbst wenn jedoch das Begehren (richtigerweise) auch einen Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG umfassen würde, liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor (hierzu unter 2.3.). Auch wenn der erst im Beschwerdeverfahren gestellte Hilfsantrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 15. Januar 1998 vorläufig einzustellen, zulässig wäre (§§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 und 2 SGG), liegen hierfür die Voraussetzungen ebenfalls nicht vor (hierzu unter 2.4.).

2.2. Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Klägerin ausdrücklich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 03. September 2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 beantragt. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass vorliegend für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 03. September 2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 kein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl. zum Rechtschutzbedürfnis als Zulässigkeitsvoraussetzung Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr. 7a). Denn mit dem Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 hat die Beklagte es abgelehnt, die Klägerin von der Antragspflichtversicherung selbstständig Tätiger (§ 4 Abs. 2 und 4 SGB VI; näher hierzu unter 2.3.) zu befreien. In dieser Entscheidung hat die Beklagte den Bescheid vom 15. Januar 1998 nicht aufgehoben, sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass gegen diesen Bescheid kein Widerspruch eingelegt worden ist und somit die entsprechende Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 SGB VI ab dem 22. Dezember 1997 aus diesem Bescheid folgt. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1998 ist mithin weiter wirksam, zumal auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass er sich in anderer Weise erledigt haben könnte (§ 39 Abs. 2 SGB X).

Selbst wenn man davon ausginge, dass der Bescheid vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2008 eine Entscheidung über Versicherungs- bzw. Beitragspflichten i. S. des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG enthält und damit die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 03. September 2008 entfiele, würde mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung lediglich bewirkt werden, dass die Versicherungspflicht der Klägerin als selbstständig Tätige nach § 4 Abs. 2 SGB VI weiter besteht. Dies ergibt sich daraus, dass der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1998 bindend geworden ist, d.h. sowohl formell als auch materiell bestandskräftig, weil die Klägerin innerhalb der Widerspruchsfrist keinen Widerspruch eingelegt hat (vgl. § 77 SGG) und die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen aufgrund der Antragspflichtversicherung für selbstständig Tätige auch nicht rückwirkend (§ 142 Abs. 1 BGB) aufgrund der "Anfechtung" vom 02. Juni 2008 entfallen ist (hierzu unter 2.3.1.). Nachdem der Bescheid vom 15. Januar 1998 eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, war gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG die Einlegung des Widerspruchs innerhalb der Monatsfrist seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts (vgl. § 37 Abs. 1 SGB X) zulässig. Da der Bescheid vom 15. Januar 1998 ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten durch die Post an die Klägerin übermittelt wurde und der Klägerin auch zugegangen ist, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird, begann mithin die einmonatige Widerspruchsfrist am dritten Tag nach der Absendung (vgl. § 37 Abs.2 Satz 1 SGB X), d.h. am 18. Januar 1998 zu laufen und endete mit Ablauf des 08. Februar 1998 (einem Mittwoch). Innerhalb dieser Widerspruchsfrist hat die Klägerin keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. Januar 1998 eingelegt.

Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 die Befreiung von der Antragspflichtversicherung für selbstständig Tätige abgelehnt hat, besteht mithin sowohl die Antragspflichtversicherung als auch die Beitragsverpflichtung weiter (zum selbstständigen Verpflichtungsgrund für die Beitragsentrichtung aufgrund eines bindend gewordenen Beitragsbescheids vgl. nur BSGE 50, 129; BSG SozR 2600 § 121 Nr. 4; Senatsurteil vom 13. Februar 2009 - L 4 KR 941/08 -). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liefe daher dem eigentlichen Begehren der Klägerin (s. hierzu unter 2.3.), aus der Antragspflichtversicherung entlassen zu werden, entgegen, sodass hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht.

2.3. Im Hauptsacheverfahren wendet sich die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 mit dem (sinngemäß auszulegenden) Begehren, die Antragspflichtversicherung bei der Beklagten ab dem 01. Juni 2008 zu beenden. Hierbei handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. hierzu BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 6). Nachdem danach maßgeblich die Verpflichtung der Beklagten im Streit steht, der Klägerin ein Recht zur Beendigung ihrer auf Antrag begründeten Pflichtversicherung einzuräumen, wäre die richtige Form des einstweiligen Rechtsschutzes der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 86 Abs. 2 SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache - soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt - eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und ein Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind.

Unabhängig davon, dass die Befreiung von der Antragspflichtversicherung für selbstständig Tätige im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache wäre (vgl. hierzu nur Udsching in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. 2008, Kap. V RdNr. 40), liegt nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor.

2.3.1. Nach § 4 Abs. 2 SGB VI sind auf Antrag versicherungspflichtig Personen, die nicht nur vorübergehend selbstständig tätig sind, wenn sie die Versicherungspflicht innerhalb von fünf Jahren nach der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit oder dem Ende einer Versicherungspflicht aufgrund dieser Tätigkeit beantragen. Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 SGB VI endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen weggefallen sind, also bei Fortfall des für die Antragspflichtversicherung maßgebenden Anknüpfungstatbestands mit Ausnahme des von dem Versicherten gestellten Antrags. Diese Voraussetzung ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht erfüllt, da die Klägerin bis heute nicht nur vorübergehend selbstständig tätig ist. Etwas anderes wird von ihr auch nicht behauptet.

Die Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 2 SGB VI über die Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses ist abschließend mit der Folge, dass die einmal begründete Antragspflichtversicherung von der Klägerin nicht gekündigt, widerrufen oder sonst durch Willenserklärung beendet werden kann (vgl. zum Ganzen BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 6; LSG für das Saarland, Urteil vom 02. September 2005 - L 7 RJ 57/04 - = veröffentlicht in juris). Ein Austrittsrecht aus der Antragspflichtversicherung ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten (BSG a.a.O.).

Die Antragspflichtversicherung für selbstständig Tätige ist auch nicht rückwirkend (§ 142 Abs. 1 BGB) aufgrund der "Anfechtung" vom 02. Juni 2008 entfallen.

Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein Rechtsgeschäft infolge Verkennung seiner rechtlichen Bedeutung eine von der Gewollten wesentlich verschiedene Rechtswirkung erzeugt. Ein Inhaltsirrtum ist allerdings nicht gegeben, wenn ein irrtumsfrei erklärtes und gewolltes Rechtsgeschäft außer der erstrebten Wirkung noch andere nicht erkannte und nicht gewollte Nebenfolgen hervorbringt. Vorliegend hat sich die Klägerin ihrer Behauptung nach über die Unkündbarkeit der Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs. 2 SGB VI geirrt. Ein derartiger Irrtum über die gesetzliche Reichweite der Pflichtversicherung auf Antrag ist jedoch ein unbeachtlicher reiner Rechtsirrtum bzw. ein unbeachtlicher Motivirrtum (vgl. BSG SozR 4-2600 § 7 Nr. 1; BSG, Urteil vom 16. Dezember 1980 - 11 RA 128/79 - = DRV 1981, 253; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. September 2005 - L 2 RI 367/03 - = veröffentlicht in juris). Auch fehlt es an der Einhaltung der erforderlichen Anfechtungsfrist, wonach eine Anfechtung in Fällen des § 119 BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen muss, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). So hätte die Klägerin bereits im Januar 1998 aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 15. Januar 1998, wonach ein Ausscheiden aus der Pflichtversicherung nicht möglich sei, ihren (rechtlich letztlich unbeachtlichen) Irrtum erkennen können, auch wenn sie mündlich andere Informationen erhalten haben sollte. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das gesprochene Wort mehr gilt als die Angaben im schriftlichen Bescheid vom 15. Januar 1998, da dieser Bescheid den eindeutigen Hinweis enthielt, dass die Antragspflichtversicherung unwiderruflich und ein freiwilliges Ausscheiden nicht möglich sei. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt gedrängt sehen müssen, eine Klärung bei der Beklagten - beispielsweise im Widerspruchsverfahren - herbeizuführen. Des Weiteren teilte die Beklagte der Klägerin auf die am 27. April 2006 telefonisch geäußerte Bitte, aus der Versicherungspflicht "aussteigen" zu wollen, mit, dass die Antragspflichtversicherung nicht beendet werden könne. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Klägerin der behauptete Anfechtungsgrund bekannt. Gleichwohl hat sie noch bis Juni 2008 zugewartet, um die "Anfechtung" zu erklären.

Schließlich sind auch die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Antrags auf Pflichtversicherung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht gegeben, da Umstände hierfür nicht erkennbar sind; auch hat die Klägerin die insoweit erforderliche Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB nicht eingehalten. Denn diesbezüglich gilt ebenfalls, dass sie bereits im Januar 1998, jedenfalls aber im Juni 2006 ihren (rechtlich wiederum letztlich unbeachtlichen) Irrtum hätte erkennen können.

Des Weiteren hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI ausscheidet. Danach werden Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben von der Versicherungspflicht befreit, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind; dies gilt jedoch nicht für Bezirksschornsteinfegermeister. Die Klägerin betreibt jedoch ausweislich der Gewerbeanmeldung vom 15. Dezember 1997 keinen Handwerksbetrieb.

Die Klägerin kann einen Anordnungsanspruch auch nicht mit Erfolg auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Denn der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch, der auf Vornahme eine Amtshandlung zur Herstellung des Zustands gerichtet ist, wie er bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses zu dem Berechtigten gegenüber erwachsenen Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zu Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte, tritt gegenüber den spezielleren, die Aufhebung von Verwaltungsakten regelnden Bestimmungen der §§ 44 ff. des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) als subsidiär zurück (vgl. hierzu nur BSGE 60, 158). Soweit sich die Klägerin gegen die Antragspflichtversicherung für selbstständig Tätige, wie sie von der Beklagten mit Bescheid vom 15. Januar 1998 festgestellt wurde, wehren will, stehen der Klägerin mithin speziellere Regelungen zur Aufhebung dieses begünstigenden Verwaltungsaktes zur Verfügung. Hiervon hat die Klägerin jedoch ausweislich der vorliegenden Unterlagen (noch) nicht Gebrauch gemacht.

2.3.2. Des Weiteren liegt auch kein Anordnungsgrund vor. Dies ergibt sich für den Senat zum einen daraus, dass es die Klägerin bislang unterlassen hat, bei der Beklagten einen Antrag auf einkommensgerechte Beitragszahlung zu stellen. Nach § 165 Abs. 1a SGB VI ist abweichend von Abs. 1 Satz 3 der genannten Vorschrift auf Antrag des Versicherten vom laufenden Arbeitseinkommen auszugehen, wenn dieses im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens 30 v.H. geringer ist als das Arbeitseinkommen aus dem letzten Einkommensteuerbescheid. Das laufende Arbeitseinkommen ist durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen. Änderungen des Arbeitseinkommens werden vom ersten des auf die Vorlage der Nachweise folgenden Kalendermonats an berücksichtigt. Das festgestellte laufende Monatseinkommen bleibt so lange maßgebend, bis der Einkommensteuerbescheid über dieses Veranlagungsjahr vorgelegt wird und zu berücksichtigen ist. Auf diese Regelung hat die Beklagte die Klägerin mehrmals (zuletzt mit Schreiben vom 30. Juni 2008) hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass als Nachweis eine betriebswirtschaftliche Auswertung für das erste Halbjahr 2008 und eine Prognose des Steuerberaters für das gesamte Jahr 2008 erforderlich sei. Von dieser Option hat die Klägerin nach derzeitigem Sach- und Streitstand keinen Gebrauch gemacht. Zum anderen liegt ein Anordnungsgrund auch deshalb nicht vor, weil die Beklagte ausweislich ihrer Auskunft vom 06. Februar 2009 bislang keinen Vollstreckungsauftrag für die rückständigen Pflichtbeiträge ab August 2008 gestellt hat.

2.4. Soweit die Klägerin im Beschwerdeverfahren erstmals den (Hilfs-)Antrag gestellt hat, die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 15. Januar 1998 vorläufig einzustellen, kann der Senat offenlassen, ob es sich hierbei um eine zulässige Antragsänderung (vgl. §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 und 2 SGG) handelt. Denn unabhängig davon, dass die Beklagte der Antragsänderung weder zugestimmt noch sich hierzu eingelassen hat und unabhängig davon, dass der Senat eine Antragsänderung nicht für sachdienlich hält, wäre der Hilfsantrag unzulässig. Soweit die Klägerin die Abwendung aktueller Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen sie erstrebt, fehlt es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Beklagte hat ausweislich ihrer Auskunft vom 06. Februar 2009 bislang keinen Vollstreckungsauftrag für die rückständigen Pflichtbeiträge ab August 2008 gestellt.

Soweit die Klägerin die zukünftige Einstellung der Zwangsvollstreckung begehrt, liegen hierfür - die Zulässigkeit des Antrags unterstellt - die Voraussetzungen nicht vor. Grundlage für die Beitragspflicht der Klägerin ist der wirksame Bescheid vom 15. Januar 1998. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hat die Klägerin weder ein Verwaltungs- noch ein Klageverfahren gegen den Bescheid vom 15. Januar 1998 eingeleitet. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist jedoch nur dann statthaft, wenn gegen den zu vollziehenden Verwaltungsakt Widerspruch eingelegt oder Anfechtungsklage erhoben worden ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr. 7).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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