S 39 KR 328/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 39 KR 328/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 15.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin antragsgemäß drei postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Bodylift nach Lockwood, Oberschenkelstraffung bds., Oberarmrekonstruktion bds.) als Sachleistung zu gewähren.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für Bodylift und Hautstraffungsmaßnahmen nach einer erheblichen Gewichtsabnahme.

Die am 11.06.1980 geborene Klägerin hat mit Schreiben vom 03.11.2014 ein Antrag auf Kostenübernahme für folgende Maßnahmen gestellt:

1. Zirkuläre Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood)
2. Oberschenkelrekonstruktion beidseitig
3. Brust- und laterale Thoraxstraffung beidseitig
4. Oberarmrekonstruktion beidseitig.

Laut Eingangsstempel der Beklagten ist der Antrag am 06.11.2014 bei dieser eingegangen. Die Klägerin führte in diesem Antrag aus, sie habe nach einer Schlauchmagen-Operation im Juni 2013 über 60 kg abgenommen. Aufgrund der Abnahme sei eine starke Faltenbildung der Haut durch Erschlaffung dieser entstanden, besonders im Bereich des Bauches, der Brust sowie der Oberarme und Oberschenkelinnenseiten. Ihr Körpergewicht habe zur Zeit der Operation 187 kg bei einer Körpergröße von 173 cm gelegen. Seit vier Monaten liege ihr Körpergewicht konstant bei 117 kg. An den Faltenstellen der Haut habe sie zunehmend Probleme mit wiederkehrenden Entzündungen und Hautreizungen Sie treibe regelmäßig Sport, wobei es durch die Schweißbildung zu übelriechenden Ausschlägen und offenen, juckenden Stelle käme. In den warmen Monaten bestünde dieses Problem auch ohne sportliche Aktivität. Zudem behinderten die Fettschürze am Bauch und die stark erschlafften Brüste erheblich ihre Bewegungsfreiheit bei körperlicher Betätigung und führten zu starken Schmerzen im Rückenbereich.

Diesem Antrag legte die Klägerin zwei ärztliche Atteste des plastischen Chirurgen Dr. M. Sch. vom St. Mauritius-Krankenhaus D. vom 27.10.2014 und vom 08.10.2014 bei, in denen die geplanten Operationen genauer ausgeführt werden. Des Weiteren legte sie ein Attest des behandelnden Orthopäden Dr. St. vom 13.10.2014 und ihres Hausarztes Dr. B. vom 02.10.2014 bei.

Mit Schreiben vom 10.11.2014 informierte die Beklagte die Klägerin, dass der medizinische Dienst der Krankenversicherungen (MDK) weitere Unterlagen zur Beurteilung des Antrags benötige. Es wurden folgende Unterlagen angefordert:

- Entlassungsbericht der Krankenhausbehandlung vom 25.06.2013 bis 28.06.2013,
- Angabe von BH-Größe und Minimalgewicht,
- Fotodokumentation, falls vorhanden.

Des Weiteren teilte die Beklagte mit, dass die Klägerin informieren würde, sobald sämtliche Unterlagen eingegangen seien und eine Entscheidung des MDK vorliege.

Die angeforderten Informationen gingen bei der Beklagten am 21.11.2014 ein. Die Beauftragung des MDK erfolgte am 24.11.2014. Am 09.12.2014 erfolgte die Begutachtung der Klägerin durch den MDK. Das entsprechende Gutachten wurde am 11.12.2014 erstellt und am 12.12.2014 an die Beklagte übersandt. Bei der Begutachtung stellte die Gutachterin des MDK Hautfalten im Bauchbereich, am Rücken, an den Oberarmen und an den Oberschenkeln fest. Hautveränderungen oder Funktionsbeeinträchtigungen konnten nicht festgestellt werden. Darüber hinaus wird in dem Gutachten ausgeführt, dass bei der Klägerin weiterhin ein deutliches Übergewicht mit einen BMI von 3 8,8 kg/m2 vorliege und eine weitere Gewichtsreduktion indiziert sei. Aufgrund der fehlenden Hauterkrankungen und funktionellen Beeinträchtigungen wird eine Kostenübernahme insgesamt abgelehnt.

Mit Bescheid vom 15.12.2014 lehnte die Beklagte aufgrund der Begutachtung durch den MDK die Kostenübernahme ab.

Mit Schreiben vom 15.12.2014, eingegangen am 23.12.2014, erhob die Klägerin Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein ergänzendes Schreiben des plastischen Chirurgen Dr. Sch. des St. Mauritius-Krankenhaus D. vom 16.02.2015 vor.

Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren erneut ein Gutachten des MDK ein, welches am 17.03.2015 erstattet wurde. Darin wird eine Kostenübernahme für die Brustkorrektur empfohlen. Für die übrigen Körperregionen wird keine Kostenübernahme empfohlen. Am 19.03.2015 erließ die Beklagte einen entsprechenden Bescheid zur Kostenübernahme für eine beidseitige Brustkorrektur. Am 20.05.2015 erging ein ablehnender Widerspruchsbescheid bezüglich der weiteren Körperregionen.

Hiergegen legte die Klägerin am 17.06.2015 Klage ein. Zur Begründung führt sie aus, dass ein Anspruch auf die begehrte Sachleistung aus § 13 Abs. 3a S. 6 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) bestünde. Die in § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V vorgeschriebene Frist von 5 Wochen habe die Beklagte nicht eingehalten. Eine gemäß § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V notwendige schriftliche Mitteilung der Beklagten, dass die 5-Wochen-Frist nicht eingehalten werden könne, sei nicht erfolgt. Daher sei die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetreten.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

1. Den Bescheid der Beklagten vom 15.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2015 aufzuheben.
2. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß drei postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Bodylift nach Lockwood, Oberschenkelstraffung bds., Oberarmrekonstruktion bds.) als Sachleistung zu gewähren.
3. Der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V nicht vorliegen. Der Sachleistungsrahmen würde durch die Norm des § 13 Abs. 3a SGB V nicht ausgeweitet. Die Norm eröffne lediglich einen Kostenerstattungsanspruch nach Selbstbeschaffung der Leistung. Des Weiteren stelle die streitgegenständliche Maßnahme eine kosmetische Behandlung dar, welche nicht in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse falle.

Das Gericht hat zur Beweisermittlung Befundberichte eingeholt. Demnach wurde die genehmigte Brustkorrektur im April 2015 durchgeführt.
Mit Schreiben vom 29.06.2016 und vom 04.08.2016 hat das Gericht einen richterlichen Hinweis zur Auslegung des § 13 Abs. 3 SGB V durch das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R) und die Anwendung dieser Auslegung auf den hiesigen Fall erteilt. Mit Schreiben vom 04.08.2016 und vom 28.09.2016 hat das Gericht zudem die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt der vorgenannten Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Die Beteiligten haben ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig und begründet.

Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 15.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2015 ist rechtswidrig, da die Klägerin einen Anspruch auf die beantragten Sachleistungen hat und auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides hatte. Dadurch ist die Klägerin im Sinne des § 54 SGG beschwert.

Die Klägerin hat durch die nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V fingierte Genehmigung einen Anspruch auf die Gewährung der beantragten postbariatrische Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung. Die ablehnenden Bescheide sind daher zur Klarstellung aufzuheben.

I. Der Anspruch der Klägerin auf die begehrte Sachleistung ergibt sich aus § 13 Abs. 3a SGB V.

Der zeitliche Geltungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ist erfasst. Die Regelung erfasst Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.02.2013 gestellt haben. Die Klägerin stellte den Antrag im November 2014. Nach § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V hat die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die GKV eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigte hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a S. 2 SGB V). Kann die GKV die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies der Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a S. 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S. 6 SGB V).

1. Die hier maßgebliche 5-Wochen-Frist des Satz 1 wurde überschritten.

a. Die gemäß Satz 1 grundsätzlich bestehende Frist von drei Wochen verlängerte sich gemäß Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 auf fünf Wochen, da die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme des MDK eingeholt und die Klägerin hierüber – zumindest indirekt – mit Schreiben vom 10.11.2014 informiert hat.

Die Klägerin hat den Antrag am 06.11.2014 gestellt. Die Frist von fünf Wochen endete somit am 11.12.2014. Daher lag zum Zeitpunkt als der ablehnende Bescheid am 15.12.2014 erlassen wurde, bereits eine fingierte Genehmigung vor.

b. Eine Verlängerung der Frist ist nicht eingetreten. Die in Satz 1 und 2 normierte Frist verlängert sich, wenn die GKV gemäß Satz 5 der Versicherten schriftlich unter Darlegung sachlicher Gründe die Fristüberschreitung mitteilt. Eine solche fristverlängernde Mitteilung liegt nicht vor.

Eine explizite Mitteilung im Sinne des Satz 5 erfolgte nicht. Lediglich aus der Einladung zum Untersuchungstermin beim MDK hätte die Klägerin folgern können, dass eine Entscheidung nicht vor dem Termin beim MDK am 09.12.2014 ergehen würde.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 08.03.2016 hohe Anforderungen an die fristverlängernde Mitteilung des Satz 5 gestellt. Eine Mitteilung müsse die taggenaue Prognose, bis wann die Entscheidung ergeht, enthalten (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R –, Rn. 20). Da die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V einen Bescheid der Beklagten ersetzt, ist diese strenge Anforderung an die Mitteilung des Satz 5 überzeugend. Denn nur mit einer taggenauen Frist kann eine ausreichende Rechtssicherheit über das Entstehen des Anspruchs erreicht werden.

Ob eine indirekte Mitteilung, dadurch dass die Beklagte erkennen konnte, dass vor einem bestimmten Ereignis (Einreichung von Unterlagen; Untersuchung durch den MDK) keine Entscheidung getroffen wird, auch ausreichen könnte, kann hier offen bleiben (vgl. dazu u.a. Sozialgericht (SG) München, Gerichtsbescheid vom 25.01.2016 – S 44 KR 902/15 –, Rn. 27; SG Nürnberg, Urteil vom 30.04.2015 – S 7 KR 496/14 –, Rn. 30 f.). Denn spätestens ab dem Tag der Untersuchung durch den MDK war für die Beklagte nicht erkennbar, welche Schritte für die Beklagte zur Bearbeitung noch nötig waren und somit ist keinerlei Datum erkennbar, welches als verlängerte Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V interpretiert werden könnte.

2. Nach Ablauf der Frist entsteht ein Anspruch auf die beantragte Sachleistung, da der Antrag als genehmigt gilt (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V).

Nach dem Wortlaut des Satz 6 gilt der Antrag mit Ablauf der Frist als genehmigt. Durch die fingierte Genehmigung kann die Versicherte die beantragte Sachleistung entsprechend dem für das SGB V grundlegende Sachleistungsprinzip in Anspruch nehmen.
§ 13 SGB V beinhaltet zwar grundsätzlich Regelungen zur Kostenerstattung, weshalb eine Sachleistung von der Systematik der Norm abweicht. Dennoch ergibt sich aus der Auslegung der Regelung, dass diese einen Anspruch auf Sachleistung gewährt (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R –, Rn. 25; ausführlich Landessozialgericht (LSG) NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 7; u.a. auch SG Speyer, Urteil vom 14.07.2016 – S 13 KR 245/15 –, Rn. 32 ff.; SG Aachen, Urteil vom 21.06.2016 – S 13 KR 292/14 –, Rn. 37 f.; a.A. noch Hessisches LSG, Urteil vom 10.12.2015 – L 1 KR 413/14 –, Rn. 32 ff.). Neben dem schon genannten Wortlaut des Satz 6 folgt dies auch aus dem systematischen Vergleich von Satz 6 und Satz 7 (LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 7). Andernfalls hätte Satz 6 keinen eigenständigen Regelungsgehalt.
Der Sachleistungsanspruch entspricht zudem der Grundkonzeption des SGB V und auch des § 13 SGB V. Die Kostenerstattung in Abs. 3 und Abs. 3a Satz 7 des § 13 SGB V wird lediglich deswegen gewährt, weil der Versicherte sich wegen eines Versagens (der zur Sachleistung verpflichteten) GKV die Leistung selbst beschafft hat; eine Verpflichtung zur Sachleistung also hinfällig ist. In Fällen, in denen die Sachleistung hingegen noch möglich ist, ist diese zu erbringen. Selbst wenn Satz 6 keinen Anspruch auf eine Sachleistung gewähren würde, wäre in dem Anspruch auf Kostenerstattung der Anspruch auf Kostenfreistellung enthalten, so dass der Anspruch der Versicherten nicht von einer eigenen Vorleistung abhängen kann (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 7). Dies entspricht auch einer Auslegung des § 13 Abs. 3a SGB V im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R –, Rn. 25; LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 7).

3. Der Antrag war auch ausreichend konkret, um fiktionsfähig zu sein und richtete sich auf eine Leistung, die im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V als erforderliche Leistung anzusehen ist.

Die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Leistung ist keine Voraussetzung eines Anspruchs nach § 13 Abs. 3a SGB V (vgl. u.a. LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 9; SG Köln, Urteil vom 21.12.2015 – S 12 KR 460/15 –, Rn. 20; SG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2015 – S 9 KR 903/14 – Rn. 32). Dies ergibt sich aus einer systematischen und teleologischen Auslegung, denn andernfalls wäre die Regelung ihrer Funktion beraubt. Würde der Sachleistungsanspruch nach § 13 Abs. 3a SGB V eine vorherige Prüfung der medizinischen Notwendigkeit voraussetzen, hätte § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V keinen eigenen Anwendungsbereich, da sich der Anspruch bereits aus den sonstigen Normen des SGB V ergäbe. Auch der vom Gesetzgeber vorgesehene Sanktionszweck der Regelung legt nahe, dass die GKV mit materiell-rechtlichen Einwendungen ausgeschlossen ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 9; SG Köln, Urteil vom 21.12.2015 – S 12 KR 460/15 –, Rn. 20). Demnach ist die Voraussetzung lediglich, dass der Versicherte die beantragte Leistung für erforderlich halten durfte und die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R –, Rn. 26).

Die begehrte Körperstraffung bei einer Bildung von Weichteilüberschüssen und Hautfalten aufgrund einer erheblichen Reduzierung des Körpergewichtes ist keine Leistung, die offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der GKV liegt und wurde von der Klägerin auch für erforderlich gehalten und durfte von ihr für erforderlich gehalten werden.

Die Beklagte hat zu Recht vorgebracht, dass rein kosmetische Operationen nicht von der Leistungspflicht der GKV erfasst sind. Diese Einwendung lässt im vorliegenden Fall die Genehmigungsfiktion jedoch nicht entfallen, da es nicht abstrakt darauf ankommt, ob kosmetische Operationen vom Leistungskatalog erfasst sind. Es kommt vielmehr drauf an, ob die begehrten Operationen offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges liegen. Dass die begehrte Leistung grundsätzlich eine Leistung der GKV sein kann, hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren offenkundig angenommen. Andersfalls hätte sie die Leistung ohne vorherige körperliche Begutachtung durch den MDK ablehnen können. Dass die Leistung grundsätzlich vom Leistungskatalog der Beklagten erfasst ist, ergibt sich auch daraus, dass die Beklagte den Antrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren teilweise genehmigt hat. Die begehrte Operation also zumindest für den Brustbereich als von ihrer Leistungsverpflichtung erfasst ansah. Auch im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte mitgeteilt, dass die beantragten Maßnahmen in medizinisch notwendigen Fällen zu Lasten der GKV erbracht werden dürfen.

Die streitgegenständlichen Operationen sind grundsätzlich vom Leistungskatalog erfasst und es kommt für die Leistungspflicht der GKV lediglich darauf an, ob die Operation im konkreten Einzelfall medizinisch indiziert ist. Genau diese medizinische Einzelfallprüfung wird durch die Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V jedoch entbehrlich. Die Argumentation der Beklagten aus der fehlenden Indikation ergebe sich die Tatsache, dass eine kosmetische Operation vorliege und daraus wiederum die Tatsache, dass die Operation offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs läge, wird der Konzeption des § 13 Abs. 3a SGB V nicht gerecht und kann nicht überzeugen. Diese Argumentation wäre nur in dem Falle tragfähig, wenn jede Straffungsoperation eine rein kosmetische Operation ohne medizinische Indikation wäre. Dies ist wie oben dargelegt nicht der Fall.

3. Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (vgl. Satz 9).

II. Ein Leistungsanspruch nach § 27 i.Vm. § 39 SGB V war nicht mehr zu prüfen, da sich der Leistungsanspruch bereits aus § 13 Abs. 3a SGB V ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 183, 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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