Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 V 943/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 2590/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Zahlung von Waisenbeihilfe zum 01. Juni 2004 wegen wesentlicher Veränderung des Verhältnisse eingestellt hat.
Die 1939 geborene Klägerin ist die Tochter des 1911 geborenen und 1987 verstorbenen E. O. (E.O.) und der der 1908 geborenen K. O. (K.O.). E.O. bezog zuletzt Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 90 vom Hundert (v.H.); neben der Grundrente bezog er u.a. Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich. Nach dem Tod des E.O., für den die Folgen seiner Schädigung nicht ursächlich waren, bewilligte das frühere Versorgungsamt S. (VA) K.O. mit Bescheid vom 15. August 1988 Witwenbeihilfe, und zwar Grundrente sowie unter Anrechnung von Zinseinkünften auch Ausgleichsrente. Einen ersten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Waisenbeihilfe lehnte das VA mit der Begründung ab, eine schädigungsbedingte Minderung ihrer Hinterbliebenenversorgung sei nicht ersichtlich.
Anlässlich eines neuerlichen Antrags bewilligte das VA der Klägerin dann mit Bescheid vom 22. April 1992 Waisenbeihilfe (Grund- und Ausgleichsrente) ab 01. März 1992. Dabei legte es zugrunde, dass die Klägerin wegen einer "Debilität erheblichen Grades" bei Vollendung des 18. bzw. 27. Lebensjahres infolge körperlicher und geistiger Gebrechen außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Bei der Berechnung der Ausgleichsrente berücksichtigte das VA in den Folgejahren jeweils die von der Klägerin seitens der damaligen Landesversicherungsanstalt Württemberg bezogene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, Zinserträge aus Spareinlagen bei der K. (Konto-Nr. ) und der V. (Konto-Nr. ) sowie aus einem Bausparvertrag bei der Bausparkasse W. (Vertrags-Nr. ).
1993 verstarb die Mutter der Klägerin. Anstelle der Halbwaisenbeihilfe gewährte das VA mit Bescheid vom 27. September 1993 sodann ab 01. Juni 1993 Vollwaisenbeihilfe. Bei der Ausgleichsrente wurden neben den schon bisher angerechneten Zinserträgen aus dem Kapitalvermögen der Klägerin nunmehr auch Zinseinkünfte aus dem Erbe ihrer Mutter angerechnet, die ihr aus der zunächst noch ungeteilten Erbengemeinschaft mit ihrer Schwester und nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Frühjahr 1998 zuflossen.
Im Rahmen einer vom VA durchgeführten Überprüfungsaktion "Einsatz des Vermögens" bei über das 27. Lebensjahr hinaus weitergezahlten Waisenrenten wegen Gebrechlichkeit gab die Klägerin zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen unter dem 09. März 2004 an, Eigentümerin bzw. Miteigentümerin eines bebauten Grundstücks (Wert ca. 180.000,00 EUR) zu sein, das sie selbst nutze und aus dem sie keinerlei Einkünfte erziele. Ferner erziele sie neben einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit Pachteinnahmen aus landwirtschaftlichen Flurstücken von jährlich ca. 30,00 EUR sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dieses Vermögen belaufe sich auf 100.939,00 EUR. Das VA berechnete nunmehr die Höhe des Vermögens, das die Klägerin zur Deckung ihres Lebensbedarfs einzusetzen habe. Dabei legte es das mitgeteilte Kapitalvermögen in Höhe von 100.939,00 EUR zu Grunde, von dem sie den Betrag des Kapitalvermögens in Abzug brachte, über den die Klägerin bereits vor Erteilung des Bescheids vom 22. April 1992 verfügt hatte, insgesamt 26.838,17 DM bzw. 13.722,14 EUR (K.: 3.761,86 DM; V.: 17.780,09 DM, Bausparguthaben: 5.296,22 DM). Aus dem daraus ermittelten Gesamtbetrag in Höhe von 87.216,86 EUR brachte das VA einen Schonbetrag in Höhe von 10.277,00 EUR in Abzug und gelangte insgesamt zu dem Vermögensbetrag in Höhe von 76.939,86 EUR, der der Klägerin zur Deckung des Lebensbedarfs verbleibe. Der Wert des von der Klägerin selbst bewohnten Haus- und Grundbesitzes blieb unberücksichtigt.
Nach Anhörung der Klägerin stellte das VA mit Bescheid vom 03. Mai 2004 fest, dass die Klägerin auf Grund der Höhe ihres Vermögens keinen Anspruch auf Waisenversorgung wegen Gebrechlichkeit mehr habe. Nach dem Tod ihrer Mutter habe die Klägerin ein Vermögen vor allem bestehend aus Kapitalanlagen geerbt, durch dessen Verbrauch und die erzielten Zinsen sie in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, was den Wegfall der Waisenbeihilfe zur Folge habe. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Juni 2001 (B 9 V 4/01 R) hätten Waisen über 27 Jahren zur Deckung des eigenen Unterhalts nicht nur Erträge, sondern auch den Vermögensstamm einzusetzen. Vor Erteilung des Grundbescheides vom 22. April 1992 habe die Klägerin über Kapitalvermögen in Höhe von 13.722,14 EUR verfügt, das der Bewilligung der Waisenbeihilfe seinerzeit nicht entgegengestanden habe und auch gegenwärtig außer Betracht bleibe. Das Gesamtvermögen von 100.939,00 EUR werde um diesen Betrag gekürzt, wobei unter Abzug eines weiteren Schonbetrages von 10.277,00 EUR ein Betrag von 76.939,00 EUR verbleibe, zu dessen Verbrauch die Klägerin verpflichtet sei. Gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) sei ein Anspruch auf Waisenbeihilfe mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab 01. Juni 2004 zu verneinen. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, eine Rücknahme der begünstigenden Entscheidung sei wegen Ablaufs der Zweijahresfrist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Auch die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X sei bereits abgelaufen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB X sei eingetreten, weshalb die Zahlung der Witwenbeihilfe mit Bescheid vom 03. Mai 2004 zum 01. Juni 2004 einzustellen gewesen sei. Eine Zweijahresfrist sei nicht zu beachten, da § 48 Abs. 4 SGB X nicht auf § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X verweise. Im Übrigen schließe die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SGB X lediglich die Rücknahme für die Vergangenheit aus, nicht dagegen die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft.
Am 22. Februar 2005 erhob die Klägerin dagegen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie geltend machte, durch die Verweisung in § 48 Abs. 4 SGB X auf § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X sei die Rücknahme eines Verwaltungsakts nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zulässig. Nach Abs. 2 Satz 1 der Regelung sei dabei der Vertrauensschutz zu prüfen, wobei bei der Abwägung die mehrfache Wiederholung einer nicht zustehenden Begünstigung trotz Kenntnis der Umstände sowie der lange zeitliche Abstand zwischen Bewilligung und Rücknahme zu beachten sei. Die Zehnjahresfrist, die mit Kenntnisnahme von den Rücknahmegründen am 24. September 1993 begonnen habe, habe im Übrigen bereits vor Erteilung des Rücknahmebescheids, und zwar am 23. September 2003 geendet. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG; Urteil vom 12. Juni 2001, a.a.O.) seien nicht nur die Einkünfte aus dem Vermögen, sondern auch der Vermögensstamm zur Deckung des eigenen Unterhalts einzusetzen. Mit Urteil von 27. März 2007 hob das SG den Bescheid des Beklagten vom 03. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 auf und führte zur Begründung aus, im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse, die dem Bescheid vom 27. September 1993 zu Grunde gelegen hätten, nicht geändert. Denn bereits zum damaligen Zeitpunkt habe die Klägerin neben ihrer Schwester das elterliche Anwesen und die anderen Vermögensbestandteile geerbt gehabt. In Kenntnis dieser Umstände habe der Beklagte in der Folgezeit den Anspruch auf Waisenbeihilfe jeweils neu festgestellt. Auch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse liege nicht vor, da im Hinblick auf die Singularität der Entscheidung des BSG vom 12. Juni 2001 (a.a.O.) nicht von einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen werden könne. Letztlich sei die Rücknahme der Bewilligungsentscheidung auch nicht innerhalb des Zehnjahreszeitraums erfolgt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Beklagten am 08. Mai 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 23. Mai 2007 hat der Beklagte dagegen Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und vorgetragen, die hier maßgebliche Grundentscheidung, mit der Waisenrente wegen Gebrechlichkeit gewährt worden sei, sei der Bescheid vom 22. April 1992. Im Hinblick auf den Vermögenszufluss nach dem Tod der K.O. im Jahr 1993 sei im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eine wesentliche Änderung gegenüber der Grundentscheidung eingetreten. Eine Verwertung des Vermögens werde nur ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Grundentscheidung das Vermögen bereits vorhanden gewesen sei. Im Falle der Klägerin sei deshalb auch das vor 1992 bereits vorhanden gewesene Vermögen unberücksichtigt geblieben; das nach dem Tod der Mutter zugeflossene Vermögen sei demgegenüber zu berücksichtigen. Letztlich schließe der Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 48 Abs. 4 SGB X die Neufeststellung auch nur mit Wirkung für die Vergangenheit aus, nicht jedoch die Neufeststellung mit Wirkung für die Zukunft. Allerdings sei die Zehnjahresfrist zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt am 15. April 1998 (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X) aber auch noch nicht abgelaufen gewesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Vorliegend seien die Verhältnisse maßgeblich, die dem Bescheid vom 27. September 1993 zu Grunde gelegen hätten. Zu diesem Zeitpunkt seien dem Beklagten aber die vererbten Vermögensbestandteile bekannt gewesen. In voller Kenntnis dieser Umstände sei in den Folgejahren der Anspruch auf Waisenrente neu festgestellt worden, wodurch sie in ihrem Vertrauen bestätigt worden sei. Eine allenfalls in Betracht kommende wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse liege jedoch gleichfalls nicht vor, da von einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die von dem Beklagten herangezogene Entscheidung des BSG vom 12. Juni 2001, die einen hier direkt nicht vergleichbaren Sachverhalt betreffe und noch keine gleichlautende Folgeentscheidung nach sich gezogen habe, nicht gesprochen werden könne.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet.
Das SG hätte den Bescheid des Beklagten vom 03. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2005 nicht aufheben dürfen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin das ihr nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1993 zugeflossene Vermögen zur Bestreitung ihres Unterhaltsbedarfs einzusetzen hat und nicht nur die aus diesem Vermögen erzielten Erträge. Im Hinblick auf die Höhe dieses Vermögens war ihre Bedürftigkeit jedenfalls zum 1. Juni 2004 entfallen. Rechtlich ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte mit Bescheid vom 03. Mai 2004 mit Wirkung für die Zukunft, mithin ab 01. Juni 2004 die Einstellung der bisherigen Zahlungen verfügt hat.
Gemäß § 48 Abs. 1 BVG ist u.a. den Waisen (§ 45 BVG) eine Waisenbeihilfe zu zahlen, wenn der rentenberechtigte Beschädigte nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben ist und durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung um den in der Vorschrift näher aufgeführten Vomhundertsatz gemindert ist. Mit der Verweisung auf die den Anspruch auf Waisenrente regelnde Vorschrift des § 45 BVG wird der Personenkreis der waisenrentenberechtigten Waisen dahingehend bestimmt, dass die Leistungsberechtigung grundsätzlich auf Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres beschränkt ist (§ 45 Abs. 1 BVG). Nach Abs. 3 der Regelung wird Waisenrente unter bestimmten Voraussetzungen allerdings auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres gewährt, und zwar nach der hier einschlägigen Regelung (Buchstabe d) an solche Kinder, die in Folge körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung spätestens bei Vollendung des 27. Lebensjahres außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, solange dieser Zustand dauert, über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus jedoch nur, wenn ihr Ehegatte oder Lebenspartner außer Stande ist, sie zu unterhalten.
In Übereinstimmung mit der Auffassung des BSG (a.a.O.) geht auch der Senat davon aus, dass die Vorschrift des § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG eine Bedürftigkeitsregelung enthält, was zur Folge hat, dass der Anspruch auf die entsprechende Leistung nur solange besteht, wie die Waise ihren angemessenen Unterhaltsbedarf nicht anderweitig vollständig decken kann. Da die Regelung den vorrangigen Einsatz eigener Mittel zur Existenzsicherung selbst auch nicht begrenzt, weder nach der Art der einzusetzenden Mittel noch nach deren Höhe, ist eine Waise auch grundsätzlich gehalten, den Stamm ihres Vermögens einzusetzen. Dass der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden diese Verpflichtung der Klägerin mit Wirkung ab 1. Juni 2004 festgestellt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für diese Entscheidung des Beklagten ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen (BSG, Urteil vom 08. Mai 1981 - 9 RVS 4/80 = SozR 3100 Nr. 21 zu § 62 BVG).
Vergleichszeitpunkt ist entgegen der auch von der Klägerin geteilten Ansicht des SG vorliegend nicht der Zeitpunkt der Bewilligung von Vollwaisenrente, mithin der 27. September 1993, sondern vielmehr der Zeitpunkt, in dem der Beklagte erstmals über die Bewilligung von Waisenbeihilfe nach Vollendung des 27. Lebensjahres entschieden hat. Maßgeblich ist also der Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 22. April 1992. Denn maßgeblicher Ursprungs- (Vergleichs-) Bescheid ist derjenige, in dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmalig entschieden worden ist. Abzustellen ist also auf den Regelungsgehalt (vgl. Steinwedel in KassKomm, Rdz. 16 zu § 48 SGB X m.N.). Mit dem Bescheid vom 22. April 1992 hatte der Beklagte der Klägerin Waisenbeihilfe unter Anrechnung u.a. ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen, jedoch ohne Berücksichtigung des Stamms ihres Vermögens bewilligt, das damals 26.838,17 DM betrug. Mit dem Bescheid vom 27. September 1993 wurde dieser Bescheid lediglich dahingehend abgeändert, dass die bisher gezahlte Halbwaisenbeihilfe auf den Betrag der Vollwaisenbeihilfe erhöht wurde und Erträgnisse auch aus der angefallenen Erbschaft anzurechnen waren. Über die Frage der Berücksichtigung des Vermögensstamms wurde keine neue Entscheidung getroffen. Ebenso hat dies das BSG in der bereits erwähnten Entscheidung vom 12. Juni 2001 gesehen, der ein dem vorliegenden Verfahren vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag.
Seit dem Vergleichsbescheid vom 22. April 1992 ist eine wesentliche Änderung in den für die Gewährung von Waisenbeihilfe maßgeblichen Verhältnissen dadurch eingetreten, dass der Klägerin am 27. Mai 1993 mit dem Tod ihrer Mutter eine Erbschaft zugefallen ist, die es ihr ermöglicht hat, sich hieraus selbst zu unterhalten. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, hierzu sei die Klägerin auch schon bei Erteilung des Bescheids vom 22. April 1992 in der Lage gewesen, weil sie damals über ein Vermögen von 26.838,17 DM verfügt habe. Die Regelung des § 48 SGB X unterscheidet nämlich nach ihrem Wortlaut nicht danach, ob der Vergleichsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war. Allerdings ist nach Sinn und Zweck der Regelung die Anwendung auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung ausgeschlossen, soweit dadurch der Vertrauensschutz eines Betroffenen, wie er sich aus der Regelung des § 45 SGB X ergibt, unterlaufen würde. Im Übrigen ist § 48 SGB X aber auch auf von Anfang an rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte anwendbar. Das ist insbesondere bei einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse der Fall (BSG vom 07. April 2005 - B 3 P 8/04 R = BSGE 95, 75ff.). Im vorliegenden Fall war der Bescheid vom 22. April 1992 von Anfang an rechtswidrig, weil von der Klägerin nicht verlangt wurde, den Stamm ihres damaligen Vermögens einzusetzen, was die Entstehung des Anspruchs verhindert hätte. Dies kann aber nicht bedeuten, dass jegliche künftigen Vermögenszuwächse außer Betracht zu bleiben hätten. Das nach § 45 SGB X zu schützende Vertrauen beschränkt sich vielmehr darauf, dass bei späteren Vermögenszuwächsen das bei Erteilung des Vergleichsbescheids vom 22. April 1992 vorhanden gewesene Vermögen außer Betracht bleibt, unabhängig davon, ob es im Zeitpunkt des Anfalls der zusätzlichen Vermögenswerte noch in dieser Höhe vorhanden war oder nicht. Genau so ist der Beklagte verfahren, indem er bei der Berechnung des Vermögenszuwachses durch die Erbschaft im Jahr 1993 den Betrag von 26.838,17 DM vom Gesamtvermögen in Abzug gebracht hat.
Somit ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgegangen ist. Denn nach Erteilung des Bescheids vom 22. April 1992 haben sich die tatsächlichen Verhältnisse, die der Gewährung von Waisenbeihilfe zugrunde gelegen haben, wesentlich, d.h. rechtserheblich dahingehend geändert, dass der Klägerin nach dem Anfall der Erbschaft im Jahr 1993 und der Erbauseinandersetzung mit ihrer Schwester Vermögensteile in einem Umfang zugeflossen sind, die es ihr ermöglicht haben, sich hieraus selbst zu unterhalten.
Auf die Vorschrift des § 48 Abs. 2 SGB X kann sich die Klägerin nicht berufen. Zwar wird hier vorausgesetzt, dass der zuständige Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsakts. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass sich dieses zu Gunsten des Berechtigten auswirkt. Mit seinem Urteil vom 12. Juni 2001 hat das BSG zwar die Vorschrift des § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG anders ausgelegt als die Verwaltung mit der Verwaltungsvorschrift Nr. 1 zu § 45 BVG in Verbindung mit Nr. 14 zu § 33 b BVG, wonach Waisen im Rahmen des § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG den Stamm ihres Vermögens zur Deckung ihres Lebensunterhalts nicht einzusetzen brauchten. Dies wirkt sich jedoch, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, zu Ungunsten der Betroffenen aus. Im Übrigen stellt die Ausbildung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG durch das Urteil vom 12. Juni 2001 keine Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar, weil hierdurch lediglich das Recht nachträglich richtig erkannt worden ist, so dass es auf die vom SG aufgeworfene Frage, ob eine einzelne höchstrichterliche Entscheidung eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung darstelle, die ihrerseits unter das Tatbestandmerkmal einer Änderung der wesentlichen "rechtlichen" Verhältnisse gefasst werden könnte, nicht ankam.
Letztlich steht der mit Bescheid vom 03. Mai 2004 verfügten Einstellung der Weiterzahlung von Waisenbeihilfe mit Wirkung ab 01. Juni 2004 auch nicht der Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, der über die Verweisungsvorschrift des § 48 Abs. 4 SGB X heranzuziehen ist, entgegen. Denn zehn Jahre nach einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Ungunsten des Betroffenen ist nur die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts ausgeschlossen. Mit Wirkung für die Zukunft können Bescheide mit Dauerwirkung aber auch dann noch wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn seit der Änderung - wie vorliegend - mehr als zehn Jahre verstrichen sind. Zu dieser Rechtsfrage hat sich das BSG in seinem Urteil vom 11. Dezember 1992 (9a RV 20/90) ausführlich geäußert, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen verweist.
Nach alledem konnte das Urteil des SG keinen Bestand haben und war daher aufzuheben. Gleichzeitig war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Zahlung von Waisenbeihilfe zum 01. Juni 2004 wegen wesentlicher Veränderung des Verhältnisse eingestellt hat.
Die 1939 geborene Klägerin ist die Tochter des 1911 geborenen und 1987 verstorbenen E. O. (E.O.) und der der 1908 geborenen K. O. (K.O.). E.O. bezog zuletzt Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 90 vom Hundert (v.H.); neben der Grundrente bezog er u.a. Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich. Nach dem Tod des E.O., für den die Folgen seiner Schädigung nicht ursächlich waren, bewilligte das frühere Versorgungsamt S. (VA) K.O. mit Bescheid vom 15. August 1988 Witwenbeihilfe, und zwar Grundrente sowie unter Anrechnung von Zinseinkünften auch Ausgleichsrente. Einen ersten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Waisenbeihilfe lehnte das VA mit der Begründung ab, eine schädigungsbedingte Minderung ihrer Hinterbliebenenversorgung sei nicht ersichtlich.
Anlässlich eines neuerlichen Antrags bewilligte das VA der Klägerin dann mit Bescheid vom 22. April 1992 Waisenbeihilfe (Grund- und Ausgleichsrente) ab 01. März 1992. Dabei legte es zugrunde, dass die Klägerin wegen einer "Debilität erheblichen Grades" bei Vollendung des 18. bzw. 27. Lebensjahres infolge körperlicher und geistiger Gebrechen außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Bei der Berechnung der Ausgleichsrente berücksichtigte das VA in den Folgejahren jeweils die von der Klägerin seitens der damaligen Landesversicherungsanstalt Württemberg bezogene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, Zinserträge aus Spareinlagen bei der K. (Konto-Nr. ) und der V. (Konto-Nr. ) sowie aus einem Bausparvertrag bei der Bausparkasse W. (Vertrags-Nr. ).
1993 verstarb die Mutter der Klägerin. Anstelle der Halbwaisenbeihilfe gewährte das VA mit Bescheid vom 27. September 1993 sodann ab 01. Juni 1993 Vollwaisenbeihilfe. Bei der Ausgleichsrente wurden neben den schon bisher angerechneten Zinserträgen aus dem Kapitalvermögen der Klägerin nunmehr auch Zinseinkünfte aus dem Erbe ihrer Mutter angerechnet, die ihr aus der zunächst noch ungeteilten Erbengemeinschaft mit ihrer Schwester und nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Frühjahr 1998 zuflossen.
Im Rahmen einer vom VA durchgeführten Überprüfungsaktion "Einsatz des Vermögens" bei über das 27. Lebensjahr hinaus weitergezahlten Waisenrenten wegen Gebrechlichkeit gab die Klägerin zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen unter dem 09. März 2004 an, Eigentümerin bzw. Miteigentümerin eines bebauten Grundstücks (Wert ca. 180.000,00 EUR) zu sein, das sie selbst nutze und aus dem sie keinerlei Einkünfte erziele. Ferner erziele sie neben einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit Pachteinnahmen aus landwirtschaftlichen Flurstücken von jährlich ca. 30,00 EUR sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dieses Vermögen belaufe sich auf 100.939,00 EUR. Das VA berechnete nunmehr die Höhe des Vermögens, das die Klägerin zur Deckung ihres Lebensbedarfs einzusetzen habe. Dabei legte es das mitgeteilte Kapitalvermögen in Höhe von 100.939,00 EUR zu Grunde, von dem sie den Betrag des Kapitalvermögens in Abzug brachte, über den die Klägerin bereits vor Erteilung des Bescheids vom 22. April 1992 verfügt hatte, insgesamt 26.838,17 DM bzw. 13.722,14 EUR (K.: 3.761,86 DM; V.: 17.780,09 DM, Bausparguthaben: 5.296,22 DM). Aus dem daraus ermittelten Gesamtbetrag in Höhe von 87.216,86 EUR brachte das VA einen Schonbetrag in Höhe von 10.277,00 EUR in Abzug und gelangte insgesamt zu dem Vermögensbetrag in Höhe von 76.939,86 EUR, der der Klägerin zur Deckung des Lebensbedarfs verbleibe. Der Wert des von der Klägerin selbst bewohnten Haus- und Grundbesitzes blieb unberücksichtigt.
Nach Anhörung der Klägerin stellte das VA mit Bescheid vom 03. Mai 2004 fest, dass die Klägerin auf Grund der Höhe ihres Vermögens keinen Anspruch auf Waisenversorgung wegen Gebrechlichkeit mehr habe. Nach dem Tod ihrer Mutter habe die Klägerin ein Vermögen vor allem bestehend aus Kapitalanlagen geerbt, durch dessen Verbrauch und die erzielten Zinsen sie in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, was den Wegfall der Waisenbeihilfe zur Folge habe. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Juni 2001 (B 9 V 4/01 R) hätten Waisen über 27 Jahren zur Deckung des eigenen Unterhalts nicht nur Erträge, sondern auch den Vermögensstamm einzusetzen. Vor Erteilung des Grundbescheides vom 22. April 1992 habe die Klägerin über Kapitalvermögen in Höhe von 13.722,14 EUR verfügt, das der Bewilligung der Waisenbeihilfe seinerzeit nicht entgegengestanden habe und auch gegenwärtig außer Betracht bleibe. Das Gesamtvermögen von 100.939,00 EUR werde um diesen Betrag gekürzt, wobei unter Abzug eines weiteren Schonbetrages von 10.277,00 EUR ein Betrag von 76.939,00 EUR verbleibe, zu dessen Verbrauch die Klägerin verpflichtet sei. Gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) sei ein Anspruch auf Waisenbeihilfe mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab 01. Juni 2004 zu verneinen. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, eine Rücknahme der begünstigenden Entscheidung sei wegen Ablaufs der Zweijahresfrist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Auch die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X sei bereits abgelaufen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB X sei eingetreten, weshalb die Zahlung der Witwenbeihilfe mit Bescheid vom 03. Mai 2004 zum 01. Juni 2004 einzustellen gewesen sei. Eine Zweijahresfrist sei nicht zu beachten, da § 48 Abs. 4 SGB X nicht auf § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X verweise. Im Übrigen schließe die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SGB X lediglich die Rücknahme für die Vergangenheit aus, nicht dagegen die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft.
Am 22. Februar 2005 erhob die Klägerin dagegen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie geltend machte, durch die Verweisung in § 48 Abs. 4 SGB X auf § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X sei die Rücknahme eines Verwaltungsakts nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zulässig. Nach Abs. 2 Satz 1 der Regelung sei dabei der Vertrauensschutz zu prüfen, wobei bei der Abwägung die mehrfache Wiederholung einer nicht zustehenden Begünstigung trotz Kenntnis der Umstände sowie der lange zeitliche Abstand zwischen Bewilligung und Rücknahme zu beachten sei. Die Zehnjahresfrist, die mit Kenntnisnahme von den Rücknahmegründen am 24. September 1993 begonnen habe, habe im Übrigen bereits vor Erteilung des Rücknahmebescheids, und zwar am 23. September 2003 geendet. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG; Urteil vom 12. Juni 2001, a.a.O.) seien nicht nur die Einkünfte aus dem Vermögen, sondern auch der Vermögensstamm zur Deckung des eigenen Unterhalts einzusetzen. Mit Urteil von 27. März 2007 hob das SG den Bescheid des Beklagten vom 03. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 auf und führte zur Begründung aus, im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse, die dem Bescheid vom 27. September 1993 zu Grunde gelegen hätten, nicht geändert. Denn bereits zum damaligen Zeitpunkt habe die Klägerin neben ihrer Schwester das elterliche Anwesen und die anderen Vermögensbestandteile geerbt gehabt. In Kenntnis dieser Umstände habe der Beklagte in der Folgezeit den Anspruch auf Waisenbeihilfe jeweils neu festgestellt. Auch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse liege nicht vor, da im Hinblick auf die Singularität der Entscheidung des BSG vom 12. Juni 2001 (a.a.O.) nicht von einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen werden könne. Letztlich sei die Rücknahme der Bewilligungsentscheidung auch nicht innerhalb des Zehnjahreszeitraums erfolgt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Beklagten am 08. Mai 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 23. Mai 2007 hat der Beklagte dagegen Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und vorgetragen, die hier maßgebliche Grundentscheidung, mit der Waisenrente wegen Gebrechlichkeit gewährt worden sei, sei der Bescheid vom 22. April 1992. Im Hinblick auf den Vermögenszufluss nach dem Tod der K.O. im Jahr 1993 sei im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eine wesentliche Änderung gegenüber der Grundentscheidung eingetreten. Eine Verwertung des Vermögens werde nur ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Grundentscheidung das Vermögen bereits vorhanden gewesen sei. Im Falle der Klägerin sei deshalb auch das vor 1992 bereits vorhanden gewesene Vermögen unberücksichtigt geblieben; das nach dem Tod der Mutter zugeflossene Vermögen sei demgegenüber zu berücksichtigen. Letztlich schließe der Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 48 Abs. 4 SGB X die Neufeststellung auch nur mit Wirkung für die Vergangenheit aus, nicht jedoch die Neufeststellung mit Wirkung für die Zukunft. Allerdings sei die Zehnjahresfrist zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt am 15. April 1998 (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X) aber auch noch nicht abgelaufen gewesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Vorliegend seien die Verhältnisse maßgeblich, die dem Bescheid vom 27. September 1993 zu Grunde gelegen hätten. Zu diesem Zeitpunkt seien dem Beklagten aber die vererbten Vermögensbestandteile bekannt gewesen. In voller Kenntnis dieser Umstände sei in den Folgejahren der Anspruch auf Waisenrente neu festgestellt worden, wodurch sie in ihrem Vertrauen bestätigt worden sei. Eine allenfalls in Betracht kommende wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse liege jedoch gleichfalls nicht vor, da von einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die von dem Beklagten herangezogene Entscheidung des BSG vom 12. Juni 2001, die einen hier direkt nicht vergleichbaren Sachverhalt betreffe und noch keine gleichlautende Folgeentscheidung nach sich gezogen habe, nicht gesprochen werden könne.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet.
Das SG hätte den Bescheid des Beklagten vom 03. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2005 nicht aufheben dürfen. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin das ihr nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1993 zugeflossene Vermögen zur Bestreitung ihres Unterhaltsbedarfs einzusetzen hat und nicht nur die aus diesem Vermögen erzielten Erträge. Im Hinblick auf die Höhe dieses Vermögens war ihre Bedürftigkeit jedenfalls zum 1. Juni 2004 entfallen. Rechtlich ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte mit Bescheid vom 03. Mai 2004 mit Wirkung für die Zukunft, mithin ab 01. Juni 2004 die Einstellung der bisherigen Zahlungen verfügt hat.
Gemäß § 48 Abs. 1 BVG ist u.a. den Waisen (§ 45 BVG) eine Waisenbeihilfe zu zahlen, wenn der rentenberechtigte Beschädigte nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben ist und durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung um den in der Vorschrift näher aufgeführten Vomhundertsatz gemindert ist. Mit der Verweisung auf die den Anspruch auf Waisenrente regelnde Vorschrift des § 45 BVG wird der Personenkreis der waisenrentenberechtigten Waisen dahingehend bestimmt, dass die Leistungsberechtigung grundsätzlich auf Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres beschränkt ist (§ 45 Abs. 1 BVG). Nach Abs. 3 der Regelung wird Waisenrente unter bestimmten Voraussetzungen allerdings auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres gewährt, und zwar nach der hier einschlägigen Regelung (Buchstabe d) an solche Kinder, die in Folge körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung spätestens bei Vollendung des 27. Lebensjahres außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, solange dieser Zustand dauert, über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus jedoch nur, wenn ihr Ehegatte oder Lebenspartner außer Stande ist, sie zu unterhalten.
In Übereinstimmung mit der Auffassung des BSG (a.a.O.) geht auch der Senat davon aus, dass die Vorschrift des § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG eine Bedürftigkeitsregelung enthält, was zur Folge hat, dass der Anspruch auf die entsprechende Leistung nur solange besteht, wie die Waise ihren angemessenen Unterhaltsbedarf nicht anderweitig vollständig decken kann. Da die Regelung den vorrangigen Einsatz eigener Mittel zur Existenzsicherung selbst auch nicht begrenzt, weder nach der Art der einzusetzenden Mittel noch nach deren Höhe, ist eine Waise auch grundsätzlich gehalten, den Stamm ihres Vermögens einzusetzen. Dass der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden diese Verpflichtung der Klägerin mit Wirkung ab 1. Juni 2004 festgestellt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für diese Entscheidung des Beklagten ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen (BSG, Urteil vom 08. Mai 1981 - 9 RVS 4/80 = SozR 3100 Nr. 21 zu § 62 BVG).
Vergleichszeitpunkt ist entgegen der auch von der Klägerin geteilten Ansicht des SG vorliegend nicht der Zeitpunkt der Bewilligung von Vollwaisenrente, mithin der 27. September 1993, sondern vielmehr der Zeitpunkt, in dem der Beklagte erstmals über die Bewilligung von Waisenbeihilfe nach Vollendung des 27. Lebensjahres entschieden hat. Maßgeblich ist also der Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 22. April 1992. Denn maßgeblicher Ursprungs- (Vergleichs-) Bescheid ist derjenige, in dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmalig entschieden worden ist. Abzustellen ist also auf den Regelungsgehalt (vgl. Steinwedel in KassKomm, Rdz. 16 zu § 48 SGB X m.N.). Mit dem Bescheid vom 22. April 1992 hatte der Beklagte der Klägerin Waisenbeihilfe unter Anrechnung u.a. ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen, jedoch ohne Berücksichtigung des Stamms ihres Vermögens bewilligt, das damals 26.838,17 DM betrug. Mit dem Bescheid vom 27. September 1993 wurde dieser Bescheid lediglich dahingehend abgeändert, dass die bisher gezahlte Halbwaisenbeihilfe auf den Betrag der Vollwaisenbeihilfe erhöht wurde und Erträgnisse auch aus der angefallenen Erbschaft anzurechnen waren. Über die Frage der Berücksichtigung des Vermögensstamms wurde keine neue Entscheidung getroffen. Ebenso hat dies das BSG in der bereits erwähnten Entscheidung vom 12. Juni 2001 gesehen, der ein dem vorliegenden Verfahren vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag.
Seit dem Vergleichsbescheid vom 22. April 1992 ist eine wesentliche Änderung in den für die Gewährung von Waisenbeihilfe maßgeblichen Verhältnissen dadurch eingetreten, dass der Klägerin am 27. Mai 1993 mit dem Tod ihrer Mutter eine Erbschaft zugefallen ist, die es ihr ermöglicht hat, sich hieraus selbst zu unterhalten. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, hierzu sei die Klägerin auch schon bei Erteilung des Bescheids vom 22. April 1992 in der Lage gewesen, weil sie damals über ein Vermögen von 26.838,17 DM verfügt habe. Die Regelung des § 48 SGB X unterscheidet nämlich nach ihrem Wortlaut nicht danach, ob der Vergleichsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war. Allerdings ist nach Sinn und Zweck der Regelung die Anwendung auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung ausgeschlossen, soweit dadurch der Vertrauensschutz eines Betroffenen, wie er sich aus der Regelung des § 45 SGB X ergibt, unterlaufen würde. Im Übrigen ist § 48 SGB X aber auch auf von Anfang an rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte anwendbar. Das ist insbesondere bei einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse der Fall (BSG vom 07. April 2005 - B 3 P 8/04 R = BSGE 95, 75ff.). Im vorliegenden Fall war der Bescheid vom 22. April 1992 von Anfang an rechtswidrig, weil von der Klägerin nicht verlangt wurde, den Stamm ihres damaligen Vermögens einzusetzen, was die Entstehung des Anspruchs verhindert hätte. Dies kann aber nicht bedeuten, dass jegliche künftigen Vermögenszuwächse außer Betracht zu bleiben hätten. Das nach § 45 SGB X zu schützende Vertrauen beschränkt sich vielmehr darauf, dass bei späteren Vermögenszuwächsen das bei Erteilung des Vergleichsbescheids vom 22. April 1992 vorhanden gewesene Vermögen außer Betracht bleibt, unabhängig davon, ob es im Zeitpunkt des Anfalls der zusätzlichen Vermögenswerte noch in dieser Höhe vorhanden war oder nicht. Genau so ist der Beklagte verfahren, indem er bei der Berechnung des Vermögenszuwachses durch die Erbschaft im Jahr 1993 den Betrag von 26.838,17 DM vom Gesamtvermögen in Abzug gebracht hat.
Somit ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgegangen ist. Denn nach Erteilung des Bescheids vom 22. April 1992 haben sich die tatsächlichen Verhältnisse, die der Gewährung von Waisenbeihilfe zugrunde gelegen haben, wesentlich, d.h. rechtserheblich dahingehend geändert, dass der Klägerin nach dem Anfall der Erbschaft im Jahr 1993 und der Erbauseinandersetzung mit ihrer Schwester Vermögensteile in einem Umfang zugeflossen sind, die es ihr ermöglicht haben, sich hieraus selbst zu unterhalten.
Auf die Vorschrift des § 48 Abs. 2 SGB X kann sich die Klägerin nicht berufen. Zwar wird hier vorausgesetzt, dass der zuständige Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsakts. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass sich dieses zu Gunsten des Berechtigten auswirkt. Mit seinem Urteil vom 12. Juni 2001 hat das BSG zwar die Vorschrift des § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG anders ausgelegt als die Verwaltung mit der Verwaltungsvorschrift Nr. 1 zu § 45 BVG in Verbindung mit Nr. 14 zu § 33 b BVG, wonach Waisen im Rahmen des § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG den Stamm ihres Vermögens zur Deckung ihres Lebensunterhalts nicht einzusetzen brauchten. Dies wirkt sich jedoch, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, zu Ungunsten der Betroffenen aus. Im Übrigen stellt die Ausbildung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 45 Abs. 3 Buchst. d BVG durch das Urteil vom 12. Juni 2001 keine Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar, weil hierdurch lediglich das Recht nachträglich richtig erkannt worden ist, so dass es auf die vom SG aufgeworfene Frage, ob eine einzelne höchstrichterliche Entscheidung eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung darstelle, die ihrerseits unter das Tatbestandmerkmal einer Änderung der wesentlichen "rechtlichen" Verhältnisse gefasst werden könnte, nicht ankam.
Letztlich steht der mit Bescheid vom 03. Mai 2004 verfügten Einstellung der Weiterzahlung von Waisenbeihilfe mit Wirkung ab 01. Juni 2004 auch nicht der Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, der über die Verweisungsvorschrift des § 48 Abs. 4 SGB X heranzuziehen ist, entgegen. Denn zehn Jahre nach einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Ungunsten des Betroffenen ist nur die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts ausgeschlossen. Mit Wirkung für die Zukunft können Bescheide mit Dauerwirkung aber auch dann noch wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn seit der Änderung - wie vorliegend - mehr als zehn Jahre verstrichen sind. Zu dieser Rechtsfrage hat sich das BSG in seinem Urteil vom 11. Dezember 1992 (9a RV 20/90) ausführlich geäußert, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen verweist.
Nach alledem konnte das Urteil des SG keinen Bestand haben und war daher aufzuheben. Gleichzeitig war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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