L 11 R 5494/08 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1818/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5494/08 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Im Streit zwischen Versicherten und Krankenkasse um die Gewährung eines Hilfsmittels (hier: Hörgerät) ist der Leistungserbringer (hier: Hörgeräteakustiker) nicht notwendig beizuladen.

2. Im Fall der Beschwerde gegen eine vom SG abgelehnte einfache Beiladung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGG) trifft das Beschwerdegericht eine eigene Ermessensentscheidung.
Die Beschwerde der Beklagten zu 2 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 5. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 172 Abs. 1, § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Beklagten zu 2 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim (SG), mit dem dieses die von der Beklagten zu 2 beantragte Beiladung abgelehnt hat, ist nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die Firma Geers Hörakustik AG und Co KG beizuladen.

Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen (§ 75 Abs. 1 SGG; sog. einfache Beiladung). In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen (§ 75 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs. 2 Alternative 1 SGG) oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt (§ 75 Abs. 2 Alternative 2 SGG), so sind sie beizuladen (sog. notwendige Beiladung).

Ein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Alternative 2 SGG scheidet von vornherein aus.

Auch ein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alternative 1 SGG ist nicht gegeben. Dies verlangt, dass die zu erwartende Entscheidung in die Rechtsphäre des Dritten unmittelbar eingreift, d. h. gleichzeitig, unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt, feststellt, verändert oder aufhebt (vgl. Ulmer in: Hennig, SGG, § 75 Rn. 6 m.w.N.). Die Beklagte zu 2 hat die Beiladung beantragt (Schreiben vom 4. November 208, AS 108 der SG-Akte), da sie im Fall ihrer Verurteilung, der Klägerin das begehrte digitale Hörgerät zu gewähren, einen Regressanspruch gegen die Firma Geers Hörakustik AG und Co KG geltend machen werde. Diese habe dann den nach § 127 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit Wirkung vom 1. Januar 2004 abgeschlossenen Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen (AS 78 ff der SG-Akte) nicht erfüllt. Ein solcher Regressanspruch ist jedoch mit dem Streitgegenstand (§ 141 Abs. 1 SGG) des anhängigen Klageverfahrens nicht einmal teilidentisch. Der Streitgegenstand der vor dem SG anhängigen Klage beschränkt sich auf das Leistungsrechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse, von dem das Leistungserbringungsverhältnis zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer zu trennen ist. Eine Entscheidung im Leistungsrechtsverhältnis greift nicht unmittelbar und zwangsläufig in die Rechtsphäre des Leistungserbringers ein, weswegen der Leistungserbringer in einem im Leitungsverhältnis geführten Rechtsstreit nicht notwendig beizuladen ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988, 3/8 RK 19/86, SozR 1500 § 75 Nr. 71). Auch ein denkbarer Erstattungsanspruch des Leistungsträgers gegen einen anderen Leistungsträger - eine zumindest ansatzweise dem hier angesprochenen Regressanspruch vergleichbar Konstellation - führt nicht zur notwendigen Beiladung des anderen (möglicherweise erstattungspflichtigen) Leistungsträgers (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1986, 8 RK 12/85, SozR 2200 § 182 Nr. 104). Ob die Rechtsprechung des BSG, wonach ein Vertragsarzt, der eine objektiv ungerechtfertigte Fremdleistung veranlasst hat, im Streit des Versicherten gegen die Krankenkasse auf Kostenerstattung notwendigerweise beizuladen ist (BSG, Urteil vom 23. Oktober 1996, 4 RK 2/96, SozR 3-2500 § 13 Nr. 12; a.A. Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 13 SGB V Rn. 28: Fall der einfachen Beiladung), angesichts der geänderten Rechtsprechung zu den Folgen ärztlicher Aufklärungsfehler für eine mögliche Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2007, B 1 KR 14/07 R, für SozR vorgesehen) weiterhin Gültigkeit hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Firma Geers Hörakustik AG und Co KG ist kein vertragsärztlicher Leistungserbringer (und damit kein Beliehener im Sinne des Urteils vom 23. Oktober 1996) und hat auch keine zu einer nicht mehr veränderbaren Inanspruchnahme der Leistung führende Aufklärung vorgenommen.

Der Senat lehnt auch eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG ab. Voraussetzung hierfür ist, dass berechtigte Interessen, zu denen auch wirtschaftliche gehören, durch die Entscheidung berührt werden (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 75 Rn. 8). Der Senat lässt offen, ob dies vor dem Hintergrund der von der Beklagten zu 2 nur höchst abstrakt angesprochenen Möglichkeit eines Regresses der Fall ist. Die Entscheidung steht jedenfalls im Ermessen des Gerichts, wobei im Fall einer Beschwerde gegen die abgelehnte Beiladung das Beschwerdegericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LSG Niedersachsen, Beschluss vom 25. März 1985, L 2 S(J) 206/84, Breithaupt 1986, 357, 359). Der Senat übt dies dahingehend aus, dass die beantragte Beiladung abgelehnt wird. Zwar kann der ursprüngliche, vom SG im angefochtenen Beschluss angeführte Umstand, eine Beiladung würde die Vertagung der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung erforderlich machen, keine Rolle mehr spielen. Denn die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008 ist zwischenzeitlich durchgeführt worden. Sie hat zur Vertagung geführt. Die vom SG weiter angeführten Ermessensgesichtspunkte haben aber weiterhin Gültigkeit, nämlich dass die tatsächlichen Feststellungen im anhängigen Verfahren im Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten zu 2 und dem Leistungserbringer keine Bindungswirkung entfalten und der mögliche Regressanspruch noch von ganz anderen, im Vertrag nach § 127 Abs. 1 Satz 1 SGG geregelten Umständen abhängt, auf dies es im anhängigen Verfahren nicht ankommt. Nimmt man hinzu, dass die Beiladung für die Firma Geers Hörakustik AG und Co KG, will sie sich denn inhaltlich am Verfahren beteiligen, zu nicht unerheblichen Kosten durch eine fachgerechte Prozessvertretung führen kann, spricht wenig dafür sie beizuladen. Die von der Beklagten zu 2 in der Beschwerdeschrift angesprochene Verletzung des "Gesichtspunkts der Fairniss" ihr gegenüber, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Schließlich haben auch die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2008 ein Vergleichsangebot gemacht (vgl. die Niederschrift, AS 31 - 33 der Senatsakten), wonach die Beklagte zu 2 den Festbetrag und die Beklagte zu 1 eine Zuzahlung leisten würden. Das macht deutlich, dass beide eine (jeweils teilweise) Leistungspflicht nicht von vornherein ausschließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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