L 12 AS 5631/08 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 1079/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5631/08 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum 01. Januar bis 31. Juli 2005 und 01. Januar bis 28. Februar 2006 und eine damit verbundene Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 679,84 EUR.

Der 1970 geborene Kläger bezog im Jahr 2004 Arbeitslosenhilfe, wobei bei der Leistungsbewilligung ein Entgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma H. und B. GbR (C.-M.) berücksichtigt wurde.

Am 13. Dezember 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, gab in dem Antragsformular jedoch kein Nebeneinkommen an. Die Beklagte bewilligte Leistungen für den Zeitraum 01. Januar bis 30. Juni 2005 ohne Berücksichtigung eines Nebeneinkommens. Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 11. Mai 2005 bewilligte sie erneut Leistungen für den Zeitraum 01. Juli bis 31. Dezember 2005. Wegen der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung zum 01. August 2005 auf. Auf Antrag des Klägers vom 13. Dezember 2005 bewilligte sie erneut Arbeitslosengeld II ab 01. Januar 2006. Aufgrund einer Überschneidungsmitteilung des Rentenversicherungsträgers wurde der Beklagten im Dezember 2005 bekannt, dass der Kläger eine Nebenbeschäftigung ausübte. Auf Nachfrage übersandte die Arbeitgeberin die Lohnabrechnung, woraus sich für Januar bis September 2005 ein Nettogehalt von 153 EUR und für Oktober 2005 bis Februar 2006 ein Nettogehalt von 162 EUR monatlich ergab.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. April 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Juli 2005 und vom 01. Januar bis 28. Februar 2006 teilweise auf mit der Begründung, dass der Kläger das Nebeneinkommen, welches zum teilweisen Fortfall des Leistungsanspruchs geführt habe, zumindest grob fahrlässig nicht angegeben habe. Den hierdurch überzahlten Betrag in Höhe von 679,84 EUR habe er zu erstatten. Entsprechende Änderungsbescheide ergingen am 12. April 2006.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Beschäftigung im C. als Aushilfsordner sei gemeldet worden. Außerdem habe er monatlich die Lohnbescheinigung im Original im Amt bei Frau F. abgegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit seiner am 23. Februar 2007 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger zunächst geltend gemacht, er habe die Tätigkeit als Aushilfsordner im C. sehr wohl bei der Beklagten angezeigt; er habe sogar jeden Monat seine Verdienstbescheinigung zur Leistungsakte eingereicht, diese der zuständigen Sachbearbeiterin Frau F. in Anwesenheit seiner Lebenspartnerin, Frau E. Sp. sogar persönlich übergeben. Hierzu hat er Beweis angeboten durch Vernehmung der Frau F. und der Frau Sp ... Sodann hat der Kläger geltend gemacht, seine Mutter, Frau M. D. habe die außergerichtlichen Angelegenheiten mit der Beklagten für ihn erledigt.

Das SG hat im Erörterungstermin am 09. Juni 2008 die Mutter des Klägers als Zeugin vernommen und sodann die Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungen nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erfüllt seien. Die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligungen ergebe sich aus der fälschlicherweise unterbliebenen Berücksichtigung des Nebeneinkommen aus der Beschäftigung im C ... Nach Würdigung der aktenkundigen Unterlagen, der mündlichen Angaben des Klägers und des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die rechtswidrigen Bewilligungen auf grob fahrlässig gemachten unvollständigen Angaben des Klägers beruhten. In den Antragsformularen habe der Kläger trotz ausdrücklicher Frage nach den Einkommensverhältnissen die Beschäftigung im C. nicht angegeben. Zwar habe der Kläger im Arbeitslosenhilfeantrag diese Beschäftigung zutreffend angegeben, ihm habe jedoch klar sein müssen, dass er in allen Formularen vollständige Angaben machen müsse. Auch das Fehlen der Lohnbescheinigung in der Verwaltungsakte beruhe auf grober Fahrlässigkeit. Dabei gehe das SG davon aus, dass der Kläger den Schriftverkehr mit der Beklagten einschließlich der Vorlage der Verdienstbescheinigungen ausschließlich seiner Mutter überlassen habe. Die Zeugin habe den Schriftverkehr jeweils direkt "an Frau F." gerichtet. Bei Frau F. handele es sich um die für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe bis einschließlich Dezember 2004 zuständige Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit. Ab Januar 2005 habe der Kläger im Arbeitslosengeld II - Leistungsbezug gestanden, so dass der Schriftverkehr an die Mitarbeiter der Beklagten zu richten gewesen wäre. Der Zeugin sei nach eigenen Angaben der Wechsel des Leistungsträgers gar nicht bekannt gewesen. Diese Unkenntnis beruhe auf grober Fahrlässigkeit des Klägers, der, wenn er die Erfüllung der ihm obliegenden Mitteilungspflichten an seine Mutter delegiere, dieser wenigstens mitteilen müsse, an wen der Schriftverkehr zu richten sei. Wenn der Kläger den Wechsel des Leistungsträgers selbst nicht mitbekommen haben sollte, beruhte auch dies auf grober Fahrlässigkeit.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 06. November 2008 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 04. Dezember 2008 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde. Er rügt eine fehlende Aufklärung des Sachverhalts durch das SG. Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger der Beklagten seine Beschäftigung im C. angezeigt habe, sei Zeugnis der Frau F. bereits mit Vorlage der Klagebegründung angeboten worden. Auch wenn Frau F. ab 2005 nicht mehr für den Bezug von Arbeitslosenhilfe zuständig gewesen sei, habe sie dies dem Kläger gleichwohl nicht zu erkennen gegeben, sondern durch die bereitwillige Annnahme der Einkommensnachweise einen Vertrauenstatbestand beim Kläger geschaffen, der es ihm erlaubt habe, davon auszugehen, dass er seinen Mitwirkungspflichten zur Erlangung von Arbeitslosengeld II im erforderlichen Umfang nachkomme. Dadurch, dass insoweit keine Beweisaufnahme durchgeführt worden sei, habe das Gericht keine Feststellungen darüber treffen können, ob der Kläger darauf vertrauen durfte, alle notwendigen Unterlagen beigebracht zu haben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zwar zulässig (§ 145 Abs. 1 SGG), jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde des Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit, noch ist die erforderliche Berufungssumme in Anbetracht des Beschwerdewertes von 679,84 EUR erreicht. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen, so dass sie der Zulassung durch das LSG bedurft hätte. Eine solche Zulassung kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf den die Entscheidung beruhen kann.

Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil des SG grundsätzliche Bedeutung hat oder von einer Entscheidung eines der oben genannten Gerichte abweicht, bestehen nicht; hierzu bedarf es deshalb keiner weiteren Ausführungen des Senats, zumal der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht auf einen Zulassungsgrund aus § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gestützt hat.

Auch der Berufungszulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor, da der Kläger keine der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmängel geltend macht, die vorliegen und auf denen das Urteil beruhen kann. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, es geht insoweit nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rdnr. 32). Ein Verfahrensmangel verpflichtet nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn er gerügt ("geltend gemacht") wird. Dafür genügt es, wenn Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens ergibt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Ein Verfahrensfehler des SG, der zur Zulassung der Berufung führen müsste, liegt nicht darin begründet, dass das SG auf die Zeugenvernehmung der Frau F. verzichtet hat. Das SG hat hierdurch seine Pflicht zur Amtsermittlung nicht verletzt. Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht kann auf die Übergehung eines Beweisantrags gestützt werden, dem das SG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dazu muss der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt oder, falls er vorher schriftsätzlich niedergelegt war, aufrecht erhalten worden sein (vgl. BSG, Beschluss vom 21. August 2007 - B 3 P 18/07 B - (juris)). Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt - wie dies hier geschehen ist - so ist er dann nicht übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er bis zur Entscheidung des Sozialgerichts nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn sie einen zuvor angekündigten Beweisantrag nicht mehr wiederholt haben (vgl. BSG, Beschluss vom 20. September 2007 - B 5a - 5 R 262/07 B - (juris)). Im Erörterungstermin am 09. Juni 2008 hat der Kläger nicht mehr auf die ursprüngliche Beweisanregung in der Klageschrift Bezug genommen, sondern vielmehr sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt. Damit ist in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BSG zu § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG davon auszugehen, dass sich die Beweisanträge erledigt haben (vgl. BSG SozR 3-1500 § 160 Nr. 31).

Auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG liegt durch den Verzicht der Vernehmung der Frau F. als Zeugin nicht vor. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist dann gegeben, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. BSG SozR § 162 Nr. 187 und SozR 1500 § 160 a Nr. 10). Ausgehend von der Zeugenaussage der Mutter des Klägers hat das SG festgestellt, dass diese tatsächlich die Verdienstbescheinigungen des Klägers für diesen an die Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit Frau F. geschickt hat und diese dann in der Folge aufgrund der unrichtigen Anschrift möglicherweise nicht zugeordnet werden konnten. Allein mit der Adressierung an den unzuständigen Leistungsträger hat das SG die grobe Fahrlässigkeit des Klägers begründet. Von seiner Rechtsansicht aus war damit eine Vernehmung der Frau F. nicht erforderlich. Soweit der Kläger rügt, Frau F. habe durch die bereitwillige Entgegennahme der Verdienstbescheinigungen dem Kläger den Eindruck vermittelt, er habe alles notwendige getan, rügt er damit die Würdigung der festgestellten Tatsachen durch das Gericht. Er vertritt insoweit die abweichende Rechtsauffassung, die Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit wäre verpflichtet gewesen, den Kläger auf ihre fehlende Zuständigkeit hinzuweisen, was dessen grobe Fahrlässigkeit ausschließe. Dies kann jedoch im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht geprüft werden. Die Geltendmachung einer sachlichen Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt nach § 144 Abs. 2 SGG keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil vom 23. Oktober 2008 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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