L 11 KR 3564/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2055/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3564/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben keinen Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme für eine sog. Cyber-Loop-Therapie
(Bioresonanztherapie)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Juli 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung eines Bioresonanzverfahrens (Cyber-Loop-Therapie) in Höhe von 7.432,23 EUR für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 22. Januar 2008 sowie die Kostenübernahme für die Zukunft streitig.

Die 1956 geborene Klägerin leidet an Multipler Sklerose (Erstdiagnose 1980) mit einem zunächst schubweisen remittierenden Verlauf. Seit 1986 besteht ein sekundär chronisch-progredienter Verlauf mit Entwicklung einer spastischen beinbetonten Tetraparese, spinaler Ataxie und Sensibilitätsstörungen der Beine distal betont. Seit 1991 ist sie deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen, seit 1994 ist sie geh- bzw. stehunfähig, Katheterisierung ist erforderlich. Die Spastik der Hände, des Schlunds, des Oberkörpers, der Arm- und Handmuskulatur nimmt zu. Zusätzlich leidet die Klägerin an Depressionen und einer Neurodermitis. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 100. Ihr sind die Merkzeichen "aG" sowie "B" zuerkannt worden. Sie bezieht Leistungen der Pflegestufe II und seit 1992 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung.

Am 16. Januar 2007 beantragte die Klägerin die Durchführung einer Cyber-Loop-Therapie bei der Beklagten. Der behandelnde Internist Dr. S. führte aus, die Eingangsuntersuchung habe am 15. Januar 2007 stattgefunden und fügte dem Antrag verschiedene Unterlagen über die Therapie bei. Die Cyber-Loop-Erstuntersuchung erfolgte am 1. Februar 2007.

Mit Bescheid vom 23. Januar 2007 lehnte die Beklagten den Antrag mit der Begründung ab, die Behandlungsmethode beruhe auf dem Bioresonanzprinzip. Diese Behandlungsmethode sei durch die Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchung- und Behandlungsmethoden (BUB) von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden (Anlage B Nr. 17). Eine Kostenübernahme sei deswegen nicht möglich.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin unter Vorlage einer ersten Rechnung sowie unter Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 geltend, ihr Gesundheitszustand sei um die Jahreswende 2006/2007 sehr schlecht gewesen. Die Spastik habe sie sehr stark beeinträchtigt und sie hätte unter Lähmungserscheinungen gelitten. Zusätzlich sei das Sprachzentrum betroffen gewesen, sie habe zum Teil Worte nicht mehr aussprechen können. Durch die Behandlung sei es zu einer deutlichen Besserung gekommen, auch ihre Sprache sei wieder flüssiger geworden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung ab, Bioresonanzverfahren seien generell aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Diese Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) seien auch verbindlich. Das gelte auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG. Denn ein Nachweis über hinreichende Erfolgsaussichten liege bei der Klägerin nicht vor. Deswegen bestünden auch verfassungsrechtlich gegen den Ausschluss der Behandlungsmethode aus dem Leistungskatalog keine Bedenken.

Mit ihrer dagegen am 11. Juni 2007 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, bei der Cyber-Loop-Therapie habe es sich um den letzten Strohhalm gehandelt, da ihr Gesundheitszustand Anfang 2007 sehr schlecht gewesen wäre. Sie habe sich überlegen müssen, ob sie sich zur stationären Pflege in ein Heim begebe, da sie zu Hause nicht mehr zurecht gekommen sei. Die Behandlung habe bereits einen guten Erfolg gezeigt. Wegen der erheblichen Nebenwirkungen habe man ihr in der Klinik von einer weiteren medikamentösen Behandlung mit beispielsweise Mitoxantron abgeraten. Ihr Gesundheitszustand habe sich nach Abbruch der Behandlung wieder verschlechtert.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte befragt und die Klägerin anschließend neurologisch begutachten lassen.

Die Allgemeinärztin Dr. S., bei der die Klägerin seit Oktober 1998 in hausärztlicher Betreuung steht, hat berichtet, dass der Gesundheitszustand seit Jahresbeginn 2007 sehr schlecht gewesen sei. Die Klägerin habe an Depressionen bis hin zu Suizidgedanken sowie an Spastiken bis zur Versteifung und zu Fascikulationen gelitten. Die spezifischen Medikamente hätte sie entweder nicht vertragen oder diese hätten keinen langzeitigen Nutzen gebracht. Sie nehme deswegen zur Zeit keine Medikamente. Sämtliche bekannte Therapien einschließlich stationärer Rehabilitation seien ausgeschöpft gewesen. Die einzige noch nicht erprobte Behandlungsmethode sei die Cyber-Loop-Behandlung gewesen. Sie habe danach wieder Lebensmut gefasst. Ihr Plan in ein Heim zu gehen, habe verworfen werden können. Sie brauche tagsüber nur noch stundenweise Pflege durch Angehörige. Sie selbst habe das Ergebnis unter dem Begriff "viel bessere Eigenmotorik" zusammengefasst. Somit habe die Therapie Erstaunliches bewirkt.

Der Internist Dr. S. hat die Behandlung seit dem 15. Januar 2007 dargestellt. Es sei zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome gekommen. Die meisten alltäglichen Verrichtungen könne die Klägerin wieder selbst erledigen, sogar der Wechsel zwischen Rollstuhl und Sofa sei ohne Hilfe möglich. Die Klägerin gehe wieder unter Leute. Der Pflegeaufwand sei erheblich vermindert. Die Sprache habe sich normalisiert. Die Stimmungslage sei nicht mehr depressiv. Es zeigten sich auch keine Inkontinenzsymptome. Eine Blasenentzündung in den letzten Monaten sei nicht aufgetreten. Die anerkannten Behandlungsmethoden und Möglichkeiten seien bei der Klägerin abgesehen von ergo- und physiotherapeutischen Maßnahmen ausgeschöpft gewesen. Von Februar 2007 bis August 2007 sei an 28 Tagen jeweils eine Cyber-Loop-Therapie durchgeführt worden.

Der Neurologe und Psychiater Dr. B., bei dem die Klägerin seit 1992 in Behandlung steht, hat berichtet, dass der anfänglich sehr regelmäßige Kontakt nunmehr sehr sporadisch stattfinde, zuletzt 2004. Regelmäßige nervenärztliche Behandlungen habe die Klägerin nicht in Anspruch genommen. Als Alternativen käme eine immunmodulatorische Therapie mit Copaxone oder Mitoxantron in Betracht. Die Klägerin habe aber eine solche Behandlung nicht in Anspruch genommen.

Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat in seinem neurologischen Gutachten ausgeführt, bei der Multiplen Sklerose handele es sich um eine progrediente chronische Erkrankung, die nicht durch Medikamente geheilt werden könne. Basistherapeutika (wie Interferon) hätten den Zweck, die Erkrankungsprogredienz zu verzögern. Aufgrund unterschiedlichster klinischer Verläufe fehlten objektive Maßstäbe zur Messung des individuellen Behandlungserfolgs. Deswegen könne nicht beurteilt werden, ob die MS-spezifische Behandlung der Klägerin zu einem Erfolg (also einer Verzögerung der Progredienz) geführt habe. Alle anderen Behandlungen seien symptomatisch oder supportiv und hätten den Zweck, die Symptome der Erkrankung zu lindern oder Komplikationen zu beseitigen. Diese Behandlungserfolge seien bei der Klägerin erreicht worden, ohne jedoch den Verlauf der Grunderkrankung zu beeinflussen. Weitere Maßnahmen wie Rehabilitationsaufenthalte (inklusive Physio- und Ergotherapie) hätten die Symptome vorübergehend gebessert. Angesichts der subdepressiven Stimmungslage und der ausgeprägten Depression mit Suizidgedanken müsse an anerkannten weiteren Behandlungsmöglichkeiten auch an eine psychiatrische psychotherapeutische Behandlung und Pharmakotherapie mit Antidepressiva gedacht werden. Ein Behandlungsnotstand habe daher bei der Klägerin nicht vorgelegen, da nicht alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien. Über die Cyber-Loop-Therapie, bei der es sich um eine Bioresonanztherapie handele, lägen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für ihre Wirksamkeit vor. Es gebe keine plausiblen Argumente oder Hinweise darauf, dass diese Therapieform zu einer Heilung oder wenigstens zu einer spürbaren positiven Beeinflussung des Krankheitsverlaufs beitragen könne.

In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2008 hat die Klägerin noch ergänzend mitgeteilt, dass sie eine private Krankenzusatzversicherung abgeschlossen habe, bei der sie 80 Prozent der Behandlungskosten geltend machen könne, wenn sich die Beklagte wenigstens mit einem Teilbetrag an den Kosten der Therapie beteilige.

Mit Urteil vom 3. Juli 2008, der Beklagten zugestellt am 18. Juli 2008, hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide verurteilt, die Kosten der bei Dr. S. durchgeführten Cyber-Loop-Therapie zu erstatten und auch künftig eine solche Therapie durchzuführen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass im ambulanten Bereich ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bestehe, welches auch zum Schutz der Patienten vor den Gefahren nicht ausreichend wissenschaftlich erforschter Behandlungs- oder Untersuchungsmethoden diene und darauf abziele, aufgrund der enormen finanziellen Belastungen im Gesundheitswesen Ausgaben für wissenschaftlich nicht erforschte bzw. unwirksame Behandlungsmethoden zu vermeiden. In diesem Zusammenhang sei festzustellen, dass der G-BA in der Richtlinie zu den Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung vom 17. Januar 2006 Bioresonanzverfahren - und somit auch die in Streit stehende Cyber-Loop-Therapie - als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode bezeichnet habe, so dass dieses Verfahren bei rein formaler Betrachtung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zum Leistungskatalog gehöre. Dieser Ausschluss gelte jedoch nicht absolut oder ausnahmslos. Hiervon könne unter gewissen Voraussetzungen im Rahmen einer Einzelfallprüfung abgewichen werden. Grundlegend hierfür sei der Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei die Beklagte verpflichtet, die durch die Durchführung der Cyber-Loop-Therapie entstandenen Kosten zu übernehmen. Das Grundleiden der Klägerin könne als besonders schwere Krankheit angesehen werden, auch wenn nicht von einem regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheitsprozess gesprochen werden könne. Denn die Erkrankung, an der die Klägerin seit nahezu 30 Jahren leide, beeinträchtige sie in ihrer allgemeinen Lebensführung erheblich. Sie sei immerhin seit 17 Jahren rollstuhlabhängig und seit 1994 nicht mehr in der Lage, alleine zu gehen oder zu stehen. Dies dokumentiere deutlich, dass sie in ihrem grundlegenden vitalen Funktionen in besonderer Weise betroffen sei. Daher sei es geboten, das Krankheitsbild den vom BVerfG angeführten Krankheiten gleichzustellen. Weiter seien die schulmedizinisch zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten im Falle der Klägerin offensichtlich ausgeschöpft. Von einer weiteren medikamentösen Behandlung sei ihr aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen abgeraten worden. Dies habe im Grunde genommen auch der Sachverständige Prof. Dr. M. bestätigt. Wenn er dies für den psychiatrischen Bereich einschränke, möge dies theoretisch zutreffen. Im Augenblick bestehe aber kein akutes psychiatrisches Krankheitsbild mehr. Weiter müsse berücksichtigt werden, dass die Depression sowie die Suizidgedanken offenkundig mit dem schweren Verlauf der Grunderkrankung im Zusammenhang stünden, so dass sich eine erfolgreich verlaufende Behandlung der MS-Erkrankung auch ganz offenkundig günstig auf das psychische Befinden auswirke. Deswegen könne das Gericht gut nachvollziehen, dass sich die Klägerin Anfang des Kalenderjahres 2007 entschlossen habe, als letzten Strohhalm ein Bioresonanzverfahren auszuprobieren. Im weiteren Verlauf habe sich bestätigt, dass diese Therapieform den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst habe. Dies ergebe sich aus den glaubwürdigen und glaubhaften Angaben der Klägerin selbst, die auch durch Dr. S. und Dr. S. bestätigt würden. Es sei deswegen nicht überzeugend, wenn der Sachverständige und die Beklagte davon ausgingen, für die Therapie fehle es an einer günstigen Erfolgsprognose. Dies möge bei einer an schulmedizinischen Kriterien orientierten Betrachtung zutreffen. Dem behandelnden Arzt müsse aber ein gewisser Einschätzungsspielraum zugebilligt werden. Nur dann, wenn die von ihm durchgeführte Therapie offenkundig unsinnig sei und keinerlei vernünftigen Gründe zu erkennen wären, die für eine günstige Prognose sprächen, sei es geboten, auch im Rahmen einer Einzelfallprüfung von der Durchführung dieser Therapie abzusehen. Daher sei der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. November 2006, wonach eine günstige Prognose im Rahmen der Einzelfallentscheidung dann nicht mehr gestellt werden dürfe, wenn der G-BA für die streitige Therapie eine negative Bewertung abgegeben habe, nicht zu folgen. Denn diese Auffassung beziehe sich in unzulässiger Weise lediglich auf die schulmedizinischen Erfahrungen bzw. Beurteilungen. Gerade bei Krankheitsbildern, die schulmedizinisch austherapiert seien, wäre es jedoch im Interesse des Versicherten und ihres verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Wahrung der körperlichen Unversehrtheit, zumindest bei besonders schwerwiegenden Erkrankungen, die die vitalen Funktionen in grundlegender Weise beeinträchtigten, auch von der Schulmedizin abweichende Einschätzungen bzw. Beurteilungen zu berücksichtigen. Auch wenn im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung der Grundsatz "Wer heilt hat Recht!" nicht gelte, könne hierbei der faktische Verlauf nicht vollkommen außer Betracht bleiben. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung müsse daher die streitige Therapie im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durchgeführt werden.

Mit ihrer dagegen am 28. Juli 2008 eingelegten Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. M., welches in Kenntnis der Stellungnahme der behandelnden Ärzte abgegeben worden sei, habe bestätigt, dass die Voraussetzungen, die das BVerfG in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 aufgestellt habe, nicht erfüllt seien. Danach lägen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Wirksamkeit der Therapie zur Behandlung der Multiplen Sklerose vor. Auch handele es sich bei der Erkrankung der Klägerin nicht um eine akut lebensbedrohliche oder tödliche Erkrankung, wie das BSG bereits am 27. März 2007 entschieden habe. Eine notstandsähnliche Situation habe ebenfalls nicht vorgelegen. Das SG sei in seiner Entscheidung ausdrücklich von der Rechtsprechung des BSG abgewichen. Ferner habe es das SG versäumt, einen konkreten Betrag zu beziffern, der erstattet werden solle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hat dem Senat die Abrechnungen bis 22. Januar 2008 vorgelegt und mitgeteilt, dass sich der finanzielle Aufwand in etwa auf 300 EUR monatlich belaufe.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat erneut Dr. S. und Dr. S. als sachverständige Zeugen gehört.

Dr. S. hat mitgeteilt, dass die Klägerin seit über einem halben Jahr wieder mühevoller spreche. Die Bewegungsbehinderung habe im Juni zu einer ernsthaften Verletzung geführt. Die Stimmungslage sei noch nie so depressiv gefärbt gewesen wie zur Zeit. Sie behandele die Klägerin mit Lioseral, Inkontinenzartikeln, Analgetika bei Bedarf, regelmäßiger Krankengymnastik als Doppelstunde im Hausbesuch sowie regelmäßiger sensomotorischer perzeptiver Behandlung. Betaferon komme nicht in Frage.

Dr. S. hat berichtet, dass sich die Klägerin seit 1. Februar 2008 nicht mehr in seiner Behandlung befinde. Zuvor sei sie mit spezieller immunsupressiver und immunmodulierender Therapie behandelt worden.

Die Klägerin hat mitgeteilt, dass sie seit einem halben Jahr eine "Brain-Gym" Therapie zum Erlernen von Entspannungs- und Gedächtnistechniken, Umgang mit der Krankheit, Gesprächstherapie und vieles Andere mehr durchführe. Diese Therapie werde von der Krankenkasse nicht bezahlt.

Wegen der weiteren Einzelzeiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die erforderliche Berufungssumme von 750,- EUR bereits durch die entstandenen Kosten der Cyber-Loop-Therapie überschritten wird.

Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weswegen auf die Berufung der Beklagten das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme der Cyber-Loop-Therapie.

Die Klägerin kann die Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme für die Cyber-Loop-Therapie nicht beanspruchen, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei ihr nicht vorliegen. Nach dieser Anspruchsgrundlage sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Anspruch auf Kostenerstattung reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (so zuletzt BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R, zitiert nach Juris). Die Klägerin hat einen solchen Naturalleistungsanspruch auf die Cyber-Loop-Therapie aber nicht im Rahmen vertragsärztlichen Versorgung. Der Anspruch scheitert daran, dass der G-BA die neue Methode nicht positiv empfohlen hat und kein Ausnahmefall vorliegt, in welchem dies entbehrlich ist.

Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG SozR 4 - 2500 § 27 Nr. 12). Ärztliche "Behandlungsmethode" im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG SozR 3 - 2500 § 31 Nr. 5).

Darum geht es bei der von der Klägerin selbst beschafften Cyber-Loop-Therapie. "Neu" ist eine Methode, wenn sie wie hier zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (BSG SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4). Als nicht vom G-BA empfohlene neue Methode ist die Cyber-Loop-Therapie mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Verfahren der Bioresonanztherapie vom G-BA nach der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung (Method-RL) Anlage II, Nr. 17 von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen wurde. Die Therapie zählt daher unstreitig nicht zum Leistungskatalog der GKV.

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des G-BA bedarf, besteht es im Falle der Klägerin ebenfalls nicht, insbesondere keine Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung (BVerfG SozR 4 - 2500 § 27 Nr. 5; BSG SozR 4 - 2500 § 27 Nr. 12). Das erfordert das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Krankheit, das Fehlen einer anwendbaren Standardtherapie und das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt liegenden Aussichten auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die streitige Therapie.

Es fehlt schon daran, dass die zwar zweifelsohne schwerwiegende Erkrankung der Klägerin mit einer lebensbedrohlichen Krankheit gleichgesetzt werden kann (ablehnend auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.08.2008 - L 16 B 59/08 KR ER, zitiert nach Juris). Nach der Rspr. ist mit dem Kriterium einer Krankheit, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog. Off-Label-Use (vgl. BSG vom 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R, SozR 3-2500 § 31 Nr. 8) formuliert ist. Versicherte der GKV haben danach Anspruch auf eine verfassungskonforme Leistungserweiterung nur wegen solcher Krankheiten, die in absehbarer Zeit zum Verlust des Lebens oder eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion führen (BSG vom 14.05.2007 -B 1 KR 16/07 B, zitiert nach Juris). Das BSG hat daher die Multiple Sklerose in sekundär-progredienter Verlaufsform nicht als lebensbedrohliche Krankheit in Sinne der Rechtsprechung des BVerfG eingestuft (Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 17/06 R SGb 2007, 287).

Des Weiteren steht nach dem vom SG eingeholten Gutachten von Prof. Dr. M. fest, dass es konkrete Behandlungsalternativen gibt. Neben der von der Klägerin nicht ausgeschöpften medikamentösen Behandlung (Copaxone und Mitoxantron) sind dies regelmäßige Physio- und Ergotherapie (auch in intensivierter Form im Rahmen eines stationären Heilverfahrens), die bei ihr auch in der Vergangenheit schon zu einer vorübergehenden Besserung der Symptome geführt haben. Des weiteren hat sie noch keine vertragsärztliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung oder Pharmakotherapie mit Antidepressiva aufgenommen. Bei der seit einem halben Jahr durchgeführten "Brain-Gym" Behandlung, die ebenfalls nicht von der Beklagten bezahlt wird, handelt es sich nicht um eine solche.

Zum anderen ergibt sich bereits aus dem von Gutachten Prof. Dr. M., dass es über die Cyber-Loop-Therapie keine wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Wirksamkeit gibt. Dessen ungeachtet kommt es nach der Rechtsprechung des BSG vom 17. November 2006 (B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12) auf die Wirksamkeit bzw. günstige Prognose im Einzelfall dann nicht mehr an, wenn - wie vorliegend - der G-BA für die streitige Therapie eine negative Bewertung abgegeben hat. Der Nachweis hinreichender Erfolgsaussichten der streitigen Therapie ist nämlich regelmäßig dann nicht mehr möglich, wenn der G-BA zu dem Ergebnis gelangt ist, dass nach dem maßgeblichen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse medizinische Notwendigkeit, diagnostischer oder therapeutischer Nutzen sowie Wirtschaftlichkeit nicht hinreichend gesichert sind und er eine negative Bewertung abgegeben hat. In diesem Falle steht fest, dass ein Wirksamkeitsnachweis der streitigen Methode nicht besteht. Es ist deswegen unbeachtlich, dass die behandelnden Ärzte wie die Klägerin selbst bestätigt haben, dass es zu einer deutlichen Besserung des Gesundheitszustandes unter der streitigen Therapie gekommen ist. Würde man diese Auffassung ungeprüft zugrunde legen, so würde man sich in ebenso unzulässiger Weise lediglich auf nicht schulmedizinische Erfahrungen bzw. Beurteilungen stützen, wie dies das SG hinsichtlich der Bewertung "schulmedizinischer" Behandlung durch das BSG kritisch angemerkt hat.

Auf die Berufung der Beklagten ist daher das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klage erfolglos geblieben ist, sind außergerichtliche Kosten des Verfahrens, d.h. des Klage- und Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen angesichts der als gefestigt anzusehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved