L 8 AL 4996/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 1493/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4996/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. September 2007 aufgehoben. Die Klage des Klägers wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) streitig.

Der 1969 geborene Kläger ist seit dem Wintersemester 1995/96 an der Universität H. in der Fachrichtung Deutsch als Fremdsprachenphilologie und Soziologie mit dem Abschlussziel Magister als Student eingeschrieben. In der Zeit vom 01.03.2004 bis 14.03.2007 war der Kläger neben seinem Studium bei der Firma I. Deutschland GmbH und Co. KG als Mitarbeiter im Service beschäftigt. In der Zeit vom 01.03.2004 bis 30.09.2005 wurde der Kläger als Student als arbeitslosenversicherungsfreier Arbeitnehmer geführt. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrug 17,93 Stunden. Im Abrechnungszeitraum vom 01.03.2006 bis 28.02.2007 erzielte der Kläger ein Arbeitsentgelt in Höhe von 10.494,59 EUR sowie beitragspflichtige Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 1.527,17 EUR. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Schreiben vom 13.03.2007 durch den Arbeitgeber fristlos zum 14.03.2007, vorsorglich fristgerecht zum 30.04.2007 gekündigt.

Am 14.03.2007 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 15.03.2007 bei der Agentur für Arbeit Mannheim (AA) arbeitslos und beantragte Alg. Er erklärte, dass er maximal 1,5 Tage/15 Stun¬den pro Woche arbeiten wolle, so dass er sich seinem Studium widmen könne, um es abzuschließen. Ihm wäre lieber, wenn er sich seinem Studium ganz widmen könne. Nur so könne er bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. In einem Zusatzfragebogen für Studenten und Schüler gab der Kläger weiter an, die wöchentliche Stundenzahl ohne Vor- und Nachbearbeitungszeiten seines Studiums betrage bis zu 10 Stunden und machte weitere Angaben (hierzu wird auf Blatt 19 der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen).

Mit Bescheid vom 29.03.2007 entsprach die AA dem Antrag des Klägers auf Alg nicht.

Hiergegen legte der Kläger am 29.03.2007 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, er habe schon bisher neben dem Studium 20 Stunden in der Woche gearbeitet. Eine Beschäftigung neben dem Studium von mindestens 15 Stunden in der Woche sei ihm möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei Studenten einer Hochschule werde gesetzlich vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben könnten, sofern diese Vermutung nicht widerlegt werde. Der Kläger sei Studierender einer Hochschule. Er habe nicht nachgewiesen, dass er
neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Nach den Angaben des Klägers überwiege die zeitliche Belastung durch das Studium. Damit bleibe das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung nur Nebensache, weil die Beschäftigung den Erfordernissen des Studiums angepasst und untergeordnet sei. Der Kläger habe selbst angegeben, dass er sich überwiegend, am liebsten ganz, seinem Studium widmen wolle, um es abzuschließen. Er habe deshalb keine Möglichkeit, neben der Ausbildung noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben. Damit stehe er den Vermittlungsbemühungen der AA nicht zur Verfü¬gung und sei damit nicht arbeitslos. Ein Anspruch auf Alg bestehe deshalb nicht.

Am 27.04.2007 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er führte zur Begründung aus, er sei ab 01.10.2005 bei der Firma I. als Teilzeitkraft in der Regel mit wöchentlich 20 Stunden beschäftigt gewesen. Er sei auch weiterhin verfügbar. Sein Studium mit einer regel-mäßigen wöchentlichen Stundenzahl von 9,5 und 19 Stunden bei unterstellter Nacharbeit stehe seiner Verfügbarkeit nicht entgegen. Damit komme er den Studienanforderungen und den Prüfungsbedingungen seines Studiums ordnungsgemäß nach. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden verblieben 21 Stunden für die Arbeitstätigkeit. Das Bundessozialgericht gehe davon aus, dass eine bestimmte zeitliche Obergrenze für die wöchentliche Belastung nicht fest-gelegt sei. Ihm sei es möglich, unter üblichen Teilzeitarbeitsbedingungen sogar mehr als 20 Wochenstunden zu erbringen. In diesem Umfang habe er vorher auch bereits ohne Beeinträchti¬gung seines Studiums gearbeitet. Insofern sei die gesetzliche Fiktion widerlegt. Er habe entsprechend den Hinweisen im Merkblatt für Arbeitslose den Nachweis, dass die objektiven Anforderungen des Ausbildungsganges eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung neben seiner Ausbildung zuließen, bereits dadurch erbracht, dass er während seine Studiums im Umfang von über 15 Stunden gearbeitet habe. Seine Erklärung, er wolle sich seinem Studium widmen, sei keinesfalls dahingehend auszulegen, dass er einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im erforderlichen Umfang nicht nachgehen könne. Es komme nicht darauf an, ob das Studium die Hauptsache oder eine Nebensache sei, wenn der Arbeitslose in der Lage sei, die geforderte wöchentliche Stundenzahl zu erbringen. Hierzu sei er bereit, weil er auf eine Beschäftigung und das damit zu erzielende Einkommen angewiesen sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte zur Begründung aus, im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung komme es nicht allein darauf an, dass die dem Studenten mögliche Tätigkeit die Grenze der Geringfügigkeit überschreite, sondern, ob die während des Studiums in Betracht kommende Beschäftigung versicherungsfrei gewesen wäre. Der Arbeitslose bleibe nach seinem Erscheinungsbild Student, wenn er nur für Beschäftigungen zur Verfügung stehe, die den Erfordernissen des Studiums angepasst und untergeordnet seien. Eine Beschäftigung während des Studiums sei nur versicherungspflichtig, wenn sie die Hauptsache und das Studium die Nebensache sei. Nach allgemeiner Verwaltungspraxis bleibe ein Beschäftigungsloser nach seinem Erscheinungsbild Student, wenn er während der allgemeinen Vorlesungszeit wöchentlich nur bis zu maximal 20 Stunden beschäftigt sein könne. Dies habe der Kläger schriftlich erklärt. Auch durch seine bisher neben dem Studium ausgeübte Beschäftigung sei die Vermutung, dass das Studium die Hauptsache darstelle, nicht widerlegt. Dies wäre unter Umständen nur dann der Fall, wenn bereits bisher eine versicherungspflichtige Beschäftigung von mehr als 20 Stunden in der Woche ausgeübt worden wäre. Der Kläger habe nur eine Beschäftigung mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 17,93 Stunden ausgeübt, die zudem in der Zeit vom 01.03.2004 bis 30.09.2005 versicherungsfrei gewesen sei.

Mit Urteil vom 21.09.2007 verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger ab 14.03.2007 Alg zu gewähren. Es führte zur Begründung aus, nach der Überzeugung der Kammer habe der Kläger die gesetzliche Vermutung der Nichtverfügbarkeit eines Studenten für die Arbeitsvermittlung widerlegt. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das die Beklagten am 25.09.2007 zugestellte Urteil hat sie am 18.10.2007 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung die ihr aus ihrer Sicht geltenden Rechtsgrundsätze dargelegt und ausgeführt, schon nach den eigenen Angaben des Klägers sei offenbar, dass das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung die Nebensache sei. Die zeitliche Belastung durch das Studium mit mindestens 19,5 Stunden überwiege die Arbeitsbereitschaft von 15 Stunden sowie die bisher durchschnittlich erbrachte Arbeitszeit von 17,93 Stunden. Der Kläger habe auch immer gearbeitet, um sein Studium zu finanzieren und habe nicht nebenher studiert. Dem SG könne im Übri¬gen schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Besuch von Seminaren im letzten Studienjahr mit einer Vor- und Nacharbeitszeit von jeweils einer Stunde nicht bewältigt werden könne. Außer Betracht geblieben seien die Anfertigung von Seminararbeiten und die Vorbereitung auf die Ab-schlussprüfung. Im letzten Studienjahr werde durchschnittlich mit einer Arbeitsbelastung von 40 Stunden wöchentlich gerechnet. Dies habe auch der Kläger erkannt, als er sich maximal 1,5 Tage oder 15 Stunden zur Verfügung gestellt habe. Entgegen dem SG stehe fest, dass das Studium die Hauptsache und die Arbeit die Nebensache sei. Der Kläger habe nicht detailliert ausgeführt, welche Seminare er im letzten Studienjahr besucht habe und wie viel Zeit die Prüfungsvorbereitung in Anspruch genommen habe. Nach den geltenden Grundsätzen habe der Kläger neben der Ausbildung keine Möglichkeit, eine versicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben. Er sei damit nicht arbeitslos und habe keinen Anspruch auf Alg. Unerfindlich sei, warum ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben sein soll.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. September 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung ausgeführt, ihm sei völlig unverständlich, dass die Beklagte dem zutreffenden Urteil nicht folge. Seine gemachten Angaben dienten der Verdeutlichung, warum er, schließlich auch mit Auswirkungen für die Höhe des Alg-Anspruches, nicht vollschichtig tätig werden wolle. Daran, dass er sich in hinreichenden Umfang der Arbeitsvermittlung zur Verfü¬gung gestellt habe und zur arbeitsmarktüblichen Bedingungen eingesetzt werden könne, er damit dem Erscheinungsbild eines Arbeitsnehmers entspreche, änderten seine Erklärungen nichts. Dies folge auch daraus, dass er bei seiner letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit in einer Weise und in einem Umfang flexibel eingesetzt gewesen sei, die gerade den heutigen Anforderungen an einen Arbeitnehmer entsprächen. Dies habe für ihn auch weiterhin gegolten. Aufgrund der Informationen, die er nur über das Merkblatt der Beklagten erhalten habe, stehe außer Frage, dass er sich für mindestens 15 Stunden pro Woche der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stelle. Ein Anspruch auf Alg sei gegeben. Andernfalls sei für die Beklagte erkennbar gewesen, dass ihm die rechtliche Bedeutung der gesetzlichen Vermutung unklar gewesen sei. Dann sei eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch dahin gegeben, dass ihm Alg zustehe. Der Kläger hat Zeitnachweise hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Firma I. sowie den Anstellungsvertrag vorgelegt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2007 zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 14.03.2007 Alg zu bewilligen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg ab 14.03.2007.

Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit haben gemäß § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl. I 2848) Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat sich zwar bei der AA am 14.03.2007 persönlich arbeitslos gemeldet. Der Kläger war jedoch nicht arbeitslos. Denn er stand in der hier streitigen Zeit ab 14.03.2007 als ordentlicher Student an einer Hochschule der Arbeitsvermittlung der Beklagten für eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zur Verfügung.

Verfügbarkeit liegt nach § 119 Abs. 5 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl. I 2848) nur vor, wenn der Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann und darf. Dabei wird ver-mutet, dass der Arbeitslose, der wie der Kläger ordentlicher Student einer Hochschule ist, nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben kann (§ 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003 [BGBl. I 2848]). Die Vermutung ist widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (§ 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Nach § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III sind Personen versicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausüben (sog. Werkstudentenprivileg). Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 11.11.2003 - B 12 KR 24/03 R m.w.N.) genügt für die Versicherungsfreiheit auf Grund des Werkstudentenprivilegs nicht das formale Kriterium, dass es sich bei den Beschäftigten statusrechtlich um Studenten handelt. Die Versicherungsfreiheit verlangt vielmehr neben dem förmlichen Status des Studenten (Immatrikulation), den der Kläger erfüllt, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt. Gesetzliches Leitbild des Werkstudentenprivilegs sind demnach Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts er-forderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung ist demgemäß versicherungsfrei, wenn und solange sie "neben" dem Studium ausgeübt wird, ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist, mithin das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung die Nebensache ist (vgl. BSG a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2006 - L 2 KR 16/05 m.w.N., juris). Das BSG hat bei Studenten, die eine Beschäftigung erstmals während ihres Studiums aufgenommen haben, im Wesentlichen darauf abgestellt, ob die Beschäftigung Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt. Es hat dies bei einer während des Semesters ausgeübten Beschäftigung bejaht, sofern deren zeitlicher Umfang wöchentlich 20 Stunden übersteigt (vgl. BSG a.a.O.), wobei es aber eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden im Semester später nicht (mehr) als absolute Grenze, wohl aber als ein wesentliches Beweiszeichen angesehen hat, dem bei der Würdigung des Gesamtbildes besonderes Gewicht zukommt. Die Beschäftigung bis zu einem Zeitraum von 20 Wochenstunden ist danach grundsätzlich unschädlich und führt nicht zur Begründung einer Versicherungspflicht. Bei darüber hinausgehender Arbeitszeit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Beschäftigung das dominierende Element ist. Soweit es für die Frage der Versicherungspflicht einer Person entscheidend auf deren "Erscheinungsbild" ankommt, sind zu dessen Feststellung alle insoweit erheblichen Umstände des einzelnen Falles zu beachten (BSG, Urteil vom 22.2.1980, 12 RK 34/79). Zu den hiernach erheblichen Umständen des jeweiligen Falles gehört auch die Dauer der wöchentlichen Beschäftigung (BSG a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, wie sehr der einzelne Student tatsächlich durch sein Studium zeitlich belastet wird. Darüber einigermaßen sichere Feststellungen zu treffen, würde den Ver-sicherungsträgern kaum möglich sein. Maßgebend können vielmehr nur die objektiven An-forderungen eines ordnungsgemäßen Studiums sein, wie sie sich aus Studienordnungen u.ä. (vgl. hierzu auch LSG Sachsen, Urteil vom 02.06.2004 - L 2 AL 192/03 -, juris), ggf. in Verbindung mit der Lebenserfahrung, ergeben. Nur wenn der für das jeweilige Studiensemester objektiv nachprüfbare Arbeitsaufwand (Zahl und Dauer der Lehrveranstaltungen, notwendige Vorbereitungszeiten) die zeitliche Belastung durch die Erwerbstätigkeit übersteigt, kann das Studium noch das Erscheinungsbild bestimmen (BSG a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) sind zu unterscheiden, Personen, die bereits vor Aufnahme des Studiums berufstätig waren und diese Tätigkeit unvermindert fortsetzen oder das Studium in einem praktisch nicht mehr ins Gewicht fallenden Umfang betreiben. Sie werden als studierende Arbeitnehmer angesehen und sind deshalb versicherungspflichtig.

Hiervon ausgehend erfordert die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung in § 120 Abs. 2 SGB III den Nachweis, dass die angestrebte Beschäftigung das auch weiterhin ordnungsgemäß durchführbare Studium nach Art und Dauer in den Hintergrund treten lässt. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geführt. Der abweichenden Ansicht des SG im angefochtenen Urteil vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung steht entgegen, dass die vom Kläger angestrebte Tätigkeit von wöchentlich 15 Stunden, wie er sich bei der Arbeitslosmeldung zur Verfügung ge-stellt hat, hinter den zeitlichen Anforderungen seines Studiums zurückbleibt, mithin das Studium im Vergleich zur angestrebten Tätigkeit die Arbeitskraft des Klägers dominierend fordert. Nach den vom Kläger gemachten Angaben (9,5 Wochenstunden für Studienveranstaltungen) muss davon ausgegangen werden, dass das Studium einen wöchentlichen zeitlichen Aufwand von (mindestens) 19 Stunden erfordert (vgl. BSG SozR 3-4100 § 103a Nr. 1). Hinzu kommt, dass der Kläger eine Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von wenigstens 20 Stunden nicht angestrebt hat. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist aber eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als Orientierungshilfe zu betrachten, wobei bei Studenten eine Beschäftigung bis zu einem Zeitraum von 20 Wochenstunden grundsätzlich nicht zur Begründung einer Versicherungspflicht führt. Die Vermutung wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Kläger nach Ansicht des SG in der Lage sei, einer 15-stündigen Tätigkeit wöchentlich nachzugehen. Dies gilt auch hinsichtlich der früheren Tätigkeit des Klägers bei der Firma I ... Erforderlich ist der Nachweis, dass die Beschäftigung die Hauptsache ist. Dies trifft beim Kläger für den streitigen Zeitraum aber nicht zu. Einer solchen Annahme steht bereits die eindeutige Erklärung des Klägers im Rahmen der Antragstellung (Blatt 12 der Verwaltungsakte) entgegen, er wolle maximal 1,5 Tage/15 Stunden pro Woche arbeiten, sodass er sich seinem Studium widmen kann, um es abzuschließen. Ihm wäre lieber, wenn er sich seinem Studium ganz widmen könne. Diese Erklärung, die der Kläger im Zusatzfragebogen für Studenten und Schüler im Kern wiederholt hat, muss er gegen sich gelten lassen. Sie belegt, dass für den Kläger sein Studium die Hauptsache und die angestrebte Tätigkeit die Nebensache war, d.h. dass der Kläger dem gesetzlichen Leitbild des Werkstudentenprivilegs entspricht. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht hinreichend dargetan und belegt, dass ihm nach Lage und Verteilung der Arbeitszeit eine arbeitsmarktübliche Tätigkeit neben der Durchführung eines Studiums überhaupt möglich ist, zumal der Kläger bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld ein Vermittlungs¬hemmnis wegen der Betreuung seines am 05.06.2001 geborenen Kindes angegeben hat, ohne die Frage zu beantworten, ob die Betreuung sichergestellt ist, wenn er diese nicht übernehmen kann.

Außerdem ist selbst dann, wenn der Ansicht des SG im angefochtenen Urteil vom 21.09.2007 gefolgt würde, der Kläger sei nach der Gestaltung seines Studiums in der Lage, einer 15¬stündigen Tätigkeit wöchentlich nachzugehen, noch nicht die Annahme gerechtfertigt, der Kläger habe die gesetzliche Vermutung des § 120 Abs. 2 SGB III der Nichtverfügbarkeit von Stu¬denten widerlegt. Es kommt vielmehr weiter darauf an, ob die in Betracht kommende Tätigkeit als ver-sicherungspflichtige Beschäftigung zu werten ist. Hiervon kann aber nach dem oben Aus¬geführten beim Kläger nicht ausgegangen werden, da die neben dem Studium für ihn als möglich angegebene Tätigkeit dem Werkstudenten-Privileg unterfällt und versicherungsfrei wäre. Dem steht nicht ent-gegen, dass § 120 Abs. 2 SGB III eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Be-schäftigung nennt. Diese Stundenangabe erklärt sich daraus, dass erst ab dieser Grenze überhaupt eine arbeitslosenversicherungsrechtlich relevante Beschäftigung vorliegt. Nur wer überhaupt eine mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung sucht und keine Be¬schäftigung hat, ist arbeitslos und kann einen Anspruch auf Alg haben. Aus der in § 120 Abs. 2 SGB III genannten Stundenangabe kann nicht gefolgert werden, dass abweichend von den genannten Grundsätzen bei Studenten bereits eine 15 Wochenstunden angestrebte Tätigkeit stets als versicherungs-pflichtig anzusehen ist. § 120 Abs. 2 SGB III beinhaltet keine gesetzliche Defi¬nition dahin, dass ein Arbeitnehmer nur dann ein Werkstudent ist, wenn er weniger als 15 Stunden in der Woche als Arbeitnehmer arbeitet. Hiervon geht auch die Rechtsprechung des BSG aus. Wäre dem so, wäre § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III im Hinblick auf die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III überflüssig (vgl. auch LSG Sachsen, Urteil vom 02.06.2004 - L 2 AL 192/03 -, juris).

Ob außerdem die Tätigkeit des Klägers bei der Firma I. in der Zeit vom 01.03.2004 bis 14.03.2007 nach dem Werkstudentenprivileg sozialversicherungsfrei gewesen ist, mit der Folge, dass der Kläger auch die Anwartschaftszeit (§ 123 Satz 1 SGB III) nicht erfüllt hätte, da er in der Rahmenfrist (§ 124 Abs. 1 SGB III) nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hätte, und die vorliegend nicht streitgegenständliche Frage, ob ihm deshalb ein Anspruch auf die Rückgewährung erbrachter Sozialversicherungsbeiträge zusteht, bedürfen keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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