Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 4408/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1116/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Januar 2009 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 23. Oktober 2008.
Die Antragstellerin meldete sich am 3. April 2008 mit Wirkung zum 28. April 2008 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Sie war bei der Firma T. und H. GmbH beschäftigt. Nach der Arbeitsbescheinigung der Arbeitgerberin vom 8. Mai 2008 war die Antragstellerin zuletzt vom 11. Dezember 2006 bis zum 27. April 2008 krank ohne Lohnfortzahlung. Die AOK - Sch.-B.-H. bescheinigte den Bezug von Krankengeld bis zum 27. April 2008, danach sei die Aussteuerung erfolgt. Mit Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2008 bewilligte die Antragsgegnerin Alg ab 28. April 2008 für eine Anspruchsdauer von 450 Tagen bei einem täglichen Leistungssatz vom 27,09 EUR für die Zeit vom 28. April 2008 bis 27. Juli 2009. Am 29. Oktober 2008 sprach die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor und teilte mit, sie sei aufgrund einer neuen Erkrankung (Herz und Lunge) ab 11. September 2008 bis einschließlich 3. November 2008 erneut arbeitsunfähig, diese werde voraussichtlich länger dauern. Ein Anspruch auf Krankengeld sei abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2008 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg ab dem 23. Oktober 2008 auf. Als Grund der Aufhebung wurde das "Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall" genannt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2008 zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin zum Sozialgericht Reutlingen Klage (S 5 AL 4421/08) erhoben und Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung des Antrags hat die Antragstellerin unter anderem vorgetragen, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen sei nicht eingetreten. Im Übrigen habe sie Anspruch auf Alg nach der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung.
Das SG hat mit Beschluss vom 22. Januar 2009 den "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung" zurückgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erfolgende Interessenabwägung bezüglich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage führe hier dazu, dass dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung Vorrang zu gewähren sei, zumal der angefochtene Bescheid sich als rechtmäßig darstelle. Gegen den am 26. Februar 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 9. März 2009 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung der Beschwerde hat diese vorgetragen, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen sei nicht ersichtlich, zumal sie durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich ihr Anspruch aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Januar 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie führt aus, die Antragstellerin sei nicht durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Während des Bezugs von Alg habe in der Zeit vom 20. August 2008 bis 30. August 2008 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Zum 11. September 2008 habe sich die Antragstellerin dann wegen einer erneuten Erkrankung (Herz/Lunge) arbeitsunfähig gemeldet. Weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit seien nicht aktenkundig. Mit Ablauf der sechswöchigen Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 126 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) am 22. Oktober 2008 habe somit kein Anspruch auf Alg mehr bestanden, da Arbeitslosigkeit im Sinne des § 119 SGB III aufgrund der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen habe. Es sei mithin eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird die Akten erster und zweiter Instanz und die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet, sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses und zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ist die Vollziehung des Bescheids vom 24. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 mit dem die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg ab 23. Oktober 2008 aufgehoben hat.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das SG hat den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Das SG hat zwar den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, in der Begründung jedoch zutreffend darauf abgestellt, dass das Begehren als Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu bewerten ist. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die hier erhobene Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung, weil sie eine laufende Leistung im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG entzieht. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz mit Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Dabei sind an das Aussetzungsinteresse umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b RdNr. 12e). Letztlich ist auch das Verhalten der Behörde bei der Abwägung zu berücksichtigen und kann dazu führen, dass sich die Vollziehung als unbillig erweist (vgl. zum Ganzen Keller a a.O. RdNr. 12g f.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt im vorliegendem Fall das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Der Bescheid vom 24. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 erweist sich zwar nicht als offensichtlich rechtswidrig; vielmehr ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. An der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids bestehen jedoch derart erhebliche Zweifel, dass hier das im Regelfall Vorrang genießende Vollzugsinteresse zurücktritt. Maßgebend hierfür ist auch, dass die Beklagte es unterlassen hat, die vor Erlass des angegriffenen Bescheids gebotenen Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen; von eigenen Ermittlungen sieht der Senat im Hinblick auf das bestehende Eilbedürfnis ab.
Rechtsgrundlage der ergangenen Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt muss nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste weil er die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist. Die Antragstellerin ist bereits vor ihrer Arbeitslosmeldung ab dem 30. Oktober 2006 durchgehend arbeitsunfähig gewesen; zum 28. April 2008 ist die Klägerin vom Krankengeldbezug ausgesteuert worden. Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin (vorübergehend) wieder arbeitsfähig geworden wäre. Der Umstand, dass sie sich subjektiv für die Arbeitsvermittlung (§ 121 SGB III) zur Verfügung gestellt hatte, ändert daran nichts. Die Antragsgegnerin hat weder zur Überprüfung der Vermittelbarkeit, noch zur Prüfung einer späteren Änderung der medizinischen Leistungsfähigkeit Befundunterlagen beigezogen oder eine medizinische Begutachtung veranlasst. Es sind somit keinerlei medizinische Erkenntnisse gewonnen worden, die eine Änderung des Gesundheitszustandes dokumentieren. Der Vortrag der Antragsgegnerin, die Antragstellerin sei laut Bescheinigung der AOK vom 26. September 2008 lediglich in der Zeit vom 20. August bis 30. August 2008 arbeitsunfähig gewesen, trägt zur Aufklärung nichts bei, da sich diese Bescheinigung ausdrücklich auf die Arbeitsunfähigkeit "im Ausland" bezieht. Inwieweit eine gesundheitliche Verschlechterung ab 11. September 2008 eingetreten ist, ist ebenfalls nicht aktenkundig. Ausweislich des in den Akten befindlichen Widerspruchsbescheids des Rentenversicherungsträgers vom 26. Juni 2008 haben die dortigen medizinischen Ermittlungen auf nervenärztlichem, internistischen und orthopädischem Fachgebiet ergeben, dass die Klägerin mit qualitativen Einschränkungen leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Nach der Mitteilung der Antragstellerin, sie sei wegen "neuer Erkrankung (Lunge/Herz)" arbeitsunfähig, wäre zunächst der medizinische Sachverhalt z. B. durch Anforderung von Befundberichten der behandelnden Ärzte insoweit aufzuklären gewesen, ob tatsächlich eine Änderung der Leistungsfähigkeit (Arbeitsfähigkeit) der Antragstellerin eingetreten ist. Der bloße Verdacht einer Änderung oder die subjektive Einschätzung der Antragstellerin sind unzureichend. Bei der gegeben Sachlage ist zudem weiter fraglich, ob der Antragstellerin zumindest grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorgeworfen werden kann. Da somit das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 SGB X erheblichen Zweifeln unterliegt und die gebotene Aufklärung des Sachverhalts im Verwaltungsverfahren unterlassen wurde, ist dem privaten Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung Vorzug einzuräumen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
2. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 23. Oktober 2008.
Die Antragstellerin meldete sich am 3. April 2008 mit Wirkung zum 28. April 2008 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Sie war bei der Firma T. und H. GmbH beschäftigt. Nach der Arbeitsbescheinigung der Arbeitgerberin vom 8. Mai 2008 war die Antragstellerin zuletzt vom 11. Dezember 2006 bis zum 27. April 2008 krank ohne Lohnfortzahlung. Die AOK - Sch.-B.-H. bescheinigte den Bezug von Krankengeld bis zum 27. April 2008, danach sei die Aussteuerung erfolgt. Mit Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2008 bewilligte die Antragsgegnerin Alg ab 28. April 2008 für eine Anspruchsdauer von 450 Tagen bei einem täglichen Leistungssatz vom 27,09 EUR für die Zeit vom 28. April 2008 bis 27. Juli 2009. Am 29. Oktober 2008 sprach die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor und teilte mit, sie sei aufgrund einer neuen Erkrankung (Herz und Lunge) ab 11. September 2008 bis einschließlich 3. November 2008 erneut arbeitsunfähig, diese werde voraussichtlich länger dauern. Ein Anspruch auf Krankengeld sei abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2008 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg ab dem 23. Oktober 2008 auf. Als Grund der Aufhebung wurde das "Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall" genannt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2008 zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin zum Sozialgericht Reutlingen Klage (S 5 AL 4421/08) erhoben und Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung des Antrags hat die Antragstellerin unter anderem vorgetragen, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen sei nicht eingetreten. Im Übrigen habe sie Anspruch auf Alg nach der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung.
Das SG hat mit Beschluss vom 22. Januar 2009 den "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung" zurückgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erfolgende Interessenabwägung bezüglich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage führe hier dazu, dass dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung Vorrang zu gewähren sei, zumal der angefochtene Bescheid sich als rechtmäßig darstelle. Gegen den am 26. Februar 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 9. März 2009 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung der Beschwerde hat diese vorgetragen, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen sei nicht ersichtlich, zumal sie durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich ihr Anspruch aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Januar 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie führt aus, die Antragstellerin sei nicht durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Während des Bezugs von Alg habe in der Zeit vom 20. August 2008 bis 30. August 2008 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Zum 11. September 2008 habe sich die Antragstellerin dann wegen einer erneuten Erkrankung (Herz/Lunge) arbeitsunfähig gemeldet. Weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit seien nicht aktenkundig. Mit Ablauf der sechswöchigen Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 126 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) am 22. Oktober 2008 habe somit kein Anspruch auf Alg mehr bestanden, da Arbeitslosigkeit im Sinne des § 119 SGB III aufgrund der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen habe. Es sei mithin eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird die Akten erster und zweiter Instanz und die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet, sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses und zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ist die Vollziehung des Bescheids vom 24. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 mit dem die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg ab 23. Oktober 2008 aufgehoben hat.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das SG hat den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Das SG hat zwar den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, in der Begründung jedoch zutreffend darauf abgestellt, dass das Begehren als Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu bewerten ist. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die hier erhobene Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung, weil sie eine laufende Leistung im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG entzieht. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz mit Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Dabei sind an das Aussetzungsinteresse umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b RdNr. 12e). Letztlich ist auch das Verhalten der Behörde bei der Abwägung zu berücksichtigen und kann dazu führen, dass sich die Vollziehung als unbillig erweist (vgl. zum Ganzen Keller a a.O. RdNr. 12g f.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt im vorliegendem Fall das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Der Bescheid vom 24. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 erweist sich zwar nicht als offensichtlich rechtswidrig; vielmehr ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. An der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids bestehen jedoch derart erhebliche Zweifel, dass hier das im Regelfall Vorrang genießende Vollzugsinteresse zurücktritt. Maßgebend hierfür ist auch, dass die Beklagte es unterlassen hat, die vor Erlass des angegriffenen Bescheids gebotenen Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen; von eigenen Ermittlungen sieht der Senat im Hinblick auf das bestehende Eilbedürfnis ab.
Rechtsgrundlage der ergangenen Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt muss nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste weil er die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist. Die Antragstellerin ist bereits vor ihrer Arbeitslosmeldung ab dem 30. Oktober 2006 durchgehend arbeitsunfähig gewesen; zum 28. April 2008 ist die Klägerin vom Krankengeldbezug ausgesteuert worden. Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin (vorübergehend) wieder arbeitsfähig geworden wäre. Der Umstand, dass sie sich subjektiv für die Arbeitsvermittlung (§ 121 SGB III) zur Verfügung gestellt hatte, ändert daran nichts. Die Antragsgegnerin hat weder zur Überprüfung der Vermittelbarkeit, noch zur Prüfung einer späteren Änderung der medizinischen Leistungsfähigkeit Befundunterlagen beigezogen oder eine medizinische Begutachtung veranlasst. Es sind somit keinerlei medizinische Erkenntnisse gewonnen worden, die eine Änderung des Gesundheitszustandes dokumentieren. Der Vortrag der Antragsgegnerin, die Antragstellerin sei laut Bescheinigung der AOK vom 26. September 2008 lediglich in der Zeit vom 20. August bis 30. August 2008 arbeitsunfähig gewesen, trägt zur Aufklärung nichts bei, da sich diese Bescheinigung ausdrücklich auf die Arbeitsunfähigkeit "im Ausland" bezieht. Inwieweit eine gesundheitliche Verschlechterung ab 11. September 2008 eingetreten ist, ist ebenfalls nicht aktenkundig. Ausweislich des in den Akten befindlichen Widerspruchsbescheids des Rentenversicherungsträgers vom 26. Juni 2008 haben die dortigen medizinischen Ermittlungen auf nervenärztlichem, internistischen und orthopädischem Fachgebiet ergeben, dass die Klägerin mit qualitativen Einschränkungen leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Nach der Mitteilung der Antragstellerin, sie sei wegen "neuer Erkrankung (Lunge/Herz)" arbeitsunfähig, wäre zunächst der medizinische Sachverhalt z. B. durch Anforderung von Befundberichten der behandelnden Ärzte insoweit aufzuklären gewesen, ob tatsächlich eine Änderung der Leistungsfähigkeit (Arbeitsfähigkeit) der Antragstellerin eingetreten ist. Der bloße Verdacht einer Änderung oder die subjektive Einschätzung der Antragstellerin sind unzureichend. Bei der gegeben Sachlage ist zudem weiter fraglich, ob der Antragstellerin zumindest grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorgeworfen werden kann. Da somit das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 SGB X erheblichen Zweifeln unterliegt und die gebotene Aufklärung des Sachverhalts im Verwaltungsverfahren unterlassen wurde, ist dem privaten Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung Vorzug einzuräumen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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