L 8 SB 60/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 6973/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 60/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2006 aufgehoben, der Bescheid des Beklagten vom 26. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2004 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 22. November 2006 abgeändert und der Beklagte verurteilt, einen Grad der Behinderung von 40 seit 1. Mai 2004 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten im Klageverfahren und die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den GdB der Klägerin zu Recht herabgesetzt hat.

Die am 1949 geborene Klägerin musste sich im April 1998 wegen eines Krebsleidens einer beidseitigen Brustoperation unterziehen. Mit Bescheid vom 20.08.1998 stellte das Versorgungsamt Stuttgart (VA) unter Berücksichtigung einer Erkrankung und Operation der rechten und linken Brust im Stadium der Heilungsbewährung einen GdB von 80 seit 26.05.1998 fest.

Im Rahmen der Nachprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin holte das VA von ihrem Gynäkologen Dr. M. einen Befundbericht ein und gab der Klägerin anschließend Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 20 wegen inzwischen eingetretener Heilungsbewährung zu äußern. Die Klägerin vertrat hierzu die Auffassung, sie müsse zumindest als Schwerbehinderte anerkannt bleiben, da nicht nur eine teilweise Brustentfernung beidseits vorliege, sondern auch die Lymphknoten im Bereich beider Achseln entfernt worden seien, was auch heute noch zu erheblichen Beschwerden im Bereich beider Arme führe. Ferner seien die weiterhin bestehende Angstsymptomatik und die psychischen Beeinträchtigungen nicht hinreichend gewürdigt worden. Außerdem sei ihr Bluthochdruckleiden nicht berücksichtigt worden. Nach Einholung eines Befundberichts der Internistin Dr. P. und Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu hob das VA mit Bescheid vom 26.04.2004 den Bescheid vom 20.08.1998 auf und entschied, dass der GdB ab 01.05.2004 wegen Eintritt von Heilungsbewährung nur noch 20 betrage. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden ein Teilverlust beider Brüste, eine Gebrauchseinschränkung beider Arme, Lymphstauung beider Arme, eine depressive Verstimmung, chronisches Schmerzsyndrom und ein Bluthochdruck berücksichtigt.

Dagegen legte die Klägerin am 11.05.2004 Widerspruch ein und machte einen GdB von wenigstens 50 geltend. Sie brachte vor, der Teilverlust beider Brüste bedinge wenigstens einen GdB von 30. Die Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Armes und der Wirbelsäule seien nach den "Anhaltspunkten" gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. Auch außergewöhnliche psychoreaktive Störungen, die von Dr. P. in ihrem Bericht vom 29.01.2004 bestätigt worden seien, müssten berücksichtigt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 19.10.2004 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie weiterhin einen GdB von 50 geltend machte. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf ihr Widerspruchsvorbringen.

Das SG hörte Dr. M. und Dr. P. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. berichtete am 12.01.2005 über den Krankheits- und Behandlungsverlauf und gab an, es bestünde kein Hinweis auf ein Rezidiv. Ein GdB von 20 für den Teilverlust beider Brüste berücksichtige zu wenig das theoretische Rezidivrisiko über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren und die damit verbundenen Ängste. Ferner seien die deutlichen psychosomatischen und psychovegetativen Störungen mit einem GdB von 10 zu niedrig bewertet. Dr. P. gab am 26.01.2005 unter Übersendung des Kurentlassungsberichts der Rehabilitationsklinik Wehrawald in Todtmoos vom 06.06.2000 an, die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen seien wesentlich zu gering bewertet. Sie hielt Teil-GdB-Werte von 50, 50, 80 und 30 (anstatt 20, 10, 10 und 10) für angemessen. Die Klägerin leide an einer mittelgradigen bis schweren reaktiven Depression mit mittelgradig schwerer sozialer Anpassungsstörung. Sie sei in ihrem Alltag und täglichem Erleben sowohl in beruflicher Hinsicht als auch im sozialen Umgang wesentlich eingeschränkt. Das daraufhin vom Beklagten unterbreitete Vergleichsangebot vom 13.05.2005 (GdB 40 ab 01.05.2004) nahm die Klägerin nicht an. Anschließend holte das SG auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. F., Universitätsklinik Tübingen, ein psychiatrisches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin gelangte der Sachverständige im Gutachten vom 27.04.2006 zu der Beurteilung, bei der Klägerin liege auf psychiatrischem Gebiet keine Erkrankung vor. Die von den bislang gehörten Ärzten angenommene schwergradige psychosomatische bzw. psychovegetative Symptomatik bzw. schwergradige Depression könne nicht bestätigt werden. Die hierfür erforderlichen Symptome wie gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Verminderung des Antriebs usw. lägen nicht vor. Auch von einer Somatisierungsstörung sei aufgrund der körperlichen Begründbarkeit der Schmerzsymptomatik und der von der Klägerin geschilderten Beschwerden nicht auszugehen. Die von ihr geschilderten Symptome werte er als chronisches Schmerzsyndrom. Daraufhin widerrief der Beklagte am 23.05.2006 sein Vergleichsangebot vom 13.05.2005 und unterbreitete ein neues Angebot (GdB 30 ab 01.05.2004), das die Klägerin ablehnte. Das vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2006 abgegebene entsprechende Teilanerkenntnis (GdB 30 ab 01.05.2004) nahm die Klägerin zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits an.

Mit Urteil vom 22.11.2006 wies das SG die Klage ab. Es bejahte den Eintritt von Heilungsbewährung und hielt - gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. F. und die Angaben der behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. P. - einen GdB von insgesamt 30 für angemessen. Der Teilverlust beider Brüste und der achsillären Lymphknoten sowie die damit verbundenen chronischen Schmerzen und Beschwerden im Bereich der Arme bedingten nach den Beurteilungsmaßstäben der "Anhaltspunkte" (AHP) einen GdB von 30. Hinzu käme die Hypertonie mit einem GdB von 10. Eine psychische Erkrankung liege bei der Klägerin nicht vor. Dies folge aus dem psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. F ... Das von diesem diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom sei bereits im Rahmen der Auswirkungen der Brustteilentfernung berücksichtigt.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 06.12.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.01.2007 Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin einen GdB von 50 geltend macht. Sie bringt vor, die Beurteilung von Prof. Dr. F. sei schon deshalb in sich widersprüchlich und daher nicht zugrundezulegen, weil er zum einen die von ihr geschilderten Ängste zwar als realistisch ansehe, aber zum anderen die Auffassung vertrete, dass eine psychiatrische Diagnose nicht gestellt werden könne. Seine Beurteilung sei für sie auch nicht nachvollziehbar, da Dr. M. und Dr. P. in ihren Berichten die deutlichen psychosomatischen und vegetativen Störungen sowie die depressive Verstimmung ausdrücklich hervorgehoben hätten. Unabhängig davon bedürfe das von dem Sachverständigen diagnostizierte chronische Schmerzsyndrom einer besonderen Bewertung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2006 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 26. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2004 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 22. November 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 seit 1. Mai 2004 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er legt die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Götz vom 26.03.2008 und Dr. W. vom 04.07.2008 vor. Den gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 25.06.2008 (GdB 40 ab 01.05.2004) hält der Beklagte für vertretbar und hat ihm zugestimmt.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG von Privatdozent Dr. W. , B. Sch., ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt. Der Sacherständige hat die Klägerin ambulant untersucht und ist in seinem Gutachten vom 29.11.2007 zu der Beurteilung gelangt, dass der Gesamt-GdB 50 betrage. Den GdB auf seinem Fachgebiet schätze er auf 40 ein, wobei er die Funktionseinschränkung beider Arme, das chronische Schmerzsyndrom und ein erlebnisbedingtes psychovegetatives Folgesyndrom jeweils mit einem GdB von 20 bewerte. Der wesentliche Unterschied seiner Bewertung zu den bisherigen Beurteilungen bestehe darin, dass er eine synoptische Darstellung der Komplexität der morphologischen Folgen der Brustkrebserkrankung mit Lymphödemneigung und den nachfolgenden funktionellen Störungen in der Nacken-, Schulter- und Armregion verfasst und dabei auch die krankheitsbedingten Behinderungen und Einschränkungen in der Lebensführung einzuschätzen versucht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin bedingen seit 01.05.2004 nur noch einen GdB von 40. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 26.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004, mit dem der Beklagte im Wege der Neufeststellung den GdB wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin von 80 auf 20 herabgesetzt hat. Die wesentliche Änderung der Verhältnisse bestehe im rückfallfreien Ablauf der Heilungsbewährungsfrist nach der im April 1998 bei der Klägerin wegen eines Krebsleidens erfolgten Brustoperation. Mit der Anfechtungsklage macht die Klägerin demgegenüber geltend, dass der GdB im Hinblick auf die bei ihr bestehenden Beeinträchtigungen weiter 50 betrage.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht formell rechtswidrig, da die Klägerin vor dem Erlass des Bescheides ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Abs. 1 SGB X). Er ist jedoch insoweit rechtswidrig, als die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nicht mit einem GdB von 40 bewertet worden sind. Die Voraussetzungen für die erfolgte Herabsetzung des GdB wegen Eintritts einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind allerdings erfüllt. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist zu beachten, dass sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens beurteilt (Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004). Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997, 9 RVs 15/96, SozR 3-3870 § 3 Nr.7).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Erstfeststellungsbescheid vom 20.08.1998 zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der im April 1998 erfolgten Brustkrebsoperation eine Erkrankung und Operation der rechten und linken Brust im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Danach ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren beendet (vgl. AHP 2008, Nr. 26.1 Abs. 3 S. 31f), da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist. Dies steht für den Senat aufgrund der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Berichte des Gynäkologen Dr. M. und der Internistin Dr. P., fest. Dass keine Heilungsbewährung eingetreten und/oder die Heilungsbewährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, macht auch die Klägerin selbst nicht geltend. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung der Klägerin wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.

Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin sind seit 01.05.2004 aber nicht nur mit einem GdB von 30, wie der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren anerkannt hat, sondern mit einem GdB von 40 zu bewerten. Der Teilverlust der Brüste ist mit einem GdB von 20 zu bewerten. Dies folgt aus Nr. 26.14, S. 94 der bis 31.12.2008 maßgebenden und hier noch zu berücksichtigenden AHP 2008. Danach ist bei einer Segment- oder Quadrantenresektion der Brust - wie hier - einen GdB von 0 bis 20 vorsehen. Da beide Brüste der Klägerin betroffen sind, hat der Senat keine Bedenken, den vorgegebenen Bewertungsrahmen (0 bis 20) voll nach oben auszuschöpfen. Gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen sind nach den genannten Bewertungsmaßstäben Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Armes oder der Wirbelsäule als Operations- oder Bestrahlungsfolgen (z.B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nervenläsionen, Fehlhaltung) sowie außergewöhnliche psychoreaktive Störungen. Hier bestehen eine Gebrauchseinschränkung beider Arme und eine Lymphstauung beider Arme. Diese zusätzlichen Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Außergewöhnliche psychoreaktive Störungen im Sinne von Nr. 18 Abs. 8, S. 24 der AHP 2008 liegen bei der Klägerin hingegen nicht vor. Dabei ist zu beachten, dass die in der Bewertungstabelle niedergelegten Sätze bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust) berücksichtigen (aaO). Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind (nur) anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen - z.B. eine Psychotherapie - erforderlich ist (aaO). Solche schwerwiegenden seelischen Begleiterscheinungen sind bei der Klägerin nicht feststellbar. Der vom SG gehörte Sachverständige Prof. Dr. F. hat in seinem auf Antrag der Klägerin eingeholten psychiatrischen Gutachten eine psychiatrische Erkrankung verneint. Dr. M. hat gegenüber dem SG zwar ausgeführt, dass das theoretische Rezidivrisiko über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren und die damit verbundenen Ängste zu wenig berücksichtigt seien. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen im genannten Sinn können daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Aus diesem Grund ist auch der Einwand der Klägerin gegen die Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. F., wonach dieser zwar die von ihr geschilderten Ängste als realistisch beurteilt, aber andererseits keine psychiatrische Diagnose gestellt habe, nicht stichhaltig. Soweit die Internistin Dr. P. am 26.01.2005 bei der Klägerin von einer mittelgradigen bis schweren reaktiven Depression mit mittelgradig schwerer sozialer Anpassungsstörung ausgegangen ist, hält dies der Senat aufgrund des danach von Prof. Dr. F. erstatteten psychiatrischen Gutachten für widerlegt. Dieser - dem Senat aus einer Vielzahl von Gutachten als kompetenter und versierter Sachverständiger bekannt - hat überzeugend ausgeführt, dass die für eine psychiatrische Diagnose erforderlichen Symptome wie gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Verminderung des Antriebs, Verminderung von Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle, Gefühle von Wertlosigkeit, pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken, Schlafstörungen und verminderter Appetit bei der Klägerin nicht vorliegen. Diese medizinische Beurteilung hat PD Dr. W. bestätigt, denn auch er hat in ausdrücklich erklärter Übereinstimmung zu Prof. Dr. F. eine primär psychiatrische Diagnose verneint. Das von ihm beschriebene erlebnisbedingte psychovegetative Folgesyndrom (Teil-GdB 20) ist keiner nervenärztlichen Diagnose zugeordnet und umschreibt Beeinträchtigungen, die mit dem Teil-GdB 20 für den Verlust beider Brüste bereits erfasst sind.

Ferner besteht bei der Klägerin noch ein chronisches Schmerzsyndrom, das gleichfalls einen GdB von 20 bedingt. Diese Bewertung der auch von Prof. Dr. F. bestätigten Gesundheitsstörung entspricht sowohl der Beurteilung des vom Senat auf Antrag der Klägerin gehörten Nervenarztes Dr. W. als auch der Einschätzung von Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.07.2008. Der Senat sieht keinen Anlass für eine andere Bewertung dieses Leidens. Außerdem liegt bei der Klägerin ein Bluthochdruck vor, der mit einem GdB von 10 nicht zu niedrig bewertet ist. Auch die Klägerin selbst macht insoweit keine Einwände geltend.

Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Bei Funktionsbeeinträchtigungen von 20, 20, 20 und 10 lässt sich ein Gesamt-GdB von 50 nicht begründen. Abgesehen davon, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein GdB von 50 grundsätzlich nur dann angenommen werden kann, wenn die schwerwiegendste Funktionsbeeinträchtigung einen GdB von mindestens 30 bedingt, ist hier auch zu berücksichtigen, dass zwischen den jeweils einen GdB von 20 bedingenden Funktionsbeeinträchtigungen starke Überschneidungen bestehen. Hinzu kommt, dass Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von lediglich 10 (hier der Bluthochdruck) nach Nr. 19 Abs. 4 S. 26 der AHP 2008 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen. Diese bei der Bildung des Gesamt-GdB zu beachtenden Beurteilungsregel ist vom Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt worden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 28). Ein Ausnahmefall, der mit der in Nr. 19 Abs. 4, S. 26 der AHP 2008 genannten Art vergleichbar wäre, liegt nicht vor. Die Höhe der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teilbehinderungsgrade zeigt, dass ein GdB von 40 an der obersten Grenze des Bewertungsspielraums angesiedelt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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