L 1 AS 1622/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 823/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1622/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.03.2009 wird zurückgewiesen.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Zahlungsaufforderung im Streit.

Die Beschwerdegegnerin (Bg.) hat die Beschwerdeführerin (Bf.) mit Schreiben vom 12.02.2009 aufgefordert, bis zum 03.03.2009 fällige Forderungen wegen zuviel gezahlter Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von insgesamt 1.127,34 EUR zurückzuzahlen. Als Forderungsinhaber war die Arbeitsgemeinschaft B.-B. (ARGE nach § 44b SGB II) angegeben. Den Forderungen liegen im Wesentlichen bestandskräftige Bescheide der ARGE über die Absenkung der Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung zugrunde (vgl. das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe [SG] vom 17.06.2008 - S 6 AS 6097/07 -).

Mit Antrag vom 25.02.2009 hat die Bf. beim SG "Widerspruch" gegen die Zahlungsaufforderung eingelegt, da diese nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 07.03.2007 - L 28 B 134/07 AS -) rechtswidrig sei.

Auf die Anfrage des SG, ob die Bf. sich gegen die Zahlung selbst oder gegen die Art und Weise einer drohenden Zwangsvollstreckung wende, erfolgte keine Rückäußerung der Bf.

Das SG hat den Antrag der Bf. mit Beschluss vom 28.03.2009 abgelehnt. Der Antrag sei als Antrag auf Schutz gegen die Zwangsvollstreckung im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 86b Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszulegen. Für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG fehle es an dem hierfür erforderlichen Verwaltungsakt, weil die Zahlungsaufforderung lediglich auf die Rechtslage hinweise und darüber hinaus keine rechtliche Wirkung entfalte, § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X). Für eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG fehle es sowohl an einem Rechtsschutzbedürfnis als auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Die Klägerin sei durch die Zahlungsaufforderung rechtlich nicht beschwert, und Einwände gegen die geltend gemachten Forderungen der ARGE seien nicht ersichtlich. Der Beschluss des SG wurde der Bf. am 01.04.2009 zugestellt.

Die Bf. hat am 08.04.2009 beim SG Beschwerde eingelegt, welches die Beschwerde dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt hat. Die Bf. hält den Beschluss des SG für rechtswidrig und trägt hierzu vor, dass die der Zahlungsaufforderung zugrunde liegenden Forderungen nicht bestünden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Entsprechend den Ausführungen des SG, auf welche der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, war der beim SG eingereichte Antrag unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht, weil die Zahlungsaufforderung der Bg. mangels einer verbindlichen Regelung gegenüber der Bf. keinen Verwaltungsakt darstellt. Bei einer Zahlungsaufforderung der Bundesagentur für Arbeit, mit der diese die Rückzahlung von Leistungen anmahnt, handelt es sich um eine Mahnung im Sinne des § 3 Abs. 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG), die als unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung oder zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen nicht anfechtbar ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. Beschluss vom 5.8.1997 - 11 BAr 95/97 -; Beschluss vom 07.06.1999 - B 7 AL 264/98 B -; Urteil vom 07.10.2004 - B 11 AL 43/03 R -).

Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).

Mangels einer rechtlich verbindlichen Regelung gegenüber der Bf. ist ein Anordnungsgrund nicht erkennbar. Sollte es zu Vollstreckungshandlungen der Bg. kommen, könnte die Bf. auch hiergegen noch gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Daher kann offen gelassen werden, ob die Bg. vorliegend berechtigt war, für die Forderungen der ARGE eine Zahlungsaufforderung zu übersenden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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