L 8 SB 2362/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 3014/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2362/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. März 2006 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2004 abgeändert und der Beklagte verurteilt, beim Kläger den Grad der Behinderung mit 40 seit dem 1. September 2004 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.

Der am 1980 geborene Kläger erlitt am 01.04.2003 einen Arbeitsunfall. Bei diesem Unfall zog er sich eine Hüftluxation rechts mit Acetabulumfraktur und Interpostition eines Fragments in der Pfanne, eine Rippenserienfraktur rechts mit Haematopneumothorax rechts und Schnittwunden an beiden Unterschenkeln praetibial zu. Als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannte die Holz-Berufsgenossenschaft (BG) zuletzt mit Bescheid vom 27.01.2006 bezüglich des rechten Beins und der rechten Hüfte eine Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk, eine allgemein herabgesetzte Gebrauchsfähigkeit und Belastungsfähigkeit der Hüfte und des Beines, eine Muskelminderung am Oberschenkel, ein Taubheitsgefühl im Bereich des Oberschenkels, eine reizlose Narbenbildung im Bereich der Hüfte und des Schienbeinkopfes sowie medizinisch erklärbare subjektive Beschwerden nach einer Verdrehung der Hüfte mit in achsengerechter Stellung knöchern verheiltem Oberschenkelbruch und nachfolgend teilprothetischer Versorgung des Hüftgelenkes bei reizlose einliegendem Fremdmaterial im Bereich von Hüfte und Oberschenkel. Nach erfolglosem Widerspruch blieb die anschließende Klage des Klägers beim Sozialgericht Karlsruhe (S 3 U 277/05) durch Gerichtsbescheid vom 05.05.2006 und die hiergegen eingelegte Berufung durch Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 06.08.2007 (L 1 U 2904/06) ohne Erfolg. Eine gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 19.11.2007 (B 2 U 281/07 B) als unzulässig verworfen.

Am 19.04.2004 stellte der Kläger beim Versorgungsamt Karlsruhe wegen seines Arbeitsunfalles einen Erstantrag nach dem SGB IX. Das Versorgungsamt hörte Dr. St., der sich am 29.04.2004 äußerte, und zog von der BG den ausführlichen Krankheitsbericht der BG U. L. vom 28.01.2004 bei. Die BG teilte außerdem mit, die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der Folgen des Arbeitsunfalles werde voraussichtlich 30 bis 40 Prozent betragen (Schreiben vom 03.05.2004). Nach Einholung einer versorgungsärztlicher Stellungnahme (Dr. K. vom 18.05.2004, der wegen der BG-Unfallfolgen einen GdB von 30 empfahl) stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 21.05.2004 beim Kläger den GdB mit 30 sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 19.04.2004 fest.

Hiergegen legte der Kläger am 24.05.2004 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, die bei ihm festgestellten Erkrankungen seien nicht in ausreichendem Maße gewürdigt worden. Er sei aufgrund des Unfalles gehbehindert und benötige eine Gehhilfe. Es bestünden erhebliche Belastungsschmerzen aufgrund der Arthrose im Bereich des Gelenkes. Ein Gesamt-GdB von 60 sei gerechtfertigt. Das Versorgungsamt zog den Durchgangsarztbericht des Dr. B. vom 01.04.2003 bei. Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes (Dr. B. vom 05.07.2004) wurde der Widerspruch des Klägers vom Landesversorgungsamt Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die beim Kläger vorliegende Behinderung in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 30 angemessen bewertet worden sei. Für die Feststellung des Merkzeichens "G" sei die Grundvoraussetzung bereits nicht erfüllt, weil der GdB weniger als 50 betrage.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.07.2004 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er machte zur Begründung unter Bezugnahme auf Folgen des Unfalles vom 01.04.2003 geltend, am 24.02.2005 habe eine Implantation einer Hüft-TEP rechts erfolgen müssen, die nicht berücksichtigt worden sei. Aufgrund der Unfallfolgen leide er an depressiven Verstimmungszuständen. Auch durch die erfolgte Implantation einer Hüft-TEP ergebe sich ein GdB von mindestens 60.

Das SG zog den Entlassungsbericht der K. F. vom 14.05.2005 bei und nahm aus der Gerichtsakte des Verfahrens S 2 U 277/05 den Abschlussbericht zur Arbeitserprobung und Berufsfindung vom 02.04.2004 sowie das Erste Rentengutachten des Prof. Dr. Pf. vom 01.06.2004 und das Zweite Rentengutachten des Dr. B. vom 05.01.2006 zu den Akten.

Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 17.08.2005 der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.03.2006 wies das SG die Klage des Klägers unter Bezug auf die angefochtenen Bescheide ab. Es führte zur Begründung ergänzend aus, die von Prof. Dr. Pf. und Dr. B. vorgeschlagene Bewertung der Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. sei nach Maßgabe der AHP für die Bewertung des GdB zu übernehmen. Hinweise dafür, dass weitere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die nicht erfasst worden seien, seien nicht ersichtlich. Insbesondere ergäben sich keine Hinweise darauf, dass eine das nervenärztliche Fachgebiet betreffende bedeutsame Funktionsbeeinträchtigung vorliege.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.04.2006 übersandten Gerichtsbescheid hat er am 05.05.2006 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, neben den anerkannten Unfallfolgen seien als Unfallfolgen ferner psychische Beschwerden (Albträume, Angstzustände, drastische Veränderung des sozialen Umfeldes, weitgehender Verlust des Freundeskreises, da er nicht mehr an sportlichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten sich beteiligen könne), Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS-Syndrom), am rechten Kniegelenk und an der rechten Ferse eingetreten. Eine Besserung der Beschwerden durch die Operation an der rechten Hüfte sei nicht eingetreten. Weiterhin bestünden fortwährende Schmerzzustände sowie seit dem Unfallereignis vom 01.04.2003 eine Neuralgie von der rechten Flanke bis in die rechten Ferse. Die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder Lendenwirbelsäule bedingten bereits einen GdB um wenigstens 50. Aufgrund der psychischen Beschwerden sei der Gesamt-GdB zu erhöhen. Der Kläger hat sich auf ein ihm Verfahren L 1 U 2904/06 vorgelegtes Gutachten des Dr. Dr. H.-R. B. vom 03.03.2007 berufen und hat weitere ärztliche Atteste vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. März 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2004 zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit 60 ab 1. April 2003 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 15.06.2007 vorgelegt.

Im Berufungsverfahren wurde einem Antrag des Klägers vom 11.05.2006 auf Neufeststellung des GdB nach dem 24.02.2005 mit Bescheid des zwischenzeitlich zuständigen Landratsamtes Rastatt - Versorgungsamt - vom 01.06.2006 nicht entsprochen.

Der Rechtstreit ist mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung am 11.07.2008 durch den Berichterstatter erörtert worden. Auf die Sitzungsniederschrift vom 11.07.2008 wird verwiesen.

Der Senat hat im Anschluss an den Erörterungstermin Dr. Dr. N. B. und Dr. G. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. N. B. hat in seiner Stellungnahme vom 01.08.2008 den Behandlungsverlauf, die erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt. Auf seinem Fachgebiet hat er wegen einer endo-reaktiven Depression den GdB auf 20 bis maximal 30 eingeschätzt. Der Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilkunde Dr. G. hat mit Schreiben vom 12.09.2008 Stellung genommen und hat die vom Kläger geklagten Beschwerden sowie die Befunde und Diagnosen mitgeteilt. Wegen einer mangelnden Belastbarkeit des rechten Beines und der LWS sowie einer eingeschränkten Rumpfbeweglichkeit hat er den Gesamt-GdB auf 50 geschätzt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, ein Band Verwaltungsakten des Beklagten, die beigezogenen Gerichtsakten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 1 U 2904/06 sowie drei Band Akten der BG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig (§ 151 SGG), aber nur teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung des GdB von 40 seit dem 01.09.2004 zu. Im Übrigen ist die Berufung jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des GdB von über 40.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid des Beklagten vom 21.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.07.2004. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid des Landratsamtes Rastatt - Versorgungsamt - vom 01.06.2006. Durch den Bescheid vom 01.06.2006 wurde der streitgegenständliche Bescheid vom 21.05.2004 weder abgeändert noch hat er ihn ersetzt. Durch die Abänderung des Bescheides vom 21.05.2004 wird der Bescheid vom 01.06.2006 gegenstandslos, weshalb er in den vorliegenden Rechtsstreit nicht einbezogen werden braucht.

Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist weiter die Zuerkennung des Merkzeichens "G" für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. Zwar wurde im Widerspruchsbescheid vom 12.07.2004 auch zum Merkzeichen "G" eine in der Sache ablehnende Entscheidung getroffen. Hiergegen hat der Kläger jedoch keine Klage erhoben, weshalb hinsichtlich des Merkzeichens "G" der Widerspruchsbescheid teilweise bestandskräftig geworden ist.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Bis 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 3 S. 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Hiervon ausgehend sind die von der BG anerkannten Folgen des Arbeitsunfalles vom 01.04.2003 vom Beklagten zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 bewertet worden. Dies hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid in Ergänzung zu den in Bezug genommenen Darstellungen in den angefochtenen Bescheiden in den Entscheidungsgründen zutreffend und ausführlich dargelegt. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zur selben Überzeugung. Er verweist insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vom SG gemachten Ausführungen (S. 4 Abs. 2 des Gerichtsbescheides), die er sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu eigen macht (§153 Abs. 2 SGG). Nach dem Gutachten des Instituts für medizinische Betreuung Stuttgart vom 17.03.2008 ist eine Änderung in den von der BG als Unfallfolgen anerkannten Befunden beim Kläger nicht eingetreten (MdE weiterhin 30 v.H.). Hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren im Übrigen auch keine substantiierten Einwendungen erhoben.

Weiter ist beim Kläger - entgegen der Ansicht des Beklagten - auf nervenärztlichen Fachgebiet vom Vorliegen einer (endo-) reaktiven Depression mit partieller Somatisierung von Gesundheitsstörungen auszugehen, die mit einem Teil-GdB von 20 zusätzlich bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dies steht für den Senat aufgrund der von ihm eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Dr. B. vom 01.08.2008 fest. Nach den Ausführungen des Dr. Dr. B. besteht beim Kläger in psychischer Hinsicht eine deutlich depressive Grundstimmung mit deutlicher Einengung der affektiven Schwingungsfähigkeit und relativer Freudlosigkeit, eine deutliche Tendenz zu psychosomatischen Zirkelwirkungen, partiell phobisch akzentuierte Zukunftsängste ohne formale Denkstörungen, Wahrnehmungs- und Orientierungsstörungen sowie paranoide Inhalte. Nach diesen Befunden ist beim Kläger von leichteren psychischen/psycho-vegetativen Störungen auszugehen, die nach den VG (Teil B Nr. 3.7 S. 27) mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten sind. In Übereinstimmung mit Dr. Dr. B. hält der Senat einen Teil-GdB von 20 für gerechtfertigt. Soweit Dr. Dr. B. von einem GdB von maximal 30 ausgeht, hält der Senat diese Bewertung nicht für angemessen. Ein solcher GdB-Wert käme nach den VG (a.a.O.) nur bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) in Betracht, wovon beim Kläger aber nach den von Dr. Dr. B. mitgeteilten Befunden nicht ausgegangen werden kann. Hiervon kann auch nicht aufgrund des in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Dr. Dr. H.-R. B. vom 03.03.2007 dargestellten psychischen Befunds (schlaff und ausdrucksarm wirkende Psychomotorik, gedrückte Grundstimmung, panikartige Attacken, zeitlich, örtlich, personell sowie situativ voll orientiert, keine Einengung der mimischen Modulationsbreite, unauffällige Sprache) ausgegangen werden. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeiten ist auch den im Gutachten enthaltenen Beschwerdeangaben des Klägers nicht zu entnehmen. Der auf psychiatrischem Fachgebiet liegende Teil-GdB von 20 kann jedoch erst ab September 2004 Berücksichtigung finden. Vor September 2004 ist das Vorliegen einer (endo-)reaktiven Depression mit partieller Somatisierung von Gesundheitsstörungen in dem von Dr. Dr. B. beschriebenen Ausmaß beim Kläger nach den dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht nachgewiesen.

Nach den dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB ist damit zur Überzeugung des Senates beim Kläger von einem Gesamt-GdB von 40 seit dem 01.09.2004, davor von 30 seit dem Tag der Antragstellung am 19.04.2004, auszugehen.

Weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, liegen beim Kläger nicht vor.

Dass beim Kläger eine Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule besteht, die zusätzlich zu den bereits berücksichtigten von der BG anerkannten Folgen des Arbeitsunfalles in die GdB-Bewertung einzubeziehen sind, lässt sich den dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Nach dem vom SG zu den Akten genommenen Bericht der K. F. vom 14.05.2005 besteht eine Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule des Klägers nicht (kein Druck oder Klopfschmerz über den Dornfortsätzen der BWS und LWS, Inklination war bis 80° möglich, das Wiederaufrichten des Oberkörpers war dem Kläger rasch ohne Hilfe der Arme und ohne Beschwerden möglich). Dies gilt auch für die beiden Knie- und Sprunggelenke des Klägers (freie Beweglichkeit). Eine Funktionsbehinderung der Knie- und Sprunggelenke ergibt sich auch nicht aus dem Ersten Rentengutachten des Prof. Dr. Pf. vom 01.06.2004, dem Zweiten Rentengutachten von Dr. B. vom 05.01.2006 und dem Gutachten des Instituts für medizinische Betreuung Stuttgart vom 17.03.2008 (jeweils seitengleich freie Beweglichkeit der Knie- und Sprunggelenke).

Dass beim Kläger auf neurologischem Fachgebiet relevante Funktionsbehinderungen bestehen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen wurden beim Kläger außer der unfallbedingten dorso-lateralen Sensibilitätsstörung am rechten Oberschenkel (beschrieben im Gutachten von Dr. B. vom 05.01.2006) keine neurologischen Gesundheitsstörungen beschrieben. Bei der Untersuchung des Klägers im Rahmen des Ersten Rentengutachtens durch Prof. Dr. Pf. fanden sich nach dem Gutachten vom 01.06.2004 beim Kläger keine Hinweise auf peripheren Nervenreiz oder Nervenausfallerscheinungen. Bei den Untersuchungen des Klägers am 16.11.2007 und 24.07.2008 wurden nach den Durchgangsarztberichten von Dr. B. vom 16.11.2007 und 24.07.2008 keine neurologischen Ausfälle - mehr - festgestellt, vielmehr ist darin ausdrücklich "Sensibilität, Motorik intakt" vermerkt. Weiter wird in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Dr. Dr. H.-R. B. eine auf neurologischem Gebiet liegende Gesundheitsstörung des Klägers nicht diagnostiziert. Soweit Dr. G. in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme vom 12.08.2008 die Diagnose von Neuralgien L 2 bis 5/S1 rechts seit dem Unfall am 01.04.2003 stellt, ist seine Diagnose nicht nachvollziehbar, zumal er keine Untersuchungen des Klägers angibt, die diese Diagnose begründet. Weiter lässt sich der Stellungnahme des Dr. G. sonst kein Befund entnehmen, der in den von der BG anerkannten Folgen des Arbeitsunfalles keine Berücksichtigung gefunden hat bzw. der über akute Gesundheitsstörungen des Klägers (Bronchitis, Gastroenteritis) hinausgeht. Damit kann auch seiner Einschätzung des GdB von 50 nicht gefolgt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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