L 4 KR 4215/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 2150/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4215/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte dem Kläger für ein Magenband gemäß der Rechnung der Firma M. vom 29. Juli 2002 EUR 1.572,90 zu erstatten hat.

Der am 1947 geborene Kläger war bei der Beklagten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 01. November 2001 bis 31. August 2004 pflichtversichert. Zuvor war der Kläger aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit freiwillig versichert. Nach dem Arztbrief des Dr. S. vom Schlaflabor der Klinik Sc. in G. vom 24. Juli 1999 litt der Kläger an einem schweren Schlaf-Apnoe-Syndrom. Vom 30. Mai bis 11. Juli 2000 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik R. in P ... Nach dem Entlassungsbericht des Ärztlichen Direktors und Chefarztes Prof. Dr. F. vom 16. August 2000 bestanden beim Kläger folgende Diagnosen: Essstörung, Adipositas II. Grades, Schlafapnoesyndrom, kompensierter Tinnitus, arterielle Hypertonie, Chondropathia patellae, Struma nodosa, Hyperurikämie und degenerative Wirbelsäulenbeschwerden. Nach dem Entlassungsbericht wurde der Kläger auf einer Essstörungsstation mit dem Schwerpunkt der Adipositasbehandlung aufgenommen. Es gelang dem Kläger dort, ein stabiles und geregeltes Essverhalten aufzubauen sowie weiter ohne Verordnung von kalorienreduzierter Kost sein Gewicht von 119,3 auf 114,1 kg zu reduzieren. Am 12. August 2002 stellte Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. dem Kläger eine Verordnung über Krankenhausbehandlung wegen Hyatushernie aus. Aufgrund eines mit dem Klinikum der Stadt L. am 05. August 2002 geschlossenen Behandlungsvertrags war der Kläger dort in der Chirurgischen Klinik vom 05. bis 09. August 2002 stationär behandelt worden. Nach dem Entlassungsbericht des Direktors der Chirurgischen Klinik Prof. Dr. Sch. vom 21. August 2002 bestanden folgende Diagnosen: axiale Gleithernie, Adipositas III. Grades, arterielle Hypertonie, COLD, Asthma bronchiale, Schlafapnoesyndrom, Steatosis hepatis, Zustand nach Schilddrüsenresektion und chronische Sinusitis. Nach dem Entlassungsbericht stellte sich der Kläger dort mit rezidivierendem Sodbrennen und bei einer gastroskopisch gesicherten Hiatushernie vor. Nebenbefundlich bestand eine Adipositas III. Grades. Das Körpergewicht betrug bei der Aufnahme 122 kg. Am 06. August 2002 wurde bei adipöser Bauchdecke ohne Druckschmerz, ohne Klopfschmerz und ohne Abwehrspannung eine Gastric-Banding-Operation durchgeführt. Intraoperativ ergab sich dabei eine nicht versorgungswürdige kleinste Hernie. Die Klinik stellte der Beklagten für die stationäre Behandlung vom 05. bis 09. August 2002 EUR 1.886,56 in Rechnung. Nach Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK; Gutachten des Dr. Z. vom 07. April 2005), bei der festgestellt wurde, dass zwar unspezifische Beschwerden einer axialen Gleihernie hätten zugeordnet werden können, jedoch das Vorliegen einer operationspflichtigen axialen Gleithernie bereits vor der Operation hätte ausgeschlossen werden können, zahlte die Beklagte an die Klinik lediglich eine pauschale Vergütung für eine vorstationäre Behandlung von EUR 100,72. Für das bei der Operation verwendete Magenband, das von der Firma M. geliefert und für das dem Kläger von dieser Firma am 29. Juli 2002 EUR 1.605,90 (abzüglich 2 % Skonto bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen) berechnet worden war, zahlte der Kläger am 30. Juli 2002 EUR 1.576,90.

Bereits mit Schreiben vom 27. September 2001 hatte sich der Kläger mit einem Antrag auf Kostenübernahme für einen operativen Eingriff (Magenband) an die Beklagte gewandt. Er machte geltend, seit seinem 35. Lebensjahr steige sein Körpergewicht beständig an. Dies habe trotz zweier Rehabilitationsmaßnahmen in den Jahren 1982 und 1989 nicht aufgehalten werden können. Auch die Teilnahme an einem achtmonatigen Kurs der Beklagten zur Erlangung des Wohlfühlgewichts habe nur einen temporären Erfolg erbracht. Bei der sechswöchigen Heilbehandlung in der Klinik R. habe sich dann zwar ein verbessertes Körpergefühl sowie eine Gewichtsabnahme von ungefähr sechs kg ergeben. Die dort gewonnen Erkenntnisse sowie eine ständige Bewegungstherapie hätten sich jedoch nicht im gewünschten Maß in sein Alltagsleben übertragen lassen, sodass der zunächst eingetretene Erfolg dann wieder gewichen sei. Angesichts des sich merklich verschlechternden Gesamtzustands wolle er jetzt die Adipositas, die auch Ursprung von Folgeerkrankungen sei, mit der Implantierung eines Magenbands behandeln lassen. Der Kläger reichte auch eine "Darstellung des persönlichen Gesundheitszustands" sowie den Entlassungsbericht des Prof. Dr. F. vom 16. August 2000 ein. Die Beklagte erhob das Gutachten des Dr. St. vom MDK vom 08. Oktober 2001. Darin wurde ausgeführt, dass die Deutsche Gesellschaft für Adipositasforschung bei der Adipositasbehandlung ein Stufentherapieschema erarbeitet habe. Nach Versagen von Präventivmaßnahmen im Sinne von Primär- und Sekundärprävention werde die Durchführung eines Gesamtbehandlungskonzepts erforderlich, welches sich in Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie darstelle. In den meisten Fällen sei eine jahrelange, langfristige Betreuung erforderlich und diese müsse konsequent verfolgt werden. Beim Kläger sei davon auszugehen, dass das gesunde Organ Magen keiner Heilbehandlung bedürfe, jedoch die rezidivierenden und derzeit persistierenden Fehlverhaltensmuster, die auch durch eine intensive Rehabilitationsbehandlung nicht hätten beseitigt werden können, führten dazu, dass die Erkrankung fortbestehe. Es müsse unbedingt mit dem Gesamtkonzept bei interdisziplinärer Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen gearbeitet werden, um nicht nur einen kurzzeitigen Effekt für den Kläger zu erzielen, sondern langfristig dessen Fehlverhalten abzublocken. Darauf gestützt teilte die Beklagte dem Kläger zunächst am 12. Oktober 2001 die Leistungsablehnung telefonisch mit, was dann auch mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 schriftlich unter Bezugnahme auf das Gutachten bestätigt wurde. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20. November 2001 Widerspruch ein. Durch das vorgelegte Gutachten des Dr. B. vom Klinikum der Stadt L. vom 14. November 2001 werde die medizinische Notwendigkeit der Operation bestätigt, zumal alle anderen bisherigen Maßnahmen ohne anhaltenden Erfolg geblieben seien. Bei ihm bestehe eine extreme Adipositas. Zu Unrecht werde ihm unterstellt, dass er seine Essgewohnheiten weiter unkontrolliert lassen wolle. Es seien auch die Folgeerkrankungen zu berücksichtigen, nämlich eine erhebliche Gefährdung infolge arterieller Hypertonie bei einem schweren Schlafapnoesyndrom sowie eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung. Insoweit verweise er auf die ebenfalls vorgelegten Bescheinigungen bzw. Atteste des Dr. Sto., Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, vom 19. Oktober 2001 sowie des Dr. G., Arzt für Orthopädie, vom 09. November 2001. Die 2000 durchgeführte Rehabilitation habe keinen anhaltenden Erfolg erbracht, weshalb er nun eine Therapie mittels Magenband anstrebe. Die Erfolgsquote einer derartigen Operation sei wesentlich höher als bei der Durchführung von interdisziplinären Maßnahmen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass der finanzielle Aufwand für eine vorgeschlagene Stufentherapie unvergleichlich höher wäre als der für das Einsetzen eines Magenbands mit einem rasch eintretenden Abnahmeerfolg. Er habe auch 1994 an einem mehrmonatigen Kurs einer Ernährungsberaterin, der von der Beklagten veranstaltet worden sei, teilgenommen. Seither habe er versucht, sich durch vermehrte Bewegung in altersgemäß guter körperlicher Verfassung zu halten, was jedoch durch die Gewichtszunahme zunehmend erschwert sei. Im Hinblick auf die erfolglosen Ergebnisse der letzten Rehabilitationsbehandlung sehe er bei seinem derzeitigen Gesundheitszustand keine andere Alternative als die Operation. Neben den genannten Unterlagen legte der Kläger auch die Veröffentlichung zu "Adipositas - ein ernstes Problem unserer Gesellschaft, chirurgische Therapiemaßnahmen bei Adipositas" aus dem Bundesgesundheitsblatt 2001 vor. In seiner von der Beklagten daraufhin eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 22. November 2001 bestätigte Dr. St. die Einschätzung, dass ein Nachweis über eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der behandelnden Ärzte in Verbindung mit Ernährungsberatern nicht vorliege. Ersichtlich bestehe auch aus verhaltenstherapeutischer Sicht beim Kläger keine Motivation, seiner Erkrankung entgegenzuwirken. Im Falle des Klägers könnten alle in der vertragsärztlichen Therapie möglichen Methoden aus dem internistischen, gastroenterologischen, endokrinologischen und psychiatrischen Bereich angewandt werden, vor allem auch auf psychiatrischem/verhaltenstherapeutischem Gebiet. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 14. Februar 2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 06. Oktober 1999 - B 1 KR 13/98) und der Stellungnahmen des MDK vom 08. Oktober und 22. November 2001 habe sie für die Kosten des begehrten erheblichen operativen Eingriffs in ein gesundes Organ nicht aufzukommen.

Wegen der Übernahme der Kosten für eine Gastric-Banding-Operation erhob der Kläger am 15. März 2002 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), die zunächst unter dem Aktenzeichen S 4 KR 1343/02 geführt wurde. Nachdem das Klageverfahren zeitweise geruht hatte (Beschluss vom 27. Juni 2002), rief es der Kläger am 24. März 2006 wieder an, sodass das Verfahren nun unter dem Aktenzeichen S 12 KR 2150/06 fortgeführt wurde. Der Kläger machte geltend, die Operation sei im Jahr 2002 komplikationslos durchgeführt worden. Seitdem habe sich sein Übergewicht ungefähr um 60 vom Hundert (v.H.) reduziert; damit sei auch eine umfassende Besserung seines gesamten Gesundheitszustands verbunden. Es sei befremdlich, dass er, nachdem er 1994 eine von der Beklagten initiierte acht Monate dauernde Ernährungsberatung und Ernährungsschulung durchgeführt und die integrative Therapie in der Klinik R. nur einen vorübergehenden Effekt erbracht habe, erneut auf die Teilnahme an einem ärztlich überwachten Gesamtbehandlungskonzept verwiesen werde, zumal endokrine Ursachen, Alkohol, Drogenabhängigkeit sowie eine endogene Depression als Auslöser der Adipositas ausgeschlossen worden seien. Es seien auch das schwere Schlafapnoesyndrom sowie weitere Begleiterkrankungen nicht berücksichtigt worden. Die Operation sei die Ultima Ratio gewesen. Es gehe ihm lediglich um die Erstattung der Materialkosten von EUR 1.572,90, da infolge einer ohnehin notwendigen Operation wegen einer Zwerchfellhernie zusätzliche Kosten nicht angefallen seien. Der Kläger reichte die Rechnung vom 29. Juli 2002 ein. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf operative Behandlung des Magens, an dem ein regelwidriger Körperzustand nicht vorliege, wenn diese Maßnahme lediglich mit dem Ziel habe eingesetzt werden solle, sein Übergewicht günstig zu beeinflussen. Es gebe hier auch keine Rechtfertigung für die vollstationäre chirurgische Krankenhausbehandlung unter dem Gesichtspunkt der Ultima Ratio. Dies ergebe sich auch nicht aufgrund der Auskünfte der behandelnden Ärzte. Der durch die Operation eingetretene Erfolg der Gewichtsreduzierung lasse keine Rückschlüsse darauf zu, inwiefern vor der Operation die nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen konservativen Behandlungsmöglichkeiten im Sinne der Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften ausgeschöpft gewesen seien. Im Übrigen seien dem Kläger auch keine Kosten entstanden, die sie zu erstatten hätte. Materialkosten während einer stationären Krankenhausbehandlung könnten nicht erstattet werden, da durch die von den Krankenkassen nach dem Krankenhausentgeltgesetz an den Krankenhausträger zu zahlenden Entgelte (in der Regel Fallpauschalen) im Rahmen des Sachleistungsanspruchs nach § 39 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen abgegolten seien (§ 7 Abs. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes [KHEntgG]). Das Sachleistungsprinzip könnte nicht dadurch umgangen werden, dass die gewünschte Magenoperation einfach im Rahmen einer stationären Behandlung aus anderem Grund mit durchgeführt werde und dem Kläger stattdessen die Kosten für das Material auferlegt würden. Diese Verfahrensweise sei grundsätzlich unzulässig, es sei denn, der Kläger habe mit dem Krankenhaus direkt eine entsprechende Vereinbarung geschlossen. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Dr. G. vom 23. Mai 2006 und des Dr. B. vom 20. März 2007. Auf diese Auskünfte und die von den Ärzten vorgelegten weiteren Arztbriefe wird Bezug genommen (vgl. Bl. 11 ff. und Bl. 36 ff. der Akte S 12 KR 2150/06).

Mit Gerichtsbescheid vom 01. August 2008 wies das SG die Klage ab. Eine chirurgische Behandlung mittels einer Gastric-Banding-Operation sei stets nur als Ultima Ratio auf Kosten der Krankenkassen durchzuführen. Eine Leistungspflicht der Krankenkassen sei nur dann gegeben, wenn bestimmte Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung gegeben seien. Vor einer Operation müssten sämtliche konservativen Behandlungsalternativen durchgeführt worden sein. Im Zeitpunkt der Operation habe es hier an einem ärztlich koordinierten und geleisteten Gesamttherapiekonzept, welches Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, ggf. pharmakologisch-ärztliche Behandlung und eine kombinierte psychotherapeutische Intervention umfasst habe und als Langzeitbehandlung auch konsequent und nachhaltig durchgeführt worden sei, gefehlt. Eine derartig qualitativ anspruchsvolle Therapie hätte anhand bestimmter Qualitätskriterien erfolgen müssen, die über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten hätte durchgeführt werden müssen. Ein derartig strukturiertes Therapiekonzept sei vom Kläger vor der Operation nicht durchgeführt worden. Soweit sich der Kläger darauf beziehe, dass er einen achtmonatigen Kurs zur Erlangung des Wohlfühlgewichts besucht habe, sei nicht ersichtlich, dass diesem Kurs ein individuelles ärztliches Behandlungskonzept zugrunde gelegen habe. Auch ergäben sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine nachhaltige verhaltenstherapeutische Behandlung durchlaufen habe. Die von den behandelnden Ärzten vorgelegten Befundberichte und Arztbriefe beinhalteten keine Stellungnahmen von Psychotherapeuten, Neurologen oder Psychiatern. Eine entsprechende verhaltenstherapeutische Behandlung habe der Kläger nicht vorgetragen. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 05. August 2008 zugestellt.

Am 01. September 2008 hat der Kläger dagegen schriftlich beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er trägt vor, die MDK-Beurteilungen seien ohne Einsicht in ärztliche Untersuchungsberichte und auch ohne seine Untersuchung erstellt worden. Es seien dabei die von ihm vor der Operation durchgeführten Maßnahmen nicht berücksichtigt worden. Zu Unrecht sei davon ausgegangen worden, dass sein Magen nicht erkrankt sei. Es müsse berücksichtigt werden, dass er durch die Operation sein Übergewicht um 60 v.H. vermindert habe. Die Operation sei im Hinblick auf die Folgeerkrankungen notwendig gewesen. Wegen häufiger beruflich bedingte Reisen und Kundenbesuche im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit sei eine konstante Wahrnehmung von Behandlungen am Heimatort ausgeschlossen gewesen. Anlässlich des Aufenthalts in der Klinik R. sei psychologisch Einzel- und Gruppentherapie mehrfach in der Woche durchgeführt worden. Insoweit ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der Klinik R. auch die Stellungnahme von Psychotherapeuten. Der Kläger hat auch verschiedene Unterlagen eingereicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. August 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2002 zu verurteilen, an ihn EUR 1.572,90 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie hat auch dargelegt (und Unterlagen dazu eingereicht), dass dem Klinikum der Stadt L. von den für die stationäre Behandlung des Klägers vom 05. bis 09. August 2002 geltend gemachten Kosten in Höhe von EUR 1.886,56 lediglich eine pauschale Vergütung für eine vorstationäre Behandlung von EUR 100,72 bezahlt worden ist.

Der Berichterstatter des Senats hat eine Auskunft des Dr. B. eingeholt (Bl. 37 der LSG-Akte).

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft, denn der Kläger begehrt die Erstattung von EUR 1.572,90, mithin mehr als EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), und zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit den genannten Bescheiden hat die Beklagte die Gewährung einer stationär durchzuführenden Operation zur Anlegung eines Magenbands abgelehnt. Diese Ablehnung einer Sachleistung war nicht rechtswidrig, weshalb der Kläger, nachdem er die entsprechende Operation im August 2002 in stationärer Behandlung hat durchführen lassen und dafür als Materialkosten für das Magenband EUR 1.572,90 aufgewandt hat, auch keinen nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V zu beurteilenden Anspruch auf Erstattung der nur begehrten EUR 1.572,90 für das bei der Operation verwendete Magenband.

§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. Bundessozialgericht - BSG - BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12).

Dem Kläger sind für die Durchführung der Operation lediglich Kosten für die Beschaffung des verwendeten Magenbands in Höhe von EUR 1.572,90 entstanden. Zu den von den Krankenkassen allgemein in Natur als Sachleistung oder Dienstleistung zu erbringenden Leistungen gehörte hier die im August 2002 in stationärer Behandlung vorgenommene Magenbandoperation nicht, weshalb der Kläger auch nicht die Erstattung der Kosten für das verwendete Magenband verlangen kann.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung u.a. auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst mithin nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (früher Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Bei der Magenbandoperation handelt es sich um eine "neue" Methode im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V, denn sie war 2002 nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten. Insoweit bestand allerdings, da es hier um eine stationäre Behandlung ging, nach § 137c SGB V die Befugnis für das Krankenhaus, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf Kosten der Krankenkassen anzuwenden, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (früher Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) eine negative Beurteilung abgegeben hat. Ein solches Negativvotum existierte auch im Jahre 2002 für die Magenbandoperation nicht. Daher war zu prüfen, ob die Magenbandoperation im August 2002 nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse für den Kläger als Krankenhausbehandlung notwendig war. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Der Magen des Klägers als solcher war gesund; er bedurfte keiner Operation mittels Versorgung mit einem Magenband. Zwar hat Dr. B. in seiner Auskunft vom 30. März 2007 beim Kläger auf rezidivierendes Sodbrennen bei Hiatushernie hingewiesen. Durch einen Zwerchfellbruch übertrat ein kleiner Teil des Magens nach oben in den Brustraum; dies ergab einen nicht mehr in vollem Umfang funktionierenden Verschluss zwischen Speiseröhre und Magen, wodurch es zu einem Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre mit der Folge einer Entzündung der Schleimhaut der Speiseröhre und dadurch bedingte Schmerzen kam. Daher hatte Dr. B. ersichtlich eine Krankenhausbehandlungsverordnung wegen Hiatushernie ausgestellt, nicht aber wegen Adipositas III. Grades zur Durchführung einer Magenbandoperation. Soweit im Arztbrief des Prof. Dr. Sch. vom 21. August 2002 dann dargelegt wird, dass sich intraoperativ eine nicht versorgungswürdige kleinste Hernie gefunden hatte, weil die durch das Magenband reduzierte Refluxhemmung als ausreichend angesehen wurde, ergibt sich nicht, dass das Einsetzen des Magenbands zur Erreichung der Refluxhemmung erforderlich war. Dies wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte gegenüber dem Krankenhaus die Zahlung der Kosten für die stationäre Operation verweigert hat. Mithin waren hier die für eine mittelbare Krankenbehandlung maßgeblichen Kriterien zu prüfen. Da das vom Kläger mit der Operation erstrebte Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, kam es darauf an, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich war. Sodann ist zu untersuchen, ob nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für eine chirurgische Intervention gegeben waren. Nach den Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft kommt die Implantation eines Magenbands als chirurgische Behandlung der extremen Adipositas nur als Ultima Ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen (BMI ) 40 oder 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation; keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung; vgl. BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 1; auch Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R).

Zutreffend hat das SG entschieden, dass beim Kläger - unabhängig von dem im August 2002 vor der Operation bestehenden Körpergewicht von 122 kg (BMI 38,2) und den von Dr. B. genannten Folgeerkrankungen der Adipositas, wie Bluthochdruck, Schlafapnoe und eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit, nicht sämtliche alternativen konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft waren. Denn es fehlte zum Zeitpunkt der Operation im August 2002 an einem zuvor durchgeführten ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzept, welches Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, eine Bewegungstherapie, gegebenenfalls pharmakologisch-ärztliche Behandlung und eine kombinierte psychotherapeutische Intervention umfasste und als Langzeitbehandlung auch konsequent und nachhaltig durchgeführt worden war. Eine derartige qualitativ anspruchsvolle Therapie hätte anhand bestimmter Qualitätskriterien erfolgen müssen, die über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten angedauert hätte. Dieses Erfordernis wird so u.a. auch von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin aufgestellt (vgl. Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas", Nr. 6.4.7.3). Darauf, dass der Kläger seinen Angaben zufolge 1994 an einer acht Monate dauernden Ernährungsberatung und Ernährungsschulung teilnahm sowie auf die stationäre Behandlung vom 30. Mai bis 11. Juli 2000 vermag sich der Kläger insoweit nicht zu berufen. Soweit es um die Ernährungsberatung aus dem Jahre 1994 geht, ist nicht ersichtlich, dass dabei eine Behandlung nach einem ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzept durchgeführt wurde. Soweit der Kläger auf die stationäre Behandlung in der Klinik R. verweist und darauf, dass dort eine psychotherapeutische Beurteilung erfolgt sei und er erreicht habe, sein damaliges Gewicht von 119,3 auf 114,1 kg zu reduzieren, berücksichtigt der Senat, dass es dem Kläger innerhalb der nur sechswöchigen stationären Behandlung noch nicht gelungen war, ein stabiles und geregeltes Essverhalten auch für die Zeit danach durchzuhalten. Der Kläger, dessen Gewicht im Zeitpunkt der Operation bei 122 kg lag, hat im Schreiben vom 27. September 2001 insoweit selbst eingeräumt, dass es ihm aufgrund der nur sechswöchigen Behandlung nicht gelungen sei, die dort gewonnenen Erkenntnisse sowie die ständige Bewährungstherapie im gewünschten Maße ins Altersleben zu übertragen, sodass der zunächst eingetretene Erfolg gewichen sei. Dies belegt einerseits, dass die bloße sechswöchige Behandlung nicht ausreichend gewesen sein konnte, um abschließend beurteilen zu können, dass tatsächlich alle konservativen Behandlungsansätze erfolglos geblieben sind. Andererseits wird dadurch die Motivation für ein stabiles und geregeltes Essverhalten in Frage gestellt.

Darauf, dass die im August 2002 durchgeführte Implantation des Magenbands beim Kläger zu einer Gewichtsreduktion auf 99 bzw. 100 kg geführt haben mag, kann der Kläger sich für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht berufen. Er vermag auch nicht geltend zu machen, dass die Kosten für ein ärztlich koordiniertes und geleitetes Gesamttherapiekonzept über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten, auch einschließlich von Kosten für die Behandlung von Folgeerkrankungen, den geltend gemachten Betrag von EUR 1.572,90 übersteigen würden, die Krankenkasse dadurch, dass der Kläger Leistungen außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat, vermeintlich Aufwendungen anderer Art erspart hat. Denn sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden (BSG, Beschluss vom 26. Juli 2004 - B 1 KR 30/04 B -, veröffentlicht in Juris).

Da der Kläger mithin keinen Anspruch auf Gewährung einer Magenbandoperation gehabt hat, scheidet nicht nur ein Anspruch auf die Erstattung von Kosten für die Operation als solche, die der Kläger nicht geltend gemacht hat, zumal sie ihm von der Klinik auch nicht in Rechnung gestellt worden sind, aus, sondern ebenso ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Material (Magenband), die ihm von der Firma M. in Rechnung gestellt worden sind. Darauf, ob überhaupt eine wirksame Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber der Lieferfirma bestanden hat, kommt es nicht an.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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