Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1006/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4670/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 03. September 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X), ab Beginn der Altersrente ihrer verstorbenen Mutter am 29. April 1994 die Kindererziehungsleistungen als Zuschlag zur Altersrente zu zahlen und nicht erst - wie zuerkannt - ab 01. Januar 2000.
Die am 1911 geborene Mutter der Klägerin (im Folgenden: Versicherte), die am 12. September 2006 verstarb, bezog seit dem 30. Januar 1968 in der früheren UdSSR (nunmehr Kasachstan) eine Altersrente. Am 29. April 1994 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über und wurde als Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt (Bescheinigung des Landratsamts Heidenheim vom 21. September 1994 nach § 15 Abs. 1 und 2 BVG). Die Versicherte war Witwe des I. A., der bereits am. 1943 verstarb, sowie die Mutter von fünf Kindern.
Am 09. Juni 1994 beantragte die Versicherte bei der Ortsbehörde für die Arbeiter- und Angestelltenversicherung in G. an der B. Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Im Antragsformular, das von der Versicherten unterschrieben wurde, ist die Frage bei Ziff. 9, ob Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung geltend gemacht werden, mit "nein" beantwortet. Angaben zu Geburten von Kindern machte die Versicherte nicht. Im Fragebogen für Anrechnungszeiten, der von der Versicherten ebenfalls am 09. Juni 1994 unterschrieben wurde, wurde die Frage bei Ziff. 5, ob im Versicherungsverlauf bislang Anrechnungszeiten wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während der jeweiligen Schutzfristen nicht enthalten seien, mit "nein" beantwortet. Auch in den weiteren Fragebögen für Ersatzzeiten bzw. zur Klärung und Prüfung von Zeiten im Beitrittsgebiet, die von der Versicherten ebenfalls am 09. Juni 1994 unterschrieben wurden, machte sie keine Angaben zu Geburten von Kindern. Anlässlich der Rentenantragstellung legte sie eine Kopie des russischen Arbeitsbuchs vor, wonach sie als Kolchose-Bäuerin (Hilfsarbeiterin) von 1944 bis 1967 in einer Kolchose gearbeitet habe. Unter dem 27. Oktober 1994 beantragte sie des Weiteren die Anerkennung von Zeiten der Internierung/Verschleppung gemäß § 250 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Hierbei gab sie bei der Frage zum Familienstand - wie bereits im Rentenantrag - an, dass sie 1940 geheiratet habe und seit dem 20. November 1943 verwitwet sei. Mit Bescheid vom 20. März 1995 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) der Versicherten Regelaltersrente ab dem 29. April 1994. Der monatliche Zahlbetrag belaufe sich ab 01. Mai 1995 auf DM 354,75 und für die Zeit vom 29. April 1994 bis 30. April 1995 werde eine Nachzahlung von insgesamt DM 4.304,91 gewährt. Kindererziehungsleistungen wurden nicht gezahlt. Aufgrund eines Erstattungsanspruchs des Kreissozialamts Heidenheim überwies die Beklagte aus der Nachzahlung der Rente einen Betrag in Höhe von DM 4.280,26 an das Kreissozialamt.
Am 16. Mai 2002 beantragte die Versicherte bei der Beklagten die Nachprüfung ihrer Versicherungszeit als Kolchosemitglied. Frühere Arbeitskollegen hätten eine höhere Rente wegen einer Neubewertung der Arbeitszeiten zuerkannt bekommen. Ein Bescheid zu diesem Antrag befindet sich nicht in der Verwaltungsakte der Beklagten.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2004, bei der Beklagte eingegangen am Folgetag, beantragte die Versicherte sowohl die Überprüfung der Rentengewährung nach § 44 SGB X als auch die Gewährung einer Witwenrente. Den Überprüfungsantrag begründete die Versicherte damit, dass es für die Jahre 1961, 1962, 1964 und 1965 zu einer 6/6-Anrechnung kommen müsse, da jeweils mehr als 300 Arbeitstage dokumentiert seien. Des Weiteren habe sie fünf Kinder geboren, die alle in Deutschland lebten. Deshalb stünden ihr Leistungen für Kindererziehung zu. Sie legte die Geburtsurkunden der A. S. (geboren am. 1934), der M. A. (geboren am. 1938), der E. A. (geboren am. 1941) und des I. A. (geboren am 1949) vor. Nachdem die Landesversicherungsanstalt Westfalen der Beklagten telefonisch mitgeteilt hatte, dass die Versicherte als Mutter der am 1930 geborenen E. K. (geborene S.) geführt werde, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 01. September 2005 ihre "früheren Bescheide" nach § 44 SGB X wegen der "Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen" für die fünf in der UdSSR geborenen Kinder zurück. Für die Zeit ab 01. Oktober 2005 betrage die monatliche Rente unter Berücksichtung des Zuschlags für Kindererziehungsleistungen EUR 328,86 und für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis 30. September 2005 werde eine Nachzahlung in Höhe von EUR 8.756,03 gewährt. Da Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahre vor der Rücknahme nachgezahlt werden könnten, beginne die Zahlung der höheren Leistung erst ab dem 01. Januar 2000. Hinsichtlich der Neuberechnung der Altersrente wegen eines Teiles der Kolchosemitgliedszeiten werde ein weiterer Bescheid ergehen. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Mit Bescheid vom 22. September 2005 stellte die Beklagte sodann die bisherige Regelaltersrente unter Berücksichtigung der ungekürzten (6/6-Anrechnung) Kolchosemitgliedszeiten der Jahre 1961, 1962, 1964 und 1965 fest und übernahm hierbei unverändert die im Bescheid vom 01. September 2005 anerkannten Kindererziehungsleistungen. Die Regelaltersrente betrage ab dem 01. November 2005 monatlich EUR 337,07. Für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis 31. Oktober 2005 werde eine Nachzahlung von EUR 571,72 geleistet. Auch dieser Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Bereits mit Bescheid vom 21. Juli 2004 hatte die Beklagte der Versicherten eine große Witwenrente ab dem 01. Februar 2003 in Höhe von monatlich EUR 414,79 bewilligt. Die Versicherte machte hiergegen geltend, die Witwenrente müsse ab der Aussiedlung im April 1994 gezahlt werden. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004), Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 04. Januar 2006 - S 4 R 3675/04 -) und Berufung der Versicherten (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 30. August 2006 - L 5 R 423/06 -) blieben erfolglos.
Am 20. September 2005 erhob die Versicherte gegen den Bescheid vom 01. September 2005 Widerspruch und machte geltend, ihr stünden Leistungen für Kindererziehung bereits ab dem 29. April 1994 zu. Der Rentenantrag sei von einer Bediensteten des Rathauses G. nachlässig ausgefüllt worden sei und das entsprechende Antragsformular (R 710) enthalte keine Frage zu den Leistungen für Kinderziehungen. Zwar sei die Frage bei Ziff. 9 verneint worden. Die Angestellte des Rathauses G. hätte dort aber eintragen müssen, dass sie fünf Kinder geboren habe. Zudem sei sie damals von ihrer Tochter begleitet worden und dennoch seien keine Fragen nach Geburten gestellt worden. Deshalb seien die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfüllt. Mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 01. September 2005" zurück. Die in § 115 Abs. 6 SGB VI konkretisierte Aufklärungs-, Beratungs- und Hinweispflicht bestehe nur in geeigneten Fällen, in denen es nahe liege, dass der Berechtigte Leistungen in Anspruch nehmen wolle und der Rentenversicherungsträger über die entsprechenden Daten verfüge. Die Versicherte habe jedoch bei ihrer Rentenantragstellung am 09. Juni 1994 die Frage, ob Kinderziehungszeiten geltend gemacht würden, verneint. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Bedienstete der Ortsbehörde eine unrichtige, missverständliche oder unvollständige Beratung erteilt habe. Damit seien die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht erfüllt.
Hiergegen erhob die Versicherte am 14. März 2006 beim SG Klage, mit der sie zur Regelaltersrente auch für die Zeit vom 29. April 1994 bis 31. Dezember 1999 den Zuschlag für Leistungen für Kindererziehung begehrte. Am 12. September 2006 verstarb die Versicherte. Die Klägerin führte als Sonderrechtsnachfolgerin den Rechtsstreit fort. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Versicherte sei bei ihrer Ankunft in Deutschland bereits 83 Jahre alt gewesen und habe weder lesen noch schreiben können. Die Ortsbehörde habe es versäumt, die Versicherte darauf hinzuweisen, dass vorliegend Leistungen für Kindererziehung geltend gemacht werden könnten. Auch die Beklagte habe keine gezielten Rückfragen gestellt. Da die Versicherte im Jahr 1911 geboren sei und mithin nur Leistungen für Kindererziehung in Betracht kämen, habe sie die Frage bei Ziff. 9 im Rentenantrag richtig beantwortet. Hinsichtlich der Leistungen für Kindererziehung enthalte das Rentenantragsformular keine entsprechende Frage. Die Ortsbehörde Giengen hätte sich daher veranlasst sehen müssen, bei der Frage Ziff. 9 die Geburt von fünf Kindern aufzunehmen. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Februar 2004 (BSGE 92, 159). In diesem Fall habe die dortige in Kanada lebende Antragsstellerin die Frage nach der Zurücklegung rentenrelevanter Zeiten in Deutschland unbeantwortet gelassen. Das BSG habe entschieden, dass die Verjährungseinrede des Rentenversicherungsträgers nicht durchgreife. Zur weiteren Begründung legte die Klägerin einen Auszug eines Aufsatzes vor, in dem die angesprochene Entscheidung des BSG besprochen wird (DAngVers 2005, S. 335 f.). Darüber hinaus legte die Klägerin das Schreiben der Beklagten (Abteilung Grundsatz und Zentraler Service) vom 20. Juni 2007 vor, wonach es gesonderte Anträge auf Kinderziehungsleistungen gebe. Ein besonderer Hinweis auf diese Antragsmöglichkeit sei jedoch in den allgemeinen Antrag auf Versichertenrente nicht zusätzlich aufgenommen worden. Allerdings seien die Sachbearbeiter angehalten, von Amts wegen hinsichtlich möglicher Leistungen für Kindererziehung die erforderlichen Ermittlungen anzustellen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf den Widerspruchsbescheid. Die genannte Entscheidung des BSG führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Versicherte habe die Frage nach Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten im Antragsformular auf Regelaltersrente ausdrücklich mit "nein" beantwortet. Es liege insoweit kein unvollständiger Rentenantrag vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 03. September 2007 wies das SG die Klage ab. Es bestehe kein Anspruch auf Gewährung höherer Regelaltersrente bereits ab dem 29. April 1994, da die Voraussetzungen für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht gegeben seien. Ein Beratungsfehler sei nicht erkennbar, da die Versicherte die Frage bei Ziff. 9 im Rentenantrag mit "nein" beantwortet habe. Die Frage selbst sei zwar allgemein gehalten. Durch die eindeutige Antwort der Versicherten habe sich aber weder für die Bedienstete der Ortsbehörde noch für spätere Sachbearbeiter der Beklagten weiterer Aufklärungsbedarf ergeben. Auch aus den übrigen Unterlagen habe man nicht ersehen können, dass die Versicherte Kinder erzogen habe. Der Umstand, dass sie bei der Antragsstellung von einer jüngeren Person begleitet worden sei, lasse nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass es sich dabei um die Tochter gehandelt habe. Letztlich könne jedoch dahingestellt bleiben, ob der Beklagten ein Beratungs- oder Hinweisfehler vorgeworfen werden könne, da die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 des SGB X auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu beachten sei.
Hiergegen hat die Klägerin schriftlich am 26. September 2007 Berufung beim LSG eingelegt. Das Rentenantragsformular habe keine entsprechende Frage zu Kindererziehungsleistungen enthalten. Es sei jedoch naheliegend, eine weibliche Rentenantragstellerin nach Geburten und Kindern zu befragen. Dies ergebe sich bereits aus dem Amtsermittlungsgrundsatz. Insoweit werde nochmals auf die genannte Entscheidung des BSG Bezug genommen. Im Übrigen sei die Frage bei Ziff. 8.1 des Rentenantrags, ob Anrechnungszeiten zurückgelegt worden seien, offen gelassen worden, sodass kein vollständiger Rentenantrag vorliege. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin einen Zeitungsartikel aus der Siebenbürgischen Zeitung vom 09. Juli 2007 und das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund (Abteilung Grundsatz) vom 06. September 2007 vorgelegt. Die DRV Bund hat in diesem Schreiben angegeben, die Aufnahme einer Frage bzw. eines Hinweises zu Kindererziehungsleistungen im Rentenantrag halte man im Hinblick auf den sehr überschaubaren Personenkreis nicht für zweckmäßig. Dennoch fänden die Kindererziehungsleistungen für den betroffenen Personenkreis Beachtung. Spätestens im Zuge der Bearbeitung bei der DRV werde aufgrund der Angaben der Rentenantragstellerin zu Mutterschutzfristen erkannt, dass Kindererziehungsleistungen in Betracht kämen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 03. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006 zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin für die Zeit vom 29. April 1994 bis 31. Dezember 1999 zur Regelaltersrente aus der Versicherung der S. A. den Zuschlag für Leistungen für Kindererziehung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006 ist rechtmäßig und verletzte die Versicherte nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Versicherten bereits vor dem 01. Januar 2000 zur Regelaltersrente den Zuschlag für Leistungen für Kindererziehung zu zahlen. Damit hat die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I)) der Versicherten keinen Anspruch auf die entsprechende Zahlung.
1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006. Darin hat die Beklagte die "früheren Bescheide" wegen der "Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen" (gemeint Zahlung des Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung zur Regelaltersrente) gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen. Der Bescheid vom 22. September 2005 ist nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden. Nach § 86 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Bescheid vom 22. September 2005 hat den Bescheid vom 01. September 2005 hinsichtlich der Zahlung des Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung nicht abgeändert. Es wurden - unter Übernahme des mit Bescheid vom 01. September 2005 anerkannten Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung - nur die Kolchosemitgliedszeiten der Jahre 1961, 1962, 1964 und 1965 ungekürzt (6/6-Anrechung) berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren jedoch nicht.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006 hat die Beklagte die "früheren Bescheide" (gemeint wohl Rentenbescheid vom 20. März 1995) wegen der Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen für die fünf in der früheren UdSSR geborenen Kinder (E. K., geboren am 1930; A. S., geboren am 1934; M. A., geboren am 1938; E. A., geboren am 1941; I. A., geboren am 1949) gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit zurückgenommen, als in dem Bescheid vom 20. März 1995 über die Zahlung des Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung nicht entschieden wurde.
Nach § 44 Abs. 1 Satz SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen lagen vor, nachdem die Versicherte nach Stellung ihres Überprüfungsantrags im Februar 2004 nachgewiesen hatte, dass sie in der früheren UdSSR die genannten fünf Kinder geboren hatte. Hierdurch hatte sie grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für Kindererziehung. Dies folgt aus § 294 Abs. 1 SGB VI (in der ab 01. Januar 1992 geltenden Fassung). Danach erhält eine Mutter, die vor dem 01. Januar 1921 geboren ist, für jedes Kind, das sie im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs lebend geboren hat, eine Leistung für Kindererziehung (Satz 1). Der Geburt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs steht die Geburt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich (Satz 2). Für Mütter der Geburtsjahrgänge von 1907 bis 1911 gilt dies vom 01. Oktober 1988 an (Satz 3 Nr. 1). Nach § 294 Abs. 2 SGB VI gilt: Einer Geburt in den in Absatz 1 genannten Gebieten steht die Geburt außerhalb dieser Gebiete gleich, wenn die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesen Gebieten hatte (Nr.1), zwar außerhalb dieser Gebiete hatte, aber im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder unmittelbar vorher entweder sie selbst oder ihr Ehemann, mit dem sie sich zusammen dort aufgehalten hat, wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil sie selbst oder ihr Ehemann versicherungsfrei oder von der Versicherung befreit war (Nr. 2) oder bei Geburten bis zum 31. Dezember 1949 zwar außerhalb dieser Gebiete hatte, aber der gewöhnliche Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten aus Verfolgungsgründen im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes aufgegeben worden ist, wobei dies auch gilt, wenn bei Ehegatten der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten aufgegeben worden ist und nur beim Ehemann Verfolgungsgründe vorgelegen haben (Nr. 3). Nach § 294 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI steht einer Geburt in den in Absatz 1 genannten Gebieten bei einer Mutter, die zu den in § 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) genannten Personen gehört, die Geburt in den jeweiligen Herkunftsgebieten gleich. Die Versicherte gehörte zu dem Personenkreis des FRG. Die Leistung für Kindererziehung wird - die gesetzlichen Ausnahmen sind vorliegend nicht einschlägig - nach § 297 Abs. 2 Satz 1 SGB VI als Zuschlag zur Rente gezahlt, wenn die Mutter eine Rente bezieht.
Nachdem die Beklagte den Rentenbescheid vom 20. März 1995 mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben und die Leistungen neu berechnet hatte, hatte nach die Versicherte grundsätzlich auch Anspruch auf den anfänglich zu gewährenden Zuschlag zur Regelaltersrente. Die Beklagte hat den Leistungsbeginn jedoch zutreffend auf den 01. Januar 2000 gelegt. Der Leistungsbeginn ergibt sich aus § 44 Abs. 4 SGB X. Danach gilt: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (Satz 1). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3). Die Vier-Jahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist von Amts wegen zu beachten, sodass ihre Geltendmachung nicht im Ermessen der Behörde steht (vgl. nur BSGE 54, 223; BSG SozR 1300 § 44 Nr. 15 und Nr. 17; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rdnr. 49, Stand Mai 2006; Waschull in LPK-SGB X, 1. Auflage 2004, § 44 Rdnr. 54). Damit stellt sich § 44 Abs. 4 SGB X, dessen Regelungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 23), als eine materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung dar.
Vorliegend wurde der Rentenbescheid vom 20. März 1995 am 01. September 2005 zurückgenommen. Der Zeitraum von vier Jahren ist aber gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 SGB X vom Beginn des Jahres des Antrags (13. Februar 2004) zu berechnen. Er umfasst also - wie von der Beklagten und auch der Versicherten im Überprüfungsantrag zutreffend angenommen - den Zahlungszeitraum ab dem 01. Januar 2000.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ändert auch die Entscheidung des BSG vom 12. Februar 2004 (BSGE 92, 159) an diesem Ergebnis nichts. Im dortigen Fall ließ die in Kanada lebende Antragstellerin die Frage nach Zurücklegung rentenrelevanter Zeiten in der Bundesrepublik Deutschland offen. Das BSG entschied, dass ein im Ausland gestellter Rentenantrag, der nach Abkommensrecht zugleich als ein solcher nach deutschem Recht gilt, auch dann gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger als wirksam gestellt gelte, wenn nicht alle erforderlichen Angaben vollständig seien. Mit der Antragstellung in Kanada sei eine Verjährungsunterbrechung eingetreten. Dabei hat das BSG nicht die Anwendung und die Voraussetzungen des § 44 Abs. 4 SGB X überprüft, sondern vielmehr das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB I (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung), wonach Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind, verjähren. Dabei hat es festgestellt, dass die damaligen Verjährungsvorschriften des Zivilrechts, wonach ein Verfahren "betrieben" werden muss, damit die Verjährungsunterbrechung Bestand hat, auf das dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegende Sozialverwaltungsverfahren nicht passe. Bereits deshalb lassen sich zur Anwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X aus dieser Entscheidung keine Rückschlüsse ziehen. Des Weiteren unterscheiden sich die Sachverhalte in einem wesentlichen Punkt. Vorliegend hat die Versicherte weder im Antrag auf Regelaltersrente noch im Fragebogen für Anrechnungszeiten die Geburt ihrer fünf Kinder angegeben und sie hat die Frage nach der Geltendmachung von Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten bzw. von Schwangerschaft und Mutterschaft sogar ausdrücklich verneint, sodass - im Gegensatz zum Sachverhalt, der der genannten Entscheidung des BSG zugrunde lag - keine diesbezüglichen Fragen offen blieben. Dass die Frage bei Ziff. 8.1. des Rentenantrags offen blieb, ist hierbei unbeachtlich, da dort nur nach der Zurücklegung von Anrechungszeiten, die bislang nicht im Versicherungsverlauf berücksichtigt worden seien, gefragt wurde.
3. Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht mit Erfolg auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder eines konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber bestehenden Haupt- und Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1, 2; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m.w.N.; BSG SozR 3-3200 § 86a Nr. 2). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Rentenversicherungsträger auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis des Berechtigten alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für den Berechtigten günstigen Umstände zu berücksichtigen hat (§ 20 Abs. 2 SGB X). Dementsprechend bestimmt § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI, der eine Konkretisierung der in §§ 14, 15 SGB I geregelten allgemeinen Hinweis- und Auskunftspflichten enthält, dass die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen.
Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob die Beklagte ihre gegenüber der Versicherten bestandenen Auskunfts- und Beratungspflichten dadurch verletzt hat, dass im Rentenantragsformular lediglich nach Kindererziehungszeiten (vgl. § 56 SGB VI) bzw. Berücksichtigungszeiten (vgl. § 57 SGB VI) und nicht nach der Geburt von Kindern gefragt wurde, oder ob ein - der Beklagten grundsätzlich zurechenbares - Fehlverhalten der Bediensteten der Ortsbehörde vorlag. Grundsätzlich erkennt der Senat zwar ein erhöhtes Beratungsbedürfnis bei Personen, die - wie vorliegend die Versicherte - nicht lesen oder schreiben können, an. Selbst wenn aber die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vorlägen, ginge § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der speziell für die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte vorgesehen ist, dem richterrechtlich entwickelten Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil vom 02. Oktober 2008, B 9 VH 1/07 R - = veröffentlicht in juris; BSGE 85, 151; Steinwedel, a.a.O., § 44 Rdnr. 12).
Im Übrigen reicht der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht weiter als der Anspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X (vgl. nur BSGE 87, 280). Daraus folgt aber, dass auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs gegeben sind, Leistungen rückwirkend längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren erbracht werden. Die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X ist insoweit entsprechend anzuwenden (ständige Rechtsprechung, BSGE 98, 162 m.w.N.; s. hierzu auch BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 B 4 R 19/07 R = veröffentlicht in juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X), ab Beginn der Altersrente ihrer verstorbenen Mutter am 29. April 1994 die Kindererziehungsleistungen als Zuschlag zur Altersrente zu zahlen und nicht erst - wie zuerkannt - ab 01. Januar 2000.
Die am 1911 geborene Mutter der Klägerin (im Folgenden: Versicherte), die am 12. September 2006 verstarb, bezog seit dem 30. Januar 1968 in der früheren UdSSR (nunmehr Kasachstan) eine Altersrente. Am 29. April 1994 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über und wurde als Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt (Bescheinigung des Landratsamts Heidenheim vom 21. September 1994 nach § 15 Abs. 1 und 2 BVG). Die Versicherte war Witwe des I. A., der bereits am. 1943 verstarb, sowie die Mutter von fünf Kindern.
Am 09. Juni 1994 beantragte die Versicherte bei der Ortsbehörde für die Arbeiter- und Angestelltenversicherung in G. an der B. Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Im Antragsformular, das von der Versicherten unterschrieben wurde, ist die Frage bei Ziff. 9, ob Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung geltend gemacht werden, mit "nein" beantwortet. Angaben zu Geburten von Kindern machte die Versicherte nicht. Im Fragebogen für Anrechnungszeiten, der von der Versicherten ebenfalls am 09. Juni 1994 unterschrieben wurde, wurde die Frage bei Ziff. 5, ob im Versicherungsverlauf bislang Anrechnungszeiten wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während der jeweiligen Schutzfristen nicht enthalten seien, mit "nein" beantwortet. Auch in den weiteren Fragebögen für Ersatzzeiten bzw. zur Klärung und Prüfung von Zeiten im Beitrittsgebiet, die von der Versicherten ebenfalls am 09. Juni 1994 unterschrieben wurden, machte sie keine Angaben zu Geburten von Kindern. Anlässlich der Rentenantragstellung legte sie eine Kopie des russischen Arbeitsbuchs vor, wonach sie als Kolchose-Bäuerin (Hilfsarbeiterin) von 1944 bis 1967 in einer Kolchose gearbeitet habe. Unter dem 27. Oktober 1994 beantragte sie des Weiteren die Anerkennung von Zeiten der Internierung/Verschleppung gemäß § 250 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Hierbei gab sie bei der Frage zum Familienstand - wie bereits im Rentenantrag - an, dass sie 1940 geheiratet habe und seit dem 20. November 1943 verwitwet sei. Mit Bescheid vom 20. März 1995 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) der Versicherten Regelaltersrente ab dem 29. April 1994. Der monatliche Zahlbetrag belaufe sich ab 01. Mai 1995 auf DM 354,75 und für die Zeit vom 29. April 1994 bis 30. April 1995 werde eine Nachzahlung von insgesamt DM 4.304,91 gewährt. Kindererziehungsleistungen wurden nicht gezahlt. Aufgrund eines Erstattungsanspruchs des Kreissozialamts Heidenheim überwies die Beklagte aus der Nachzahlung der Rente einen Betrag in Höhe von DM 4.280,26 an das Kreissozialamt.
Am 16. Mai 2002 beantragte die Versicherte bei der Beklagten die Nachprüfung ihrer Versicherungszeit als Kolchosemitglied. Frühere Arbeitskollegen hätten eine höhere Rente wegen einer Neubewertung der Arbeitszeiten zuerkannt bekommen. Ein Bescheid zu diesem Antrag befindet sich nicht in der Verwaltungsakte der Beklagten.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2004, bei der Beklagte eingegangen am Folgetag, beantragte die Versicherte sowohl die Überprüfung der Rentengewährung nach § 44 SGB X als auch die Gewährung einer Witwenrente. Den Überprüfungsantrag begründete die Versicherte damit, dass es für die Jahre 1961, 1962, 1964 und 1965 zu einer 6/6-Anrechnung kommen müsse, da jeweils mehr als 300 Arbeitstage dokumentiert seien. Des Weiteren habe sie fünf Kinder geboren, die alle in Deutschland lebten. Deshalb stünden ihr Leistungen für Kindererziehung zu. Sie legte die Geburtsurkunden der A. S. (geboren am. 1934), der M. A. (geboren am. 1938), der E. A. (geboren am. 1941) und des I. A. (geboren am 1949) vor. Nachdem die Landesversicherungsanstalt Westfalen der Beklagten telefonisch mitgeteilt hatte, dass die Versicherte als Mutter der am 1930 geborenen E. K. (geborene S.) geführt werde, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 01. September 2005 ihre "früheren Bescheide" nach § 44 SGB X wegen der "Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen" für die fünf in der UdSSR geborenen Kinder zurück. Für die Zeit ab 01. Oktober 2005 betrage die monatliche Rente unter Berücksichtung des Zuschlags für Kindererziehungsleistungen EUR 328,86 und für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis 30. September 2005 werde eine Nachzahlung in Höhe von EUR 8.756,03 gewährt. Da Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahre vor der Rücknahme nachgezahlt werden könnten, beginne die Zahlung der höheren Leistung erst ab dem 01. Januar 2000. Hinsichtlich der Neuberechnung der Altersrente wegen eines Teiles der Kolchosemitgliedszeiten werde ein weiterer Bescheid ergehen. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Mit Bescheid vom 22. September 2005 stellte die Beklagte sodann die bisherige Regelaltersrente unter Berücksichtigung der ungekürzten (6/6-Anrechnung) Kolchosemitgliedszeiten der Jahre 1961, 1962, 1964 und 1965 fest und übernahm hierbei unverändert die im Bescheid vom 01. September 2005 anerkannten Kindererziehungsleistungen. Die Regelaltersrente betrage ab dem 01. November 2005 monatlich EUR 337,07. Für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis 31. Oktober 2005 werde eine Nachzahlung von EUR 571,72 geleistet. Auch dieser Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Bereits mit Bescheid vom 21. Juli 2004 hatte die Beklagte der Versicherten eine große Witwenrente ab dem 01. Februar 2003 in Höhe von monatlich EUR 414,79 bewilligt. Die Versicherte machte hiergegen geltend, die Witwenrente müsse ab der Aussiedlung im April 1994 gezahlt werden. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004), Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 04. Januar 2006 - S 4 R 3675/04 -) und Berufung der Versicherten (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 30. August 2006 - L 5 R 423/06 -) blieben erfolglos.
Am 20. September 2005 erhob die Versicherte gegen den Bescheid vom 01. September 2005 Widerspruch und machte geltend, ihr stünden Leistungen für Kindererziehung bereits ab dem 29. April 1994 zu. Der Rentenantrag sei von einer Bediensteten des Rathauses G. nachlässig ausgefüllt worden sei und das entsprechende Antragsformular (R 710) enthalte keine Frage zu den Leistungen für Kinderziehungen. Zwar sei die Frage bei Ziff. 9 verneint worden. Die Angestellte des Rathauses G. hätte dort aber eintragen müssen, dass sie fünf Kinder geboren habe. Zudem sei sie damals von ihrer Tochter begleitet worden und dennoch seien keine Fragen nach Geburten gestellt worden. Deshalb seien die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfüllt. Mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 01. September 2005" zurück. Die in § 115 Abs. 6 SGB VI konkretisierte Aufklärungs-, Beratungs- und Hinweispflicht bestehe nur in geeigneten Fällen, in denen es nahe liege, dass der Berechtigte Leistungen in Anspruch nehmen wolle und der Rentenversicherungsträger über die entsprechenden Daten verfüge. Die Versicherte habe jedoch bei ihrer Rentenantragstellung am 09. Juni 1994 die Frage, ob Kinderziehungszeiten geltend gemacht würden, verneint. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Bedienstete der Ortsbehörde eine unrichtige, missverständliche oder unvollständige Beratung erteilt habe. Damit seien die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht erfüllt.
Hiergegen erhob die Versicherte am 14. März 2006 beim SG Klage, mit der sie zur Regelaltersrente auch für die Zeit vom 29. April 1994 bis 31. Dezember 1999 den Zuschlag für Leistungen für Kindererziehung begehrte. Am 12. September 2006 verstarb die Versicherte. Die Klägerin führte als Sonderrechtsnachfolgerin den Rechtsstreit fort. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Versicherte sei bei ihrer Ankunft in Deutschland bereits 83 Jahre alt gewesen und habe weder lesen noch schreiben können. Die Ortsbehörde habe es versäumt, die Versicherte darauf hinzuweisen, dass vorliegend Leistungen für Kindererziehung geltend gemacht werden könnten. Auch die Beklagte habe keine gezielten Rückfragen gestellt. Da die Versicherte im Jahr 1911 geboren sei und mithin nur Leistungen für Kindererziehung in Betracht kämen, habe sie die Frage bei Ziff. 9 im Rentenantrag richtig beantwortet. Hinsichtlich der Leistungen für Kindererziehung enthalte das Rentenantragsformular keine entsprechende Frage. Die Ortsbehörde Giengen hätte sich daher veranlasst sehen müssen, bei der Frage Ziff. 9 die Geburt von fünf Kindern aufzunehmen. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Februar 2004 (BSGE 92, 159). In diesem Fall habe die dortige in Kanada lebende Antragsstellerin die Frage nach der Zurücklegung rentenrelevanter Zeiten in Deutschland unbeantwortet gelassen. Das BSG habe entschieden, dass die Verjährungseinrede des Rentenversicherungsträgers nicht durchgreife. Zur weiteren Begründung legte die Klägerin einen Auszug eines Aufsatzes vor, in dem die angesprochene Entscheidung des BSG besprochen wird (DAngVers 2005, S. 335 f.). Darüber hinaus legte die Klägerin das Schreiben der Beklagten (Abteilung Grundsatz und Zentraler Service) vom 20. Juni 2007 vor, wonach es gesonderte Anträge auf Kinderziehungsleistungen gebe. Ein besonderer Hinweis auf diese Antragsmöglichkeit sei jedoch in den allgemeinen Antrag auf Versichertenrente nicht zusätzlich aufgenommen worden. Allerdings seien die Sachbearbeiter angehalten, von Amts wegen hinsichtlich möglicher Leistungen für Kindererziehung die erforderlichen Ermittlungen anzustellen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf den Widerspruchsbescheid. Die genannte Entscheidung des BSG führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Versicherte habe die Frage nach Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten im Antragsformular auf Regelaltersrente ausdrücklich mit "nein" beantwortet. Es liege insoweit kein unvollständiger Rentenantrag vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 03. September 2007 wies das SG die Klage ab. Es bestehe kein Anspruch auf Gewährung höherer Regelaltersrente bereits ab dem 29. April 1994, da die Voraussetzungen für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht gegeben seien. Ein Beratungsfehler sei nicht erkennbar, da die Versicherte die Frage bei Ziff. 9 im Rentenantrag mit "nein" beantwortet habe. Die Frage selbst sei zwar allgemein gehalten. Durch die eindeutige Antwort der Versicherten habe sich aber weder für die Bedienstete der Ortsbehörde noch für spätere Sachbearbeiter der Beklagten weiterer Aufklärungsbedarf ergeben. Auch aus den übrigen Unterlagen habe man nicht ersehen können, dass die Versicherte Kinder erzogen habe. Der Umstand, dass sie bei der Antragsstellung von einer jüngeren Person begleitet worden sei, lasse nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass es sich dabei um die Tochter gehandelt habe. Letztlich könne jedoch dahingestellt bleiben, ob der Beklagten ein Beratungs- oder Hinweisfehler vorgeworfen werden könne, da die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 des SGB X auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu beachten sei.
Hiergegen hat die Klägerin schriftlich am 26. September 2007 Berufung beim LSG eingelegt. Das Rentenantragsformular habe keine entsprechende Frage zu Kindererziehungsleistungen enthalten. Es sei jedoch naheliegend, eine weibliche Rentenantragstellerin nach Geburten und Kindern zu befragen. Dies ergebe sich bereits aus dem Amtsermittlungsgrundsatz. Insoweit werde nochmals auf die genannte Entscheidung des BSG Bezug genommen. Im Übrigen sei die Frage bei Ziff. 8.1 des Rentenantrags, ob Anrechnungszeiten zurückgelegt worden seien, offen gelassen worden, sodass kein vollständiger Rentenantrag vorliege. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin einen Zeitungsartikel aus der Siebenbürgischen Zeitung vom 09. Juli 2007 und das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund (Abteilung Grundsatz) vom 06. September 2007 vorgelegt. Die DRV Bund hat in diesem Schreiben angegeben, die Aufnahme einer Frage bzw. eines Hinweises zu Kindererziehungsleistungen im Rentenantrag halte man im Hinblick auf den sehr überschaubaren Personenkreis nicht für zweckmäßig. Dennoch fänden die Kindererziehungsleistungen für den betroffenen Personenkreis Beachtung. Spätestens im Zuge der Bearbeitung bei der DRV werde aufgrund der Angaben der Rentenantragstellerin zu Mutterschutzfristen erkannt, dass Kindererziehungsleistungen in Betracht kämen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 03. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006 zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin für die Zeit vom 29. April 1994 bis 31. Dezember 1999 zur Regelaltersrente aus der Versicherung der S. A. den Zuschlag für Leistungen für Kindererziehung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006 ist rechtmäßig und verletzte die Versicherte nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Versicherten bereits vor dem 01. Januar 2000 zur Regelaltersrente den Zuschlag für Leistungen für Kindererziehung zu zahlen. Damit hat die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I)) der Versicherten keinen Anspruch auf die entsprechende Zahlung.
1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006. Darin hat die Beklagte die "früheren Bescheide" wegen der "Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen" (gemeint Zahlung des Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung zur Regelaltersrente) gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen. Der Bescheid vom 22. September 2005 ist nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden. Nach § 86 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Bescheid vom 22. September 2005 hat den Bescheid vom 01. September 2005 hinsichtlich der Zahlung des Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung nicht abgeändert. Es wurden - unter Übernahme des mit Bescheid vom 01. September 2005 anerkannten Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung - nur die Kolchosemitgliedszeiten der Jahre 1961, 1962, 1964 und 1965 ungekürzt (6/6-Anrechung) berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren jedoch nicht.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 01. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2006 hat die Beklagte die "früheren Bescheide" (gemeint wohl Rentenbescheid vom 20. März 1995) wegen der Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen für die fünf in der früheren UdSSR geborenen Kinder (E. K., geboren am 1930; A. S., geboren am 1934; M. A., geboren am 1938; E. A., geboren am 1941; I. A., geboren am 1949) gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit zurückgenommen, als in dem Bescheid vom 20. März 1995 über die Zahlung des Zuschlags für Leistungen für Kindererziehung nicht entschieden wurde.
Nach § 44 Abs. 1 Satz SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen lagen vor, nachdem die Versicherte nach Stellung ihres Überprüfungsantrags im Februar 2004 nachgewiesen hatte, dass sie in der früheren UdSSR die genannten fünf Kinder geboren hatte. Hierdurch hatte sie grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für Kindererziehung. Dies folgt aus § 294 Abs. 1 SGB VI (in der ab 01. Januar 1992 geltenden Fassung). Danach erhält eine Mutter, die vor dem 01. Januar 1921 geboren ist, für jedes Kind, das sie im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs lebend geboren hat, eine Leistung für Kindererziehung (Satz 1). Der Geburt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs steht die Geburt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich (Satz 2). Für Mütter der Geburtsjahrgänge von 1907 bis 1911 gilt dies vom 01. Oktober 1988 an (Satz 3 Nr. 1). Nach § 294 Abs. 2 SGB VI gilt: Einer Geburt in den in Absatz 1 genannten Gebieten steht die Geburt außerhalb dieser Gebiete gleich, wenn die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesen Gebieten hatte (Nr.1), zwar außerhalb dieser Gebiete hatte, aber im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder unmittelbar vorher entweder sie selbst oder ihr Ehemann, mit dem sie sich zusammen dort aufgehalten hat, wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil sie selbst oder ihr Ehemann versicherungsfrei oder von der Versicherung befreit war (Nr. 2) oder bei Geburten bis zum 31. Dezember 1949 zwar außerhalb dieser Gebiete hatte, aber der gewöhnliche Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten aus Verfolgungsgründen im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes aufgegeben worden ist, wobei dies auch gilt, wenn bei Ehegatten der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten aufgegeben worden ist und nur beim Ehemann Verfolgungsgründe vorgelegen haben (Nr. 3). Nach § 294 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI steht einer Geburt in den in Absatz 1 genannten Gebieten bei einer Mutter, die zu den in § 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) genannten Personen gehört, die Geburt in den jeweiligen Herkunftsgebieten gleich. Die Versicherte gehörte zu dem Personenkreis des FRG. Die Leistung für Kindererziehung wird - die gesetzlichen Ausnahmen sind vorliegend nicht einschlägig - nach § 297 Abs. 2 Satz 1 SGB VI als Zuschlag zur Rente gezahlt, wenn die Mutter eine Rente bezieht.
Nachdem die Beklagte den Rentenbescheid vom 20. März 1995 mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben und die Leistungen neu berechnet hatte, hatte nach die Versicherte grundsätzlich auch Anspruch auf den anfänglich zu gewährenden Zuschlag zur Regelaltersrente. Die Beklagte hat den Leistungsbeginn jedoch zutreffend auf den 01. Januar 2000 gelegt. Der Leistungsbeginn ergibt sich aus § 44 Abs. 4 SGB X. Danach gilt: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (Satz 1). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3). Die Vier-Jahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist von Amts wegen zu beachten, sodass ihre Geltendmachung nicht im Ermessen der Behörde steht (vgl. nur BSGE 54, 223; BSG SozR 1300 § 44 Nr. 15 und Nr. 17; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rdnr. 49, Stand Mai 2006; Waschull in LPK-SGB X, 1. Auflage 2004, § 44 Rdnr. 54). Damit stellt sich § 44 Abs. 4 SGB X, dessen Regelungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 23), als eine materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung dar.
Vorliegend wurde der Rentenbescheid vom 20. März 1995 am 01. September 2005 zurückgenommen. Der Zeitraum von vier Jahren ist aber gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 SGB X vom Beginn des Jahres des Antrags (13. Februar 2004) zu berechnen. Er umfasst also - wie von der Beklagten und auch der Versicherten im Überprüfungsantrag zutreffend angenommen - den Zahlungszeitraum ab dem 01. Januar 2000.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ändert auch die Entscheidung des BSG vom 12. Februar 2004 (BSGE 92, 159) an diesem Ergebnis nichts. Im dortigen Fall ließ die in Kanada lebende Antragstellerin die Frage nach Zurücklegung rentenrelevanter Zeiten in der Bundesrepublik Deutschland offen. Das BSG entschied, dass ein im Ausland gestellter Rentenantrag, der nach Abkommensrecht zugleich als ein solcher nach deutschem Recht gilt, auch dann gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger als wirksam gestellt gelte, wenn nicht alle erforderlichen Angaben vollständig seien. Mit der Antragstellung in Kanada sei eine Verjährungsunterbrechung eingetreten. Dabei hat das BSG nicht die Anwendung und die Voraussetzungen des § 44 Abs. 4 SGB X überprüft, sondern vielmehr das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB I (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung), wonach Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind, verjähren. Dabei hat es festgestellt, dass die damaligen Verjährungsvorschriften des Zivilrechts, wonach ein Verfahren "betrieben" werden muss, damit die Verjährungsunterbrechung Bestand hat, auf das dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegende Sozialverwaltungsverfahren nicht passe. Bereits deshalb lassen sich zur Anwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X aus dieser Entscheidung keine Rückschlüsse ziehen. Des Weiteren unterscheiden sich die Sachverhalte in einem wesentlichen Punkt. Vorliegend hat die Versicherte weder im Antrag auf Regelaltersrente noch im Fragebogen für Anrechnungszeiten die Geburt ihrer fünf Kinder angegeben und sie hat die Frage nach der Geltendmachung von Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten bzw. von Schwangerschaft und Mutterschaft sogar ausdrücklich verneint, sodass - im Gegensatz zum Sachverhalt, der der genannten Entscheidung des BSG zugrunde lag - keine diesbezüglichen Fragen offen blieben. Dass die Frage bei Ziff. 8.1. des Rentenantrags offen blieb, ist hierbei unbeachtlich, da dort nur nach der Zurücklegung von Anrechungszeiten, die bislang nicht im Versicherungsverlauf berücksichtigt worden seien, gefragt wurde.
3. Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht mit Erfolg auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder eines konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber bestehenden Haupt- und Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1, 2; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m.w.N.; BSG SozR 3-3200 § 86a Nr. 2). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Rentenversicherungsträger auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis des Berechtigten alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für den Berechtigten günstigen Umstände zu berücksichtigen hat (§ 20 Abs. 2 SGB X). Dementsprechend bestimmt § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI, der eine Konkretisierung der in §§ 14, 15 SGB I geregelten allgemeinen Hinweis- und Auskunftspflichten enthält, dass die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen.
Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob die Beklagte ihre gegenüber der Versicherten bestandenen Auskunfts- und Beratungspflichten dadurch verletzt hat, dass im Rentenantragsformular lediglich nach Kindererziehungszeiten (vgl. § 56 SGB VI) bzw. Berücksichtigungszeiten (vgl. § 57 SGB VI) und nicht nach der Geburt von Kindern gefragt wurde, oder ob ein - der Beklagten grundsätzlich zurechenbares - Fehlverhalten der Bediensteten der Ortsbehörde vorlag. Grundsätzlich erkennt der Senat zwar ein erhöhtes Beratungsbedürfnis bei Personen, die - wie vorliegend die Versicherte - nicht lesen oder schreiben können, an. Selbst wenn aber die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vorlägen, ginge § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der speziell für die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte vorgesehen ist, dem richterrechtlich entwickelten Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil vom 02. Oktober 2008, B 9 VH 1/07 R - = veröffentlicht in juris; BSGE 85, 151; Steinwedel, a.a.O., § 44 Rdnr. 12).
Im Übrigen reicht der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht weiter als der Anspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X (vgl. nur BSGE 87, 280). Daraus folgt aber, dass auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs gegeben sind, Leistungen rückwirkend längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren erbracht werden. Die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X ist insoweit entsprechend anzuwenden (ständige Rechtsprechung, BSGE 98, 162 m.w.N.; s. hierzu auch BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 B 4 R 19/07 R = veröffentlicht in juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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