L 3 SB 994/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 2811/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 994/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung).

Bei der 1949 geborenen Klägerin hatte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 30.06.2003 seit 21.03.2003 einen GdB von 80 festgestellt. Dieser Einschätzung hatte der Beklagte eine Versteifung des linken Kniegelenkes, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks, Kniegelenksendoprothese links, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) (Teil-GdB 60) und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 50) zugrunde gelegt. Außerdem war wie schon seit 01.11.2000 das Merkzeichen "G" zuerkannt worden. Die gleichzeitig beantragte Feststellung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) war abgelehnt worden.

Am 12.08.2004 beantragte die Klägerin wegen der am 27.07.2004 erfolgten Versteifung des linken Kniegelenkes eine weitere Erhöhung des GdB sowie erneut die Feststellung des Merkzeichens "aG". Der Beklagte zog hierauf den Befund- und Entlassbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 10.8.2004 bei, in dem über die Entfernung der Kniegelenksendoprothese links und die Arthrodese mittels Fixateur extern berichtet wird, und lehnte anschließend nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. Z., der ausführte, bei der Versteifung des Kniegelenkes und Knie-TEP-Entfernung handele es sich um einen verbessernden Eingriff, mit Bescheid vom 19.10.2004 eine Neufeststellung und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines wurde nunmehr als "Versteifung des linken Kniegelenkes, Beinverkürzung links, Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenkes, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose)" bezeichnet und mit einem Teil-GdB von 40 bewertet.

Auf den von der Klägerin hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem sie außerdem die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "1. Klasse" beantragte, nahm der Beklagte die im Zusammenhang mit dem 1999 von der Klägerin geführten Rentenverfahren angefallenen medizinischen Unterlagen zu den Akten und zog weitere Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute Deutsche Rentenversicherung Bund) sowie der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (u.a. Bescheid vom 22.06.2004: linkes Kniegelenk: Traumatisch bedingter vorzeitiger Gelenkverschleiß (posttraumatische Gonarthrose) im linken Kniegelenk, zweitgradige Chondromalazie (vorzeitiger Gelenkknorpelverschleiß), Implantation einer Knieendoprothese (künstlicher Kniegelenkersatz), wiederholt auftretende Schwellungen mit deutlicher Bewegungseinschränkung; Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 01.02.2003 40 %) bei. Ergänzend holte er außerdem Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 23.04.2005 und 04.08.2005 ein, in denen über eine massive Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes, eine Neigung zu rezidivierenden depressiven Schüben, den "laborchemisch" bestehenden Verdacht auf eine chronische Borreliose, eine chronische Hepatitis B und eine einmalige leichte Erhöhung des Blutzuckers berichtet wird. Ermittlungen bei der Pflegekasse ergaben, dass die Klägerin keine Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält und auch keinen Antrag auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit gestellt hat. Gestützt hierauf wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2005 den Widerspruch zurück. Die BG-Unfallfolgen am linken Kniegelenk und das Wirbelsäulen-Bandscheibenleiden einschließlich der Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und des chronischen Schmerzsyndroms seien mit den festgestellten Einzel-GdB von 40 bzw. 50 zutreffend eingestuft. Eine eigenständige Depression liege nicht vor. Die Schmerzen im linken Hüftgelenk und die Oberschenkelatrophie bedingten keine GdB-Erhöhung. Die vorliegenden Befunde ließen die Feststellung einer Borreliose, Gelenkentzündungen beider Arme, Augenentzündungen, Diabetes mellitus, Hepatitis B und Darmleiden als weitere Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu. Der Gesamt-GdB von 80 sei unverändert befundgerecht. Das Merkzeichen "aG" stehe nicht zu. Bezüglich der Feststellung der Merkzeichen "1. Klasse" und "RF" werde ein gesonderter Bescheid ergehen.

Dagegen hat die Klägerin am 02.11.2005 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben mit der Begründung, die bei ihr vorliegenden Erkrankungen führten zu einer in diesem Ausmaß äußerst seltenen Multimorbidität und bedingten einen Gesamt-GdB von 100 und die Zuerkennung der Merkzeichen.

Das SG hat die die Klägerin behandelnden Ärzte, die Orthopäden Dr. M. und Dr. K., Dr. E., die Ärztin für Anästhesie, Spezielle Schmerztherapie Dr. S. und den Augenarzt Dr. H. als sachverständige Zeugen gehört (vgl. hierzu Bl. 37/39, 40/48, 49, 50/51 und 53/54 der SG-Akten).

Im Anschluss daran hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens des Dr. K. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 25.09.2006 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe ein chronisches Cervicalsyndrom und eine chronische Cervicobrachialgie, ein Supraspinatussyndrom und Impingement-Syndrom beider Schultern, eine BWS-Dorsalgie, eine Lumbago, ein Zustand nach Implantation einer Schmerzpumpe, eine mäßige posttraumatische Coxarthrose links, ein Zustand nach Kniegelenks-Versteifung links mit Beinverkürzung von ca. 2 cm, ein Senk-Spreizfuß beidseits, eine initiale degenerative Veränderung des OSG links, ein chronisches Schmerzsyndrom und eine Osteoporose. Die Beschwerden der Klägerin von Seiten der Wirbelsäule und des Schultergürtels bewerte er mit einem GdB von 50 und diejenigen von Seiten der unteren Extremitäten mit einem GdB von 60. Den Gesamtgrad der Behinderung schätze er auf 100. Seines Erachtens liege bei der Klägerin auch eine außergewöhnliche Gehbehinderung vor. Ihre Gehdauer habe sich in letzter Zeit auf maximal 10 Minuten reduziert. Während dieser Zeit könne sie höchstens Strecken von 50 Metern zurücklegen. Sie benutze immer mindestens einen Gehstock, teils benötige sie zwei Unterarmgehstützen.

Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren orthopädischen Fachgutachtens des Orthopäden Dr. N. von Amts wegen. Dr. N., dem die Klägerin, die den 300 Meter langen Weg vom Parkhaus zur Praxis zu Fuß zurückgelegt hatte, schilderte, dass bei ihr beim Gehen bereits nach 20 Minuten erhebliche Schmerzen vorhanden seien, hat in seinem Gutachten vom 01.04.2007 bei der Klägerin ein chronisch rezidivierendes cervicocephales und cervicobrachiales Wirbelsäulensyndrom, eine Omarthrose beidseits, eine Supra- und Infraspinaturssehnentendinitis rechts, eine Tendinitis calcarea beidseits, eine Epicondylitis humeri radialis rechts, ein Dorsolumbalsyndrom, eine Coxarthrose rechts und links, eine Arthrodese des linken Knies, Senk-Spreizfüße und Spitzfußstellung links sowie eine Osteoporose diagnostiziert. Für die Beschwerden der Klägerin von Seiten der Wirbelsäule und der Schultergelenke hat er ebenso wie für die Beeinträchtigung des linken Beines Teil-GdB-Werte von jeweils 50 für angemessen erachtet. Den Gesamt-GdB hat er auf 80 geschätzt. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei in der Lage, auch ohne orthopädische Hilfsmittelversorgung auf dem linken Bein zu stehen und bei orthopädie-technischer Schuhzurichtung plantigrad aufzutreten. Das rechte Bein sei aufgrund seiner guten Funktionalität nicht mit einem Zustand, welcher einer Oberschenkelamputation gleichzusetzen wäre, vergleichbar.

Für den Beklagten haben hierzu Dr. W. und Dr. F. ausgeführt, dass sich aus den ärztlichen Unterlagen eine höhere Bewertung des Gesamt-GdB und die Feststellung des Merkzeichens "aG" nicht ableiten lasse. Die "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, chronisches Schmerzsyndrom" und die "Versteifung des linken Kniegelenks, Beinverkürzung links, Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks, Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose)" seien jeweils mit einem GdB von 50 zu bewerten. Zusätzlich anzuerkennen sei eine "Sehminderung beidseits" mit einem GdB von 10.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich hierbei im Wesentlichen auf das von Dr. N. erstattete Gutachten gestützt und ergänzend ausgeführt, die Merkzeichen "RF" und "1. Klasse" seien, da sie erst im Widerspruchsverfahren geltend gemacht worden seien, nicht Streitgegenstand.

Mit Bescheid vom 07.02.2008 hat der Beklagte die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "1. Klasse" abgelehnt. Das Widerspruchsverfahren ist noch anhängig.

Gegen den am 30.01.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 28.02.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, bei ihr sei schon allein aufgrund der orthopädischen Erkrankungen unter Berücksichtigung der vorliegenden Schmerzsymptomatik ein Gesamt-GdB von 100 gerechtfertigt. Erst recht gelte dies unter Berücksichtigung der regelmäßig wiederkehrenden Augenentzündungen, der Hepatitis-B- und Borreliose-Erkrankung, des Diabetes mellitus und der depressiven Verstimmung, die das SG außer Acht gelassen habe.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich bezüglich des Diabetes mellitus im Städtischen Krankenhaus in Friedrichshafen in Behandlung befunden habe, im Übrigen werde auf Dr. E. verwiesen.

Der Senat hat hierauf Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Dr. E ... Dieser hat unter dem 21.10.2008 mitgeteilt, dass er die Klägerin seit 25.01.2005 weder laborchemisch noch körperlich untersucht habe. Die letzte laborchemische Untersuchung sei am 02.07.2004 erfolgt. Damals habe er keinen Anhalt für einen Diabetes mellitus gehabt. Ergänzend hat er die Arztbriefe von Dr. S. über die schmerztherapeutische Behandlung der Klägerin beigefügt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Januar 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2005 zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 100 und das Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten und die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 19.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2005 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 80 und Zuerkennung des Merkzeichens "aG" hat. Zu Recht hat das SG insoweit festgestellt, dass Streitgegenstand lediglich die Höhe des Grades der Behinderung und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ist, denn nur hierüber hat der Beklagte in den hier angegriffenen Bescheiden eine Entscheidung getroffen. Die Zuerkennung der Merkzeichen "RF" und "1. Klasse" wird auch nicht deshalb zum Gegenstand des Verfahrens, weil der Beklagte hierüber am 07.02.2008 entschieden hat. Dieser Bescheid hat die angefochtenen Bescheide weder ersetzt noch abgeändert (§ 96 SGG).

Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist festzustellen, dass zwischenzeitlich die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleichlautenden AHP 2008 in Kraft getreten sind, die ihrerseits durch den ebenfalls im Wesentlichen unveränderten Teil A und B der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze (VMG) zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 ersetzt worden sind. Eine andere Beurteilung der hier in Frage stehenden Funktionsbeeinträchtigungen im Vergleich zu den vom SG berücksichtigten AHP 2004 ergibt sich daraus nicht.

Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG ausführlich und zutreffend dargestellten Gründen insbesondere bezugnehmend auf das von Dr. N. erstattete Gutachten als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung.

Ergänzend ist weiter auszuführen, dass auch Dr. K. den GdB für die Wirbelsäule und den Schultergürtel in seinem Gutachten mit einem GdB von 50 bewertet hat. Nach den AHP 2008 Nr. 26.18 bzw. Nr. 18.9 Teil B der VMG sind Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem GdB von 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB zwischen 30 und 40 zu bewerten. Ein GdB zwischen 50 und 70 kommt erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen, schwerer Skoliose in Betracht. Für eine Bewegungseinschränkung des Schultergürtels, die zur Folge hat, dass der Arm nur um 120° erhoben werden kann, sehen die AHP 2008 Nr. 26.18 bzw. 18.13 Teil B der VMG einen GdB von 10 und mit der Folge, dass der Arm nur um 90° erhoben werden kann, einen GdB von 20 vor. Mit einem GdB von 50 sind unter Berücksichtigung der AHP bzw. der VMG die bei der Klägerin vorliegende Bewegungseinschränkung vornehmlich der Halswirbelsäule, der Muskelhartspann im Bereich der gesamten Wirbelsäule und insbesondere die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen, die den Einsatz einer Schmerzpumpe erforderlich machen, sowie die Bewegungseinschränkungen von Seiten der Schultergelenke (Dr. K.: rückwärts/vorwärts jeweils 40/0/110; Dr. N.: rückwärts/vorwärts jeweils 40/0/130) angemessen berücksichtigt und bewertet. Etwas anderes geht auch nicht aus den vom SG eingeholten Arztbriefen der die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. M. und Dr. K. hervor, die die Klägerin in den Jahren 2004 und 2005 nur wegen der Beschwerden von Seiten des Beines behandelt haben. Auch in den beigezogenen Unterlagen der Berufsgenossenschaft, insbesondere den Berichten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, wird weder über Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäule noch der Schultern berichtet.

Hinsichtlich der Beschwerden von Seiten des linken Beines, die Dr. N. folgend mit einem GdB von 50 bewertet wurden, ist zu berücksichtigen, dass die Berufsgenossenschaft hierfür ausweislich ihres Bescheides vom 22.06.2004 nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40% festgestellt hat. Die AHP 2008 bzw. Teil B VMG sehen für die Versteifung des Kniegelenkes in günstiger Stellung (Beugestellung von 10 - 15 °) einen GdB von 30 vor (Nr. 26.18 bzw. Nr. 18.14). Eine Versteifung in ungünstiger Stellung wird unter den gleichen Ziffern mit einem GdB zwischen 40 und 60 bewertet. Für eine Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) sehen die AHP Nr. 26.18 bzw. Nr. 18.14 der VMG einen GdB zwischen 10 und 20 und für eine Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk einen GdB zwischen 0 und 10 vor. Eine Beinverkürzung zwischen über 2,5 bis 4 cm hat nach den AHP bzw. den VMG an der bereits angegebenen Stelle einen GdB von 10 zur Folge. Ein GdB von 60 ist nach den AHP Nr. 26.18 bzw. Nr. 18.14 der VMG bei dem Verlust eines Beines im Unterschenkel bei ungenügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke vorgesehen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben in den AHP und in den VMG ist zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit dem SG und dem Sachverständigen Dr. N. ein höherer GdB als 50 für die Funktionsbeeinträchtigung von Seiten des linken Beines bei der Klägerin nicht gerechtfertigt. Der Ansatz eines GdB von 50 berücksichtigt nicht nur die in Beugestellung von 5° erfolgte Versteifung des Kniegelenkes, sondern auch die übrige Beeinträchtigung des linken Beines durch die Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes (Dr. K.: 0/10/85; Dr. N.: 0/10/90) und des Sprunggelenkes (Dr. K. und Dr. N. jeweils ½), die gemessene Umfangminderung des Beines und die Beinverkürzung von 3 bzw. 3,5 cm sowie die nach wie vor vorhandenen Schmerzen in ausreichendem Maße. Dem Verlust eines Beines im Unterschenkel bei ungenügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke, der einen GdB von 60 zur Folge hätte, ist die Beeinträchtigung der Klägerin noch nicht gleich zu setzen.

Die von Dr. H. beschriebene Sehminderung (Visus rechtes und linkes Auge jeweils 0,6) ist gestützt auf die AHP Nr. 26.4 bzw. Nr. 4.3 der VMG mit einem GdB von 10 angemessen und ausreichend bewertet. Für die von Dr. H. darüber hinaus erwähnte vermehrte Blendungsempfindlichkeit ist nach den AHP bzw. den VMG kein GdB vorgesehen.

Weitere Behinderungen sind bei der Klägerin nicht anzuerkennen. Dies gilt insbesondere für den Diabetes mellitus, nachdem ein solcher lediglich vom Städtischen Krankenhaus in Friedrichshafen im Jahr 2000 beschrieben wurde und Dr. E. berichtet hat, dass er bei der letzten laborchemischen Untersuchung im Juli 2004 keinen Anhalt für eine Blutzuckererkrankung gehabt habe. Sowohl eine Hepatitis-B als auch eine Borreliose wurden in der Vergangenheit lediglich als Diagnosen erwähnt. Sich hieraus ergebende Beeinträchtigungen, die erst einen GdB rechtfertigen könnten, gehen aus den medizinischen Unterlagen jedoch nicht hervor. Von der Klägerin geltend gemachte Augenentzündungen werden von dem vom SG gehörten Augenarzt Dr. H. nicht beschrieben. Auch eine depressive Verstimmung kann nicht als Behinderung anerkannt werden. Zwar erwähnt Dr. S. in ihren letzten von Dr. E. übermittelten Arztbriefen teilweise eine starke seelische Belastung. Dies führt, nachdem insoweit weder eine medikamentöse noch eine ärztliche Behandlung erforderlich ist, jedoch noch nicht zur Annahme einer Funktionsbehinderung. Im Übrigen sind die sich durch die Schmerzen ergebenden seelischen Belastungen bereits durch das anerkannte chronische Schmerzsyndrom, das zusammen mit der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, dem Bandscheibenschaden und der Funktionsbehinderung beider Schultergelenke einen GdB von 50 bedingt, angemessen und ausreichend berücksichtigt.

Ausgehend von den jeweils mit Teil-GdB-Werten von 50 bewerteten Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule und der Schultern sowie des linken Beines und der Sehstörung, die einen GdB von 10 bedingt, wird in Anwendung der vom SG dargestellten und in den AHP Nr. 18.3 bzw. Teil A Nr. 3c) und d) der VMG ausgeführten Grundsätze ein Gesamt-GdB von 80 erreicht. Eine weitere Erhöhung dieses GdB ist nicht gerechtfertigt. Eine solche lässt sich insbesondere nicht auf das von Dr. K. erstattete Gutachten stützen, der aus Teil-GdB-Werten von 50 und 60 einen Gesamt-GdB von 100 gebildet hat. Dies steht mit den Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB nicht in Einklang.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "aG".

Zu den in § 69 Abs. 4 SGB IX in Verbindung mit Abschnitt 2 Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) genannten Schwerbehinderten gehört die Klägerin unbestrittenermaßen nicht.

Die Klägerin ist diesem Personenkreis aber auch nicht gleichzustellen.

Eine Gleichstellung erfordert eine Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße. Der Behinderte darf sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 VV aufgeführten Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen können. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Dabei lässt sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugt grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeugs zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies noch möglich ist; nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich (insbesondere Parkerleichterungen) auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - in www.juris.de)

Unstreitig ist, dass bei der Klägerin eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vorliegt, weshalb ihr bereits das Merkzeichen "G" zuerkannt worden ist. Anhaltspunkte für eine derartige Einschränkung, dass ihr darüber hinaus auch das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen wäre, liegen indessen nicht vor. Der Senat übersieht insoweit nicht, dass die Klägerin einen Gehstock benötigt, teilweise auf zwei Unterarmgehstützen angewiesen ist und mit orthopädischem Schuhwerk versorgt ist. Dies allein ist bezugnehmend auf die obigen Ausführungen jedoch nicht ausreichend. Zu beachten ist, dass die Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. N. in der Lage war, auf dem linken Bein zu stehen und plantigrad aufzutreten und insbesondere ihr rechtes Bein keine Gebrauchseinschränkung aufweist. Auch hat die Klägerin Dr. N. gegenüber angegeben, dass bei ihr erst nach einer Gehdauer von 20 Minuten erhebliche Schmerzen vorhanden seien. Ihr gelang es, die Strecke vom Parkhaus zur Praxis, die 300 Meter beträgt, ohne Hilfe zurückzulegen. Dies rechtfertigt nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Dr. K. erstatteten Gutachten. Die von ihm angegebene Einschränkung der Gehstrecke ist nicht belegt. Sie steht auch nicht im Einklang mit den erhobenen Befunden. Die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die Klägerin auf Grund des versteiften Knies zum Ein- und Aussteigen in das bzw. aus dem Auto weit geöffnete Türen benötigt. Denn maßgeblich ist nicht das Ein- und Aussteigen aus dem Fahrzeug, sondern die Fortbewegung, die in außergewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sein muss. Dies ist bei der Klägerin auch nach ihrem eigenen Vortrag Dr. N. gegenüber nicht der Fall.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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