L 8 SB 2843/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 4936/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2843/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.

Bei dem am 1944 geborenen Kläger stellte das Landratsamt Calw (VA) auf Neufeststellungsantrag vom 06.10.2004 mit Bescheid vom 25.07.2006 wegen einer Schwerhörigkeit beidseitig (Teil-GdB 70), Bluthochdruck (Teil-GdB 10), Reizmagen und psychovegetativen Störungen (Teil-GdB 20) sowie einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke und der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) den Gesamt-GdB mit 90 seit dem 06.10.2004 neu fest. Außerdem wurde zur Inanspruchnahme entsprechender Nachteilsausgleiche das Merkzeichen "RF" festgestellt. Die Voraussetzungen für die außerdem vom Kläger beantragten Merkzeichen "G", "Gl" und "H" wurden dagegen nicht festgestellt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.08.2006 Widerspruch ein. Er wandte sich gegen die Nichtfeststellung des Merkzeichens "G" und machte zur Begründung geltend, er leide an erheblichen Kreislauf- und Gehbeschwerden mit oft unerträglichen Schmerzen sowie an erheblichen Durchblutungsstörungen der Beine, wobei er nur kurze Wege gehen könne. Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 09.09.2006 (Dr. Schwenk) wurde vom Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2006 der Widerspruch des Klägers mit der Maßgabe, dass die Funktionsbeeinträchtigungen bereits ab 06.01.2004 festgestellt werden, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lasse sich nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen nicht begründen.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.10.2006 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er sein Ziel auf Feststellung des Merkzeichens "G" weiterverfolgte. Zur Begründung wurde vorgetragen, bei ihm lägen Senk- und Spreizfüße beidseits vor. Er leide unter rezidivierenden Schmerzen bei längerem Stehen und Gehen. Weiter bestehe eine Gonarthrose rechts mit rezidivierenden Distorsionen des rechten Kniegelenkes und wiederkehrenden Schmerzen und Schwellungen. Er knicke immer wieder beim Gehen ein. Der Kläger berief sich auf Befundscheine bzw. Befundberichte der ihn behandelnden Ärzte.

Das SG zog medizinische Befundunterlagen der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft bei und hörte die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Kardiologe Dipl.-Med D. teilte in seiner Stellungnahme vom 08.03.2007 mit, bei unauffälligem kardiologischem Untersuchungsbefund ergäben sich beim Kläger keine Einschränkungen des Gehvermögens. Der Internist Dr. E. teilte in seiner Stellungnahme vom 14.03.2007 mit, aus seiner Sicht könne der Kläger unter Berücksichtigung von angegebenen Schwindelzuständen 500 Meter innerhalb von einer halben Stunde zurücklegen. Der praktische Arzt R. teilte in seiner Stellungnahme vom 28.03.2007 mit, der Kläger könne seines Erachtens eine Wegstrecke von 500 bis 1000 Meter im Ortsverkehr problemlos zurücklegen, sicherlich innerhalb einer halben Stunde. Der Urologe Dr. N. teilte in seiner Stellungnahme vom 26.04.2007 mit, aus urologischer Sicht bestehe keine Gefahr oder Einschränkung auch längere Gehstrecken (z. B. 2000 Meter) zurückzulegen. Der Nervenarzt Dr. Sch. teilte in seiner Stellungnahme vom 25.04.2007 mit, der Kläger könne innerhalb einer Stunde eine Wegstrecke von höchstens 1500 Meter zurücklegen. Aufgrund seiner psychischen Störungen könne er sich ungehindert nur zwischen ihm sicheren Orten bewegen. Die angehörten Ärzte teilten außerdem die von ihnen erhobenen Befunde mit und legten (z. T.) weitere medizinische Befundunterlagen vor.

Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 08.10.2007 der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.05.2008 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätzen seien die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" aufgrund der Ausführungen in den eingeholten schriftlichen Auskünften der behandelnden Ärzte nicht nachgewiesen. Soweit gehörte Ärzte eine gegenteilige Auffassung vertreten, sei diese nicht nachzuvollziehen. Auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids wird Bezug genommen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20.05.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.06.2008 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, er könne sich mit dem Gerichtsbescheid keinesfalls einverstanden erklären. Die Entscheidung des SG beruhe auf einem nur unvollständig erhobenen Sachverhalt, weil nicht alle seine behandelnden Ärzte angehörten worden seien. Der Kläger hat die weiteren Ärzte benannt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Mai 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2006 zu verurteilen, bei ihm ab 6. Oktober 2004 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Der Senat hat Dr. E., den Orthopäden Dr. D. und die Nervenärztin Prof. Dr. W. ergänzend schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. E. hat in seiner Stellungnahme vom 26.11.2008 mitgeteilt, aus seiner Sicht könne der Kläger in einer halben Stunde zwei Kilometer "laufen". Dr. D. hat in seiner Stellungnahme vom 27.11.2008 mitgeteilt, eine manifeste Bewegungseinschränkung bzw. Einschränkung der Gehfähigkeit habe beim Kläger nicht festgestellt werden können. Prof. Dr. W. hat in ihrer Stellungnahme vom 25.11.2008 mitgeteilt, der Kläger benötige nach seinen Angaben nach maximal 500 Meter Gehstrecke eine Pause. Wie lange er für zwei Kilometer brauche, habe sie mit ihm nicht besprochen. Die angehörten Ärzte haben außerdem die von ihnen erhobenen Befunde mitgeteilt und weitere Befundunterlagen vorgelegt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet.

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 25.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2006, soweit der Antrag des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" abgelehnt wurde. Nur hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Diese Klage hat das SG zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G".

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze unter Bezugnahme auf die zum damaligen Entscheidungszeitpunkt geltenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung und zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), mit der Maßgabe, dass die seit 01.01.2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) mit Anlage zu § 2 VersMedV, die inhaltsgleich zu den AHP ist, anwendbar ist.

Der Senat teilt nach eigener Überprüfung auch die Ansicht des SG, dass unter Berücksichtigung des Akteninhalts und nach Auswertung der Auskünfte der schriftlich als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte feststeht, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vorliegen. Der Senat macht sich die hierzu im Gerichtsbescheid gemachten Ausführungen des SG voll zu eigen, auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung und zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug nimmt.

Im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt ergänzend auszuführen:

Auch die vom Senat auf Anregung des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte des Klägers haben in ihren schriftlichen Stellungnahmen keine Befunde mitgeteilt, die das Vorliegen einer relevanten Gehbehinderung beim Kläger begründen können. Nach der Stellungnahme von Dr. E. vom 26.11.2008 beklagt der Kläger zwar eine Unsicherheit beim Gehen mit Schwindel. Nach den Ausführungen von Dr. E. hat jedoch eine Funktionseinbuße nicht objektiviert werden können. Ein Belastungs-EKG hat beim Kläger bei einer Belastbarkeit bis 125 Watt keine (behandlungsbedürftige) Herzerkrankung ergeben. Dr. E. hält den Kläger nach seiner Stellungnahme vom 26.11.2008 für fähig, zwei Kilometer in einer halben Stunde zu laufen. Auch der Orthopäde Dr. D. konnte beim Kläger keine manifeste Bewegungseinschränkung bzw. Einschränkung der Gehfähigkeit feststellen, wie er unter Darlegung der von ihm erhobenen Befunde und unter Vorlage des Befundberichtes des Klinikverbund Südwest vom 11.10.2008 in seiner Stellungnahme an den Senat vom 27.11.2008 mitgeteilt hat. Auch der Senat vermag anhand der von Dr. D. mitgeteilten Befunde eine relevante Funktionseinschränkung (insbesondere der Lendenwirbelsäule und der unteren Gliedmaßen) nicht zu erkennen. Soweit Dr. D. in seiner Stellungnahme die Beweisfrage, ob der Kläger durch Behinderungen/Funktionseinbußen gehindert ist, Wegstrecken von zwei Kilometer in einer halben Stunde zurückzulegen, bejaht hat, muss es sich im Hinblick auf die von ihm sonst gemachten Angaben um ein Missverständnis der Fragestellung (in der Lage statt gehindert) handeln oder aber seine Einschätzung ist in keiner Weise nachvollziehbar.

Die Einschätzung der außerdem gehörten Nervenärztin Prof. Dr. W., der Kläger benötige nach maximal 500 Meter Gehstrecke eine Pause, rechtfertigt die Annahme einer erheblichen Einschränkung des Gehvermögens des Klägers nicht. Sie stützt ihre Einschätzung ausschließlich auf Angaben des Klägers, ohne Befunde zu nennen, die diese Einschätzung plausibel macht. Dass beim Kläger auf nervenärztlichem Fachgebiet Funktionseinbußen vorliegen, die die Feststellung des Merkzeichens "G" rechtfertigen könnten, lässt sich ihren in ihrer Stellungnahme vom 04.12.2008 gemachten Angaben und ihren vorgelegten Befundberichten vom 08.10.2008 und 05.09.2008 ebenso wenig entnehmen, wie den außerdem vorgelegten zwei Befundberichten des Klinikverbund Südwest vom 05.09.2008. Danach besteht beim Kläger zwar ein ataktisches Gangbild mit leichter Paraspastik. Nach dem Befundbericht der Prof. Dr. W. vom 08.10.2008 ergab eine MRT-Untersuchung von Kopf, HWS und miterfasster BWS am 25.09.2008 beim Kläger jedoch weder wesentliche Herde, Raumforderungen noch eine andere Erklärung. Weiter ergab eine am 04.09.2008 durchgeführte MRT-Untersuchung der HWS keinen pathologischen Befund, der eine erhebliche Gehbehinderung des Klägers begründbar macht. Dies gilt auch für die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 03.04.2009 vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Dr. Sch. vom 09.03.2007, der sich ebenfalls kein Befund entnehmen lässt, der die Annahme einer erheblichen Gehbehinderung des Klägers rechtfertigt.

Anlass, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, besteht nicht. Der Senat hält den für die Entscheidung des Rechtsstreites relevanten Sachverhalt durch die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der den Kläger behandelnden Ärzte und die zu den Akten gelangten Befundunterlagen für aufgeklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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