L 11 R 919/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 6171/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 919/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 12. Juni 1950 geborene Klägerin war nach eigenen Angaben von 1966 bis 1996 in der ehemaligen UdSSR als Grundschullehrerin tätig. Nach ihrer Übersiedlung nach Deutschland im Jahr 1996 arbeitete sie in einem Kindergarten und zuletzt - nach einer sechsmonatigen Berufsqualifizierungsmaßnahme durch das Arbeitsamt - von 1999 bis Ende 2002 als Montagearbeiterin in einer Metallfabrik. Seither ist sie arbeitslos. Einen ersten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 10. Juli 2004 lehnte die Beklagte nach Einholung von Gutachten der Internistin Dr. R. (mit orthopädischem Zusatzgutachten von Dr. R.; Leistungseinschätzung: Tätigkeit als Montagearbeiterin und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden arbeitstäglich möglich) und des Neurologen Dr. S. (Leistungseinschätzung: Tätigkeit als Erzieherin und leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden arbeitstäglich möglich) mit Bescheid vom 28. Oktober 2004 und Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2005 ab.

Am 3. Juli 2006 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Internist Dr. M. diagnostizierte in seinem Gutachten für die Beklagte unter Berücksichtigung eines chirurgisch-orthopädischen Zusatzgutachtens von Dr. S. und eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens von Dr. B. einen hohlrunden Rücken, ein Lumbalsyndrom bei Osteochondrose L5/S1 ohne neurologische Ausfälle, eine Periarthritis humero-scapularis beidseits, eine leichte Arthrose beider Hüftgelenke, eine Arthrose des linken und eine beginnende Arthrose des rechten Kniegelenks, eine reaktiv-depressive Entwicklung mit Somatisierung im Kontext mit vielschichtiger biographischer Problematik bei vorbestehend histrionischen Persönlichkeitszügen, eine Bluthochdruckerkrankung ohne Sekundärschäden sowie rezidivierende nächtliche Herzrasenszustände. Das Leistungsvermögen sei quantitativ für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht eingeschränkt. Nicht mehr möglich seien körperlich schwere und ausschließlich mittelschwere Tätigkeiten, auch seien weitere qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 und Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2006 als unbegründet ab.

Die Klägerin hat hiergegen am 27. Dezember 2006 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, ihren Beruf als Lehrerin in Russland aus gesundheitlichen und politischen Gründen aufgegeben zu haben. Ausschließlich aus diesen Gründen sei sie nach Deutschland übergesiedelt. Ihr Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert.

Das SG hat sachverständige Zeugenaussagen bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. (leichte Tätigkeiten maximal drei bis vier Stunden täglich möglich) und dem Orthopäden Dr. B. (leichte Tätigkeiten im Sitzen, ohne Zeitdruck, nervlich wenig belastend, sechs Stunden arbeitstäglich möglich) eingeholt. Außerdem hat das SG Dr. T. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat 1. eine somatoforme Schmerzstörung bei wechselnd ausgeprägter Depression mit myotendinotischen Beschwerden, 2. einen ausgeprägten hohlrunden Rücken, statisch und muskulär noch ausreichend kompensiert mit verstärkten Gefügestörungen der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) ohne Zeichen einer Nervenwurzelirritation, 3. eine Streckfehlstellung der Halswirbelsäule (HWS) mit rezidivierendem Schulter-Arm-Syndrom ohne anhaltende Nervenwurzelirritation, gehäufte Kopfschmerzen, 4. eine Chondromalazie des Schweregrades III bis IV linkes Kniegelenk, Innenmeniskusschaden linkes Kniegelenk ohne Kapselreizung oder Funktionseinschränkung, beginnende Gonarthrose beidseits, 5. eine rezidivierende Periarthritis coxae rechts mit endgradigem Bewegungsschmerz ohne nennenswerte Funktionseinschränkung und 6. eine Periarthritis humero scapularis beidseits bei geringen degenerativen Aufbraucherscheinungen diagnostiziert. Tätigkeiten als Grundschullehrerin oder Montagearbeiterin seien noch drei- bis unter sechsstündig möglich. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit gelegentlichen mittelschweren Belastungsspitzen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, ohne Kälte- und Nässebelastung, ohne Arbeiten in einseitiger Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne vermehrtes Steigen auf Treppen und Leitern, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne nervliche Belastung könnten noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichtet werden.

Mit Urteil vom 25. Januar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, sondern nach den Gutachten im Verwaltungsverfahren, dem Gutachten von Dr. T. und der Aussage von Dr. B. trotz der bei ihr vorhandenen Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte Arbeiten mit gelegentlich mittelschweren Belastungsspitzen mit täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Soweit Dr. S. nur noch ein Leistungsvermögen von drei bis vier Stunden befürworte, gebe das Gericht den sozialmedizinisch erfahrenen medizinischen Sachverständigen den Vorzug. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig. Sie habe ihren Beruf als Lehrerin in Deutschland nicht wegen gesundheitlicher Gründe nicht mehr ausüben können, sondern nach eigenen Angaben weil ihre in der UdSSR erworbene Qualifikation in Deutschland nicht anerkannt worden sei und sie deshalb auch eine neue Staatsprüfung hätte ablegen müssen. Maßgeblich sei deshalb die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Montagekraft. Da es sich hierbei allenfalls um eine angelernte Tätigkeit gehandelt habe, könne die Klägerin zumutbar auf alle ungelernten, leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Die Klägerin hat gegen das Urteil am 25. Februar 2008 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Angaben und beruft sich auf die Aussage von Dr. S ... Auch Dr. B. sei keinesfalls der Meinung des Dr. T., sie könne vollschichtig tätig sein. Dr. T. habe bei seiner Untersuchung erkennen lassen, dass er rassistische Tendenzen sowie negative Aversionen gegen Spätaussiedler aus der ehemaligen UdSSR habe. Er habe sie beleidigt und seelisch grausam gepeinigt. Diese Art und Weise habe von vornherein ein negatives Gutachten erwarten lassen. Vom Arbeitsamt sei sie zwangsweise in eine sogenannte Arbeitsamtsmaßnahme verbracht worden, in der keinerlei Schulung oder Qualifikation erreicht worden sei, und sei anschließend als Hilfsarbeiterin beschäftigt gewesen. Wehr- und hilflos sei sie vom Arbeitsamt als studierte Lehrerin zur Hilfsarbeiterin degradiert worden. Diese verfassungsfeindlichen Handlungen ihr gegenüber gelte es durch das Landessozialgericht entsprechend zu revidieren und die Gerechtigkeit ihr gegenüber wieder herzustellen. Weiterhin müsse ausdrücklichst gesagt werden, dass die in der UdSSR erworbene Qualifikation als Lehrerin nicht vollinhaltlich anerkannt worden sei und sie deshalb eine ergänzende Staatsprüfung hätte ablegen müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat Zeugen aus ihrem persönlichen Umfeld benannt, die bekunden könnten, dass sie aufgrund ihrer Gesundheitsbeeinträchtigungen seit 2005 Einkäufe und das Reinigen ihrer Wohnung nicht verrichten könne, oft weine und Gehbeschwerden habe. Sie hat verschiedene Arztbriefe in Kopie, eine Quittung über selbst beschaffte Schmerzmittel und ein Attest von Dr. S. vorgelegt.

Der Orthopäde Dr. S., Praxiskollege von Dr. B., Dr. B. selbst und Dr. S. haben sich als sachverständige Zeugen geäußert und jeweils die aktuellen Befunde sowie ihre Leistungseinschätzungen mitgeteilt. Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme von Dr. K., Sozialmedizinischer Dienst, vorgelegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Der Schwerpunkt der Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin liegt auf orthopädischem Fachgebiet. Der Senat folgt der Leistungseinschätzung des gerichtlichen Gutachters Dr. T., wonach die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit gelegentlichen mittelschweren Belastungsspitzen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, ohne Kälte- und Nässebelastung, ohne Arbeiten in einseitiger Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne vermehrtes Steigen auf Treppen und Leitern, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne nervliche Belastung sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Dr. T. hat dies auf der Grundlage der von ihm gestellten Diagnosen nachvollziehbar und schlüssig dargelegt. Er hat 1. eine somatoforme Schmerzstörung bei wechselnd ausgeprägter Depression mit myotendinotischen Beschwerden, 2. einen ausgeprägten hohlrunden Rücken, statisch und muskulär noch ausreichend kompensiert mit verstärkten Gefügestörungen der unteren LWS ohne Zeichen einer Nervenwurzelirritation, 3. eine Streckfehlstellung der HWS mit rezidivierendem Schulter-Arm-Syndrom ohne anhaltende Nervenwurzelirritation, gehäufte Kopfschmerzen, 4. eine Chondromalazie des Schweregrades III bis IV linkes Kniegelenk, Innenmeniskusschaden linkes Kniegelenk ohne Kapselreizung oder Funktionseinschränkung, beginnende Gonarthrose beidseits, 5. eine rezidivierende Periarthritis coxae rechts mit endgradigem Bewegungsschmerz ohne nennenswerte Funktionseinschränkung und 6. eine Periarthritis humero scapularis beidseits bei geringen degenerativen Aufbraucherscheinungen festgestellt. Den Alters- und Ernährungszustand der Klägerin hat Dr. T. als altersentsprechend bezeichnet. Er hat bei seiner Bewertung der funktionalen Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen durchaus die geklagten Schmerzen, insbesondere im Schulter-Nacken-Bereich und der LWS, sowie die während der Untersuchung oft diffusen Druckschmerzangaben berücksichtigt. Die Muskulatur im Schulter-Nacken-Bereich hat er jedoch als normal kräftig auftrainiert bewertet und nur einen geringen Muskelhartspann sowie eine nur teilweise Einschränkung der Seitwärtsneigung der HWS nach rechts feststellen können. Auch die weiteren von ihm erhobenen körperlichen Befunde lassen nicht auf schwerwiegende, die quantitative Leistungsfähigkeit einschränkenden Befunde schließen. Das gilt auch für die Auswirkungen der chronischen Schmerzen. Wesentliche Beeinträchtigungen der Tagesstruktur hat der Gutachter verneint, vielmehr - auch unter Berücksichtigung der Feststellungen von Dr. S. und Dr. B. - in der Tagesablaufschilderung noch eine ausreichende Strukturierung gesehen und eine krankhafte soziale Isolierung verneint. Ihm kann daher gefolgt werden, dass die teilweise durch die somatischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, teilweise durch die somatoforme Schmerzstörung zu erklärenden chronischen Schmerzen eine sechsstündige leichte Erwerbstätigkeit nicht hindern. Der Überzeugungskraft dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass Dr. T. kein Nervenarzt, sondern Orthopäde ist. Die Beurteilung von Schmerzzuständen kann nicht vorrangig einer besonderen fachärztlichen Ausrichtung zugewiesen werden. Für die Qualifikation eines Gutachters kommt es nicht darauf an, ob er von Haus aus als Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater tätig ist. Die Beurteilung von Schmerz fällt nicht zwingend in ein bestimmtes Fachgebiet. Notwendig sind vielmehr fachübergreifende Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen (BSG, Beschluss vom 9. April 2003, B 5 RJ 80/02 B; Beschluss vom 12. Dezember 2003, B 13 RJ 179/03 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 3). Dies ist bei Dr. T. der Fall.

Soweit die Klägerin mit der Berufung einwendet, Dr. T. habe in der Untersuchungssituation rassistische Tendenzen sowie negative Aversionen gegen Spätaussiedler aus der ehemaligen UdSSR zum Ausdruck gebracht, bringt sie in der Sache Ablehnungsgründe gegen Dr. T. vor. Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob sie diesen damit auch formal als Gutachter ablehnen will. Denn ein solches Ablehnungsgesuch wäre jedenfalls unzulässig. Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter sowohl in den (in § 41 ZPO geregelten) Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Der Ablehnungsantrag gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen ist aber nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (§ 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Hier ist sowohl die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO deutlich versäumt wie ein etwaiger Entschuldigungsgrund nicht ansatzweise zu erkennen. Auch im Übrigen hat der Senat keinerlei Hinweise, dass die von der Klägerin vorgebrachte Grundhaltung bei Dr. T. vorliegt und den Inhalt seines Gutachtens beeinflusst hat.

Die Leistungseinschätzung des Dr. T. entspricht auch den Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren und derjenigen von Dr. B. in seiner Aussage vor dem SG. Die Klägerin missversteht diese, wenn sie aus seiner Angabe, die Klägerin könne noch sechs Stunden arbeiten, folgert, es bestehe ein erheblicher Widerspruch zur Annahme von Dr. T. und die notwendige Bejahung eines vollschichtigen Leistungsvermögens sei nicht erfolgt. Maßgeblich ist, wie dargelegt, kein vollschichtiges (acht Stunden), sondern ein sechsstündiges Leistungsvermögen. Es ist also ohne Bedeutung, ob Dr. B. die Klägerin für fähig hält, acht oder nur sechs Stunden zu arbeiten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den seit dem Gutachten von Dr. T. eingetretenen negativen Veränderungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen an den Knien, wie sie in den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. S. und Dr. B. im Berufungsverfahren zum Ausdruck gekommen sind. Die Magnetresonanztomographie vom 24. Juni 2008 hat insoweit einen Innenmeniskushinterhorneinriss, eine mittelgradige Retropatellararthrose am linken Knie sowie einen Knorpelschaden und einen kleinen Innenmeniskuseinriss (ohne Operationsindikation) am rechten Knie ergeben. Abgesehen davon, dass für den Innenmeniskushinterhorneinriss eine Operations- und damit Therapiemöglichkeit besteht, sieht der Senat, der Einschätzung von Dr. K. folgend, hierdurch keine Einschränkungen und Beschwerden, die leichten Tätigkeiten ohne besondere Kniebelastung (Bücken, Steigen auf Leitern und Gerüste, ausschließliches Stehen) entgegenstehen. Auch Dr. B. hat - bemüht, seine früheren Angaben mit möglicherweise uneinheitlichen Einschätzungen des Dr. S. in Einklang zu bringen - zuletzt in seiner Stellungnahme vom 23. Februar 2009 ein sechsstündiges Arbeiten zumindest für sitzende Tätigkeiten für möglich gehalten.

Nicht gefolgt werden kann der abweichenden Ansicht von Dr. S., wonach die Klägerin nur noch unter sechsstündig leistungsfähig ist. Diese ist nicht nachvollziehbar begründet, nachdem Dr. S. den Schwerpunkt der Gesundheitsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet gesehen hat, er von keinen anderen Befunden als Dr. T. sowie Dr. B. ausgeht und diesen insoweit die größere Fachkunde zukommt.

Weiterer Ermittlungen bedarf es nicht, da der Sachverhalt geklärt ist. Insbesondere waren die von der Klägerin benannten Zeugen aus ihrem familiären Umkreis nicht zu hören, da nicht zu erkennen ist, welche neuen Befundtatsachen diese hätten angeben können, die Dr. T. und die Gutachter im Verwaltungsverfahren nicht bereits durch die Befragung der Klägerin selbst hätten erfahren können.

Die Klägerin ist auch nicht berufsunfähig.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30. September 1987, 5b RJ 20/86, SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14. September 1995, 5 RJ 50/94, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin Tätigkeiten als Grundschullehrerin oder Metallarbeiterin noch sechsstündig arbeitstäglich verrichten kann. Nach ihrem beruflichen Werdegang ist sie als Ungelernte, höchstens Angelernte des unteren Bereichs anzusehen. Maßgeblich ist die letzte Tätigkeit als Metallarbeiterin. Keinesfalls kann auf die Ausbildung als Grundschullehrerin in der ehemaligen UdSSR abgestellt werden, denn die Klägerin hat diese Tätigkeit in Deutschland nicht einmal vorübergehend sozialversicherungspflichtig ausgeübt (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 1991, 13/5 RJ 26/90, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 15). Außerdem ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat. Insoweit verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des SG, die er sich zu eigen macht. Mit ihren Angaben im Berufungsverfahren hat die Klägerin bestätigt, dass sie in Deutschland deswegen nicht wieder als Grundschullehrerin gearbeitet hat, weil sie dazu aus sprachlichen Gründen und der fehlenden staatlichen Anerkennung nicht in der Lage war. Bei der Tätigkeit als Metallarbeiterin handelt es sich um eine ungelernte oder angelernte Tätigkeit des unteren Bereichs. Denn die Klägerin hat diese nach einer nur sechsmonatigen Qualifizierungsmaßnahme verrichten können, bei der ihren eigenen Angaben nach auch keine "richtige" Qualifizierung, also Ausbildung erfolgt ist. Sie ist damit auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved