L 2 U 4373/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1767/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 4373/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die daraus folgenden gesetzlichen Leistungen streitig.

Der am 1976 geborene Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger und übersiedelte 1988 in die Bundesrepublik Deutschland. Nach Beendigung seiner schulischen Ausbildung absolvierte er vom 1. September 1999 bis 31. Oktober 2001 bei der LuK GmbH & Co OHG in B. (LuK) eine Ausbildung zum Industriemechaniker; das Ausbildungsverhältnis endete vorzeitig durch Kündigung des Klägers. Mit Hautarztbericht vom 3. Dezember 2001 teilte die Universitäts-Hautklinik des Klinikums der Albert-Ludwigs-Universität F. als Untersuchungsbefund erythematosquamöse, z. T. papulöse Hautveränderungen im Bereich beider Hände, hauptsächlich im Bereich der Handinnenflächen und Handgelenke sowie diskret im Bereich der Oberschenkelinnenseiten mit; Epicutantests seien sämtlich unauffällig gewesen. Die Hauterkrankung sei zum ersten mal im März 2001 aufgetreten. Die Diagnose lautete Verdacht auf irritativ - toxisches Handekzem. Laut Bescheinigung des Hautarztes sei der Kläger seit Juni 2001 deswegen arbeitsunfähig gewesen. Auf Befragung der Beklagten teilte der Kläger mit Datum vom 8. Juni 2002 mit, an der Hauterkrankung habe er seit Januar 2001 gelitten; sie sei an Händen, Unterarmen, Oberarmen und Beinen aufgetreten. Die LuK teilte auf Befragung durch die Beklagte mit Datum vom 20. Juni 2002 mit, als Schutzhandschuhe seien Handschuhe aus Leder getragen bzw. zur Verfügung gestellt gewesen. Der Kläger sei mit Metallen, Fetten/Ölen und Reinigungsmitteln in Kontakt getreten; seine Tätigkeit hätte häufig zu einer stärkeren Verschmutzung der Hände geführt. Es hätten Hautschutzmittel, Hautreinigungsmittel und Hautpflegemittel zur Verfügung gestanden. Der Internist Dr. Sch. teilte am 7. Juli 2002 der Beklagten mit, der Kläger habe ihn erstmals am 11. April 2001 wegen Hautveränderungen im Bereich der Hände und an der Innenseite beider Oberschenkel aufgesucht. Die Beschwerden hätten bereits im Februar 2001 begonnen. Wegen der Hauterscheinungen sei der Kläger am 11., 19. und 27. April 2001, 17. Juli und 14. August 2001 sowie am 3. September 2001 behandelt worden. Arbeitsunfähigkeit wegen Hauterkrankung habe vom 18. April 2001 bis zum 1. Dezember 2001 bestanden. Die Hautveränderungen seien seines Erachtens eine allergische Reaktion auf Öl und Schmiermittel am Arbeitsplatz gewesen. Der Präventionsdienst der Beklagten nahm am 16. Juli 2002 wie folgt Stellung: Bei Arbeiten wie Drehen, Bohren und Schleifen oder Fräsen habe in der Lehrwerkstatt und im Betrieb Kontakt zu Kühlschmieremulsionen bestanden. Starke Hautverschmutzung mit Kontakt zu Fetten habe bei Arbeiten im Betrieb im Werkzeugbau bestanden. Der Betrieb habe für Kühlschmieremulsionen und wasserunlösliche Arbeitsstoffe wie z. B. Fette, Hautschutzmittel zur Verfügung gestellt. Ebenso seien Hautreinigungsmittel und Pflegesalben zur Verfügung gestanden. Verschiedene Typen von Schutzhandschuhen seien im Betrieb ebenfalls vorhanden gewesen. Die Hauterscheinungen des Klägers seien dem Lehrlingsmeister im März 2001 bekannt geworden; der Kläger sei zum Werksärztlichen Dienst geschickt worden. Es habe die Möglichkeit von Schonarbeitsplätzen für Lehrlinge bestanden. Dies wäre, da der Kläger nur noch ein halbes Jahr bis zur Abschlussprüfung benötigt hätte, problemlos möglich gewesen. Am 13. August 2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dieser wurde an das Arbeitsamt Offenburg (AA) zum Betreiben des Reha-Verfahrens in eigener Zuständigkeit weitergeleitet. Das AA erklärte mit Schreiben vom 27. August 2002 der Beklagten gegenüber seine Zuständigkeit gem. § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Facharztes für Dermatologie/Allergologie Dr. G. vom 5. November 2002. Als Diagnose führte er Verdacht auf Zustand nach kumulativ-toxischem bzw. allergischem Kontaktekzem bei epidermaler Sensibilisierung auf Oxalsäure sowie Zustand nach Furunkulose. Die Rötung und die Rhagaden, die von Hausarzt Dr. Sch. und der Hautklinik Freiburg beschrieben worden seien, seien zumindest teilweise auf die berufliche Hautbelastung zurückzuführen; die Furunkel im Bereich der Oberschenkel seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auf die berufliche Hautbelastung zurückzuführen. Die Hauterkrankung sei nicht schwer bzw. wiederholt rückfällig gewesen. Der Versicherte habe die berufliche Tätigkeit nach mehrmonatiger Arbeitsunfähigkeit aufgegeben, wobei der Zwang zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit nur bedingt gesehen werde. Zwar sei es sinnvoll gewesen, dass über kurz oder lang die berufliche Tätigkeit aufgegeben worden sei, weil bei entzündlichen Rötungen im Bereich der Hände beidseits bei fraglich-positiver Lederallergie langfristig sicherlich ein konkretes Problem aufgetreten wäre. Andererseits seien jedoch keine intensiven ärztlichen Maßnahmen ab Mai 2001 verfolgt und ab September 2001 keine konkreten Maßnahmen mehr ergriffen worden. Auch sei ab Juni 2001 bei der Firma LuK kein Arbeitsversuch mehr unter veränderten Arbeitsbedingungen unternommen worden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege nicht vor. Frau Dr. E. empfahl in ihrer Eigenschaft als Staatliche Gewerbeärztin mit Schreiben vom 2. Dezember 2002 die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV in nicht entschädigungspflichtigem Ausmaß sowie die Gewährung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen; die vom Kläger angestrebte Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf sei zu begrüßen.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Hautkrankheit als BK Nr. 5101 mit der Begründung ab, dass zwar nach dem Ergebnis der medizinischen Feststellungen die Hauterkrankung beruflich verursacht sei; aus ärztlicher Sicht habe aber keine zwingende Veranlassung bestanden, die damalig ausgeübte Tätigkeit aufzugeben. Dagegen erhob der Kläger am 10. Februar 2003 Widerspruch und machte geltend, seit Beginn seiner Ausbildung habe er die vorhandenen Hautschutzmittel benutzt und im Laufe des Jahres 2001 unter intensiver Behandlung der Universitäts-Hautklinik verschiedene Arbeitsversuche unternommen. Sowohl der Gutachter Dr. G. als auch der staatliche Gewerbearzt hätten Umschulungsmaßnahmen empfohlen. Auf Befragung teilte die Universitätshautklinik des Universitätsklinikum Freiburg mit Schreiben vom 17. September 2003 mit, der Kläger habe sich am 26. April, 6 mal im Mai 2001, 3 mal im Juni 2001 sowie zuletzt am 21. November 2001 in der Allgemein - Ambulanz vorgestellt. Von April bis Ende November 2001 sei er mehrfach durch seinen Hautarzt krankgeschrieben worden. Kontrollierte Arbeitsversuche unter Aufsicht der Universitäts-Hautklinik hätten nicht stattgefunden. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 24. Mai 2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, es sei in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Schl. von der Universitäts-Hautklinik zu beaufsichtigten Arbeitsversuchen gekommen. Von Gutachter Dr. G. werde die Erkrankung letztlich alleine mit der Begründung als nicht schwer eingestuft, dass schmutzige Hände üblicherweise an der Außenseite der Oberschenkel abgerieben würden, während sich die Hautveränderungen an der Innenseite gezeigt hätten. Bei den Arbeitsversuchen habe er verschiedene Salben - darunter auch Cortisonsalben - benutzt; dadurch sei jedoch keine Verbesserung des Zustandes eingetreten. Handschuhe zu tragen sei nicht praktikabel gewesen. Er hätte einmal mit Betriebsarzt Dr. R. gesprochen. Dann habe er sich um eine Umschulung im Betrieb zum technischen Zeichner bemüht; dies sei ihm mit Schreiben vom 4. Februar 2004 abgelehnt worden. Die Beklagte ist der Klage unter Aufrechterhaltung ihres Standpunktes, wonach ein Unterlassungszwang im bisherigen Beruf bzw. im Ausbildungsverhältnis nicht bestanden habe, entgegengetreten.

Das SG hat von Dr. R, von Dr. P.-W. (Gutachtenstelle der Universitäts-Hautklinik F.), von Dr. H. ( Arzt für Arbeitsmedizin, LuK ) und von Dr. Sch. als sachverständige Zeugen schriftlich Auskünfte eingeholt. Dr. Rest hat mit Datum vom 5. Januar 2006 mitgeteilt, bis zu seinem Weggang im März 2002 habe er als angestellter Arzt beim TÜV Süddeutschland u. a. die Firma LuK betreut. Sämtliche Dokumentationen über arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen seien bei der Firma LuK verblieben. Dr. P.-W. hat mit Datum 1. Februar 2006 mitgeteilt, der Kläger habe sich zwischen 26. April und 21. Juni 2001 mehrfach in der Sprechstunde vorgestellt. In diesem Zeitraum seien Epicutan- und Pricktestungen durchgeführt worden. Für diesen Zeitraum sei dokumentiert, dass nach einer zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit der Hauttbefund besser geworden sei; Ende Mai sei jedoch trotz Krankschreibung wieder eine Verschlechterung des Hautbefundes aufgetreten. In Epicutantests habe sich keinerlei Sensibilisierung gegenüber Stoffen der Metallverarbeitung, Kunstharzen und Klebern sowie gegen industrielle Antiseptika ergeben. Der Kläger habe sich zu einer berufsdermatologischen Beratung in der Allergieabteilung der Universitäts-Hautklinik vorstellen sollen. In diesem Rahmen hätte ggfs. auch Kontakt zur Berufsgenossenschaft aufgenommen werden sollen. Der Kläger habe sich dann jedoch erst wieder im November 2001 vorgestellt; daraufhin sei der Hautarztbericht vom 3. Dezember 2001 erstellt worden. Im Zeitraum 26. April bis 21. Juni 2001 seien dem Kläger Therapeutika, Hautschutz- und Pflegecremes verordnet worden. Im gesamten Zeitraum 26. April bis 21. November 2001 seien keine Arbeitsversuche unter dermatologischer Kontrolle durchgeführt worden; im Zeitraum 21. Juni bis 21. November 2001 seien diese deshalb nicht möglich gewesen, weil sich der Kläger nicht mehr vorgestellt habe. Dr. H. ( Arzt für Arbeitsmedizin, LuK ) hat mit Datum 31. Januar 2006 mitgeteilt, dass aus den Aufzeichnungen des Betriebsarztes Dr. Rest hervorgehe, dass der Kläger sich 2001 zweimal auf der Sanitätsstation der Firma LuK vorgestellt habe. Am 8. März 2001 habe er sich wegen rauer Haut im Bereich der Hände vorgestellt; er habe eine entsprechende Schutz- und Pflegesalbe erhalten. Der zweite Kontakt habe am 11. Juni 2001 stattgefunden. Der Kläger habe über einen Hautbefund an den Händen geklagt, der von Dr. Rest als möglicherweise allergisches Handekzem beschrieben worden sei. Bei der zweiten Vorstellung am 11. Juni 2001 habe sich der Kläger bereits zur Diagnostik/Therapie ambulant in Behandlung der Uniklinik Freiburg befunden; deshalb seien von Dr. R. zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Maßnahmen eingeleitet worden. Dr. Sch. hat mit Schreiben vom 8. Februar 2006 auf den Bericht der Universitäts-Hautklinik vom 3. Dezember 2001 verwiesen. In arbeitsfreien Zeiten sei es zu einer deutlichen Besserung der Hautveränderungen gekommen; dies sei der Grund für die von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gewesen. Eine berufsgenossenschaftliche Behandlung sei nicht eingeleitet worden, da nach der Berufskrankheitenliste Nr. 5101 keine Berufskrankheit vorgelegen habe. Mit Gerichtsbescheid vom 24. Juli 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der objektive Unterlassungszwang, welcher sowohl Voraussetzung der Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit Nr. 5101 als auch von Leistungen nach § 3 BKV sei, sei nicht nachgewiesen und lasse sich auch nicht mehr nachweisen. Es sei zumindest als möglich in Betracht zu ziehen, dass bei Einleitung geeigneter Schutzmaßnahmen der Kläger seine Tätigkeit hätte fortsetzen können.

Am 28. August 2006 hat der Kläger gegen den am 31. Juli 2006 zugestellten Gerichtsbescheid schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Auch Dr. G. gehe von einem bedingten Unterlassungszwang aus. Die Einstufung der Hauterkrankung als nicht schwer stützte Dr. G. darauf, dass die Veränderungen an den Oberschenkeln nicht als berufsbedingt angesehen werden könnten, da man sich schmutzige Hände üblicherweise an der Außenseite der Oberschenkel, nicht aber an der Innenseite abwische. Eine derartige Annahme sei aber aus der Luft gegriffen. Das könne nicht Grundlage eines Sachverständigengutachtens sein. Eine Meldung an die Beklagte sei nicht zeitnah durch den Arbeitgeber erfolgt. Auch die Universitätsklinik hätte die Verpflichtung gehabt, die Beklagte schon im Sommer über die evtl. bestehende Berufskrankheit zu informieren. Das Arbeiten mit Handschuhen sei bei Präzisionsarbeiten nicht möglich gewesen; mehrmonatige Behandlung mit Cortisonsalbe habe keinen Erfolg gezeigt. Der Kläger sei zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes gezwungen gewesen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2006 und die Bescheide der Beklagten vom 15. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 2004 aufzuheben und festzustellen, dass die Hauterkrankung des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung, insbesondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des SG und die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 9 U 1767/04) und die Berufungsakte des Senats (L 2 U 4373/06) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch unbegründet.

Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil keine BK vorliege, kann der Kläger eine mit der Anfechtungsklage kombinierte Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG - Feststellung des Vorliegens einer BK (s. hierzu Bundessozialgericht [BSG] SozR 4 - 2700 § 2 Nr. 3) erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens auch getan. Die von ihm hilfsweise begehrten Leistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung, insbesondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, verfolgt er zutreffend mit der Leistungsklage.

Das SG hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2004 abgewiesen; die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Anerkennung der Hauterkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage I zur BKV abgelehnt, denn die entsprechenden Voraussetzungen hierfür sind im Fall des Klägers nicht erfüllt.

Vorliegend sind gemäß § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), nach dem die Regelungen des Ersten bis Neunten Kapitels für Versicherungsfälle gelten, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VII sowie die auf dieser Grundlage erlassene BKV vom 31. Oktober 1997 anzuwenden. Denn im Falle des Vorliegens einer BK ist der Versicherungsfall erst mit der Aufgabe der für schädlich erachteten Tätigkeit eingetreten. Dies wäre im vorliegenden Fall der Zeitpunkt des Beginns der letzten Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 18. Juni 2001.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und BKen. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Satz 2 dieser Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; dabei kann sie bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die Feststellung einer BK erfordert zum Einen die Erfüllung der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. der Versicherte muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität), zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen (haftungsausfüllende Kausalität). Es muss demnach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist. Demnach führt auch der Umstand, dass ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, nicht automatisch zur Anerkennung und ggf. Entschädigung. Vielmehr ist beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Nach der vorliegend allein in Betracht kommenden Nr. 5101 der Anlage zur BKV sind schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich war oder sein können, als BK anzuerkennen.

Ausgehend hiervon hat die Beklagte beim Kläger die Anerkennung der in Rede stehenden BK zutreffend abgelehnt. Denn im Sinne der dargelegten Voraussetzungen ist sowohl die "Schwere" der Hauterkrankung zu verneinen als auch das Kriterium des objektiven Unterlassungszwangs nicht erfüllt. Zu einer Feststellung gemäß § 9 Abs. 4 SGB VII war die Beklagte nicht verpflichtet, weil der Kläger bei Erteilung des Bescheids vom 15. Januar 2003 seine gefährdende Tätigkeit bereits aufgegeben hatte.

Die versicherte Tätigkeit des Klägers (Ausbildung zum Industriemechaniker bei der LuK), ebenso die Gesundheitsstörung (erythematosquamöse, zum Teil papulöse Hautveränderungen) und auch die schädigenden Einwirkungen (Kontakt mit Kühlschmiereemulsionen und Fetten/Ölen) sind nachgewiesen.

Es fehlt jedoch vorliegend nach der Überzeugung des Senats an der "Schwere" der Hauterkrankung. Die "Schwere" der Erkrankung ist nach dem klinischen Bild, dem Beschwerdebild, der Ausdehnung, dem Verlauf und der Dauer der Krankheit sowie der Ausprägung der beruflich verursachten Allergie zu beurteilen (vgl. Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, M 5101 S. 21 ff., 24). Anhaltspunkte für eine schwere klinische Symptomatik sind beispielsweise Bläschenschübe, Rötung, Erosionen, Superinfektionen, tiefe Rhagaden, Licheninfikationen, Juckreiz und Brennen, die Ausbildung der Hauterscheinungen über das Kontaktorgan hinaus und der Verlauf der Erkrankung im Hinblick auf Heilungstendenz und Rezidivneigung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit S. 858 ff.). In der Rechtssprechung (vgl. BSGE 38, 19 ff.) wird eine berufliche Hauterkrankung auch dann als schwer betrachtet, wenn sie zwar in medizinisch nicht schwerer Erscheinungsform verlaufen ist, doch längere Zeit ununterbrochen bestanden hat und behandlungsbedürftig war. Dabei wird im Regelfall eine Dauer von mindestens 6 Monaten zu Grunde gelegt. Der Faktor Zeit darf aber nicht starr angewendet werden. Abhängig vom klinischen Erscheinungsbild ist bei leichten Hauterscheinungen ein längerer Zeitraum angemessen, bei mehr zu "Schwere" neigenden ein kürzerer. Der objektive Zwang zur Aufgabe der Beschäftigung allein genügt nicht zur Begründung der Schwere der Hauterkrankung (vgl. BSGE 38, 17).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze verneint der Senat die "Schwere" der Hauterkrankung. Er stützt seine Entscheidung auf die von den behandelnden Hautärzten beschriebenen klinischen Befunde und auf die dokumentierte Dauer der Behandlungsbedürftigkeit. Dr. Sch., den der Kläger im April 2001 erstmals wegen seiner Hauterkrankung aufsuchte, hat als Befund fleckförmige Rötung im Bereich der Handrücken beidseits verbunden mit leichten Rhadagen in den Fingerzwischenräumen beschrieben. Weiter hat er den Befund als geringes Ekzem beschrieben. Dr. H. hat in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 31. Januar 2006 mitgeteilt, aus den Aufzeichnungen seines Vorgängers als Betriebsarzt bei der LuK, Dr. R., folge, dass der Kläger erstmals am 8. März 2001 wegen seiner Hauterkrankung Dr. R. in der Werksambulanz aufgesucht habe; Dr. R. habe als Befund "raue Haut" im Bereich der Hände beschrieben und eine entsprechende Schutz- und Pflegesalbe verabreicht. Dr. P.-W. von der Universitäts-Hautklinik des Universitätsklinikum F. hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 1. Februar 2006 schließlich mitgeteilt, der Kläger habe sich zwischen dem 26. April und 21. Juni 2001 mehrmals zur Behandlung sowie letztmals am 20. November 2001 eingefunden. Nach einer zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit - der Kläger war seit 18. April 2001 als arbeitsunfähig krank geschrieben - habe sich eine Besserung des Hautbefundes eingestellt. Ende Mai 2001 habe sich jedoch trotz fehlenden Kontakts mit Haut belastenden Stoffen eine Verschlechterung des Hautbefundes ergeben; bis zum 21. Juni 2001 sei jedoch wieder eine Besserung des Hautbefundes eingetreten. Anschließend ist der Kläger nur noch am 17. Juni, 14. August und 3. September 2001 wegen seiner Hauterscheinungen bei Dr. Sch. vorstellig geworden. Ausgehend von den von den behandelnden Ärzten mitgeteilten klinischen Befunden und der dokumentierten Dauer und Frequenz der Behandlungsbedürftigkeit - erstmals im März 2001 bei Dr. R. vorstellig geworden lediglich wegen "rauer Hände"; als klinischer Befund erstmals im April 2001 Hautrötungen und leichten Rhagaden in den Fingerzwischenräumen beschrieben; nur über einen Zeitraum von fünf Monaten und nur mit sporadischen Behandlungskontakten belegte Behandlungsbedürftigkeit - kommt Hautarzt und Allergologe Dr. G. in seinem dermatologischen Gutachten vom 5. November 2002 zu der Einschätzung, dass "das Kriterium der Schwere der Erkrankung nicht gegeben ist". Dieser Einschätzung von Dr. G. schließt sich der Senat an.

Im Übrigen schließt sich der Senat dem Gutachten von Dr. G. auch insoweit an, als die entzündlichen Hautveränderungen an den Innenseiten der Oberschenkel nicht berufsbedingt sind und somit bei der Beurteilung der Schwere der Hauterkrankung nicht von Relevanz sind.

Im Sinne der genannten Regelung hat die Hauterkrankung den Kläger auch nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Insoweit ist maßgeblich, ob objektiv, d.h. aus Sicht der medizinischen oder technischen Sachverständigen ein Zwang zum Unterlassen der bisher ausgeübten hautbelastenden Tätigkeit bestanden hat, mithin andere Möglichkeiten der Abhilfe nicht genügt hätten oder nicht realisierbar gewesen wären.

Vom Vorliegen einer derartigen Situation, nämlich eines auch objektiv bestehenden Unterlassungszwangs, konnte sich der Senat nicht überzeugen. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der objektive Unterlassungszwang, welcher sowohl Voraussetzung der Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 5101 als auch für Leistungen nach § 3 BKV ist, nicht nachgewiesen ist und sich auch nicht mehr nachweisen lässt. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf das zutreffend begründete Urteil des SG, weswegen er insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht und die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Hervorzuheben ist nochmals, dass der erforderliche Nachweis des objektiven Unterlassungszwangs vorliegend durch die Anwendung der in Betracht kommenden und zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen bei Arbeitsversuchen unter hautärztlicher Kontrolle hätte geführt werden können. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass diese - entgegen dem Vorbringen des Klägers - nicht durchgeführt worden sind. Nach der Stellungnahme Dr. Sch.s vom 7. Juli 2002 und seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 8. Februar 2006 wurden unter seiner therapeutischen Anleitung keine Arbeitsversuche des Klägers bei seinem Ausbildungsbetrieb durchgeführt. Im Gegenteil hat Dr. Sch. dem Kläger Arbeitsunfähigkeit vom 18. April 2001 bis über das Ende seines Ausbildungsverhältnisses hinaus bis zum 1. Dezember 2001 bescheinigt. Entgegen der Behauptung des Klägers wurden keine Arbeitsversuche vom Betriebsarzt Dr. R. bzw. seinem Nachfolger Dr. H. begleitet. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft Dr. H. vom 31. Januar 2006 folgt, dass sich der Kläger lediglich zweimal, nämlich am 8. März 2001 und am 11. Juni 2001 in der Werksambulanz der LuK vorgestellt hat. Am 8. März 2001 wurde ihm wegen seiner rauen Haut im Bereich der Hände eine entsprechende Schutz- und Pflegesalbe gegeben. Am 11. Juni 2001 wurden von Dr. R. keine weiteren Behandlungsmaßnahmen eingeleitet, da sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits ambulant in der Behandlung der Universitäts-Hautklinik F. befand. Schließlich steht aufgrund der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. P.-W., Leiterin der Gutachtenstelle der Universitäts-Hautklinik F., vom 1. Februar 2006 fest, dass ärztlich kontrollierte Arbeitsversuche parallel zur Behandlung der Hauterscheinungen des Klägers nicht durchgeführt worden sind. Sie hat mitgeteilt, dass am 15. Mai und am 18. Juni 2001 eine Epicutantestung durchgeführt wurde. Dabei ergaben sich keinerlei Sensibilisierung gegen die Standardreihe, Salbengrundlagen, Konservierungsstoffe, gegenüber Stoffen der Metallverarbeitung, Kunstharzen und Klebern sowie gegen industrielle Antiseptika. Weiter hat sie mitgeteilt, nach der - zunächst - letzten Behandlung des Klägers am 18. Juni 2001, bevor er sich letztmals am 21. November 2001 vorstellte, hätte sich der Kläger zu einer berufsdermatologischen Beratung in der Allergieabteilung der Universitäts-Hautklinik vorstellen sollen. Dem kam der Kläger jedoch nicht nach, sondern suchte erst wieder am 21. November 2001 die Universitäts-Hautklinik - also nach Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses bei der LuK - auf. Deshalb sei die Anleitung eines Arbeitsversuchs unter dermatologischer Kontrolle nicht möglich gewesen. Damit hat jedoch der Kläger die Ursache dafür gesetzt, dass eine - rechtzeitige - Erprobung von Hautschutzmaßnahmen bei Durchführung eines Arbeitsversuchs unterblieben ist und nicht etwa die ihn behandelnden Ärzte, die - seiner Auffassung nach - bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt die Beklagte auf die - mögliche - BK Nr. 5101 hätten hinweisen müssen. Der Einwand des Klägers, dass solche Arbeitsversuche unter Verwendung der vorhandenen Hautschutzmaßnahmen von vornherein zu keinem anderen Ergebnis hätten führen können, als zu dem, dass er seine Arbeit bzw. sein Ausbildungsverhältnis bei der LuK wegen der durch die berufliche Tätigkeit verursachten Hauterscheinungen aufgeben musste, überzeugt den Senat nicht. Der Kläger verweist hierzu insbesondere darauf, dass das Tragen der zur Verfügung stehenden Handschuhe wegen des Verlusts an Fingergefühl hinsichtlich der von ihm zu verrichtenden Arbeiten nicht praktikabel gewesen sei. Diesem Einwand des Klägers gegen vorhandene Möglichkeiten zum Schutz seiner Hände gegen den Kontakt mit Kühlschmiereemulsionen und Ölen/Fetten folgt der Senat jedoch nicht. Der Präventionsdienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 16. Juli 2002 ausgeführt, dass im Betrieb des Klägers verschiedene Typen von Schutzhandschuhen vorhanden gewesen seien. Auch die LuK hat in ihrer Auskunft vom 20. Juni 2002 darauf hingewiesen, dass von den Arbeitnehmern bei entsprechenden Arbeiten Schutzhandschuhe getragen werden konnten. Es überzeugt nicht, dass ein Arbeitgeber zum Schutz seiner Arbeitnehmer vor hautgefährdenden Stoffen Schutzhandschuhe zur Verfügung stellt, mit denen dann die eigentlichen Arbeiten, bei denen der Kontakt mit den hautgefährdenden Stoffen besteht, nicht ausgeführt werden können. Der Kläger selbst hat jedenfalls insoweit keine fundierten Einwände erhoben. Im Übrigen lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, dass er die vorhandene Möglichkeit des Schutzes seiner Hände, nämlich das Tragen von Schutzhandschuhen, tatsächlich und mit welchem Ergebnis versucht hätte. Insofern entbehrt seine entsprechende Behauptung, mit Schutzhandschuhen hätte er seine Tätigkeiten nicht adäquat verrichten können, einer eigenen Erfahrungsgrundlage. Für den Kläger bestand somit zur Überzeugung des Senats im Sinne der in Rede stehenden BK objektiv kein Zwang zur Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren bzw. sein können. Hieran ändert sich auch nichts durch die "Einschätzung" von Dr. G. in seinem dermatologischen Gutachten vom 5. November 2002, wonach ein "bedingter Unterlassungszwang" bestanden hätte, denn Dr. G. gelangt zu dieser Auffassung ausschließlich unter Berücksichtigung der medizinischen Aspekte, ohne die vorhandenen Schutzmaßnahmen für die Hände in die Betrachtung miteinzubeziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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