L 10 U 697/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2454/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 697/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14.12.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente über den 31.10.2003 hinaus hat.

Der am 1968 geborene Kläger befand sich bei der Firma B. , wo er als Fliesenleger arbeitete, in einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (vier bis fünf Stunden täglich berufliche Tätigkeit) mit dem Bezug von Krankengeld, als am 30.01.2001 ein von der Gegenfahrbahn abkommender Kastenwagen mit einer Geschwindigkeit von 35 bis 45 km/h seitlich vorn links auf den Kleinlaster des auf dem Rückweg von einer Lieferfahrt befindlichen Klägers (Geschwindigkeit 65 bis 75 km/h) prallte. Der Unfallgegner verstarb an den Unfallfolgen.

Der Kläger stand bei Einlieferung in das Kreiskrankenhaus K./T. , wo er bis zum 21.02.2001 stationär behandelt wurde, unter dem Narkosemittel Ketanest. Es wurden vor allem eine - am Folgetag operierte - zweifache Oberschenkel-Schaftfraktur links, multiple Prellungen, eine Kopfplatzwunde, sowie eine Wunde am linken Unterarm diagnostiziert. Die routinemäßig durchgeführte Röntgenuntersuchung des Schädels, der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) ergab keinen Frakturnachweis (Durchgangsarztbericht des Dr. K. vom 30.01.2001). Am 05.02.2001 gab der Kläger gegenüber dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie am Kreiskrankenhaus K. Dr. Sch.-N. einen Schwindel bei Lagewechsel sowie Schmerzen in der rechten Schulter und im Rückenbereich an. Dr. Sch.-N. stellte eine chirurgisch versorgte Risswunde an der Kalotte links temporo-frontal, eine klinisch unauffällige HWS sowie eine chirurgisch versorgte Oberschenkelfraktur links fest. Während des gesamten stationären Aufenthalts wurden keine Beschwerden des Klägers bezüglich der HWS dokumentiert.

Am 21.02.2001 wurde der Kläger vom Kreiskrankenhaus K. in das Rehabilitationskrankenhaus U ... (RKU) verlegt, wo er bis 04.04.2001 stationär behandelt und zusätzlich eine bereits konsolidierte Metatarsale(= Mittelfuß)-Köpfchen-Fraktur 2 bis 4 links diagnostiziert wurde. Bei der Aufnahme gab der Kläger u. a. eine Schwindelsymptomatik und - erstmals dokumentiert - Schmerzen im Bereich der HWS mit Ausstrahlung in den rechten Arm an. Am 28.02.2001 bestand (Bericht des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. P. ) an der HWS eine Einschränkung bei Rotation nach rechts und Seitneigung nach links mit Druckschmerzen rechts paravertebral, insbesondere über HWK 4, 5, 6 sowie ein ausgeprägter Muskelhartspann paravertebral rechtsseitig, die Inklination und Reklination waren eingeschränkt mit starker Schmerzhaftigkeit und der Kläger gab Schmerzen im Bereich der HWS an. Das Röntgen der HWS in zwei Ebenen und Funktionsaufnahmen vom 26.02.2001 zeigten eine beginnende Spondylarthrose, zusätzlich insbesondere bei den Funktionsaufnahmen einen geringgradigen Versatz zwischen HWK 5 und 6 und es bestand der Verdacht auf eine Instabilität. Eine am 06.03.2001 durchgeführte Kernspintomographie der HWS ergab einen Nachweis mäßiger knöcherner Neuroforamenstenosen bei HWK 3/4 und HWK 4/5 durch Spondylarthrosen und Unkovertebralarthrosen, eine flache, knöchern überdachte Bandscheibenprotrusionen bei HWK 5/6 und HWK 6/7 mit möglicher Wurzelirritation C6/7 beidseits, jedoch ohne eindeutige Wurzelkompression, sowie chondrotische Veränderungen im Segment HWK 3 bis 7.

Prof. Dr. P. erstattete im Auftrag der Beklagten ein erstes Rentengutachten. Neben der knöchern noch nicht vollständig durchbauten Femurschaftmehrfachfraktur links mit leichten Bewegungseinschränkungen der Hüfte und des Kniegelenkes und leichter Muskelminderung sah er vor allem eine leichte segmentale Instabilität C5/6 der HWS mit Einschränkung der Rechtsrotation und der Rechtslateralflexion als Unfallfolge an und er schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom Unfalltag bis 26.09.2001 (Tag der Untersuchung) auf 100 v.H. und vom 27.09.2001 bis auf weiteres auf 25 v.H.

Nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. (die segmentale leichte Instabilität im HWS-Bereich C5/C6 sei keine Unfallfolge, sondern habe nach dem MRT-Befund degenerative Ursachen, die MdE von 100 v.H. sei nur für die Zeit des stationären Aufenthaltes berechtigt, danach 50 v.H. und ab 27.09.2001 25 v.H.) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16.01.2002 bei gleichzeitiger Ablehnung eines Anspruchs auf Verletztengeld eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung ab dem 31.01.2001 bis zum 04.04.2001 nach einer MdE um 100 v.H., danach bis zum 26.09.2001 nach einer MdE um 50 v.H. und 25 v.H. ab dem 27.09.2001. Als Folgen des Versicherungsfalls wurden anerkannt: "Knöchern fest durchbauter Metatarsale-2-bis-4-Köpfchenbruch links. Knöchern noch nicht vollständig durchbauter Oberschenkelschaftbruch links mit noch einliegendem Marknagel. Leicht eingeschränkte Rotation des linken Hüftgelenkes und leicht eingeschränkte Flexion des linken Kniegelenkes. Geringe Muskelminderung am linken Oberschenkel." Als Folge des Versicherungsfalls wurden "nicht anerkannt: Multiple Sklerose. Arterielle Hypertonie. Leichte segmentale Instabilität im Halswirbelsäulenbereich C5/C6 durch Spondyl- und Unkovertebralarthrosen und Bandscheibenprotrusion der Halswirbelkörper 5/6 und 6/7."

In seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, er habe bei dem Verkehrsunfall u.a. eine HWS-Distorsion erlitten. Im Übrigen sei die Einschränkung der Rotation in der Hüfte und im Knie nicht nur leicht sondern ganz erheblich und er leide weiterhin unter Beschwerden im linken Mittelfuß und im linken Oberschenkel. Sein Zustand habe sich nach dem 26.09.2001 objektiv nicht wesentlich gebessert, weshalb ab dem 27.09.2001 vom Vorliegen einer höheren MdE als 25 v.H. auszugehen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2002 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 08.10.2002 mit dem (in der mündlichen Verhandlung konkretisierten) Ziel höherer Verletztenrente ab dem 04.04.2001 unter Anerkennung der Beschwerden seitens der HWS als Unfallfolgen Klage zum Sozialgericht U ... erhoben. Angesichts der Schwere des Unfalls sei eine Verletzung im Bereich der HWS durchaus vorstellbar. Er habe vor dem Unfall niemals Probleme im Bereich der HWS gehabt. Vier Wochen nach dem Unfall sei erstmals eine erheblich eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes aufgetreten.

Der Orthopäde Dr. K. hat im Auftrag des Sozialgerichts ein Gutachten mit ergänzenden Stellungnahmen erstattet (Untersuchungstag: 08.11.2003). Er hat als Unfallfolgen auch die degenerativen Veränderungen der HWS mit multisegmentaler Instabilität C3/C4 mit Funktionseinschränkung und schmerzhafter Bewegungseinschränkung diagnostiziert. Die Instabilität der HWS sei bereits im RKU aktenkundig dokumentiert worden und es sei auch vom Unfallhergang davon auszugehen, dass der Kläger eine deutliche HWS-Distorsion erlitten habe. Zudem sei der Kläger vor dem Unfall nie wegen HWS-Beschwerden in ärztlicher Behandlung gewesen. Die Röntgenbilder der HWS nach dem Unfall hätten bereits degenerative Veränderungen der HWS gezeigt, weshalb davon auszugehen sei, dass die HWS-Distorsion eine bereits leicht degenerativ veränderte HWS getroffen habe und es durch den schweren Unfall zu einer Dekompensation mit Instabilität der HWS gekommen sein müsse. Für die Unfallfolgen an der linken Hüfte schätze er die MdE derzeit auf 15 v.H., für die Narben an Kopf, linkem Unterarm und linker Hüfte auf 5 v.H., für die Beschwerden an der HWS auf 20 v.H. und für die Unfallfolgen am linken Fuß auf 5 v.H. Es sei von einer Gesamt-MdE von 25 v.H. auszugehen.

Bereits am 22.08.2003 hatte Prof. Dr. Holz, Ärztlicher Direktor am Klinikum S. K. , im Auftrag der Beklagten ein zweites Rentengutachten erstattet (Untersuchungstag: 04.08.2003). Er hat einen Ausheilungszustand nach Commotio cerebri, HWS-Distorsion, Femurschaftmehrfragmentfraktur links, Os metatarsale 2 bis 4-Fraktur links und als noch bestehende Unfallfolgen im Wesentlichen eine Rotationseinschränkung des linken Hüftgelenkes und eine diskrete Muskelminderung im Bereich des distalen Oberschenkels links mit einer MdE um 10 v.H. angenommen. Eine C5/6-Instabilität hat er als nicht nachweisbar angesehen. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.10.2003 eine Rente auf unbestimmte Zeit ab und entzog die als vorläufige Entschädigung bisher gezahlte Rente mit Ablauf des Monats Oktober 2003. Die noch bestehenden Unfallfolgen bezeichnete sie mit: "Links: In achsgerechter Stellung fest durchbauter Oberschenkelschaftbruch. Knöchern fest durchbaute Mittelfußfrakturen II bis IV ohne wesentliche Fehlstellung. Diskrete Muskelminderung am Oberschenkel. Rotationseinschränkung im Hüftgelenk." Als Folgen des Versicherungsfalls wurden "nicht anerkannt: Multiple Sklerose. Arterielle Hypertonie. Leichte segmentale Instabilität im Halswirbelsäulenbereich C5/C6 durch Spondyl- und Unkovertebralarthrosen und Bandscheibenprotrusion der Halswirbelkörper 5/6 und 6/7. Encephalitis disseminata. Außenbandrupturen am linken und rechten oberen Sprunggelenk."

Das Sozialgericht hat weiter das Gutachten von PD Dr. E. , Chefarzt der Chirurgischen Abteilung an der S. W. , mit ergänzenden Stellungnahmen eingeholt (Untersuchungstag 19.05.2004). Er hat eine deutliche Bewegungseinschränkung der HWS und eine erhebliche Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks in der Rotation und Abduktion und auch in der Flexion festgestellt. Röntgenologisch bestehe beim Kläger an der HWS eine Spondylarthrose und eine Osteochondrose, eine segmentale Instabilität könne er nicht erkennen. Die Kernspintomographie vom 06.03.2001 sei ein Nachweis dafür, dass die knöchernen Veränderungen der HWS sicher vorbestehender Art gewesen seien, da innerhalb von zwei bis drei Monaten eine derartige osteochondrotische und spondylarthrotische Veränderung nicht eintrete. Die funktionellen Störungen der HWS mit Bewegungseinschränkung und Schwindel sowie Kopfschmerzen könnten durchaus allein durch den Unfall vom 30.01.2001 verursacht werden. Dafür spreche, dass der Kläger bis zum Zeitpunkt des Unfalls in keinerlei medizinischer Behandlung bezüglich einer HWS-Problematik gewesen sei. Im Übrigen sei bei der Wucht des Frontalzusammenstoßes davon auszugehen, dass auch ohne die Osteochondrose und Spondylarthrose der HWS der Unfall geeignet gewesen sei, eine HWS-Distorsion zu provozieren. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Klinik unter Ketanest gestanden und habe damit die Erstsymptomatik einer drittgradigen HWS-Distorsion nicht zeigen können, zumal auch der HWS-Status initial eher im Hintergrund gestanden habe. Im Übrigen habe der neurologische Kollege am 05.02.2001 eine erhebliche Schwindelsymptomatik des Klägers beschrieben, welche einen deutlichen Hinweis auf eine Schädel-HWS-Problematik darstelle. Er gehe deshalb davon aus, dass die geschilderten Beschwerden an der HWS mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließlich Folge des Unfalles und nicht der vorbestehenden Spondylarthrose und Osteochondrose seien. Bezüglich des linken Hüftgelenkes komme es zu einer erheblichen Bewegungseinschränkung in der Rotation sowie in der Abduktion und Adduktion, weniger ausgeprägt in der Flexion. Für die HWS mit Kopfschmerzen und Bewegungseinschränkung schätze er die MdE auf 10 v.H., für die Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk ebenfalls auf 10 v.H. Für die Hyperkompression im Bereich des Metatarsale-III-Köpfchens könne keine MdE angesetzt werden, da die klinischen Zeichen des Funktionsverlustes sehr diskret seien. Die Gesamt-MdE schätze er auf 20 v.H. ab 01.11.2003.

Die Beklagte hat das Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. B. , Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. , vorgelegt. Er hat ausgeführt, es liege kein Hinweis dafür vor, dass es sich bei der HWS-Distorsion um einen Schweregrad III gehandelt habe und eine HWS-Distorsion Schweregrad I und II wäre nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, mittlerweile längst verheilt. Das Gutachten von Prof. Dr. H. vom August 2003 weise auf eine zwischenzeitliche Konsolidierung hin. Die Gesamt-MdE schätze er auf 10 v. H.

Mit Urteil vom 14.12.2005 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, weitere Unfallfolgen seien nicht anzuerkennen und die Beklagte habe die MdE in den Zeiträumen vom 05.04. bis 26.09.2001 zutreffend mit 50 v.H. und nach dem 27.09.2001 zutreffend mit 25 v.H. beziffert und auch zu Recht die Verletztenrente mit Ablauf des Monats Oktober 2003 entzogen.

Gegen das am 27.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.02.2006 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, seine schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS seien sehr wohl Folge des Arbeitsunfalls. Vor dem Unfallereignis habe er keinerlei Beschwerden im Bereich der HWS gehabt und sei deshalb auch nie in Behandlung gewesen. Frühestens - so die Angaben in der mündlichen Verhandlung - nach fünf bis sieben Tagen nach dem Unfall habe er Schmerzen und Bewegungseinschränkungen an der HWS gehabt, denen man im Kreiskrankenhaus trotz seiner Klagen nicht nachgegangen sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Begehren auf die Gewährung von Verletztenrente über den 31.10.2003 hinaus und damit die Aufhebung des Bescheides vom 17.10.2003 beschränkt, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung das vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnis ("Soweit im Bescheid vom 17.10.2003 und vom 16.01.2002 Folgen des Versicherungsfalls "nicht anerkannt" wurden, handelt es sich nicht um einen Verfügungssatz; soweit ein anderer Rechtsschein angenommen wird, hebe ich diesen Teil auf") abgegeben hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts U ... vom 14.12.2005 abzuändern und den Bescheid vom 17.10.2003 hinsichtlich des Entzuges der Rente als vorläufige Entschädigung und Ablehnung der Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Sie trägt vor, eine bei dem Unfall vom 30.01.2001 erlittene HWS-Distorsion III. Grades lasse sich nicht nachweisen. Dauerfolgen könnten jedoch nur bei einer HWS-Distorsion III. Grades entstehen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 562). Auch sei keine Verschlimmerung eines an der HWS vorhandenen Vorschadens erfolgt, da auch diese eine bei dem Unfall erlittene HWS-Distorsion III. Grades voraussetze, an der es aber fehle.

Der Senat hat neben Auskünften der behandelnden Krankenhäuser das Gutachten des PD Dr. H. , Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie am Diakonissenkrankenhaus K.-R. , mit ergänzenden Stellungnahme eingeholt. Er hat ausgeführt, die Kernspintomographie sechs Wochen nach dem Unfall sei unzureichend für die Diagnose einer Verletzung im Bereich der HWS und schließe deshalb eine Verletzung nicht aus. Im Bereich der HWS handle es sich um eine posttraumatische Funktionsstörung ohne neurologische Ausfallserscheinungen im Sinne einer HWS-Distorsion nach Quebec Task Force II. Im Übrigen sei auch das - vom Senat von der IKK S. beigezogene - Vorerkrankungsregister leer und der Degenerationsstatus kurz nach dem Trauma zeige keine überdurchschnittlich degenerativen Veränderungen, sodass die Kausalität des Unfalles für die jetzige Manifestation der HWS-Beschwerden hergestellt werden müsse. Auch wenn von zusätzlichen degenerativen Veränderungen der HWS ausgegangen werde, könne nicht angenommen werden, dass ein alltäglich vorkommendes Ereignis die Beschwerden des Klägers im Bereich der HWS ausgelöst hätte. Im Übrigen sei es nicht so, dass ein Spätschaden nach HWS Beschleunigungsverletzung Grad II ausgeschlossen sei. Nach neuerer Literatur und eigenen Untersuchungen bestünden Restbeschwerden langfristig in 10 bis 15 % der Fälle (je nach Literaturstelle). Im Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass gemäß den radiologischen Befunden des RKU von einer ligamentären Störung ausgegangen werden müsse, sodass es sich beim Kläger möglicherweise auch um eine strukturelle Schädigung im ligamentären Apparat der HWS handle. Von Seiten des Hüftgelenkes zeige sich eine manifeste Torsionsstörung hinsichtlich der Einwärtsdrehung, die die Beschwerdesymptomatik im Hüftgelenk erkläre. Die Innenrotationsstörung bedeute eine erhebliche Einschränkung. Die MdE schätze er für die Zeit vom 31.03. bis 04.04.2001 auf 100 v. H., vom 05.04. bis 26.09.2001 auf 50 v. H. und vom 27.09.2001 bis 31.10.2003 auf 25 v. H., danach auf 20 v. H.

Die Beklagte hat den Bericht von Prof. Dr. G. , Ärztlicher Direktor am Zentrum für Chirurgie am Universitätsklinikum U. , vom 06.02.2007 vorgelegt. Danach ist die rotatorische Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk nicht auf eine in Fehlstellung knöchern konsolidierte Oberschenkelschaftfraktur zurückzuführen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die vorgelegten Verwaltungsakten sowie die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft S. (70 Js 9538/01) über den Verkehrsunfall Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die über den 31.10.2003 hinaus vorliegenden Unfallfolgen keine MdE in rentenberechtigendem Grad mehr bedingen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich der den Bescheid vom 16.02.2002 hinsichtlich der zuerkannten Verletztenrente für die Zukunft (ab 01.11.2003) aufhebende Bescheid vom 17.10.2003. Denn der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm ursprünglich bewilligten vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente. Hierfür ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung der angefochtenen Rentenentziehung im Bescheid vom 17.10.2003 würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetzes zur Dauerrente (st. Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Ricke in Kasseler Kommentar, § 62 SGB VII, Rdnr. 10). Gegen die mit dem Bescheid vom 17.10.2003 erfolgte Abänderung der im Bescheid vom 16.02.2002 getroffenen Feststellung von Unfallfolgen wendet sich der Kläger nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht und die im Bescheid vom 17.10.2003 und gleichlautend im Bescheid vom 16.2.2002 möglicherweise erfolgte Feststellung der HWS-Störungen als "Nicht-Unfall-folgen", ist nach dem vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegenstandslos geworden.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Der Arbeitsunfall vom 30.01.2001 hat ab 01.11.2003 zu keinen weiteren über die von der Beklagten im Bescheid vom 17.10.2003 anerkannten Unfallfolgen hinaus vorliegenden Unfallfolgen geführt. Insbesondere liegen im Bereich der HWS keine Unfallfolgen vor.

Nicht nachgewiesen ist, dass es im Rahmen des Unfalls zu einer HWS-Beschleunigungs-verletzung gekommen ist. Es ist zwar unbestritten, dass eine derartige Beschleunigungsverletzung auch nach frontalen Unfällen auftreten kann und der Senat geht auch davon aus, dass der Unfallhergang grundsätzlich geeignet war, eine derartige Beschleunigungsverletzung zu verursachen, weshalb die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens zu dieser Frage nicht erforderlich ist. Auch die beim Kläger am Unfalltag durch Dr. K. festgestellte ca. 5 cm lange Stirnplatzwunde links lässt eine derartige Beschleunigungsverletzung als möglich erscheinen. Dies alles belegt jedoch nicht, dass es tatsächlich zu einer derartigen Beteiligung der HWS beim Unfall kam. Gegen eine derartige Annahme spricht entscheidend, dass beim Kläger während der posttraumatischen Frühperiode und darüber hinaus ein beschwerdefreies Intervall bestand, insbesondere keine Nackenbeschwerden vorlagen.

Es handelt sich bei dem so genannten beschwerdefreien Intervall um jene Latenz, bis nach dem Unfallereignis Beschwerden und Befunde auftreten. Das Phänomen wird allseits akzeptiert (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 556 oben). Der Beginn von Hinterkopf- und Nackenschmerzen sowie schmerzhaften Bewegungseinschränkungen von Kopf und Hals verhält sich in Abhängigkeit zum Schweregrad der Verletzung unterschiedlich. Nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird der Symptomenkomplex nach Beschleunigungsunfall klassifiziert. Die am häufigsten verwandte Klassifikation stammt von der Quebec Task Force, einer internationalen Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung des Beschleunigungsunfalls. Danach wird eine Einteilung in vier Schweregrade nach dem klinischen Erscheinungsbild vorgenommen. Bei Grad I bestehen nach dem Unfall Nackenbeschwerden ohne pathologische klinische Befunde, bei Grad II Nackenbeschwerden und musculoskelettale Befunde, bei Grad III Nackenbeschwerden und neurologische Befunde und bei Grad IV Nackenbeschwerden mit Fraktur oder Dislokation, wobei die klinischen Befunde innerhalb der ersten drei Tage nach dem Unfallereignis auftreten müssen. Auch die in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 556 erwähnte Klassifikation von Erdmann stellt u. a. auf das Vorliegen eines symptomfreien Intervalls ab (maximal 24 Stunden), wobei es um so kürzer ist, je schwerer die Distorsion war.

Beim Kläger sind während seines stationären Aufenthalts im Kreiskrankenhaus K. bis zum 21.02.2001, also für ca. drei Wochen, keine HWS-Beschwerden in Form von Schmerzen, Steifigkeitsgefühl oder Überempfindlichkeit dokumentiert und es wurden auch keine auf die HWS rückführbaren neurologischen Ausfälle festgestellt. Dies ergibt sich aus der Auskunft von Dr. K. , Chefarzt des Klinikums K.-N. , gegenüber dem Senat, aus dem Durchgangsarztbericht von Dr. K. vom 30.01.2001 und aus dem neurologischen Befundbericht von Dr. Sch.-N. vom 05.02.2001. So hat Dr. K. angegeben, der vorliegenden Krankenakte ließen sich keine Angaben darüber entnehmen, dass der Kläger während des stationären Aufenthalts Beschwerden seitens der Halswirbelsäule angab. Auch ergab die angesichts des Schädel-Hirn-Traumas routinemäßig durchgeführte - so Dr. K. - Röntgenuntersuchung am 30.01.2001 bezüglich der Halswirbelsäule keine Fraktur oder Luxation sondern eine regelrechte Haltung und beim - ebenfalls routinemäßig angesichts des Schädel-Hirn-Traumas und nicht durch HWS-Beschwerdeangaben veranlassten (so ebenfalls Dr. K. in seiner Auskunft) - neurologischen Konsil wurde von Dr. Sch.-N. eine klinisch unauffällige HWS beschrieben. Die im Befundbericht von Dr. Sch.-N. dokumentierten Schwindelanfälle bei Lagewechsel waren bei gleichzeitig unauffälliger HWS auf das von Dr. Sch.-N. diagnostizierte Schädel-Hirn-Trauma zurückzuführen.

Der Kläger hat zwar am Unfalltag eine Schmerzmedikation mit Ketanest erhalten, weshalb fehlende Schmerzangaben bezüglich der HWS an diesem Tag wenig aussagekräftig sind. Jedoch hat der Kläger später, insbesondere bei der neurologischen Untersuchung am 05.02.2001 Schmerzen in der rechten Schulter sowie - wie auch am 09.02.2001 gegenüber dem Pflegepersonal (so Dr. K. ) - im Rückenbereich angegeben, was zeigt, dass er - selbst bei weitergehender Schmerzmedikation - sofern er auch Schmerzen in der HWS gespürt, diese angeben hätte, was dann auch zu einer entsprechenden Dokumentation geführt hätte. Damit ist der von den gerichtlichen Sachverständigen angestellten Überlegung, der Kläger habe während des stationären Aufenthaltes im Kreiskrankenhaus K. vorhandene HWS-Beschwerden wegen der durchgeführten Schmerzmedikation oder Überlagerung der Beschwerden durch die Oberschenkelfraktur nicht gespürt, der Boden entzogen.

Erstmals bei der Aufnahmeuntersuchung im RKU in U ... am 21.02.2001, also etwa drei Wochen nach dem Unfall, klagte der Kläger - so die Aktenlage - über Beschwerden im Bereich der HWS. Dies ergibt sich aus den Angaben von Dr. St. , Funktionobersärztin am RKU, in der sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Senat für die erstmalige Beschwerdeangabe anlässlich der stationären Aufnahme in das RKU einerseits und wiederum aus der Auskunft von Dr. K. andererseits, wonach während des gesamten stationären Aufenthaltes des Klägers im Kreiskrankenhaus K. keine HWS-Beschwerden angegeben wurden. Auch ist dem Nachschaubericht von Prof. Dr. P. vom 28.02.2001 zu entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt eine Einschränkung der HWS bei Rotation nach rechts und Seitneigung nach links mit Druckschmerzen rechts paravertebral insbesondere über HWK 4, 5 und 6 sowie ein ausgeprägter Muskelhartspann paravertebral rechtsseitig bestand. Auch die Inklination und Reklination waren mit starker Schmerzhaftigkeit eingeschränkt. Die hierauf durchgeführte Kernspintomografie am 06.03.2001 ergab mäßig knöcherne Neuroforamenstenosen bei HWK 3/4 und HWK 4/5 durch Spondylarthrosen und Unkovertebralarthrosen, sowie eine flache, knöchern überdachte Bandscheibenprotrusion bei HWK 5/6 und HWK 6/7 mit möglicher Wurzelirritation C 6/7 beidseits, jedoch ohne eindeutige Wurzelkompression, sowie chondrotische Veränderungen im Segment HWK 3-7. Ansonsten war die HWS unauffällig. Unabhängig davon, ob die MRT-Aufnahmen vom 06.03.2001 - so Dr. H. in seinem Gutachten vom 29.01.2007 - für den Nachweis oder Ausschluss einer Verletzung als unzureichend anzusehen sind, weil fettsuprimierte T2-Wichtungen sowie Hämosiderinsequenzen fehlen, ergab sich daraus jedenfalls kein Anhalt für eine frische HWS-Fraktur, Dislokation oder ligamentäre Verletzung. Auch auf den am 30.01.2001 gefertigten Röntgenaufnahmen der HWS war keine Fraktion oder Luxation nachweisbar. Damit lässt sich mit den durchgeführten bildgebenden Verfahren keine Beleg für eine HWS-Schädigung finden.

Nachdem somit das Symptom-, insbesondere schmerzfreie Intervall - nach Lage der Akten - ungefähr drei Wochen betrug, und die bildgebenden Verfahren keine belastbaren Hinweise auf eine HWS-Beschleunigungsverletzung bieten, können die beim Kläger vorhandenen Beschwerden seitens der HWS nicht auf den Unfall vom 30.01.2001 zurückgeführt werden. Im Ergebnis schließt sich der Senat damit den Beurteilungen von Dr. K. und Prof. Dr. B. an.

Soweit Prof. Dr. P. , Dr. Kühn, PD Dr. E. und PD Dr. H. diesbezüglich anderer Auffassung sind, kann ihnen nicht gefolgt werden. So hat Prof. Dr. P. in seinem Gutachten vom 19.10.2001 für seine Auffassung, die von ihm gesehene leichte segmentale Instabilität C 5/6 mit Einschränkung der Rechtsrotation und der Rechtslateralflexion sei unfallbedingt, keinerlei Begründung angegeben. Dr. K. ist vom Vorliegen einer Halswirbelsäulendistorsion insbesondere deshalb ausgegangen, weil der Kläger vor dem Unfall wegen HWS-Beschwerden nicht in Behandlung gewesen sei, das Unfallereignis für eine HWS-Distorsion geeignet war und der Kläger bereits nach ca. zwei Wochen nach dem Unfall über HWS-Beschwerden geklagt und eine schwere Kopfplatzwunde vorgelegen habe. Diese Begründungen tragen nicht: Das Vorliegen einer Kopfplatzwunde belegt keine HWS-Distorsion, ebenso wenig wie die bloße generelle Eignung eines Unfallereignisses eine derartige Verletzung hervorzurufen. Die Argumentation, der Kläger habe bereits nach ca. zwei Wochen unter HWS-Beschwerden gelitten, trifft schon - wie oben ausgeführt - tatsächlich nicht zu. Im Übrigen ist ein damit begründeter Kausalzusammenhang wissenschaftlich nicht haltbar, weil im Falle einer HWS-Beschleunigungsverletzung diese Beschwerden - wie oben ebenfalls ausgeführt - weitaus früher auftreten. Auch die Tatsache, dass der Kläger vor dem Unfall niemals in Behandlung wegen HWS-Beschwerden war, beweist nicht das Vorliegen einer unfallbedingten HWS-Beschleunigungsverletzung, zumal die Röntgenbilder der HWS nach dem Unfall bereits degenerative Veränderungen der HWS gezeigt haben, was auch Dr. K. und PD Dr. E. so sehen.

PD Dr. E. weist zwar zu Recht darauf hin, dass bei der Erstuntersuchung im Krankenhaus K. schwerlich klinische Befunde und subjektive Beschwerden bezüglich der HWS vorgelegen haben können, weil der Kläger unter Ketanest stand. Allerdings übersieht er, dass Dr. Sch.-N. in seinem neurologischen Befundbericht vom 05.02.2001 durchaus Angaben des Klägers über Schmerzen im Bereich der rechten Schulter und im Rückenbereich dokumentierte, was der Annahme von PD Dr. E. entgegensteht, die Analgetikatherapie hätte Schmerzzustände an der HWS überdeckt. Soweit PD Dr. E. die von Prof. Dr. P. festgestellte Instabilität der HWS als Korrelat für eine ligamentäre und diskale Verletzung ansieht, geht zwar auch der Senat davon aus, dass eine derartige Instabilität durch eine Verletzung der HWS auftreten kann. Sie kann aber auch ohne eine traumatische Schädigung entstehen und ist somit kein Beleg für eine Verletzung der HWS durch den Unfall. Deshalb hat auch PD Dr. E. in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, das beschwerdefreie Intervall sei angesichts der Analgetikatherapie nicht von Bedeutung, in der Sache also eine Überdeckung von bestehenden HWS-Beschwerden zeitnah nach dem Unfall angenommen. Gerade dies trifft - wie dargelegt - nicht zu. Auch PD Dr. H. kann nicht gefolgt werden soweit dieser davon ausgeht, dass es sich im Bereich der HWS um eine posttraumatische Funktionsstörung ohne neurologische Ausfallserscheinungen im Sinne einer HWS-Distorsion nach Quebec Task Force Grad II handle, denn eine HWS-Distorsion nach Quebec Task Force Grad II setzt zeitnah nach dem Unfall auftretende HWS-Beschwerden sowie musculoskeletale Befunde (Bewegungseinschränkung, palpatorische Überempfindlichkeit) voraus. Der Kläger hat aber bei der neurologischen Untersuchung vom 05.02.2001 weder über HWS-Beschwerden geklagt noch war die HWS klinisch auffällig. Nicht gefolgt werden kann PD Dr. H. auch soweit er in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 01.07.2008 schreibt, dass das grundsätzlich auch von ihm für erforderlich gehaltene beschwerdefreie Intervall entfalle, weil es sich beim Kläger um eine Mehrfachverletzung gehandelt habe und zu Beginn die Beschwerden des Oberschenkels sicher im Vordergrund gestanden hätten. Der Senat sieht dies - wie schon dargelegt - wegen der anfänglichen Gabe von Ketanest für den Zeitpunkt der Untersuchung am 30.01.2001 genauso, nicht jedoch für den Zeitpunkt der neurologischen Untersuchung am 05.02.2001, weil dort der Kläger über Schmerzen in der rechten Schulter sowie im Rückenbereich klagte, also HWS-Beschwerden ebenfalls bemerkt und angegeben hätte.

Soweit der Kläger - erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - angibt, frühestens nach fünf bis sieben Tagen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen gehabt zu haben, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen überschreitet auch die danach vorhandene Latenz von mindestens fünf Tagen das nach dem Stand der Wissenschaft für eine positive Kausalitätsbeurteilung allenfalls anzunehmende Intervall von zwei bis drei Tagen (s.o.). Zum anderen ist diese Angabe des Klägers angesichts des verstrichenen Zeitraums und der von ihm auch selbst eingeräumten Erinnerungsschwierigkeiten mit Unsicherheit behaftet und steht im Widerspruch zu den ausdrücklichen Feststellungen von Dr. Sch.-N. anlässlich der neurologischen Untersuchung am 05.02.2001 (HWS klinisch unauffällig), also am sechsten Tag nach dem Unfall.

Die Rotationseinschränkung im linken Hüftgelenk wurde von der Beklagten im Bescheid vom 17.10.2003 als Unfallfolge anerkannt. Hieran muss sie sich festhalten lassen. Es ist deshalb unbeachtlich, wenn Prof. Dr. G. in seinem Befundbericht an die Beklagte vom 06.02.2007 schreibt, die erhebliche rotatorische Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk könne nicht auf eine in Fehlstellung knöchern konsolidierte Oberschenkelschaftfraktur zurückgeführt werden, da bei der navigierten Ultraschallbestimmung der Beingeometrie normwertige intraindividuelle Differenzen diagnostiziert worden seien. Allerdings hat PD Dr. E. in seinem Gutachten vom 21.06.2004 für die Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk lediglich eine MdE von 10 v.H. angenommen und Dr. H. hat für die von ihm als unfallbedingt angesehenen Beschwerden an der Halswirbelsäule sowie die Rotationseinschränkung im Hüftgelenk insgesamt eine MdE von 20 v.H. angenommen, sodass auch nach seiner Einschätzung für die Beschwerden im linken Hüftgelenk eine MdE von weniger als 20 v.H. ab 01.11.2003 anzunehmen ist. Der Oberschenkelschaftbruch war ab 01.11.2003 in achsgerechter Stellung fest durchbaut und bedingt keine MdE, dasselbe gilt für die Mittelfußfrakturen II bis IV (so ausdrücklich PD Dr. E. wegen nur sehr diskreter Zeichen des Funktionsverlustes). Damit wird eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. nicht erreicht. Soweit Dr. K. zu einer anderen Bewertung der MdE gelangt ist, folgt ihm der Senat nicht. Er hat (neben der Bewertung der Bewegungseinschränkung der linken Hüfte mit 15 v.H. und der HWS mit 20 v.H.) die vorhandenen Narben am Kopf, linken Unterarm und der linken Hüfte sowie die Unfallfolgen am linken Fuß mit einer MdE von jeweils 5 v.H. bewertet. Funktionsstörungen für die Narben liegen allerdings nicht vor. Auch Dr. K. beschreibt nur Wetterfühligkeit und Druckdolenz, ansonsten seien die Narben reizlos. Für den linken Fuß hat er Funktionseinschränkungen nicht konkret beschrieben. Für die Beurteilung der MdE maßgebend sind aber ausschließlich Funktionseinschränkungen. Ohnehin wäre eine MdE um 5 v.H. für die Unfallfolgen am linken Fuß zu den Unfallfolgen an der linken Hüfte nicht zu addieren, sodass auch nach der Beurteilung von Dr. K. für die Funktionsstörungen am linken Bein keine rentenrelevante MdE erreicht wird.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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