L 12 AS 5590/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2436/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5590/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30.10.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Kläger wegen der Anrechnung von Vermögen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II - Alg II -) haben.

Die 1951 und 1950 geborenen Kläger sind Eheleute. Sie bewohnen eine 71 qm große Wohnung mit einer Kaltmiete von 450 EUR, hinzu kommen 15 EUR für einen Stellplatz und 60 EUR Betriebskostenvorauszahlung.

Der Kläger bezog bis Mai 2005 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1376,40 EUR.

Am 15.5.2006 stellten die Kläger bei dem Beklagten Antrag auf Alg II. Nach ihren eigenen belegten Angaben im Antrag verfügten sie über folgendes Vermögen: ein Sparbuch des Klägers bei der ING Diba mit einem Guthaben von 32.629,25 EUR, ein Girokonto bei der Postbank mit einem Guthaben von 897,93 EUR und ein Girokonto bei der Landesbank Baden-Württemberg mit einem Guthaben von 63,96 EUR.

Mit Bescheid vom 1.6.2006 lehnte der Beklagte den Antrag wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.8.2006 zurück.

Dagegen haben die Kläger am 4.9.2006 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung ist vorgebracht worden, Inhaber des Sparbuchs bei der ING Diba sei lediglich der Kläger, seiner Ehefrau könnten daher auf Grund dieses Vermögens Leistungen nicht verweigert werden. Außerdem müsse das Sparbuch der Härtefallregelung unterfallen, da die Voraussetzungen für eine gesicherte Altersvorsorge vor Inkrafttreten des SGB II nicht zu erfüllen gewesen seien. Ferner liege auch ein Fall des § 65 Abs. 5 SGB II vor, wonach die Kläger pro Lebensjahr 520 EUR als anrechnungsfreies Vermögen besitzen dürfen.

Auf einen am 26.1.2007 gestellten weiteren Antrag bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21.3.2007 laufende Leistungen nach dem SGB II ab diesem Tag. Vom 1.6. bis 30.9.2007 war der Kläger wieder in Arbeit, ab November 2007 bezogen die Kläger wieder Alg II.

Durch Urteil vom 30.10.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, streitig sei die Ablehnung der Leistungsgewährung im Zeitraum vom 15.5. bis 15.11.2006. In diesem Zeitraum hätten den Klägern keine Ansprüche auf Alg II zugestanden, denn sie seien nicht hilfebedürftig gewesen. Sie hätten nämlich ihren Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Vermögen sichern können. Die Kläger hätten im streitgegenständlichen Zeitraum über Vermögen verfügt, welches die maßgeblichen Freibeträge übersteige.

Die maßgeblichen Freibeträge errechneten sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB II: zwei Grundfreibeträge von je 11.000 EUR (für 55 Lebensjahre je 200 EUR) ferner zwei Freibeträge für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR. Zusammen hätten die Kläger nach § 12 Abs. 2 SGB II in der bis zum 31.7.2000 gültigen Fassung einen gesamten Freibetrag von 23.500 EUR. Bei Anwendung von § 12 Abs. 2 SGB II in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung stünde den Klägern insgesamt nur noch ein Freibetrag in Höhe von 18.000 EUR zu. Die von den Klägern angeführte Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 5 SGB II komme hier nicht zur Anwendung, da sie nur für Personen gelte, die bis zum 1.1.1948 geboren seien, was auf die Kläger nicht zutreffe.

Dem gegenüber stünden Vermögenswerte der Kläger in Höhe von 33.591,14 EUR, wie im Widerspruchsbescheid errechnet. Dabei sei insbesondere das Sparbuch des Klägers zu 2 als verwertbares Vermögen anzusehen. Eine Absetzung vom Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sei hier nicht möglich. Sie komme nur in Betracht für geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienten, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten könne. Dies sei hier nicht der Fall, da der Kläger jederzeit über das Vermögen verfügen könne und gerade kein vertraglicher Verwertungsausschluss vereinbart sei.

Das Vermögen unterfalle auch nicht dem Schutz des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II. Eine besondere Härte liege nach Auffassung der Kammer nicht vor. Eine besondere Härte solle nach der Begründung des Gesetzes zum Beispiel vorliegen können, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweise. Auch wenn mit der Verwertung des Sparbuches das Ziel der Kläger hinsichtlich der erstrebten Altersvorsorge nicht erreicht werden sollte, könnten die Umstände des Einzelfalls einen Verwertungsausschluss nicht rechtfertigen. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Kläger keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erwarten könnten. Die Kläger stünden auch nicht kurz vor dem Rentenalter und könnten sich grundsätzlich als Erwerbsfähige noch eine höhere Altersversorgung aufbauen. Zwar bedeute es für den Betroffenen immer eine Härte, wenn ein angespartes Vermögen, das für die Altersvorsorge bestimmt gewesen sei, vorzeitig zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden müsse. Der Gesetzgeber habe aber den Vermögenseinsatz - von Ausnahmen abgesehen - nicht als besondere Härte angesehen. Weil entgegen der Auffassung der Kläger das Vermögen des Klägers als Ehemann der Klägerin nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II auch bezüglich der Klägerin zu berücksichtigen sei, sei die Ablehnung des Beklagten wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit nicht zu beanstanden.

Gegen dieses am 16.11.2007 zugestellte Urteil haben die Kläger am 26.11.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird im wesentlichen wiederholend vorgebracht, das Guthaben des Klägers stamme aus einer im April 2006 gekündigten Lebensversicherung. Diese sei gekündigt worden, weil infolge von Arbeitslosigkeit und dem Auslaufen des Arbeitslosengeldbezuges die Versicherungsbeiträge nicht mehr hätten entrichtet werden können. Schon auf Grund der Kündigung der Lebensversicherung sei bereits ein hoher finanzieller Verlust eingetreten, da der Rückkaufswert weitaus niedriger gewesen sei als die zu erwartende Versicherungssumme bei Fortführung.

Der Kläger habe auch bereits jetzt mit einer erheblich unter dem üblichen liegenden Rente zu rechnen. Infolge einer Scheidung habe er ca. ein Drittel seines früheren Rentenanspruchs verloren. Derzeit hätte er 778,68 EUR monatliche Rente (nach einer Renteninformationen der DRV Bund bei voller Erwerbsminderung) zu erwarten. Angesichts des Alters der Kläger und bei andauernder Arbeitslosigkeit sei damit zu rechnen, dass keine weiteren Rentenansprüche mehr aufgebaut werden könnten. Auch die Klägerin sei in geringfügigem Maße selbstständig tätig und könne nicht mit erheblichen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung rechnen.

Deswegen müsse hier die Härtevorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II angewandt werden. Jedenfalls wäre aus den genannten Gründen auch eine analoge Anwendung von § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II (geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen) erforderlich und angemessen.

Die Kläger stellen den Antrag,

das Urteil des Sozialgericht Konstanz vom 30.10.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1.6.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.8.2006 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 15.5.2006 bis 15.11.2006 Arbeitslosengeld II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 15.5. bis 15.11.2006, weil sie nicht hilfebedürftig waren.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die hier anzuwendenden Rechtsnormen, insbesondere § 12 SGB II ausführlich und zutreffend zitiert. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Das SG hat auch ausführlich und zutreffend festgestellt, dass die Kläger wegen fehlender Hilfebedürftigkeit im hier maßgeblichen Zeitraum keinen Leistungsanspruch hatten. Der Senat weist nach eigener Überprüfung die Berufung damit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zum Berufungsvorbringen der Kläger ist ergänzend folgendes anzumerken:

Dass das Guthaben auf dem Sparbuch des Klägers aus einer gekündigten Lebensversicherung stammt, kann nicht dazu führen, dass das Guthaben nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vom Vermögen abzusetzen ist. Eine Absetzung nach dieser Rechtsnorm kommt nur für geldwerte Ansprüche in Betracht, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann. Nach den Gesetzesmaterialien soll die Verwertbarkeit durch eine unwiderrufliche Vereinbarung ausgeschlossen sein, die beinhaltet, dass das Vermögen vor dem Erreichen des Ruhestandes weder ausgezahlt, übertragen, verpfändet oder sonstwie genutzt werden kann. Der Kläger hat seine Lebensversicherung jedoch gekündigt und hat so vollumfänglich auf das Vermögen zugreifen können. Dass er möglicherweise auf Grund einer unrichtigen Beratung durch den Versicherungsagenten die Lebensversicherung gekündigt und gerade nicht einen Verwertungsausschluss vereinbart hat, ist hier nicht zu berücksichtigen.

Das SG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Berücksichtigung des Sparvermögens des Klägers keine besondere Härte i. S. von § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II darstellt. Diese Härteregelung stellt auf atypische Fälle ab, bei denen auf Grund einer Gesamtbetrachtung besondere Umstände des Einzelfalles deshalb zu einer besonderen Situation führen, weil die soziale Stellung des Hilfebedürftigen nachhaltig beeinträchtigt ist. Einen solchen atypischen Fall vermag auch der Senat hier nicht zu erkennen. Dies aus folgenden Gründen:

Dass die Kündigung der Lebensversicherung im Hinblick auf die spätere (höhere) Versicherungsleistung einen finanziellen Verlust für die Kläger bedeutet, kann nicht zur Anwendung der Härtefallregelung führen. Der Verlust künftiger Gewinn- und Renditeaussichten durch eine tatsächliche Verwertung ist bei der Anwendung der Härteregelung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

Der Gesetzgeber hat die Härtefallregelung speziell für den Personenkreis der langjährigen Selbstständigen in Betracht gezogen, die deswegen keine ausreichende Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgebaut haben. Da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag aber auf Grund einer Ehescheidung ca. ein Drittel seines früheren Rentenanspruchs verloren hat und daher derzeit lediglich 778,68 EUR an monatliche Rente (wegen voller Erwerbsminderung) zu erwarten hätte, kann er nicht unter diese Härtefallregelung fallen. Der Versorgungsausgleich bei einer Ehescheidung ist gerade keine atypische Situation, die eine Anwendung der Härtefallregelung rechtfertigen könnte.

Die 1950 und 1951 geborenen Kläger standen im maßgeblichen Zeitraum 2006 auch nicht kurz vor dem Rentenalter. Schon die vom 1.6. bis 30.9.2007 ausgeübte Vollzeitbeschäftigung zeigt, dass der Kläger durchaus noch die Möglichkeit hat, seine Rentensituation zu verbessern. Dass der Kläger danach auf zahlreiche Stellenbewerbungen nur Absagen erhalten hat, widerlegt dies nicht.

Die Annahme eines Härtefalls ist auch deswegen nicht möglich, weil die Kläger nicht über unzureichende Rentenansprüche verfügen. Nach den vorgelegten Renteninformationen hatten die Kläger (Stand Ende 2005) bereits Altersrentenanwartschaften in Höhe von 661,65 EUR (Kläger) und 754,97 EUR (Klägerin) erworben. Selbst unter der Voraussetzung, dass bis zum Eintritt des Rentenalters keine weiteren Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung mehr eingezahlt würden, stünden den Klägern damit eine monatliche Altersrente von 1416,62 EUR zu. Damit ist aber eine besondere Härte in der Altersversorgung nicht zu begründen.

Die Berufung der Kläger ist damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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